13

Nicht oft im Leben steht ein Mensch an der Schwelle der Ewigkeit; als ich jedoch jene Worte in dem Keller des Eastends sprach, fühlte ich nur zu deutlich, dass es meine letzten Worte auf Erden sein würden. Bei dem Gedanken an jenes dunkle, rauschende Wasser dort unten schnürte sich alles in mir zusammen, und ich vergegenwärtigte mir im Voraus den Schrecken des atemberaubenden Falles.

In diesem Moment tönte zu meinem nicht geringen Erstaunen ein leises Lachen in meine Ohren, und ich öffnete die Augen. Einem Wink des Mannes auf dem Diwan gehorchend, brachten mich meine beiden Henker zurück vor ihren Herrn.

«Sie sind ein tapferer Mann, Hauptmann Hastings», bemerkte er, «wir aus dem Osten wissen solche Tapferkeit zu schätzen. Ich möchte sogar sagen, ich erwartete nichts anderes von Ihnen. Das bringt uns nun zu dem zweiten Akt unseres kleinen Dramas. Ihrem eigenen Tode haben Sie bereits ins Auge gesehen, wollen Sie ihm auch ins Auge sehen, wenn er für jemand anders bestimmt ist?»

«Wie meinen Sie das?», fragte ich heiser, wobei mich eine schreckliche Angst überkam.

«Sie haben sicherlich die Dame nicht vergessen, die sich in unserer Gewalt befindet.»

Ich starrte ihn in dumpfer Verzweiflung an.

«Ich denke, Sie werden jenen Brief doch schreiben, Hauptmann Hastings. Sehen Sie, ich habe bereits ein Telegrammformular vor mir. Die Worte, die es enthalten wird, hängen ganz von Ihnen ab, und sie bedeuten entweder Tod oder Leben für Ihre Frau.»

Auf meiner Stirn brach der Angstschweiß aus, während mein Peiniger liebenswürdig lächelnd mit eisiger Kälte fortfuhr.

«Hier, die Feder liegt bereit, Sie haben nur zu schreiben. Falls Sie dies nicht tun…»

«Was dann?», rief ich aus.

«Dann wird die Dame, die Ihnen am Herzen liegt, sterben, und zwar eines sehr langsamen Todes. Mein Meister, Li Chang Yen, vergnügt sich in seinen Mußestunden damit, neue und sinnreiche Methoden von Torturen zu ergründen…»

«Mein Gott», schrie ich, «Sie Unmensch, alles, nur dies dürfen Sie nicht tun!»

«Soll ich Ihnen einige dieser neckischen Kleinigkeiten einmal beschreiben?»

Ohne meine Protestrufe zu beachten, fuhr er fort – gleichmäßig und gelassen –, bis ich mir mit einem Schreckensruf beide Ohren zuhielt.

«Ich sehe, das genügt Ihnen bereits. So nehmen Sie die Feder und schreiben Sie.»

«Wagen Sie es nur…»

«Ihre Einwände sind vollkommen nutzlos, und Sie wissen es selbst am besten. Nehmen Sie deshalb die Feder und schreiben Sie!»

«Und wenn ich es tue?»

«Dann ist Ihre Gattin frei, und das Telegramm wird sofort abgesandt.»

«Und wie kann ich sicher sein, dass Sie kein falsches Spiel mit mir treiben?»

«Ich schwöre es bei den geheiligten Gräbern meiner Vorfahren. Abgesehen davon, urteilen Sie selbst: warum sollte ich Ihrer Frau Böses zufügen? Ihre Gefangennahme hat ihren Zweck völlig erfüllt.»

«Und – und Poirot?»

«Wir werden ihn in sicherem Gewahrsam behalten, bis wir unsere geplanten Operationen durchgeführt haben. Dann werden wir ihn wieder freilassen.»

«Werden Sie das ebenfalls bei den Gräbern Ihrer Vorfahren beschwören?»

«Ich habe Ihnen bereits einen Schwur geleistet – und das wird genügen.»

