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Ein Blitz sog alle Farbe aus dem Zimmer, fast gleichzeitig ertönte ein ohrenbetäubender Donnerschlag. Wir zuckten beide zusammen.

»Das Gewitter ist direkt über uns«, sagte Vater.

Ich nickte, um ihm zu versichern, dass wir da beide gemeinsam drinsteckten, und sah mich um. Der hell erleuchtete, würfelförmige kleine Raum mit der nackten Glühbirne an der Decke, der Pritsche und der Stahltür mit dem vor dem Fenster niederrauschenden Regen erinnerte mich an die Kommandozentrale des U-Boots in dem Film Tauchfahrt bei Tagesanbruch. Bei jedem Donnerschlag stellte ich mir vor, dass über unseren Köpfen ein Torpedo detonierte, und auf einmal hatte ich nicht mehr solche Angst um Vater. Zumindest waren wir beide jetzt Verbündete. Ich tat einfach so, als könne uns nichts Schlimmes widerfahren, solange ich still zuhörte und wir uns unauffällig verhielten.

Vater erzählte weiter, als hätte es keine Unterbrechung gegeben.

»Wir entfremdeten uns sehr, Bony und ich. Zwar nahmen wir beide weiterhin an Mr Twinings Magischem Zirkel teil, aber sonst ging jeder von uns seinen eigenen Interessen nach. Ich entwickelte ein Faible für spektakuläre Bühnentricks: zersägte Jungfrauen, zauberte Vogelkäfige weg und so weiter. Natürlich lagen die meisten dieser Nummern jenseits meiner Schuljungenmöglichkeiten, aber irgendwann genügte es mir auch, darüber etwas nachzulesen und mir die Abläufe einzuprägen.

Bony hingegen widmete sich Tricks, die immer größere Fingerfertigkeit erforderten, simple Effekte, die man mit einem geringen Aufwand an Requisiten vor der Nase der Zuschauer ausführen konnte. Er konnte einen vernickelten Wecker aus einer Hand verschwinden und in der anderen wieder auftauchen lassen. Und er hat mir nie gezeigt, wie er das machte.

Ungefähr zur selben Zeit kam Mr Twining auf den Gedanken, einen Club der Philatelisten zu gründen, denn Briefmarkensammeln gehörte ebenfalls zu seinen Leidenschaften. Er war der Ansicht, dass wir durch das Sammeln, Ordnen und Einsortieren der Marken aus aller Welt ins Album einiges über Geschichte und Erdkunde sowie auch Sorgfalt lernen konnten, ganz zu schweigen davon, dass auch die verschlosseneren Mitglieder des Clubs durch die regelmäßigen Gruppengespräche an Selbstvertrauen gewinnen würden. Da er selbst ein begeisterter Sammler war, ging er davon aus, dass seine Jungen diese Begeisterung mit ihm teilen würden.

Seine eigene Sammlung, so kam es mir jedenfalls vor, war das achte Weltwunder. Er hatte sich auf britische Marken spezialisiert, mit Schwerpunkt auf Farbvarianten bei der Druckfarbe. Er besaß die untrügliche Fähigkeit, allein anhand der Färbung zu bestimmen, an welchem Tag, ja, um welche Stunde dieses oder jenes Exemplar gedruckt worden war. Indem er die von Marke zu Marke verschiedenen, mikroskopisch kleinen Risse und Abweichungen verglich, die von den Gebrauchsspuren der Druckplatten und der Ausführung des Druckvorgangs herrührten, konnte er erstaunlich viele Aussagen über das jeweilige Stück treffen.

Die einzelnen Seiten seiner Alben waren meisterlich gestaltet. Diese Farben! Und die Art und Weise, wie sie über die Seite verteilt waren - wie ein impressionistisches Gemälde von William Turner.

Zuerst kamen natürlich die schwarzen Marken von 1840.

Noch nie hatte ich Vater so lebhaft gesehen. Mit einem Mal war er wieder ein Schuljunge, seine strengen Züge waren wie verwandelt, sein Gesicht leuchtete wie ein blankpolierter Apfel. Vater fuhr fort: »Trotz allem besaß Mr Twining nicht die wertvollste Briefmarkensammlung in Greyminster. Diese Ehre gebührte Dr. Kissing, dessen Sammlung, obwohl nicht besonders umfangreich, äußerst erlesen, wenn nicht gar unschätzbar wertvoll war.

