24

Weniger als zehn Stunden nach Verlassen Washingtons sank der türkisfarbene NUMA-Firmenjet vom Himmel über Alaska herab und landete auf dem Flughafen in Nome. Austin und Zavala tauschten den Jet gegen eine zweimotorige Propellermaschine der Bering Air und starteten bereits nach einer Stunde mit Ziel Providenya auf der russischen Seite der Beringstraße.

Der Flug über die Meerenge dauerte weniger als zwei Stunden. Der Flughafen von Providenya lag in einer malerischen Bucht, die von zerklüfteten grauen Bergen umgeben war. Die Stadt war während des Zweiten Weltkriegs eine Zwischenstation für Flugzeuge gewesen, die nach dem Lend-Lease Act von den Vereinigten Staaten nach Europa geflogen wurden, aber diese glorreichen Zeiten waren lange vorbei. Im Flughafen standen nur ein paar Charterflugzeuge und ein Militärhubschrauber, als das Flugzeug auf das kombinierte Flugkontroll- und Verwaltungsgebäude zurollte, ein müde dreinschauendes, zweistöckiges Bauwerk aus gewelltem Aluminiumblech, das aussah, als stamme es noch aus der Zeit Peters des Großen.

Als einzige ankommende Passagiere erwarteten Austin und Zavala, bei der Zoll- und Passkontrolle schnell abgefertigt zu werden. Aber die attraktive junge Beamtin, die für die Kontrolle der Einreisedokumente zuständig war, schien jedes Wort in Austins Reisepass auswendig lernen zu wollen. Dann bat sie auch noch um Zavalas Papiere. Sie legte die Pässe und die Visa nebeneinander.

»Zusammen?«, fragte sie und blickte von Gesicht zu Gesicht.

Austin nickte. Die Frau runzelte die Stirn, dann winkte sie einen bewaffneten Posten heran, der in der Nähe gestanden hatte. »Folgen Sie mir«, bellte sie wie ein Armeeausbilder. Nachdem sie die Papiere zusammengerafft hatte, marschierte sie ihnen voraus durch eine Tür auf der anderen Seite der Halle, während der Wachtposten dem Trio folgte.

»Ich dachte, du hättest so hochkarätige Freunde«, sagte Zavala.

»Sie wollen uns wahrscheinlich nur feierlich den Stadtschlüssel überreichen«, erwiderte Austin.

»Ich glaube eher, sie wollen uns einen Schuss verpassen«, sagte Zavala. »Lies mal das Schild über der Tür.«

Austin warf einen Blick auf die roten Lettern auf der weißen Tafel. Dort stand auf Englisch und Russisch das Wort QUARANTÄNE. Sie traten durch die Tür in einen kleinen grauen Raum. Das Innere war kahl bis auf drei Stahlrohrstühle und einen Tisch. Der Wächter folgte ihnen in den Raum und bezog Posten an der Tür.

Die Beamtin der Passkontrolle knallte die Papiere auf den Tisch. »Ausziehen«, befahl sie.

Austin hatte während des Fluges ein wenig schlafen können, aber er war immer noch leicht benommen und sich deshalb nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. Die Frau wiederholte den Befehl.

Austin grinste. »Donnerwetter. Wir kennen uns doch kaum.«

»Ich habe schon gehört, dass die Russen freundlich sind. Aber dass sie so freundlich sind, wusste ich nicht«, sagte Zavala.

»Ziehen Sie sich aus, oder Sie werden ausgezogen«, sagte die Frau und schaute zu dem bewaffneten Wachtposten, um ihre Aufforderung zu unterstreichen.

»Mit dem größten Vergnügen«, erwiderte Austin. »Aber in unserer Heimat lassen wir Damen stets den Vortritt.«

Zu seiner Verwunderung lächelte die Frau. »Ich wurde schon gewarnt, dass Sie ein harter Brocken sind, Mr. Austin.«

Austin begann, Lunte zu riechen. Er legte den Kopf leicht zur Seite. »Wer sollte Ihnen so etwas erzählt haben?«

Die Worte waren kaum über seine Lippen gekommen, als sich auch schon die Tür öffnete. Der Wachtposten trat beiseite, und Petrow betrat den Raum. Sein sympathisches Gesicht war zu einem breiten Grinsen verzogen, das allerdings wegen der gekrümmten Narbe auf seiner Wange ein wenig schief ausfiel.

»Willkommen in Sibirien«, sagte er. »Es freut mich, erleben zu dürfen, dass Sie bereits eine Kostprobe unserer Gastfreundschaft haben genießen können.«

»Iwan«, stöhnte Austin. »Ich hätte es mir denken können.«

Petrow hatte eine Flasche Wodka und drei Schnapsgläser mitgebracht, die er jetzt auf den Tisch stellte. Er kam herüber, schlang die Arme um Austin und tat das Gleiche dann bei Zavala. »Wie ich sehe, haben Sie Dimitri und Veronika schon kennen gelernt. Die beiden gehören zu meinen vertrauenswürdigsten Agenten.«

»Joe und ich hätten niemals ein so warmes Willkommen an einem kalten Ort wie Sibirien erwartet«, sagte Austin.

Petrow bedankte sich bei seinen Agenten und entließ sie. Er zog sich einen Stuhl heran und forderte die anderen auf, es ebenfalls zu tun. Er schraubte die Wodkaflasche auf, schenkte die Gläser voll und verteilte sie.

