13

Am folgenden Morgen kam Luke zu einem Entschluss. Er fühlte, dass er mit indirekten Erkundigungen so weit gekommen war, wie er konnte. Es war unvermeidlich, dass er früher oder später gezwungen sein würde hervorzutreten, und dass die Zeit gekommen war, die Schriftstellermaskerade fallen zu lassen und zu enthüllen, dass er mit einem bestimmten Ziel nach Wychwood gekommen war.

Im Zuge dieses Schlachtplans beschloss er, als erste Honoria Waynflete zu besuchen. Die diskrete Art und eine gewisse Scharfsinnigkeit im Ausdruck dieser alten Jungfer hatten nicht nur einen günstigen Eindruck auf ihn gemacht –, er hoffte auch, dass sie ihm noch Interessantes mitteilen könnte, das ihm weiterhelfen würde. Er hatte die deutliche Ahnung, dass die Vermutungen von Miss Waynflete der Wahrheit recht nahe kamen.

Er besuchte sie gleich nach dem Gottesdienst.

Miss Waynflete zeigte keinerlei Überraschung über seinen Besuch. Als sie sich ihm gegenüber niedersetzte, die Hände ordentlich im Schoß gefaltet und die intelligenten Augen – die so sehr denen einer Ziege glichen – auf sein Gesicht gerichtet, fand er es gar nicht schwierig, gleich auf den Zweck seines Besuches zu kommen.

«Ich vermute, Sie haben bereits erraten, Miss Waynflete, dass der Zweck meines Hierseins nicht nur der ist, ein Buch über die hiesigen Gebräuche zu schreiben?»

Miss Waynflete neigte den Kopf und hörte weiter zu.

Luke hatte vorläufig nicht die Absicht, ihr alles zu sagen. Miss Waynflete mochte diskret sein, aber ob man sich darauf verlassen konnte, dass sie der Versuchung widerstehen würde, ein paar guten Freundinnen eine aufregende Geschichte anzuvertrauen, musste zumindest bezweifelt werden. Deshalb hatte er beschlossen, einen Mittelweg einzuschlagen.

«Ich bin hier, um mich über die Umstände zu erkundigen, unter denen der Tod jenes armen Mädchens Amy Gibbs erfolgte.»

Miss Waynflete fragte:

«Heißt das, Sie sind von der Polizei geschickt?»

«O nein – ich bin kein Detektiv in Zivil.» Er fügte mit leichter Ironie hinzu: «Ich fürchte, ich bin der in Romanen so häufig auftretende ‹Detektiv aus Leidenschaft›.»

«Ah, da war es also Bridget Conway, die Sie hierher gebracht hat?»

Luke zögerte einen Augenblick, dann beschloss er, es dabei zu lassen. Ohne die ganze Pinkerton-Geschichte zu erzählen, war es schwer, seine Anwesenheit sonst zu begründen.

Miss Waynflete fuhr indessen fort, warme Bewunderung in der Stimme.

«Bridget ist so praktisch – so tüchtig! Ich fürchte, ich allein hätte meinem Urteil vielleicht misstraut – ich meine, wenn man seiner Sache nicht sicher ist, ist es schwer, sich zu einem entschiedenen Vorgehen zu entschließen.»

«Aber jetzt sind Sie sich sicher, nicht?»

Miss Waynflete sagte ernst:

«Nein, wirklich nicht, Mr Fitzwilliam. Es ist keine Sache, bei der man sicher sein kann! Ich meine, es könnte alles Einbildung sein. Wenn man allein lebt und niemanden hat, mit dem man sich beraten oder besprechen kann, wird man leicht melodramatisch und mag sich Dinge einbilden, die nicht auf Tatsachen gründen.»

Luke stimmte ihr bei, fügte jedoch sanft hinzu:

«Aber in Ihrem Innern sind Sie überzeugt?»

Selbst da zeigte Miss Waynflete noch ein gewisses Widerstreben.

«Wir reden nicht aneinander vorbei, hoffe ich?» fragte sie zögernd.

Luke lächelte.

«Sie wollen, dass ich es geradeheraus sage? Schön, Sie glauben doch, dass Amy Gibbs ermordet wurde?»

Honoria Waynflete zuckte ein wenig zusammen angesichts dieser unverblümten Worte.

«Ich habe ein ganz ungutes Gefühl im Hinblick auf ihren Tod. Die ganze Sache ist meiner Meinung nach durchaus unbefriedigend.»