Dr. Kissing kam mitnichten, wie man es vielleicht vom Rektor einer unseren großen Public Schools erwarten würde, aus einer wohlhabenden oder zumindest privilegierten Familie. Von Geburt an Waise, war er bei seinem Großvater aufgewachsen, einem Arbeiter in einer Glockengießerei im Londoner East End, das damals eher für seine bedrückenden Lebensbedingungen als für seinen Wohlstand bekannt war, und eher für seine Verbrechensrate als für seine Bildungsmöglichkeiten.

Im Alter von achtundvierzig Jahren hatte der Großvater bei einem schlimmen Unfall mit flüssigem Metall den rechten Arm verloren. Da er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich seinen Lebensunterhalt als Bettler auf der Straße zu verdienen, eine Zwangslage, in der er es fast drei Jahre aushielt.

Fünf Jahre zuvor, im Jahre 1840, war der Londoner Firma Messrs. Perkins, Bacon & Petch vom Schatzamt Ihrer Majestät das Exklusivrecht auf den Druck der britischen Briefmarken zugesprochen worden. ›Dieser gewaltige Ausstoß an Königinnenköpfen‹, wie es Charles Dickens genannt hatte.

Das Geschäft florierte. Allein in den ersten zwölf Jahren wurden über zwei Millionen Briefmarken gedruckt, von denen die meisten in den Papierkörben dieser Welt landeten.

Die Druckerei der Firma war in der Fleet Street angesiedelt, und dort fand Dr. Kissings Großvater glücklicherweise eine neue Anstellung als Ausfeger. Er brachte sich bei, wie man einen Besen mit einer Hand wirkungsvoller führt als die meisten Leute mit zweien, und da er großen Wert auf Höflichkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit legte, war er schon bald einer der geschätztesten Angestellten der Firma. Dr. Kissing hat mir einmal sogar erzählt, dass der Hauptteilhaber, der alte Joshua Butters Bacon persönlich, seinen Großvater aus Respekt vor seiner früheren Tätigkeit den ›Glöckner‹ zu nennen pflegte.

Als Dr. Kissing noch klein war, brachte sein Großvater oft ausrangierte Fehldrucke mit nach Hause. Dieses ›Buntpapier‹, wie er es nannte, war oft sein einziges Spielzeug. Er konnte die bunten Papierchen stundenlang immer wieder von Neuem ordnen, nach Farbabweichungen und anderen Unterschieden, die das ungeübte Auge gar nicht wahrgenommen hätte. Sein schönstes Geschenk, erzählte er, sei eine Lupe gewesen, die sein Großvater bei einem Straßenhändler erworben hatte, nachdem er den Ehering seiner eigenen Mutter für einen Shilling im Pfandhaus versetzt hatte.

Jeden Tag auf dem Weg zur Schule und wieder nach Hause fragte der Junge bei möglichst vielen Läden und Büros nach, ob er weggeworfene abgestempelte Umschläge haben und im Gegenzug den Bürgersteig fegen dürfe.

Nach und nach entwickelte sich aus dem ›Buntpapier‹ der Grundstock einer Sammlung, die einen König hätte neidisch machen können, und noch als er längst zum Rektor von Greyminster aufgestiegen war, hütete er die kleine Lupe von seinem Großvater wie einen Schatz.

›Die einfachsten Geschenke sind die schönsten‹, sagte er uns immer.

Der junge Kissing baute auf die in seiner schweren Kindheit erworbene Zähigkeit und hangelte sich von einem Stipendium zum anderen, bis der Tag kam, an dem der alte ›Glöckner‹ mit feuchten Augen miterleben durfte, wie sein Enkel seinen Abschluss in Oxford mit Auszeichnung bestand.

Nun gibt es natürlich jede Menge Sammler, die wider besseres Wissen davon überzeugt sind, dass die wertvollsten Briefmarken die fehlerhaften, beschädigten Exemplare sind, die bei jedem Druckvorgang unweigerlich als Abfallprodukte entstehen, aber das ist ein Trugschluss. Welche Summen diese Scheußlichkeiten auch erzielen mögen, wenn sie auf welchen Wegen auch immer auf den Markt kommen, für den wahren Sammler sind sie wertlos.

