Die Hände verschränkt, stand Nicci am Rand des Hanges und blickte über das Parkgelände hinüber zu der von Fackeln beschienenen weißen Marmorstatue. Die Bewohner von Altur’Rang waren der Ansicht gewesen, dass ein solch edles Bildnis, das Wahrzeichen ihrer Freiheit, niemals in Dunkelheit versinken dürfe, deshalb wurde sie Tag und Nacht angestrahlt.
Entmutigt, dass sich auf der anderen Seite der Tür ein Leben dem Ende zuneigte, war Nicci einen Großteil der Nacht in der düsteren Enge des Empfangs des Gasthauses auf und ab gegangen. Sie hatte jedes ihr bekannte Mittel angewendet, um Cara zu retten, aber es war hoffnungslos gewesen. Im Grunde kannte sie Cara nicht sehr gut, umso besser dagegen Richard. Vermutlich gab es niemanden, der ihn besser kannte als sie, mit Ausnahme seines Großvaters Zedd vielleicht. Ihre Kenntnisse über seine Vergangenheit, über die Geschichten aus seiner Kindheit und dergleichen mehr, mochten zwar eher begrenzt sein, aber dafür kannte sie ihn als erwachsenen Mann, denn sie hatte ihn bis auf den Grund seiner Seele durchschaut. Es gab keinen lebenden Menschen, den sie besser kannte. Sie wusste, wie tief ihn Caras drohender Verlust betrübte, die ganze Nacht über hatte ihre Gabe ihr – ungebeten die Laute dieses unverhohlenen Elends übermittelt. Es brach ihr das Herz, Richard einen solchen Verlust erleiden zu sehen. Sie hätte alles getan, um ihm diese bittere Erfahrung zu ersparen. Es hatte einen Moment gegeben, da hatte sie mit dem Gedanken gespielt, hineinzugehen, ihn in seinem Kummer zu trösten und sein Elend ein wenig zu lindern, indem sie ihm wenigstens ein wenig der damit einhergehenden Einsamkeit nahm. Aber die Tür hatte sich nicht öffnen lassen! Das hatte sie zwar verwundert, ihr Gefühl sagte ihr jedoch, dass sich dort drinnen nicht mehr als zwei Personen befanden, und da sie hören konnte, dass drüben auf der anderen Seite nichts als blankes Elend herrschte, hatte sie erst gar nicht versucht, die Tür gewaltsam zu öffnen. Als ihr die Marter, Richards Bittgebete an die im Sterben liegende Cara anhören zu müssen, unerträglich wurde, war sie schließlich nach draußen gegangen, was schließlich damit geendet hatte, dass sie über den nachtschwarzen Abgrund hinweg zu der von ihm geschaffenen Statue hinüberstarrte ...
Als sie dann irgendwann erst Schritte und gleich darauf jemanden ihren Namen rufen hörte, wandte sie sich überrascht herum.
Richard löste sich aus den Schatten und kam in Begleitung einer zweiten Person näher. Nicci verließ aller Mut. Das konnte nur eins bedeuten: Caras Qualen hatten endlich ein Ende genommen. Als Richard schon fast bei ihr war, erkannte sie, wer ihn begleitete. »Bei den Gütigen Seelen, Richard«, hauchte sie mit weit aufgerissenen Augen, »was hast du nur getan?«
Im trüben Schein der fernen Fackeln wirkte Cara durch und durch lebendig und bei bester Gesundheit. »Lord Rahl hat mich geheilt«, sagte sie so beiläufig, als wäre dies eine unbedeutende Leistung, die nicht mehr Beachtung verdiente, als hätte er ihr beim Wasserholen geholfen. Nicci starrte beide schockiert an und brachte außer einem knappen »Wie?« kein Wort über die Lippen. Richard wirkte so erschöpft, als hätte er soeben eine Schlacht überstanden. Sie erwartete halb, ihn über und über mit Blut bedeckt zu sehen.
»Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, es nicht wenigstens versucht zu haben«, erklärte er. »Und vermutlich war dieses Bedürfnis so stark, dass ich plötzlich alles tun konnte, was nötig war, um sie zu heilen.«
Plötzlich wurde ihr nur zu deutlich klar, warum sich die Tür nicht hatte öffnen lassen. Er hatte tatsächlich eine Schlacht hinter sich und war in gewissem Sinn mit Blut bedeckt, wenn auch nicht mit jener Sorte, die sichtbar war.