Ich befand mich in einer verzweifelten Lage und war im Begriff, meinen Freund zu hintergehen – für einen Moment zögerte ich – dann erschien die schreckliche Alternative wie ein Albtraum vor meinen Augen. Cinderella, in den Händen dieser chinesischen Teufel, musste sterben nach langsamer Marter. Ein Stöhnen entrang sich meinen Lippen, und ich ergriff die Feder. Vielleicht konnte ich, bei sorgfältiger Wahl des Textes, eine versteckte Warnung durchblicken lassen, so dass Poirot zwischen den Zeilen lesen konnte. Es war meine letzte Hoffnung. Aber dieser Hoffnungsschimmer war nicht von Dauer. Des Chinesen Stimme ertönte sanft und höflich: «Gestatten Sie mir, Ihnen zu diktieren.»

Er hielt inne, griff zu einem Blatt Papier, das in Reichweite lag, und diktierte Folgendes:


«Mein lieber Poirot, ich glaube, Nummer vier endlich auf der Spur zu sein. Ein Chinese kam heute Nachmittag zu uns und lockte mich mit einer fingierten Nachricht hierher. Glücklicherweise durchschaute ich dies rechtzeitig und entwischte ihm. Dann drehte ich den Spieß um und konnte es so einrichten, ihn auf meine Art zu beschatten, und zwar, wie ich mir schmeichle, auf ganz raffinierte Weise. Ich beauftrage nun einen Straßenjungen, dir diese Nachricht zu überbringen. Gib ihm bitte eine halbe Krone. Ich beobachte indessen hier das Haus und kann meinen Posten nicht verlassen. Bis sechs Uhr abends werde ich auf dich warten, falls du bis dahin nicht gekommen bist, will ich allein versuchen, mir Eingang zu verschaffen. Es ist eine gute Gelegenheit, die nicht versäumt werden darf. Zwar besteht die Möglichkeit, dass der Junge dich nicht antrifft, solltest du es aber irgendwie möglich machen können, so lasse dich unverzüglich hierher bringen. Und bedecke deinen unverkennbaren Schnurrbart, falls man dich vom Hause aus beobachtet und dich dann erkennt. In Eile

Dein A.H.»


Jedes Wort, das ich schrieb, stürzte mich in immer größere Verzweiflung; die Sache war wahrhaftig teuflisch ausgeklügelt. Ich war mir darüber klar, dass unsere Gegner in unsere häusliche Gemeinschaft bis in die kleinste Einzelheit eingeweiht waren. Die Nachricht war in allen ihren Teilen so gehalten, dass sie von mir selbst stammen konnte. Der Umstand, dass ein Chinese am Nachmittag gekommen war, um mich fortzulocken, wurde erhärtet durch den Hinweis auf die vier Bände, die ich am Boden verstreut hatte. Dass es sich um eine Falle handelte, die ich bereits durchschaut hatte, würde Poirot zweifellos zur Gewissheit werden. Desgleichen war die gewählte Zeit im Voraus geplant. Poirot würde beim Empfang meiner Nachricht gerade Zeit genug haben, mit dem harmlos aussehenden Boten eiligst davonzustürzen, dessen war ich gewiss. Mein Entschluss, das Haus allein zu betreten, würde ihn darin bestärken, keine Zeit zu verlieren. Er zweifelte ohnehin stets an meinen Fähigkeiten und würde überzeugt sein, dass ich mich in eine Situation bringen würde, der ich nicht gewachsen war. Aus diesem Grunde würde er nichts unversucht lassen, rechtzeitig eingreifen zu können.

Ich sah also keinen anderen Ausweg und schrieb, wie mir geheißen. Mein Peiniger nahm die Mitteilung in Empfang, las sie durch, nickte anerkennend mit dem Kopf und übergab sie schweigend einem Diener, der damit hinter den seidenen Vorhängen, die den Eingang verdeckten, verschwand.

Mit einem Lächeln ergriff mein Gegenüber ein Telegrammformular und schrieb. Er übergab es mir:


«Der weiße Vogel ist so schnell wie möglich freizulassen!»


Ein Seufzer der Erleichterung entschlüpfte mir. «Sie werden es doch unverzüglich aufgeben», drängte ich.

Er lächelte und schüttelte den Kopf.

«Wenn Hercule Poirot sich in meinen Händen befindet, dann wird es abgesandt, früher nicht.»

«Aber Sie haben mir Ihr Versprechen gegeben…»

«Wenn unser Plan fehlschlägt, würde ich unseren weißen Vogel noch weiter benötigen und Sie dann nochmals bemühen müssen.»