Nein, die eigentlichen Raritäten sind solche Marken, die offiziell oder anderswie auch in Umlauf gebracht werden, aber nur in sehr begrenzten Stückzahlen. Manchmal werden etliche tausend Marken ausgegeben, ehe ein Fehler auffällt, manchmal sind es nur ein paar hundert, wenn es nur einem einzelnen Bogen gelingt, das Schatzamt zu verlassen.

Aber in der ganzen Geschichte des Britischen Postministeriums ist es nur ein einziges Mal vorgekommen, dass sich ein Bogen so drastisch von seinen Millionen Artgenossen unterschied. Und das kam so:

Im Juni 1840 hatte ein geisteskranker Kellner namens Edward Oxford zwei Pistolen aus nächster Nähe auf Königin Viktoria und Prinz Albert abgefeuert, als sie in einer offenen Kutsche vorbeifuhren. Gnädigerweise verfehlten die Schüsse ihr Ziel, und die Königin, die damals im vierten Monat schwanger war, blieb unversehrt.

Das fehlgeschlagene Attentat wurde von manchen als Verschwörung der Chartisten interpretiert, andere hielten es für das finstere Treiben des Oranier-Ordens, der danach trachtete, den Herzog von Cumberland auf den englischen Thron zu setzen. An letzterer Theorie war mehr dran, als die Regierung

Im Herbst 1840 wurde ein Druckerlehrling namens Jacob Tingle in der Firma Perkins, Bacon & Petch eingestellt. Überaus ehrgeizig, kletterte er die Karriereleiter in beträchtlichem Tempo empor.

Seine Arbeitgeber wussten allerdings nicht, dass Jacob T ingle eine Figur in einem bitterernsten Spiel war, einem Spiel, das nur seine im Verborgenen agierenden Drahtzieher in vollem Umfang überblickten.«

Wenn mich etwas an der Geschichte überraschte, dann die Art und Weise, wie anschaulich Vater erzählte. Ich sah die Gentlemen mit ihren hohen, gestärkten Krägen und ihren Zylinderhüten, die Damen mit ihren Reifröcken und Hauben förmlich vor mir. Und so, wie die Gestalten in seiner Geschichte zum Leben erwachten, erging es auch Vater selbst.

»Jacob Tingles Auftrag war streng geheim. Er sollte, wie auch immer, einen Bogen, einen einzigen Bogen Penny-Black-Marken drucken und dabei eine leuchtend orangefarbene Druckfarbe benutzen, die man ihm eigens zu diesem Zweck ausgehändigt hatte. Das Farbglas hatte ihm, zusammen mit einem Vorschuss auf seinen Lohn für die Ausführung der Tat, ein Mann mit Schlapphut in einer Kneipe gleich neben dem Friedhof von St. Paul’s übergeben. Der Mann hatte in einer dunklen Ecke der Kneipe gesessen und nur heiser geflüstert.

Sobald er den Bogen heimlich gedruckt hatte, sollte Tingle ihn zwischen den ganz gewöhnlichen Bögen mit Penny Blacks verstecken, die darauf warteten, auf die Postämter in ganz

Früher oder später würde irgendwo in England ein Bogen mit orangefarbenen Briefmarken auftauchen, und wer Augen hatte, zu sehen, würde die Botschaft verstehen. ›Wir sind mitten unter euch‹, würden diese Marken verkünden. ›Wir bewegen uns ungehindert und ungesehen in eurer Mitte.‹

Das ahnungslose Postamt hätte keine Möglichkeit, die aufrührerischen Marken zurückzurufen, und sobald sie erst in Umlauf gekommen waren, würde sich die Kunde von diesem Handstreich wie ein Lauffeuer verbreiten. Nicht einmal die Behörden Ihrer Majestät würden den Vorfall mehr unter den Tisch kehren können. Die höchsten Regierungsebenen wären in Angst und Schrecken versetzt worden.

Nun war ein Geheimagent in die Reihen der Verschwörer eingeschleust worden, und obwohl seine Nachricht letztendlich zu spät kam, konnte er doch immerhin mitteilen, dass das Auftauchen der orangefarbenen Marken den Verschwörern als Startsignal zu einer neuen Welle von Attentaten auf die Mitglieder des Königshauses dienen sollte.

Es war ein raffinierter Plan. Falls er nicht wie gewünscht klappte, würden die Verbrecher einfach eine Weile abwarten und es noch einmal versuchen. Aber dazu bestand kein Anlass: Das Ganze lief ab wie ein Uhrwerk.