Nicci beugte sich zu ihm. »Du hast deine Gabe benutzt.« Es war keine Frage, sondern ein Vorwurf. Er antwortete ihr dennoch.
»Vermutlich, ja.«
»Vermutlich ja.« Nicci wünschte, sie könnte sich zwingen, nicht so zu klingen, als äffte sie ihn nach. »Ich habe es mit jeder mir bekannten Methode versucht, aber was ich auch probiert habe, nichts davon ist auch nur bis zu ihr durchgedrungen, ich konnte sie nicht heilen. Was hast du nur getan? Und wie hast du es geschafft, dein Han zu berühren?«
Richard zuckte verlegen mit den Schultern. »Ich weiß selbst nicht so genau, wie es funktioniert hat. Ich hatte sie in die Arme genommen und konnte deutlich fühlen, dass sie im Sterben lag, ich konnte fühlen, dass sie mir mehr und mehr entglitt. Also ließ ich mich –mental – sozusagen in sie hineinsinken, bis zum Kern dessen, was ihre Persönlichkeit ausmacht, bis an den Punkt, wo sie Hilfe brauchte. Nachdem ich diesen Ort völliger Harmonie mit ihr erreicht hatte, nahm ich ihre Schmerzen auf mich, damit sie die nötige Kraft hätte, die lebensspendende Wärme anzunehmen, die ich ihr bot.«
Das komplizierte Phänomen, das er beschrieb, war Nicci vertraut, sie war allerdings verblüfft, es auf so beiläufige Weise erläutert zu hören. Es war, als hätte er auf ihre Frage, wie er es geschafft habe, eine so lebensechte Statue in Marmor zu meißeln, seine meisterliche Leistung mit den Worten beschrieben, er habe lediglich den überflüssigen Marmor weggeschlagen. So zutreffend die Erklärung sein mochte, sie klang so salopp, dass sie ans Absurde grenzte. »Demnach hast du auf dich genommen, was sie umzubringen drohte?«
»Was blieb mir anderes übrig?«
Nicci presste ihre Fingerspitzen an ihre Schläfen. Trotz der nicht eben unbeträchtlichen Kräfte, über die sie verfügte, von ihrer Ausbildung, Erfahrung und ihrem Wissen ganz zu schweigen, war nicht einmal sie imstande, eine solche Meisterleistung zu vollbringen. Sie hatte einige Mühe, ihren aufgewühlten Puls wieder zu beruhigen. »Machst du dir eigentlich einen Begriff, welche Gefahren mit einem solchen Vorgang verbunden sind?«
Der gereizte Ton ihrer Frage schien ihn leicht verlegen zu machen. »Ich hatte keine andere Wahl, Nicci«, brachte er es schlicht auf den Punkt.