Ich erbleichte vor Zorn.

«Mein Gott, wenn Sie…»

Er winkte mit seiner schmalen, gelben Hand ab.

«Seien Sie beruhigt, ich glaube nicht, dass es fehlschlagen kann. In dem Moment aber, in welchem Hercule Poirot sich in meiner Gewalt befindet, will ich mein gegebenes Versprechen halten.»

«Wenn Sie nicht doch noch ein falsches Spiel treiben!»

«Ich habe es nun einmal geschworen bei meinen verehrten Vorfahren. Haben Sie deshalb keine Bedenken, und ruhen Sie sich einstweilen hier etwas aus, meine Diener werden sich während meiner Abwesenheit um Sie kümmern.»

Ich wurde in dieser unterirdischen luxuriösen Umgebung mir selbst überlassen. Einer der Diener war wieder erschienen. Man brachte mir Speisen und Getränke und nötigte mich, zuzulangen, doch lehnte ich ab. Ich war traurig und niedergeschlagen bis zum tiefsten Grunde meines Herzens.

Nach kurzer Zeit kehrte unvermutet mein Peiniger zurück, groß und stattlich in seinen weißen Gewändern, und gab Anweisungen. Auf seinen Befehl wurde ich durch den Keller und den Tunnel in das Haus zurückgeleitet, das ich zuerst betreten hatte. Dort führte man mich zu einem ebenerdigen Zimmer. Die Fenster waren mit Sonnenblenden von außen geschlossen, jedoch konnte man durch die Schlitze auf die Straße sehen. Ein alter, zerlumpter Mann humpelte an der gegenüberliegenden Straßenseite entlang, und als ich sah, dass er ein Zeichen zu unseren Fenstern hin machte, wusste ich, dass er einer der auf Wache befindlichen Helfershelfer war.

«Alles in bester Ordnung», sagte der vornehme Chinese. «Hercule Poirot ist in die Falle gegangen. Er nähert sich bereits dem Hause, und zwar allein, abgesehen von dem Jungen, der ihn hierher führt. Nun, Hauptmann Hastings, haben Sie noch eine weitere Rolle zu spielen. Wenn Sie sich nicht zeigen, wird er das Haus nicht betreten. Wenn er sich also gegenüber dem Hause befindet, müssen Sie sich unter der Tür zeigen und ihn hereinwinken.»

«Auch das noch!», rief ich empört.

«Sie spielen Ihre Rolle ganz allein; denken Sie daran, was auf dem Spiele steht, wenn es schief geht. Sofern Hercule Poirot Verdacht schöpft und das Haus nicht betritt, stirbt Ihre Frau eines langsamen, qualvollen Todes. Ah, da ist er ja.»

Mit klopfendem Herzen und einem schrecklichen Gefühl der Übelkeit sah ich durch den Schlitz der Holzblenden. In der Person auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkannte ich meinen Freund sofort, obgleich er den Kragen hochgeschlagen hatte und ein großer gelber Schal den unteren Teil seines Gesichtes verbarg. Aber es konnte kein Zweifel bestehen, dass er es war, mit seinem unverkennbaren Gang und dem eiförmigen Kopf. Es war Poirot, der mir in gutem Glauben zu Hilfe kam und nichts Schlechtes ahnte. An seiner Seite ging ein typischer Londoner Gassenjunge, mit schmutzigem Gesicht und zerlumpter Kleidung. Poirot hielt inne und sah zum Haus herüber, während der Junge eifrig auf ihn einredete und auf das Haus hinwies. Für mich war die Zeit zum Handeln gekommen, und ich begab mich in den Hausgang. Auf ein Zeichen des großen Chinesen entriegelte einer der Diener die Tür.

«Denken Sie an die Folgen, wenn es fehlschlägt», sagte mein Peiniger mit leiser Stimme.

Alsbald befand ich mich auf den Stufen vor dem Haus und winkte zu Poirot hinüber. Er kam eilends auf mich zu.

«Aha, so ist also alles in Ordnung bei dir, mein Freund, ich begann mich schon um dich zu sorgen. Offensichtlich hast du dir schon Zutritt verschafft; ist das Haus denn leer?»