Luke sagte geduldig:

«Sie glauben, dass ihr Tod kein natürlicher war?»

«Ja, so ist es.»

«Sie glauben auch nicht, dass es ein unglücklicher Zufall war?»

«Das erscheint mir äußerst unwahrscheinlich. Es gibt so viele – »

Luke unterbrach sie.

«Sie glauben nicht, dass es Selbstmord war?»

«Entschieden nicht.»

«Dann», sagte Luke sanft, «glauben Sie also doch, dass es ein Mord war?»

Miss Waynflete zögerte, schluckte und brachte schließlich heraus:

«Ja. Das glaube ich!»

«Gut. Dann können wir weitermachen.»

«Aber ich habe wirklich keine Beweise, auf die ich meine Überzeugung gründen könnte», erklärte Miss Waynflete ängstlich. «Es ist nur eine Idee!»

«Ganz recht. Dies ist eine private Unterhaltung; wir sprechen nur aus, was wir denken und was für einen Verdacht wir haben. Wir haben den Verdacht, dass Amy Gibbs ermordet wurde. Wer, denken wir, hat sie ermordet?»

Miss Waynflete schüttelte den Köpf. Sie sah sehr bekümmert aus.

Luke, der sie beobachtete, fragte:

«Wer hatte Grund, sie umzubringen?»

Miss Waynflete erwiderte langsam:

«Sie hatte mit ihrem jungen Mann von der Garage, Jim Harvey, Streit gehabt, glaube ich – er ist ein sehr solider, netter junger Mensch. Ich weiß, man liest oft in der Zeitung von jungen Männern, die über ihre Mädchen herfallen und ähnliche grässliche Sachen, aber ich kann wirklich nicht glauben, dass Jim so etwas tun würde.»

Luke nickte.

Miss Waynflete fuhr fort:

«Außerdem kann ich nicht glauben, er würde es auf diese Art tun; zum Fenster hinaufklettern und eine Flasche Gift statt des Hustensaftes hinstellen. Ich meine, das passt nicht…» Luke kam ihr zu Hilfe, als sie zögerte.

«Es ist nicht die Tat eines wütenden Liebhabers. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich denke, wir können Jim Harvey ganz streichen. Amy wurde von jemandem umgebracht (darin stimmen wir ja überein, dass sie umgebracht wurde!, der sie aus dem Weg haben wollte, der das Verbrechen sorgfältig so geplant hat, dass es wie ein Unglücksfall aussah –, wer könnte das sein?»

«Nein – wirklich – nein, ich habe nicht die leiseste Ahnung!»

«Sicher nicht?»

«N-nein – nein, wirklich nicht.»

Luke sah sie nachdenklich an. Die Verneinung, spürte er, hatte nicht ganz aufrichtig geklungen.

«Sie wissen keinen Grund?»

«Absolut keinen Grund.»

Das klang überzeugter.

«Hatte sie viele Stellen in Wychwood gehabt?»

«Sie war ein Jahr lang bei den Hortons, bevor sie zu Lord Whitfield ging.»

Luke fasste nun zusammen.

«Die Sache steht also so: Jemand wollte dieses Mädchen aus dem Weg haben. Aus den gegebenen Tatsachen folgern wir, dass es – erstens – ein Mann war, und zwar ein Mann von etwas altmodischer Anschauungsweise (wie die Hutfarbe zeigt), und zweitens, dass es ein ziemlich kräftiger Mann gewesen sein muss, da klar ist, dass er über das Nebengebäude zum Fenster des Mädchens geklettert sein muss. Stimmen Sie mir in diesen Punkten zu?»

«Vollkommen», sagte Miss Waynflete.

«Haben Sie etwas dagegen, wenn ich es mal selbst versuche?»

«Nicht das Mindeste. Ich finde, das ist eine sehr gute Idee.» Sie führte ihn zu einer Seitentür hinaus und in den hinteren Hof. Luke gelang es, das Dach des Nebengebäudes ohne viel Mühe zu erreichen. Von dort konnte er leicht das Fenster des Mädchens raufschieben und sich ohne größere Anstrengung ins Zimmer schwingen. Ein paar Minuten später war er wieder unten bei Miss Waynflete und wischte sich die Hände an seinem Taschentuch ab.

«Es ist tatsächlich leichter, als es aussieht», sagte er. «Man braucht nur wenig Muskelkraft dazu. Es waren keine Spuren auf dem Fenstersims oder draußen?»

