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Die Behauptung Poirots, wir seien daran, mehr und mehr Informationen zu sammeln und Einsicht in die Pläne unserer Widersacher zu erhalten, hatte etwas für sich – jedoch meinte ich, dass darüber hinaus greifbare Erfolge weitaus notwendiger wären.

Seit wir auf die Großen Vier gestoßen waren, hatten sie zwei Morde begangen, Halliday entführt, und um Haaresbreite hätten Poirot und ich unser Leben eingebüßt, wogegen wir bis jetzt kaum einen Punkt in diesem Geschehen für uns hatten buchen können. Poirot ließ jedoch meine Einwände durchaus nicht gelten. «Bis jetzt, Hastings», bemerkte er, «lachen sie sich ins Fäustchen. Aber soviel ich weiß, gibt es noch ein anderes Sprichwort: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Und wer hier zuletzt lachen wird, mon ami, das wirst du erleben. Du darfst nicht vergessen», fügte er hinzu, «dass wir es nicht mit einem gewöhnlichen Verbrecher zu tun haben, sondern mit dem zweitgrößten Genie auf der Welt.»

Ich hätte darauf gern eine Frage gestellt, doch wollte ich es vermeiden, dass Poirot wiederum in seiner Selbstherrlichkeit zu schwelgen anfing. Ich kannte ja seine Antwort; stattdessen versuchte ich vergeblich, aus ihm herauszuholen, welche Schritte er zu unternehmen gedächte, um dem Feind auf den Fersen zu bleiben. Wie gewöhnlich hatte er mich bezüglich seiner Absichten völlig im Dunkeln gelassen, jedoch konnte ich seinen Äußerungen entnehmen, dass er mit Geheimagenten in Indien, China und Russland in Verbindung stand, und aus seinen gelegentlichen Ausbrüchen an Überheblichkeit konnte ich schließen, dass er bei seinen Überlegungen, die Absichten seiner Gegner zu durchschauen, zumindest einige Fortschritte zu verzeichnen hatte.

Er hatte seine Privatpraxis vollkommen vernachlässigt, und ich wusste, dass er mehrere Fälle mit der Aussicht auf beträchtliche Honorare ausgeschlagen hatte. Natürlich beschäftigte er sich gelegentlich mit Fällen, die ihm irgendwie verdächtig vorkamen, aber er ließ diese gewöhnlich in dem Augenblick fallen, wenn er zu der Überzeugung gelangt war, dass sie in keiner Verbindung zu den Handlungen der Großen Vier standen. Von dieser Haltung profitierte unser gemeinsamer Freund Inspektor Japp. Zweifellos erntete dieser viel Lorbeeren bei der Lösung verschiedener Probleme, deren Erfolg nur darauf zurückzuführen war, dass er von Poirot die nötigen Hinweise erhalten hatte. Als Gegenleistung gab Japp volle Einzelheiten über Fälle bekannt, von denen er annahm, dass sie von gewissem Interesse für den kleinen Belgier waren, und als er mit der Verfolgung eines Falles betraut wurde, den die Zeitungen als das «Geheimnis des gelben Jasmins» bezeichneten, setzte er sich mit Poirot in Verbindung und fragte ihn, ob er Lust hätte, mitzufahren und sich die Sache einmal anzusehen.

So kam es, dass wir uns ungefähr einen Monat nach meinem Abenteuer in Abe Rylands Landhaus allein in einem Zugabteil befanden, auf dem Wege nach dem kleinen Städtchen Market Handford in Worcestershire, dem Schauplatz einer mysteriösen Begebenheit.

Poirot saß bequem zurückgelehnt in seiner Ecke.

«Und was ist nun, genau gesagt, deine Ansicht in dieser Angelegenheit, mein lieber Hastings?»

Ich beantwortete nicht sogleich seine Frage, weil ich es für angebracht hielt, erst zu überlegen.

«Es erscheint mir alles sehr verworren», entgegnete ich, meine Worte abwägend.

«Das ist auch meine Ansicht», bemerkte Poirot schmunzelnd. «Ich jedenfalls bin der Meinung, dass unsere plötzliche Abreise ziemlich klar darauf hinweist, dass du Mr Paynters Tod für einen Mord hältst – oder denkst du etwa an Selbstmord oder einen Unfall?»