«Ja», sagte ich mit einer Stimme, die so natürlich wie möglich klingen sollte. «Es muss irgendwo ein geheimer Ausgang vorhanden sein; komm herein und lass uns danach suchen.» Ich trat auf die Schwelle, während Poirot sich in völliger Unbefangenheit anschickte, mir zu folgen.

Und dann begann etwas in meinem Kopf blitzartig umzuschalten. Ich sah nur zu deutlich, welch falsches Spiel ich trieb, die Rolle eines Judas.

«Zurück, Poirot!», schrie ich. «Zurück, wenn dir dein Leben lieb ist, du bist in einer Falle, kümmere dich nicht um mich, nur schnell fort!»

Während ich noch sprach, vielmehr meine Warnung hinausschrie, griffen bereits Hände wie Schraubstöcke nach mir. Einer der chinesischen Diener sprang an mir vorbei, um sich auf Poirot zu stürzen.

Ich sah ihn noch zurückspringen, seinen Arm erheben – dann eine dichte Rauchwolke, die mich fast erstickte, nahezu tötete. Ich fühlte, dass ich umsank und nicht mehr atmen konnte – so also sah das Ende aus…

Langsam und unter starken Schmerzen kam ich wieder zu mir, alle meine Sinne waren umnebelt. Das Erste, was ich erblickte, war Poirots Gesicht. Er saß mir gegenüber und beobachtete mich mit ängstlicher Miene. Als er sah, dass ich die Augen aufschlug, stieß er einen Freudenschrei aus.

«Ah, du kommst wieder zu dir. Nun wird alles gut. Mein Freund, mein armer Freund!»

«Wo befinde ich mich?», fragte ich gequält.

«Wo? Natürlich bei uns daheim.»

Ich sah mich um: tatsächlich befand ich mich in der altvertrauten Umgebung. Hinter dem Kamingitter befanden sich noch die vier Kohlenstücke, die ich dort sorgfältig platziert hatte. Poirot war meinen Blicken gefolgt.

«Das war einmal eine feine Idee von dir, dies, und dann noch der Hinweis mit den Büchern. Wenn einmal jemand zu mir kommen und behaupten sollte, mein Freund Hastings wäre nicht mit allzu großem Verstand gesegnet, so werde ich ihm antworten: ‹Da haben Sie gar keine Ahnung!› Es war ein ausgezeichneter und treffender Einfall, den du gehabt hast.»

«Also hast du sofort den Sinn begriffen?»

«Bin ich denn ein Trottel? Natürlich begriff ich sofort, im Nu erfasste ich die Warnung und hatte noch Zeit, einige Vorkehrungen zu treffen. Auf irgendeine Weise hatten die Großen Vier es fertig gebracht, dich aus der Wohnung zu locken. Zu welchem Zweck? Sicherlich nicht deiner schönen Augen wegen, gleichfalls nicht, weil sie dich fürchteten und dich aus dem Wege schaffen wollten. Nein – ihr Zweck war mir sogleich völlig klar. Du warst als Köder gedacht, um den großen Hercule Poirot in die Falle zu locken. Ich hatte schon lange etwas Ähnliches erwartet. So traf ich denn meine kleinen Vorbereitungen, und programmmäßig traf ein Bote ein, ein ganz harmlos aussehender Straßenjunge. Ich war meiner Sache ziemlich sicher und machte mich sogleich mit ihm auf den Weg. Glücklicherweise erlaubten sie dir, auf den Treppenabsatz herauszukommen. Meine einzige Besorgnis bestand darin, dass ich unterwegs von ihnen überwältigt werden könnte, bevor ich den Ort erreichte, wo sie dich verborgen hielten, oder dass ich nach dir hätte suchen müssen und – dies vielleicht sogar vergeblich.»

«Von ihnen überwältigt zu werden, sagtest du?», fragte ich leise. «Und dazu vielleicht ganz allein auf dich gestellt.»