Miss Waynflete schüttelte den Kopf.

«Ich glaube nicht. Aber natürlich ist der Polizist hinaufgeklettert.»

«So dass etwaige Spuren für die seinen gehalten worden wären! Die Polizei dein Freund und Helfer!»

Miss Waynflete ging voraus ins Haus zurück.

«Hatte Amy Gibbs einen festen Schlaf?»

Miss Waynflete erwiderte säuerlich:

«Es war außerordentlich schwer, sie früh zum Aufstehen zu bewegen. Oft pochte ich immer wieder an ihre Tür und rief ihren Namen, ehe sie antwortete. Aber Sie kennen das Sprichwort, Mr Fitzwilliam, niemand ist so taub, wie der, der nicht hören will!»

«Wie wahr», bestätigte Luke. «Und nun, Miss Waynflete, kommen wir zur Frage des Motivs. Wenn wir mit dem Augenscheinlichsten beginnen: Glauben Sie, dass etwas zwischen diesem Ellsworthy und dem Mädchen war?» Er fügte hastig hinzu: «Ich frage Sie nur nach Ihrer Meinung.»

«Wenn es nur Meinungssache ist, würde ich sagen ja.»

Luke nickte.

«Würde – Ihrer Ansicht nach – das Mädchen vor einer kleinen Erpressung zurückgeschreckt sein?»

«Vermutlich nicht.»

«Wissen Sie vielleicht zufällig, ob sie zur Zeit ihres Todes viel Geld hatte?»

Miss Waynflete überlegte.

«Ich glaube nicht. Wenn sie einen außergewöhnlichen Betrag gehabt hätte, wäre mir das gewiss nicht verborgen geblieben.»

«Und sie war auch nicht auffallend verschwenderisch, bevor sie starb?»

«Ich glaube nicht.»

«Das spricht so ziemlich gegen die Erpressungstheorie. Das Opfer zahlt gewöhnlich einmal, ehe es die letzte Maßnahme ergreift. Dann bliebe noch eine Annahme: Sie hat etwas gewusst.»

«In welcher Art?»

«Sie könnte etwas gewusst haben, das jemandem in Wychwood gefährlich hätte werden können. Nehmen wir einen rein hypothetischen Fall. Sie war hier in verschiedenen Häusern im Dienst. Gesetzt den Fall, sie hätte da etwas in Erfahrung gebracht, das jemandem, zum Beispiel Mr Abbot, beruflich schaden könnte.»

«Mr Abbot?»

Luke sagte rasch:

«Oder irgendeine Nachlässigkeit oder Unkorrektheit vonseiten Dr. Thomas’.»

Miss Waynflete begann: «Aber sicherlich…», und hielt dann inne.

Luke fuhr fort:

«Amy Gibbs war Hausmädchen, sagten Sie, bei Hortons, zur Zeit als Mrs Horton starb.»

Es entstand eine kleine Pause, dann sagte Miss Waynflete: «Möchten Sie mir nicht sagen, Mr Fitzwilliam, warum Sie die Hortons da hereinbringen? Mrs Horton starb vor über einem Jahr.»

«Ja, und Amy war damals dort.»

«Ja so. Was haben die Hortons damit zu tun?»

«Ich weiß nicht. Es ist mir nur so eingefallen. Mrs Horton starb an akuter Gastritis, nicht wahr?»

«Ja.»

«Kam ihr Tod unerwartet?»

Miss Waynflete sagte langsam:

«Für mich schon; denn, sehen Sie, es ging ihr schon viel besser – sie schien auf dem Weg der Genesung, und dann hatte sie einen plötzlichen Rückfall und starb.»

«War Dr. Thomas überrascht?»

«Ich weiß nicht. Ich glaube, ja.»

«Und die Pflegerinnen, was sagten die?»

«Meiner Erfahrung nach», sagte Miss Waynflete, «sind Pflegerinnen nie überrascht, wenn ein Fall eine schlimme Wendung nimmt! Nur Genesung überrascht sie.»

«Aber ihr Tod überraschte Sie?» beharrte Luke.

«Ja. Ich war erst am Tage vorher bei ihr gewesen, und es schien ihr viel besser zu gehen, sie hatte geplaudert und war ganz heiter gewesen.»

«Wie dachte sie über ihre Krankheit?»