»Er hatte keine andere Wahl«, wiederholte sie verblüfft. Sie konnte einfach nicht glauben, was sie hörte. »Hast du überhaupt eine Vorstellung, welche Kräfte nötig sind, um sich auf eine solche Seelenreise zu begeben, geschweige denn von einem solchen Ort wieder zurückzukehren? Oder welche Gefahren dort lauern?«
Er vergrub seine Hände in den Taschen wie ein kleiner Junge, dem man eine Standpauke wegen ungezogenen Betragens hält. »Ich weiß nur, dass es die einzige Möglichkeit war, Cara zurückzuholen.«
»Und das hat er auch getan«, mischte sich Cara ein, indem sie mit dem Finger auf Nicci zeigte – nicht nur, um ihre Worte zu unterstreichen, sondern um zu zeigen, dass sie nicht bereit war, etwas auf ihn kommen zu lassen. »Lord Rahl ist gekommen und hat mich zurückgeholt.«
Fassungslos starrte Nicci die Mord-Sith an. »Euretwegen hat sich Richard bis an die Grenze des Totenreiches vorgewagt... womöglich sogar noch darüber hinaus.«
Cara warf Richard einen verstohlenen Seitenblick zu. »Hat er das?«
Nicci nickte langsam. »Eure Seele war bereits in das Reich der Dämmerung hinüber getreten, sodass Ihr für mich schon nicht mehr zu erreichen wart. Deswegen habe ich Euch nicht heilen können.«
»Also, Lord Rahl hat es jedenfalls geschafft.«
»Ja, das hat er.« Nicci streckte ihre Hand vor und bog Caras Kinn mit einem Finger nach oben. »Ich kann nur hoffen, dass Ihr Euer Leben lang nicht vergesst, was dieser Mann gerade für Euch getan hat. Ich bezweifle, dass es außer ihm noch jemanden gibt, der dazu imstande gewesen wäre – oder es nur versucht hätte.«
»Er hatte doch gar keine Wahl.« Cara schenkte ihr ein unverschämtes Grinsen. »Lord Rahl kommt ohne mich nicht zurecht, und das weiß er.«
Richard konnte sich ein klammheimliches Schmunzeln nicht verkneifen und wandte sich ab. Nicci dagegen war diese saloppe Haltung nach einem so monumentalen Ereignis nahezu unbegreiflich. Um ihre Stimme wieder in die Gewalt zu bekommen und keinen falschen Eindruck zu erwecken – den Eindruck, sie sei ungehalten, dass er sie geheilt hatte, atmete sie einmal tief durch. »Du hast deine Gabe benutzt, Richard. Diese Bestie treibt sich noch ganz in der Nähe herum, und du benutzt deine Gabe.«
»Ich musste es tun, sonst hätten wir sie verloren.«
Für ihn schien das alles ganz einfach und unkompliziert, aber wenigstens besaß er genug Feingefühl, nicht so selbstgefällig dreinzuschauen wie Cara. Die Fäuste in die Hüften gestemmt, beugte sie sich näher zu ihm. »Begreifst du eigentlich nicht, was du angerichtet hast? Du hast wieder einmal deine Gabe benutzt, dabei hatte ich dich ausdrücklich gewarnt, es nicht zu tun. Die Bestie ist bereits ganz in der Nähe, und du hast nichts Besseres zu tun, als ihr durch deinen Gebrauch der Gabe deinen exakten Aufenthaltsort zu verraten.«
»Was hätte ich Eurer Meinung nach denn tun sollen? Cara sterben lassen?«
»Ja! Sie hat einen Eid darauf geschworen, dein Leben mit ihrem zu verteidigen. Das ist ihre Pflicht – und ihre offizielle Aufgabe. Wir hätten dich bei dem Versuch leicht verlieren können, ganz zu schweigen von der ungeheuren Gefahr, die du soeben heraufbeschworen hast. Du hast alles, was du den Menschen in D’Hara bedeutest, deinen Wert für unsere Sache, aufs Spiel gesetzt, um einen einzelnen Menschen zu retten. Du hättest sie von uns gehen lassen sollen. Durch ihre Rettung hast du ihr bestenfalls Gelegenheit gegeben, Euch beide ins Verderben zu ziehen, denn jetzt ist die Bestie erst recht imstande, dich zu finden. Was vorhin passiert ist, wird sich wiederholen, nur dass es diesmal kein Entrinnen gibt. Zugegeben, du hast soeben Cara das Leben gerettet – wenn auch um den Preis deines eigenen und obendrein zweifellos um den des ihren.«
»Davon abgesehen«, erklärte Richard ungerührt, während er die Dunkelheit mit den Augen absuchte, »wissen wir immer noch nicht, ob dieser Vorfall mit dem Schatten heute Nacht etwas mit dem Wesen im Wald zu tun hatte.«
»Aber natürlich hat er das«, gab Nicci zurück.
