Epilog

Nach dem Ende des Bürgerkriegs verfolgte die Welt den langwierigen Wiederaufbau des Südens anhand von Zeitungsartikeln, Augenzeugenberichten und Telegrammen. Vielleicht war es daher nur angemessen, dass Sam und Dean Winchester den Wiederaufbau von Mission’s Ridge im Fernsehen beobachteten. Sie befanden sich im Wartezimmer des St. Mary’s Medical Centers in Athens, Georgia.

Deans größter Wunsch – der, dass das Essen in der Cafeteria des Krankenhauses wenigstens annehmbar sein würde – ging in Erfüllung. Sie blieben fast vier Tage.

Mission’s Ridge war auf jedem Fernsehkanal zu sehen, ob lokal oder national. Die Stadt stand immer noch in Flammen, sowohl bildlich gesprochen als auch wörtlich. Im Schatten der Ereignisse diskutierten Ermittler und Medien, was passiert war, und kauten dabei alles von Bio-Terrorismus über Massenhalluzinationen bis hin zu religiöser Hysterie durch. Die üblichen Verdächtigen an Analysten, Krisenexperten und Fachleuten wurden vor die Kamera geschleift, um einen Kommentar abzugeben.

Ausufernde Diskussionen über den Bürgerkrieg, die Kultur des Südens und den Rassismus zeichneten sich bereits bedrohlich im Hintergrund ab. Dean Winchester, der über die „großen Themen“ genauso zu denken pflegte wie Alkoholiker über einen Kater, hörte auf zuzuhören. Aber er sah noch hin.

Während er im Wartezimmer saß und auf den Bildschirm starrte, betrachtete er Sheriff Jacqueline Daniels, die auf den Stufen vor ihrem Revier mit Reportern sprach. Sie beantwortete geduldig Fragen und bot Erklärungen an. Sie schien sich absolut keine Sorgen zu machen, wirkte ruhig und professionell.

Ab und zu aber glaubte Dean etwas in ihren Augen zu erkennen. Etwa so, als wüsste sie, dass er hier draußen, achtzig Kilometer entfernt, saß und sie im Fernsehen beobachtete.

Nee, die hat Wichtigeres zu tun, überlegte er. Außerdem war sie ein ziemlich harter Brocken.

Er fragte sich, wie es wohl wäre, wenn er noch einmal zurück nach Mission’s Ridge fahren und sie zwischen den Interviews abpassen könnte. Er würde sie gern auf ein Bier und etwas Härteres einladen. Würde eine Frau wie sie wohl Whiskey trinken? Dean hatte keinen Zweifel, dass es so war.

Gib es auf! Setz sie auf die Liste! Die Liste derer, die du nicht bekommen konntest.

„Hey!“

Er blickte auf. Sam stand neben ihm. Der Verband an Sams Kopf war weiß, sauber und sah völlig deplatziert aus.

„Bist du bereit?“

„Ja.“

* * *

Sie gingen durch den Wartebereich und durch die Tür hinaus auf den Parkplatz, wo der Impala auf sie wartete. Es war ein perfekter Nachmittag im Spätfrühling, der Himmel war wolkenlos, und Sam konnte die Lebenseichen riechen. Er sah eine wohlbekannte Gestalt neben dem Auto stehen und auf sie warten.

„Cass“, sagte Dean. „Noch einmal, diese ganze Sache mit dem Zeugen tut mir leid.“

Cass sah kommentarlos weg.

„Hast du mit ihm reden können?“, fragte Sam. „Mit Judas?“

„Ja.“ Castiel erschien noch mürrischer als sonst. Als würde er von einer Last niedergedrückt, die so schwer war, dass er sie nur mit Mühe allein bewältigen konnte. „Lange genug, um …“

Er ließ die Worte mit einem Schulterzucken ausklingen.

„Können wir dich mitnehmen oder so?“, fragte Dean.

Der Engel schüttelte den Kopf.

„Ich bin anderweitig verabredet.“

„Also bist du nur vorbeigekommen, um uns die Laune zu verderben?“, fragte Dean. „Damit wir uns schlecht fühlen, weil wir eine weitere Runde mit dem fleischgewordenen Bösen überlebt haben? Willst du, dass ich dir einen Luftballon kaufe oder so was? Wie wäre es mit einem Bier?“

„Einem Bier?“

„Du kennst das doch – ich habe dir schon mal eins gekauft. Und da gibt es einen Laden, nicht weit von hier. Ich könnte selber was Gebrautes vertragen.“ Dean sah Sam an. „Komm schon, was sagst du? Ich wette, die haben ’ne Jukebox, in der es etwas von Bad Company gibt.“

Castiel sah sie ernst an.

„Diese Dämonen, die hatten sich organisiert. Sie hatten einen Plan und Zugang zu einem Relikt, gegen das wir praktisch kein Gegenmittel besaßen. Sie waren sich vollkommen sicher, dass sie Sam zwingen könnten, sich als Luzifers Gefäß herzugeben.“ Seine Miene war finster und voller Vorahnungen. „Was da in Mission’s Ridge passiert ist, war mehr als nur ein merkwürdiger Vorfall. Wegen der bevorstehenden Apokalypse war das ein Hinweis auf das, was noch kommen wird.“

„Sieh mal, Cass …“, begann Dean und verstummte dann. Ich könnte ebenso gut mit einer Wand reden. Er schüttelte den Kopf. „Super.“

„Komm schon!“, sagte Sam zu seinem Bruder. „Steig ein!“

Sie stiegen in den Impala, Dean startete den Motor, und sie fuhren vom Parkplatz und auf die Stadt zu. Sie gingen in eine Bar namens Stars and Bars und obwohl es dort natürlich Bier gab und Songs von Bad Company in der Jukebox liefen, blieben sie nicht lange. Die Winchesters tranken aus und fuhren weiter.

Gegen sieben Uhr waren sie wieder auf dem Highway und fuhren nach Norden. Sam musste immer noch an Sarah denken, aber er verließ den schönen Staat Georgia ohne großes Bedauern.

Sheriff Daniels hatte recht, wurde ihm klar. Es gibt eine Zeit für Scheinwerfer und eine Zeit für Rückspiegel.

Und heute Abend reichte ihm das vollkommen.

ENDE


Загрузка...