«Sie klagte, dass die Pflegerinnen sie vergifteten! Eine hatte sie schon weggeschickt, aber sie sagte, diese beiden seien genauso schlimm.»

«Ich vermute, Sie haben dem nicht viel Beachtung geschenkt?»

«Nein, ich dachte, das sei alles ihrer Krankheit zuzuschreiben. Sie war auch sonst eine sehr misstrauische Frau und – es ist vielleicht unfreundlich, das zu sagen – sie machte sich gern wichtig; kein Arzt habe je ihren Fall verstanden – und es war nie etwas Einfaches – es musste entweder eine sehr geheimnisvolle Krankheit sein oder ‹jemand wollte sie aus dem Weg haben›.»

Luke bemühte sich, seine nächsten Worte möglichst beiläufig klingen zu lassen.

«Sie verdächtigte ihren Mann nicht des Versuchs, sie aus dem Weg zu räumen?»

«O nein, diese Idee kam ihr nie!»

Miss Waynflete zögerte einen Augenblick, dann fragte sie ruhig:

«Das denken Sie?»

Luke sagte langsam:

«Ehemänner haben das schon öfter getan und sind nicht erwischt worden. Mrs Horton war nach allem, was ich so gehört habe, eine Frau, die jeder Mann gern losgewesen wäre! Und durch ihren Tod soll er auch einiges geerbt haben.»

«Ja, das stimmt.»

«Was denken Sie, Miss Waynflete?»

«Sie wollen meine Ansicht hören?»

«Ja, nur Ihre Ansicht.»

Miss Waynflete sagte ruhig und bedachtsam:

«Meiner Ansicht nach war Major Horton seiner Frau ganz ergeben und hätte sich so etwas nicht im Traum einfallen lassen.»

Luke sah sie an und empfing einen sanften Blick, der nicht schwankte, als Erwiderung.

«Nun», sagte er, «vermutlich haben Sie recht. Sie wüssten es wahrscheinlich, wenn es anders wäre.»

Miss Waynflete gestattete sich ein Lächeln.

«Wir Frauen sind gute Beobachter, meinen Sie?»

«Absolut erstklassig. Hätte Miss Pinkerton wohl mit Ihnen übereingestimmt, glauben Sie?»

«Ich hörte Lavinia nie eine Meinung äußern, soweit ich mich erinnere.»

«Was dachte sie über Amy Gibbs?»

Miss Waynflete zog die Stirn nachdenklich zusammen. «Das ist schwer zu sagen. Lavinia hegte eine seltsame Idee.»

«Was für eine Idee?»

«Sie dachte, dass in Wychwood etwas Merkwürdiges vorginge.»

«Sie dachte zum Beispiel, dass jemand Tommy Pierce aus jenem Fenster gestoßen habe?»

Miss Waynflete starrte ihn erstaunt an.

«Woher wissen Sie das, Mr Fitzwilliam?»

«Sie sagte es mir. Nicht in eben diesen Worten, aber dem Sinn nach.»

Miss Waynflete beugte sich mit vor Erregung geröteten Wangen vor.

«Wann war das, Mr Fitzwilliam?»

Luke sagte ruhig: «An dem Tag, an dem sie getötet wurde. Wir reisten miteinander nach London.»

«Was genau sagte sie Ihnen?»

«Sie erklärte mir, dass zu viele Todesfälle in Wychwood gewesen seien. Sie erwähnte Amy Gibbs, Tommy Pierce und Carter. Sie sagte auch, dass Dr. Humbleby der nächste sein würde, der drankäme.»

Miss Waynflete nickte langsam.

«Hat sie Ihnen gesagt, wer dafür verantwortlich ist?»

«Ein Mann mit einem gewissen Blick in den Augen», sagte Luke grimmig. «Einem Blick, der nicht misszuverstehen war, sagte sie. Sie hatte jenen Blick in seinen Augen gesehen, während er mit Humbleby sprach. Deshalb sagte sie, Humbleby würde der nächste sein.»

«Und er war es», flüsterte Miss Waynflete. «O Gott, o Gott!» Sie lehnte sich tief betroffenen Blicks zurück.

«Wer war der Mann?» sagte Luke. «Reden Sie, Miss Waynflete, Sie wissen es, Sie müssen es wissen!»

«Ich weiß es nicht. Sie hat mir nichts gesagt!»

«Aber Sie können es erraten», meinte Luke eifrig. «Sie wissen sicher genau, an wen sie dachte.»