Am Tag, nachdem sich Jacob mit dem Fremden in der Kneipe getroffen hatte, brach in einer Gasse gleich hinter Perkins, Bacon & Petch ein verdächtiger Großbrand aus. Als die Drucker und das Büropersonal schaulustig ins Freie liefen, zog Jacob die orangefarbene Paste aus der Tasche, färbte die Platte mit einer Ersatzwalze ein, die er hinter den Chemikalienflaschen im Regal versteckt hatte, legte einen befeuchteten Bogen des mit Wasserzeichen versehenen Papiers darauf und druckte den Bogen. Es war fast zu einfach.

Ehe die anderen Arbeiter auf ihre Posten zurückkehrten,

Aber dann streute das Schicksal, wie so oft, Sand ins gut geschmierte Getriebe. Was die Verschwörer nicht hatten ahnen können, war, dass der Schlapphütige noch in derselben Nacht im Regen von einem durchgehenden Droschkengaul in der Fleet Street totgetrampelt werden würde und dass er sterbend zu seinem Kinderglauben zurückkehrte und den ganzen Plan - samt Jacob Tingle und allem Drum und Dran einem Bobby in einer Regenpelerine beichtete, weil er ihn für einen katholischen Geistlichen im Talar hielt.

Zu jenem Zeitpunkt hatte Jacob sein schmutziges Werk jedoch bereits vollbracht, und die Bögen mit den orangefarbenen Briefmarken waren längst per Nachtpost in irgendeine unbekannte Ecke Englands unterwegs. Langweile ich dich, Harriet?«

Harriet? Hatte mich Vater eben »Harriet« genannt?

Es kommt vor, dass Väter mit mehreren Töchtern, wenn sie ihre Jüngste rufen, zuerst die Namen der anderen Töchter der Reihe nach aufzählen, und ich hatte mich längst daran gewöhnt, »Ophelia-Daphne-Flavia, verflixt noch mal« genannt zu werden. Aber Harriet? Das war noch nie passiert! Hatte sich Vater bloß versprochen, oder glaubte er tatsächlich, dass er seine Geschichte gerade Harriet erzählte?

Ich hätte ihn am liebsten geschüttelt, ihn in den Arm genommen; am liebsten wäre ich tot gewesen.

Dabei war mir bewusst, dass der Klang meiner Stimme den

Draußen riss der Wind an den Efeuranken, die das Fenster einrahmten. Es goss immer noch wie aus Kübeln.

»Ein gewaltiger Aufschrei ging durch das Land«, fuhr Vater endlich fort, und ich atmete auf.

»Jeder Postamtsvorsteher im ganzen Königreich erhielt ein Telegramm. Wo immer die orangefarbenen Marken auftauchten, sie sollten sofort weggeschlossen und die Behörden unverzüglich verständigt werden.

Da die Großstädte die umfangreichsten Lieferungen der Penny Blacks erhielten, nahm man an, dass die brisanten Marken höchstwahrscheinlich in London, Manchester oder allenfalls Sheffield oder Bristol auftauchen würden. Dem war jedoch nicht so.

Im äußersten Zipfel von Cornwall liegt das Dorf St. Mary-in-the-Marsh. Dort war noch nie irgendetwas Aufsehenerregendes vorgefallen, und kein Mensch ging davon aus, dass sich daran irgendwann etwas ändern könnte.

Der Postamtsvorsteher von St. Mary-in-the-Marsh war ein gewisser Melville Brown, ein älterer Herr, der das Rentenalter bereits überschritten hatte, sich aber noch ein bisschen Geld dazuverdienen wollte, das ihn, wie er jedem, der es hören wollte, erzählte, ›schmerzlos zum Friedhof hinübergeleiten‹ sollte.

Da St. Mary-in-the-Marsh in vielerlei Hinsicht abseits des Weltgeschehens lag, erreichte das Telegramm der Regierung den Postamtsvorsteher Brown überhaupt nicht, weshalb er ein paar Tage später, als er eine kleine Sendung von Penny Blacks auspackte und die Stückzahl überprüfte (fehlende Bögen mussten sofort gemeldet werden, und Mr Brown war stets überaus korrekt), die überall gesuchten Briefmarken buchstäblich vor der Nase hatte.