«Oh, das ist gar nicht so etwas Besonderes; wenn man auf ein Ereignis vorbereitet ist, ist alles ganz einfach – so sagen wenigstens die Pfadfinder, ist es nicht so? Ihr Motto: ‹Allzeit bereit›, ist sehr treffend. Auf jeden Fall war ich vorbereitet. Vor einiger Zeit habe ich einem Chemiker, der während des Krieges mit Giftgas zu tun hatte, einen kleinen Gefallen getan. Dafür stellte er für mich eine kleine Bombe her – klein und unauffällig zum Mitnehmen. Man braucht sie nur zu werfen, und augenblicklich entwickeln sich starke Gase, die zu Bewusstlosigkeit führen. Ich warf sie beim Betreten des Hauses, und gleich darauf erschienen einige von Japps zuverlässigen Leuten, die die Liegenschaft bereits unter Beobachtung hielten, bevor ich mit dem Jungen dort eintraf, dazu noch einige, die uns auf dem Weg gefolgt waren und sogleich das Notwendige veranlassten.»

«Aber wie kam es, dass du nicht gleichfalls bewusstlos wurdest?»

«Ein weiterer glücklicher Umstand. Unser gemeinsamer Freund, Nummer vier, der auch sicherlich jenen Brief an mich zusammengestellt hat, erlaubte sich einen kleinen Scherz bezüglich meines Schnurrbarts, der es mir ermöglichte, unter dem Schal eine kleine Gasmaske zu verbergen.»

«Ja, ich erinnere mich», rief ich eifrig, und dann kam mir bei der Erwähnung dieses Wortes mit einem Schlag all die große Sorge zum Bewusstsein, die durch die Ereignisse ganz in den Hintergrund gerückt war. Cinderella… Mit einem Stöhnen fiel ich zurück. Wiederum musste ich für einige Minuten das Bewusstsein verloren haben und kam erst wieder zu mir, als Poirot mir etwas Brandy einflößte.

«Was hast du, um Gottes willen, mon ami? Sag es mir!»

Wort für Wort erzählte ich ihm alles, während ein Schauer nach dem anderen mich überlief. Poirot stieß einen Ausruf der Empörung aus. «Mein Freund, mein lieber Freund! Was musst du ausgestanden haben! Und ich, ich ahnte nichts von all dem! Aber beruhige dich, es ist alles in Ordnung!»

«Du meinst, dass du meine Frau finden wirst, sie ist doch aber in Südamerika? Und bis wir dorthin kommen – wird sie schon lange nicht mehr am Leben sein – und, Gott allein weiß, unter welchen fürchterlichen Umständen sie ihr Leben lassen muss.»

«Nein, nein, du verstehst mich nicht recht, sie ist gesund und wohlbehalten; keinen Augenblick hat sie sich in den Händen der Bande befunden.»

«Ich habe aber doch ein Telegramm von Bronsen erhalten!»

«Auch das stimmt nicht; du magst vielleicht ein Telegramm erhalten haben, das mit ‹Bronsen› unterzeichnet war. Sage einmal, ist es dir nie eingefallen, dass eine Organisation dieser Art mit Verbindungen über die ganze Welt sehr leicht zu einem Schlag gegen uns hätte ausholen können durch deine kleine Frau, die dir so sehr am Herzen liegt?»

«Nein, daran habe ich nie gedacht», erwiderte ich.

«Nun, aber ich habe es immer ins Auge gefasst. Ich habe dir gegenüber zwar nichts davon erwähnt, um dich nicht unnötig aufzuregen, doch hatte ich bereits von mir aus Vorkehrungen getroffen. Sämtliche Briefe deiner Frau schienen von deiner Farm zu kommen; in Wirklichkeit befand sie sich an einem sicheren Ort, den ich vor drei Monaten für sie ausgesucht hatte.»

«Bist du dessen auch ganz sicher?»

«Parbleu, natürlich. Sie quälten dich, indem sie dir nur Lügen auftischten.»

Ich drehte den Kopf zur Seite, und Poirot legte mir die Hand auf die Schulter.

Es lag etwas in seiner Stimme, das ich nie vorher bemerkt hatte.

«Ich weiß nur zu genau, dass du keine Sentimentalitäten vertragen kannst, und deshalb will ich dir auch nicht meine innere Bewegtheit zum Ausdruck bringen. Ich will mich hierin auch ganz der Eigenart deiner Landsleute anpassen und keine weiteren Worte verlieren. Nur das eine musst du wissen, nämlich, dass bei diesem letzten Erlebnis alle Ehre nur dir gebührt und dass ich mich glücklich schätze, einen so treuen Freund wie dich zu besitzen.»

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