Widerstrebend neigte Miss Waynflete den Kopf.

«Dann sagen Sie es mir.»

Aber Miss Waynflete schüttelte energisch den Kopf.

«Nein, gewiss nicht. Sie verlangen von mir, dass ich etwas tue, was im höchsten Grad ungehörig ist! Sie verlangen, ich soll erraten, was vielleicht – nur vielleicht, merken Sie wohl! – eine Freundin, die nun tot ist, im Sinn hatte. Eine derartige Anklage könnte ich nicht erheben!»

«Es wäre keine Anklage – nur eine Vermutung.»

Aber Miss Waynflete blieb unerwartet fest.

«Ich habe nichts, an das ich mich halten könnte. Lavinia hat mir tatsächlich nie etwas gesagt. Ich mag denken, dass sie eine gewisse Vermutung hatte – aber sehen Sie, ich kann ja auch vollkommen unrecht haben. Und dann hätte ich Sie irregeführt, und es könnte vielleicht schlimme Folgen haben. Es wäre sehr schlecht und unrichtig von mir, einen Namen zu nennen. Und ich kann ja ganz, ganz unrecht haben! Tatsächlich habe ich wahrscheinlich unrecht!»

Und Miss Waynflete presste ihre Lippen fest aufeinander und schaute Luke mit grimmiger Entschlossenheit an. Luke verstand es, sich geschlagen zu geben.

Er machte sich klar, dass Miss Waynfletes redlicher Sinn und noch etwas, das ihm vorläufig schleierhaft war, sich gegen ihn verbündeten.

Also akzeptierte er seine Niederlage mit Anstand und erhob sich, um sich zu empfehlen. Er hatte wohl die Absicht, später auf den Gegenstand zurückzukommen, hütete sich jedoch, durch sein Benehmen etwas von diesem Vorsatz zu verraten. «Sie müssen natürlich tun, was Sie für richtig halten», sagte er. «Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.»

Miss Waynflete schien ein wenig von ihrer Sicherheit einzubüßen, während sie ihn zur Türe begleitete.

«Ich hoffe, Sie denken nicht…», begann sie, ließ ihren Satz aber unvollendet und fuhr fort: «Wenn ich Ihnen in irgendetwas anderem helfen kann, bitte, bitte, lassen Sie es mich wissen.»

«Gewiss. Sie werden unser Gespräch für sich behalten?»

«Natürlich. Ich werde niemandem ein Wort sagen.»

Luke hoffte, dass das wahr sein würde.

«Grüßen Sie mir Bridget herzlich», sagte Miss Waynflete. «Sie ist ein schönes Mädchen, nicht? Und dabei so gescheit! Ich – ich hoffe, sie wird glücklich werden.»

Und als Luke sie fragend ansah, fügte sie hinzu:

«Mit Lord Whitfield, meine ich; so ein großer Altersunterschied!»

«Ja, freilich.»

Miss Waynflete seufzte.

«Sie wissen, dass ich einmal mit ihm verlobt war?» sagte sie unerwartet.

Luke starrte sie erstaunt an. Sie nickte mit dem Kopf und lächelte etwas wehmütig.

«Vor langer Zeit. Er war ein so vielversprechender Junge. Ich hatte ihm geholfen, wissen Sie, seine Erziehung zu vollenden. Und ich war stolz auf seinen – seinen Unternehmungsgeist und seine Entschlossenheit, Erfolg zu haben.»

Sie seufzte wieder.

«Meine Leute waren natürlich sehr dagegen; in jenen Tagen waren Standesunterschiede noch sehr stark ausgeprägt.» Nach einem Weilchen fügte sie hinzu: «Ich habe seinen Aufstieg immer mit großem Interesse verfolgt. Meine Leute hatten unrecht, glaube ich.»

Dann nickte sie ihm mit einem Lächeln noch ein Lebewohl zu und ging ins Haus zurück.

Luke versuchte seine Gedanken zu sammeln. Er hatte Miss Waynflete einfach als «alt» eingeordnet. Nun machte er sich klar, dass sie, wie Lord Whitfield, wohl erst Anfang bis Mitte fünfzig war. Sie war vielleicht ein oder zwei Jahre älter als er, nicht mehr.

Und er würde Bridget heiraten. Bridget, die achtundzwanzig war. Bridget, die jung und lebendig war…

«Oh, verflucht», sagte Luke. «Ich will nicht mehr daran denken – nur an meine Aufgabe!»

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