Natürlich fiel ihm der orangefarbene Druck sofort auf. Da stimmte doch etwas ganz und gar nicht! Obendrein war der Sendung nicht die übliche amtliche ›Mitteilung an den Postamtsvorsteher‹ beigefügt, die einen Hinweis auf den neuen Farbton der Penny-Marke hätte enthalten müssen. Nein, diese Sendung war von allergrößter Bedeutung, auch wenn Mr Brown nicht ahnte, in welcher Hinsicht.

Einen Augenblick lang - aber nur einen ganz flüchtigen - kam ihm in den Sinn, dass die sonderbar kolorierten Marken wertvoller sein könnten als ihr aufgedruckter Wert. Die gummierte Briefmarke war noch nicht einmal ein halbes Jahr in Gebrauch, da hatten schon gewisse Leute, höchstwahrscheinlich in London, wie er vermutete, nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen gewusst, als solche Marken zu sammeln und in kleine Alben zu stecken. Da konnte ein Einzelstück, was die Farbe betraf, oder eine Marke mit spiegelverkehrter Kontrollnummer gut und gerne ein Pfund oder sogar zwei einbringen, und ein ganzer Bogen gar, nun ja …

Aber Melville Brown gehörte zu jenen Menschen, die so selten zu sein scheinen wie Erzengel, nämlich zu den ehrlichen. Darum setzte er sofort ein Telegramm ans Schatzamt auf, und noch ehe eine Stunde um war, machte sich ein Kurier des Ministeriums vom Bahnhof Paddington aus auf den Weg, um die Marken abzuholen und wieder nach London zu bringen.

Die Regierung hatte vor, den schändlichen Bogen feierlich, aber unverzüglich zu vernichten. Joshua Butters Bacon schlug vor, die Marken im Archiv der Druckerei aufzubewahren oder vielleicht sogar im British Museum, wo sie künftigen Generationen als Anschauungsmaterial dienen könnten.

Königin Viktoria jedoch, die, wie die Amerikaner sagten, ein gieriger kleiner Raffzahn war, hatte diesbezüglich ihre eigenen Vorstellungen. Sie bat darum, man möge ihr doch eine Marke überlassen, und zwar als Erinnerung an den Tag, an dem sie

Wer wollte der Königin widersprechen? Der Premierminister, Viscount Melbourne (dessen Name einst in romantische Verbindung mit dem Ihrer Majestät gebracht worden war), hatte inzwischen, da britische Truppen kurz davor waren, Beirut einzunehmen, wahrhaftig anderes im Kopf. Und damit wurde die Angelegenheit ad acta gelegt.

So kam es, dass der einzige je gedruckte Bogen orangefarbener Penny-Marken in einer Menage auf dem Schreibtisch des Generaldirektors von Perkins, Bacon & Petch den Feuertod starb. Aber ehe Joshua Butters Bacon das Streichholz anriss, schnitt er sorgfältig wie ein Chirurg zwei Marken von den äußersten Ecken ab (die Perforation wurde erst ein paar Jahre später eingeführt), und zwar eine Marke für Königin Viktoria mit der Kennzeichnung ›A A‹ und, in aller Heimlichkeit, eine zweite mit der Kennung ›T L‹, von der gegenüberliegenden Ecke - für sich selbst.

Das waren die beiden Marken, die Sammlern eines Tages als Die Rächer von Ulster bekannt sein sollten, auch wenn ihr Vorhandensein viele Jahre lang, ehe sie diesen Namen erhielten, ein Staatsgeheimnis blieb.

Als Bacon eines Tages starb und sein Schreibtisch von der Wand gerückt wurde, fiel ein Briefumschlag, der dahinter geklemmt worden war, auf den Boden. Wie du wahrscheinlich schon erraten hast, war es Dr. Kissings Großvater, der ›Glöckner‹, der ihn entdeckte, als er das Büro ausfegen sollte. Da der alte Bacon tot war, fand er nichts dabei, die leuchtend orangefarbene Marke, die in dem Umschlag steckte, seinem dreijährigen Enkel zum Spielen mit nach Hause zu nehmen.«

Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Hoffentlich war Vater so in seine Erzählung vertieft, dass er es Rächer von Ulster, sowohl die »A A« als auch die »TL«, in diesem Moment gemeinsam in meiner Tasche steckten?

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