«Nein, durchaus nicht; ich kann mir noch kein rechtes Bild machen, Hastings. Selbst wenn Mr Paynter an den Folgen eines besonders schrecklichen Unfalls hat sterben müssen, so gibt es doch noch eine Unzahl von geheimnisvollen Begleitumständen, die einer Klärung bedürfen.»

«Das war es gerade, was ich meinte, wenn ich sagte, dass alles so kompliziert sei.»

«Dann lass uns einmal ruhig und der Reihe nach alle bekannten Tatsachen aufzählen. Rekonstruiere sie nochmals, Hastings, der Reihe nach und möglichst objektiv.»

Ich begann sogleich damit und bemühte mich, so systematisch und klar wie möglich zu verfahren.

«Wir beginnen mit Mr Paynter», sagte ich. «Fünfundfünfzig, wohlhabend, kultiviert und, wie ich höre, ein weit gereister Mann. Während der letzten zwölf Jahre hat er sich ein wenig in England aufgehalten, jedoch eines Tages, der dauernden Reisen überdrüssig, kaufte er sich ein kleines Haus, genannt ‹Croftlands›, in Worcestershire, nahe Market Handford, in der Absicht, sesshaft zu werden.

Seine erste Handlung bestand darin, an seinen einzigen Verwandten, den Neffen Gerald Paynter, Sohn seines jüngsten Bruders, zu schreiben und ihm vorzuschlagen, in seinem neuen Heim Wohnung zu nehmen.

Gerald Paynter, ein mittelloser junger Künstler, war sehr erfreut über diesen Vorschlag und hatte bereits sieben Monate bei seinem Onkel gelebt, als das traurige Ereignis eintrat.»

«Deine Art zu erzählen ist meisterhaft», murmelte Poirot. «Es ist gerade so, als wenn statt meines Freundes Hastings ein Buch sprechen würde.» Poirots Bemerkung nur wenig Beachtung schenkend, fuhr ich in meiner Schilderung fort.

«Mr Paynter unterhielt ein gepflegtes Haus, sechs Bedienstete und seinen chinesischen Kammerdiener, Ah Ling.»

«Seinen chinesischen Diener, Ah Ling», wiederholte Poirot.

«Am letzten Dienstag klagte Mr Paynter über ein Unwohlsein nach dem Abendessen, und einer der Diener wurde fortgeschickt, um den Arzt zu holen. Mr Paynter empfing diesen in seinem Arbeitszimmer, da er sich geweigert hatte, sich ins Bett zu legen. Was zwischen den beiden vorgegangen ist, ist nicht näher bekannt, jedoch bevor Dr. Quentin seinen Patienten verließ, ließ er die Wirtschafterin zu sich bitten und sagte zu ihr, dass er Mr Paynter eine Injektion verabreicht habe, da sich sein Herz in einem sehr schwachen Zustand befunden habe. Er empfahl, ihn nicht zu stören, und begann alsdann einige ziemlich neugierige Fragen bezüglich der Dienerschaft zu stellen, wie lange sie schon im Hause tätig seien beziehungsweise woher sie stammten und dergleichen.

Die Wirtschafterin beantwortete diese Fragen zwar bereitwillig, konnte sich jedoch deren Zweck nicht recht erklären.

Am folgenden Morgen wurde eine furchtbare Entdeckung gemacht. Eines der Hausmädchen bemerkte beim Herunterkommen einen beißenden Geruch von verbranntem Fleisch, der aus dem Arbeitszimmer ihres Herrn zu kommen schien. Sie versuchte die Tür zu öffnen, diese war jedoch von innen verschlossen. Mit Hilfe Gerald Paynters und des Chinesen hatte man die Tür aufgebrochen. Mr Paynter bot einen grauenhaften Anblick. Er war vorwärts in den Gaskamin gestürzt, Kopf und Gesicht waren bis zur Unkenntlichkeit verkohlt.

Im Moment fand sich natürlich keine andere Erklärung als die eines grässlichen Unfalls. Wenn irgendjemand eine Schuld treffen konnte, so war es Dr. Quentin, der seinem Patienten ein Narkotikum verabfolgt und ihn in einem solch bedenklichen Zustand unbeaufsichtigt gelassen hatte. Doch dann wurde eine sehr merkwürdige Entdeckung gemacht.

