Die Vorigen. Sophie.
Sophie (beim Anblick Dorsigny's stutzend). Ah! mein Vater-Fr. v. Dorsigny. Nun, was ist dir? Fuerchtest du dich, deinen Vater zu umarmen?
Dorsigny (nachdem er sie umarmt, fuer sich). Sie haben's doch gar gut, diese Vaeter! Alles umarmt sie!
Fr. v. Dorsigny. Du weisst wohl noch nicht,. Sophie, dass ein ungluecklicher Zufall deine Heirath getrennt hat?
Sophie. Welcher Zufall?
Fr. v. Dorsigny. Herr von Lormeuil ist todt.
Sophie. Mein Gott!
Dorsigny (hat sie mit den Augen fixiert). Ja, nun-was sagst du dazu, meine Sophie?
Sophie. Ich, mein Vater?-Ich beklage diesen ungluecklichen Mann von Herzen-aber ich kann es nicht anders als fuer ein Glueck ansehen, dass-dass sich der Tag verzoegert, der mich von Ihnen trennt.
Dorsigny. Aber, liebes Kind! wenn du gegen diese Heirath-etwas einzuwenden hattest, warum sagtest du uns nichts davon? Wir denken ja nicht daran, deine Neigung zwingen zu wollen.
Sophie. Das weiss ich, lieber Vater-aber die Schuechternheit-Dorsigny. Weg mit der Schuechternheit! Rede offen! Entdecke mir dein Herz.
Fr. v. Dorsigny. Ja, mein Kind! Hoere deinen Vater! Er meint es gut, er wird dir gewiss das Beste rathen.
Dorsigny. Du hasstest also diesen Lormeuil zum Voraus-recht herzlich?
Sophie. Das nicht-aber ich liebte ihn nicht.
Dorsigny. Und du moechtest Keinen heirathen, als den du wirklich liebst?
Sophie. Das ist wohl natuerlich.
Dorsigny. Du liebst also-einen Andern?
Sophie. Das habe ich nicht gesagt.
Dorsigny. Nun, nun, beinahe doch-Heraus mit der Sprache! Lass mich alles wissen.
Fr. v. Dorsigny. Fasse Muth, mein Kind! Vergiss, dass es dein Vater ist, mit dem du redest.
Dorsigny. Bilde dir ein, dass du mit deinem besten, deinem zaertlichsten Freunde spraechest-und Der, den du liebst. weiss er, dass er geliebt wird?
Sophie. Behuete der Himmel! Nein.
Dorsigny. Ist's noch ein junger Mensch?
Sophie. Ein sehr liebenswuerdiger junger Mann, und der mir darum doppelt werth ist, weil Jedermann findet, dass er Ihnen gleicht-ein Verwandter von uns, der unsern Namen fuehrt-Ach! Sie muessen ihn errathen.
Dorsigny. Noch nicht ganz, liebes Kind!
Fr. v. Dorsigny. Aber ich errathe ihn! Ich wette, es ist ihr Vetter, Franz Dorsigny.
Dorsigny. Nun, Sophie, du antwortest nichts?
Sophie. Billigen Sie meine Wahl?
Dorsigny (seine Freude unterdrueckend, fuer sich). Wir muessen den Vater spielen-Aber mein Kind-das muessen wir denn doch bedenken.
Sophie. Warum bedenken? Mein Vetter ist der beste, verstaendigste-Dorsigny. Der? Ein Schwindelkopf ist er, ein Wildfang, der in den zwei Jahren, dass er weg ist, nicht zweimal an seinen Onkel geschrieben hat.
Sophie. Aber mir hat er desto fleissiger geschrieben, mein Vater!
Dorsigny. So? hat er das? Und du hast ihm wohl-frischweg geantwortet? Hast du? Nicht?
Sophie. Nein, ob ich gleich grosse Lust dazu hatte.-Nun, Sie versprachen mir ja diesen Augenblick, dass Sie meiner Neigung nicht entgegen sein wollten-Liebe Mutter, reden Sie doch fuer mich.
Fr. v. Dorsigny. Nun, nun, gib nach, lieber Dorsigny-Es ist da weiter nichts zu machen-und gesteh nur, sie haette nicht besser waehlen koennen.
Dorsigny. Es ist wahr, es laesst sich Manches dafuer sagen-Das Vermoegen ist von beiden Seiten gleich, und gesetzt, der Vetter haette auch ein bisschen leichtsinnig gewirthschaftet, so weiss man ja, die Heirath bringt einen jungen Menschen-schon in Ordnung-Wenn sie ihn nun ueberdies lieb hat-Sophie. O recht sehr, lieber Vater!-Erst in dem Augenblicke, da man mir den Herrn von Lormeuil zum Gemahl vorschlug, merkte ich, dass ich dem Vetter gut sei-so was man gut sein nennt-Und wenn mir der Vetter nun auch wieder gut waere-Dorsigny. (feurig). Und warum sollte er das nicht, meine theuerste-(sich besinnend) meine gute Tochter!-Nun wohl! Ich bin ein guter Vater und ergebe mich.
Sophie. Ich darf also jetzt an den Vetter schreiben?
Dorsigny. Was du willst-(Fuer sich.) Wie huebsch spielt sich's den Vater, wenn man so allerliebste Gestaendnisse zu hoeren bekommt.