Sein Blick wanderte zu ihr. »Woher wollt Ihr das wissen? Die Bestie dort hat die Männer in Stücke gerissen, der Angriff hier verlief vollkommen anders. Und überhaupt, wir wissen auch keineswegs mit Sicherheit, ob beide Attacken jener Bestie zuzuschreiben sind, deren Schaffung Jagang angeordnet hat.«
»Was redest du da eigentlich? Was sonst könnte es gewesen sein? Es kann sich nur um die Waffe handeln, die die Schwestern auf Jagangs Geheiß mit ihrer Magie erschaffen haben.«
»Ich behaupte ja gar nicht, dass es nicht so war – möglich wäre es –, trotzdem ergibt vieles daran in meinen Augen einfach keinen Sinn.«
»Zum Beispiel?«
Richard fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Das Wesen im Wald griff die Männer an, nicht aber mich, obwohl ich ganz in der Nähe war. Hier dagegen hatte es aber offenbar gar kein Interesse daran, Cara ebenso in Stücke zu reißen wie zuvor die Männer im Wald. Wenn es also tatsächlich hier war und sich ihm die Chance bot, wieso hat es sie dann nicht genutzt?«
»Möglicherweise, weil ich versucht habe, seine Kräfte zu binden«, schlug Cara vor. »Vielleicht hat es mich bewusst übersehen, weil ich ihm gefährlich werden konnte oder weil ich es so abgelenkt hatte, dass es beschloss, die Flucht zu ergreifen.«
Richard schüttelte den Kopf. »Ihr wart keine Gefahr. Es ist glatt durch Euch hindurchgegangen, zudem hätte es jede Einmischung Eurerseits mühelos mit einer Berührung beenden können. Anschließend ist es durch die Wand gebrochen, um sich auf mich zu stürzen, aber als es sich in meinem Zimmer befand, hat es nicht etwa die Flucht ergriffen, sondern ist einfach verschwunden.«
Sofort regte sich Niccis Misstrauen, denn bislang hatte sie noch nie die ganze Geschichte gehört. »Du warst auf deinem Zimmer, und trotzdem hat es sich einfach aus dem Staub gemacht?«
»Nicht ganz. Als es durch die Wand in mein Zimmer eindrang, bin ich aus dem Fenster gesprungen und wollte fliehen. Und als ich dort an einem Balken hing, quoll ein dunkles Etwas, eine Art fließender Schatten, aus dem Fenster hervor und schien kurz darauf mit der Nacht zu verschmelzen.«
Gedankenversunken ließ Nicci die Kordel ihres Leibchens durch die Finger gleiten, während sie über seine Bemerkung nachdachte und die einzelnen Details in das Gesamtbild einfügte, soweit es ihr bekannt war, doch nichts wollte so recht passen. Das Verhalten dieses Wesens – wenn es sich denn tatsächlich um dieselbe Bestie handelte – ergab einfach keinen Sinn. Richard hatte Recht, wenn er sagte, es widersetze sich jeder Logik. »Vielleicht hat es dich ja gar nicht gesehen«, murmelte sie halb zu sich selbst, während sie über das Rätsel nachsann.
Richard warf ihr einen Blick zu, einen Ausdruck von Skepsis im Gesicht. »Ihr wollt allen Ernstes behaupten, es ist in der Lage gewesen, mich nachts im Gasthaus aufzuspüren, hat dann, bei dem Versuch, sich auf mich zu stürzen, mehrere Zimmerwände durchbrochen, nur um, unmittelbar nachdem ich mich mit knapper Not aus dem einzigen Fenster werfen konnte, in Verwirrung zu geraten und unverrichteter Dinge wieder abzuziehen?«
Nicci sah ihm einen Moment prüfend in die Augen. »In einem wichtigen Punkt stimmten beide Angriffe überein: Beide ließen eine ungeheure Kraft erkennen – Bäume wurden wie dürre Zweige in Stücke geschlagen, und Wände wurden durchbrochen, als wären sie nichts als Papier.«
Richard stieß einen unglücklichen Seufzer aus. »Das stimmt vermutlich.«
»Was mich allerdings interessieren würde«, fuhr Nicci fort und verschränkte die Arme, »ist, warum es Cara nicht getötet hat.«
Das kurze Aufblitzen in seinen Augen verriet ihr sofort, dass er ihr etwas verschwiegen hatte. Den Kopf zur Seite geneigt, musterte sie ihn abwartend, bis er schließlich mit ruhiger Stimme gestand: »Als ich in Caras Verstand eingedrungen war, um die Schmerzen, die ihr dieses abscheuliche Etwas zufügte, auf mich zu nehmen, sah ich, dass es noch etwas anderes zurückgelassen hatte. Ich vermute, es wollte mir eine Art Botschaft hinterlassen, die Botschaft, dass dieses Wesen es auf mich abgesehen hat, dass es mich unweigerlich finden und töten wird und dass mein Tod zu einem für alle Ewigkeiten unerreichbaren Genuss werden wird.«
Niccis fragender Blick schwenkte zu Cara.