Man fand eine Zeitung, die offensichtlich von Mr Paynters Knien herabgefallen war. Bei näherer Betrachtung waren undeutlich mit Tinte gemalte Worte darauf zu erkennen. Ein Schreibtisch befand sich nahe dem Sessel, wo Paynter sich gewöhnlich ausruhte, und der Zeigefinger seiner rechten Hand war bis zum zweiten Glied mit Tinte befleckt. Es war klar, dass Mr Paynter, zu schwach, eine Feder zu halten, seinen Finger in ein Tintenfass getaucht und es fertig gebracht hatte, zwei Worte quer über die Zeitungsseite zu malen – aber die Worte selbst erschienen völlig sinnlos. Gelber Jasmin – nur diese beiden Worte.

Die Mauern von ‹Croftlands› waren dicht mit Jasmin bewachsen, und man glaubte, dass Mr Paynters Bewusstsein schon getrübt gewesen war, als er die Worte niederschrieb. Die sensationslüsternen Zeitungen griffen die Geschichte auf und nahmen sie zum Anlass, diesen Fall als das ‹Geheimnis des gelben Jasmins› zu bezeichnen, obgleich aller Wahrscheinlichkeit nach die Worte gänzlich unwichtig waren.»

«Du hältst sie für unwichtig?», warf Poirot ein. «Nun, wenn du es sagst, so muss es auch wohl stimmen.»

Ich sah ihn ungläubig an, konnte jedoch keinen Spott in seinen Augen wahrnehmen.

«Und dann», fuhr ich fort, «kamen die aufregenden Enthüllungen der Leichenschau. Nun ist der Moment gekommen, wo du wahrscheinlich die Lippen spitzt, nehme ich an.

Der Verdacht richtete sich zuerst gegen Dr. Quentin. Erstens war er nicht der Hausarzt, sondern nur der Vertreter des Hausarztes Dr. Bolitho. Es stellte sich heraus, dass der Unfall auf Unachtsamkeit zurückzuführen war. Mr Paynter war seit seiner Ankunft in ‹Croftlands› etwas kränklich gewesen. Dr. Bolitho hatte ihn einige Zeit behandelt, jedoch als Dr. Quentin seinen Patienten das erste Mal sah, fielen ihm gewisse Krankheitssymptome besonders auf. Er hatte ihn nur einmal gesehen, und zwar an dem Abend, als nach dem Dinner zu ihm geschickt wurde.

Sobald er mit Mr Paynter allein war, hatte dieser ihm eine überraschende Eröffnung gemacht. Er betonte gleich zu Anfang ausdrücklich, er fühle sich überhaupt nicht krank, doch erklärte er, der Geschmack des Currys, den er zum Dinner gegessen hatte, habe ihn befremdet. Er habe Ah Ling für einige Minuten zu entfernen gewusst und habe den Inhalt der Schüssel in einen anderen Behälter getan. Er hatte diesen dem Arzt mit der Bitte übergeben, Untersuchungen anzustellen, ob irgendetwas beigemischt worden sei. Trotz seiner Erklärung, er fühle sich nicht krank, bemerkte der Arzt, dass der Verdacht augenscheinlich eine Schockwirkung bei dem Patienten ausgelöst hatte und sein Herz davon in Mitleidenschaft gezogen war. Deshalb hielt er eine Injektion für angebracht. Keine von narkotisierender Wirkung, sondern nur eine Dosis Strychnin. Das, denke ich, wäre alles, was über diese Angelegenheit zu sagen wäre – abgesehen von der Tatsache, dass der analysierte Curry genug Opiumpulver enthalten hatte, um gleich zwei Menschen auf der Stelle zu töten.»

Eine Pause trat ein. «Und deine abschließende Meinung, Hastings?», fragte Poirot mit Gelassenheit.

«Das ist sehr schwer zu sagen. Es könnte sich immerhin um einen Unfall handeln; die Tatsache, dass jemand versucht hat, ihn an demselben Abend zu vergiften, könnte lediglich ein Zufall sein. Du glaubst zwar nicht daran und ziehst es vor, an einen Mord zu denken, oder etwa nicht?»

«Mon ami, deine Gedankengänge und die meinigen bewegen sich nicht in der gleichen Richtung. Ich versuche nicht, zwischen zwei gegensätzlichen Möglichkeiten zu entscheiden – Mord oder Unfall –, das wird sich ergeben, wenn wir das andere Problem gelöst haben, das Geheimnis des gelben Jasmins. Außerdem hast du etwas vergessen.»

«Du denkst wohl an die zwei Striche, die rechtwinklig zueinander undeutlich unter den zwei Worten erkennbar waren. Ich bin nicht der Meinung, dass sie von irgendwelcher Wichtigkeit sein könnten.»

«Es ist alles immer ganz unwichtig für dich, lieber Hastings. Doch lasse uns vom Geheimnis des gelben Jasmins zu dem des Currys übergehen.»

«Wer vergiftete Paynter und aus welchem Grunde? Es gibt hundert Fragen, die man stellen könnte. Ah Ling hat ihm das Essen zubereitet. Aber warum sollte er gewünscht haben, seinen Herrn zu töten? Ist er Mitglied eines Geheimbundes oder dergleichen? Man liest gelegentlich von diesen Dingen. Der Geheimbund vom gelben Jasmin vielleicht? Ferner haben wir noch nicht von Gerald Paynter gesprochen.»

Ich verstummte.

«Ganz recht», bekräftigte Poirot und nickte. «Wie du ganz richtig sagst, bleibt da noch Gerald Paynter. Er ist der alleinige Erbe seines Onkels, und er hat an dem betreffenden Abend auswärts gegessen.»

«Es ist ihm aber vielleicht gelungen, etwas unter die Zutaten des Currys zu mischen», warf ich ein. «In diesem Fall musste er abwesend sein, um nicht an der Mahlzeit teilnehmen zu müssen.»

Ich glaubte zu bemerken, dass Poirot durch meine Erwägungen ziemlich beeindruckt war. Er betrachtete mich mit weitaus größerer Aufmerksamkeit, als es sonst seine Art war.

«Er kommt spät zurück», fuhr ich mit der Schilderung nachdenklich fort, den vermutlichen Verlauf rekonstruierend, «sieht Licht in des Onkels Arbeitszimmer, tritt ein, und bei der Erkenntnis, dass sein Plan fehlgeschlagen ist, stößt er seinen Onkel in den Gaskamin.»

«Mr Paynter, ein ziemlich kräftiger Mann, hätte sich bestimmt gewehrt, Hastings; eine solche Annahme ist unglaubwürdig.»

«Well, Poirot», fuhr ich fort, «ich denke, wir sind nahe an der Lösung, nun lasse mich bitte deine Meinung hören!»

Poirot lächelte, warf sich in die Brust und begann mit geheimnisvoller Miene:

«Bei der Annahme, dass es ein Mord war, erhebt sich sogleich die Frage, warum diese sonderbare Methode gewählt wurde. Ich sehe hierfür nur eine Absicht, nämlich eine Identifizierung unmöglich zu machen und das Gesicht zur Unkenntlichkeit verbrennen zu lassen.»

«Wie», rief ich aus, «denkst du etwa –??»

«Einen Augenblick Geduld, Hastings. Ich bin gerade dabei, dir zu erklären, dass ich diese Möglichkeit untersuche. Gibt es irgendeinen Grund zur Annahme, dass der Tote nicht Mr Paynter ist? Besteht die Möglichkeit, dass es jemand anders sein könnte? Ich erwäge diese zwei Fragen und beantworte beide in negativem Sinn.»

Poirot zwinkerte mit seinen Augen und fuhr dann fort.

«Da ich mir nun selbst sage, dass hier noch etwas mitspricht, was ich noch nicht verstehen kann, tue ich gut daran, die ganze Sache noch einmal gründlich zu untersuchen. Ich kann es mir nicht erlauben, diesen Fall ohne weiteres in Verbindung mit den Großen Vier zu bringen. Doch wir sind gleich an Ort und Stelle. Wo ist meine Kleiderbürste, wo hat sie sich wieder versteckt? Ah, hier ist sie schon – bürste mich bitte etwas ab, mein Freund.»

Als Poirot seine Kleiderbürste verstaut hatte, bemerkte er gedankenvoll: «Man darf nicht immer von ein und derselben Idee besessen sein; ich war gerade wieder dabei, in diesen alten Fehler zu verfallen. Stell dir vor, mein Freund, ich komme sogar in diesem Fall in Versuchung, geheime Fäden zu sehen. Jene beiden Striche, die du erwähntest, einen Abstrich und dazu einen Strich im rechten Winkel – beginnt man nicht so, eine Vier zu schreiben?»

«Du meine Güte, Poirot», rief ich lachend.

«Ja, ist das nicht geradezu absurd? Überall sehe ich die Hand der Großen Vier. Es wäre gut, deine Gedanken einmal in eine ganz andere Richtung schweifen zu lassen. Ah, da kommt ja unser Freund Japp.»

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