»Ich kann doch nichts dafür, dass er mich bis in dieses Schattenreich verfolgt hat, wie Ihr es nennt. Ich hab ihn nicht darum gebeten, und ich hab es nicht gewollt.« Die Mord-Sith ballte wütend die Fäuste. »Aber ich will auch nicht lügen und behaupten, ich wäre lieber tot.«
Nicci konnte nicht anders – so viel schlichte Offenheit entlockte ihr ein Schmunzeln. »Es erfüllt mich mit Freude, Cara, dass Ihr nicht tot seid, und das ist mein aufrichtiger Ernst. Was wäre das auch für ein Mann, dem wir folgen, der eine gute Freundin einfach sterben lassen würde, ohne alles in seinen Kräften Stehende zu ihrer Rettung zu versuchen.«
Caras Empörung hatte sich bereits etwas gelegt, als Nicci sich wieder an Richard wandte. »Trotzdem, mich verwirrt nach wie vor, warum das Wesen Cara verschont hat. Es hätte dir eine solche Botschaft schließlich auch direkt mitteilen können. Wenn die Drohung glaubhaft ist – und daran zweifele ich nicht –, dann hätte dieses Wesen doch alle Zeit der Welt gehabt, dich leiden zu lassen, wenn es dich in diesem Moment entführt hätte. Nein, eine solche Botschaft ist im Grunde genommen unsinnig. Und überhaupt, für dieses Wesen ergibt es schlicht keinen Sinn, einfach wieder zu verschwinden, nachdem es einmal am Ziel war.«
Richard trommelte mit den Fingern auf den Handschutz seines Schwertes und dachte nach. »Alles ausgezeichnete Fragen, Nicci, nur habe ich leider keine passenden Antworten parat.«
Die linke Hand am Heft seines Schwertes, suchte er das Dunkel abermals mit den Augen nach irgendeinem Anzeichen einer Gefahr ab. »Ich denke, Cara und ich sollten jetzt besser aufbrechen. Nach der schaurigen Geschichte mit Victors Männern mache ich mir ziemliche Sorgen, was geschehen könnte, falls dieses Etwas meinetwegen noch einmal hierher zurückkehren sollte. Was immer dieses Wesen sein mag – eine Bestie, erschaffen von den Schwestern auf Geheiß Jagangs, oder etwas, von dem wir bislang noch nichts wissen –, meine Überlebenschancen sind vermutlich erheblich größer, wenn ich in Bewegung bleibe. Einfach nur an einem Ort herumzusitzen käme viel zu sehr dem Warten auf den Henker gleich.«
»Ich finde nicht, dass deine Schlussfolgerungen unbedingt logisch sind«, sagte Nicci. »Wie auch immer, ich muss ohnehin fort, und aus einer ganzen Reihe von Gründen wäre mir wohler, wenn es jetzt gleich geschehen würde.« Er schob sein Bündel höher auf die Schultern. »Ich muss nämlich zu Victor und Ishaq.«
Resigniert wies Nicci hinter sich. »Nach dem Überfall bin ich gleich losgezogen und habe sie hergebracht, sie warten dort drüben bei den Stallungen. Ishaq hat die Pferde mitgebracht, um die du ihn gebeten hast, und ein paar seiner Leute haben ihm geholfen, die Vorräte für dich zusammenzustellen.« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Außerdem sind einige Familienangehörige von Victors Männern mitgekommen, von denen, die getötet wurden. Sie würden es gern von dir selbst hören.«
Richard stieß einen tiefen Seufzer aus und nickte. »Ich hoffe, ich kann sie ein wenig trösten, auch für mich ist der Schmerz noch sehr frisch.« Er drückte kurz Caras Schulter. »Auch wenn mir schon etwas leichter ums Herz ist.«
Richard rückte seinen Bogen auf der Schulter zurecht und marschierte los. Kaum einen Lidschlag später hatte ihn die Dunkelheit verschluckt.