Mit erhobenem Glas sagte er: »Auf die alten Feinde.«

Sie stießen an und leerten die Gläser. Der Wodka schmeckte wie flüssiges Feuer, aber er hatte eine stärkere aufmunternde Wirkung als reines Koffein. Als Petrow sich anschickte, eine zweite Runde einzuschenken, deckte Austin eine Hand auf sein Glas. »Das wird wohl warten müssen. Wir haben eine ernste Angelegenheit zu erledigen.«

»Es gefällt mir, dass Sie wir sagen. Nach Ihrem Anruf kam ich mir regelrecht ausgeschlossen vor.« Er schenkte sich ein weiteres Glas ein. »Bitte erklären Sie mir, weshalb Sie es für notwendig hielten, ins nächste Flugzeug zu steigen und um die halbe Welt bis in dieses vielgeliebte Gartenparadies zu fliegen.«

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Austin mit einem Ausdruck von Müdigkeit, die nicht von den vielen Stunden im Flugzeug herrührte. »Sie beginnt und endet mit einem hervorragenden ungarischen Wissenschaftler namens Kovacs.«

Er schilderte die Abläufe in chronologischer Reihenfolge, wobei er zurückging bis zu Kovacs’ Flucht aus Ostpreußen und seinen Bericht mit der jüngeren Vergangenheit, also ihren Riesenwellen, dem Strudel und seinem Gespräch mit Barrett abschloss.

Petrow hörte schweigend zu und schob, als Austin geendet hatte, sein unberührtes Glas Wodka von sich weg.

»Das ist eine fantastische Geschichte. Glauben Sie wirklich, dass diese Leute die Fähigkeit haben, einen Polsprung herbeizuführen?«

»Sie wissen jetzt alles, was wir wissen. Was denken Sie?«

Petrow ließ sich diese Frage für einen Moment durch den Kopf gehen. »Haben Sie schon mal vom russischen ›Specht‹-Projekt gehört? Es war ein Versuch, das Wetter mithilfe elektromagnetischer Strahlung für militärische Zwecke zu manipulieren. Ihr Land betrieb die gleiche Forschung aus ähnlichen Gründen.«

»Wie erfolgreich waren diese Projekte?«

»Über einen gewissen Zeitraum kam es in beiden Ländern zu einigen ungewöhnlichen Wetterereignissen. Sie reichten von starken Winden über sintflutartigen Regen bis hin zu Dürreperioden. Sogar Erdbeben gab es. Wie man mir berichtete, endete die Forschung mit dem Kalten Krieg.«

»Interessant. Das würde zu dem passen, was wir wissen.«

Der Anflug eines Lächelns spielte um Zavalas Lippen.

»Sind wir ganz sicher, dass die Forschung endete?«

»Was meinst du?«

»Hast du in letzter Zeit mal aus dem Fenster gesehen?«

Petrow sah sich in dem fensterlosen Raum um, ehe er begriff, dass Zavala seine Frage rein metaphorisch gemeint hatte. Er lachte verhalten und sagte: »Ich neige dazu, Aussagen wörtlich zu nehmen. Das ist eine russische Eigenart. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Welt eine Reihe von Wetterextremen erlebt hat.«

Austin nickte.

»An dem, was Joe sagt, ist durchaus etwas dran. Ich habe im Augenblick nicht die Statistiken zur Hand, aber die empirischen Beweise scheinen ziemlich gewichtig zu sein. Tsunamis. Überschwemmungen. Hurrikane. Tornados. Erdbeben. Sie alle scheinen an Häufigkeit deutlich zuzunehmen. Vielleicht sind das jedoch auch nur die Auswirkungen der früheren Experimente.«

»Aber nach dem, was Sie sagen, lösen diese elektromagnetischen Manipulationen Störungen im Ozean aus. Was hat sich verändert?«

»Ich glaube nicht, dass das so schwierig zu verstehen ist. Wer auch immer hinter dieser Sache steckt, hat einen Grund gefunden, auf einen bestimmten Punkt zuzusteuern und dabei ein ganz bestimmtes Ziel im Auge.«

»Aber Sie wissen nicht, was dieses Ziel ist?«

»Sie sind der ehemalige KGB'ler. Ich bin nur ein einfacher Marineingenieur.«

Petrows Hand betastete seine Narbe. »Sie sind alles andere als einfach, mein Freund, aber Sie haben Recht, dass ich mich mit Verschwörungen auskenne. Während unseres bisherigen Gesprächs erinnerte ich mich an etwas, das einer Ihrer Regierungsvertreter, Zbigniew Brzezinski, vor vielen Jahren einmal sagte. Er prophezeite, dass eine Eliteklasse entstehen würde, die moderne Technologie einsetzt, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und die Gesellschaft unter genauer Beobachtung und Kontrolle zu halten. Sie würden soziale Krisen und die Massenmedien einsetzen, um ihre Ziele durch geheime Kriegführung, darunter auch Wetterbeeinflussung, zu erreichen. Diese Leute, von denen Sie gesprochen haben, Margrave und Gant, entsprechen sie diesem Bild?«

»Keine Ahnung. Ich halte es eher für unwahrscheinlich. Margrave ist ein reicher Neo-Anarchist, und Gant leitet eine Stiftung, die gegen die multinationalen Konzerne kämpft.«

»Vielleicht sind Sie wirklich nur ein einfacher Ingenieur. Wenn Sie zu einer Elite-Klasse gehören würden, die ein Komplott gegen die ganze Welt schmiedet, würden Sie öffentlich darauf aufmerksam machen?«

»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Nein, ich würde die Menschen in dem Glauben wiegen, dass ich ein Gegner dieser Elite bin.«

Petrow klatschte in die Hände. »Sie ahnen ja gar nicht, wie erfreut ich darüber bin, dass das jüngste Komplott gegen die Welt von Amerikanern geplant wird und nicht von einem verrückten russischen Nationalisten mit zaristischen Anwandlungen.«

»Ich bin beruhigt, dass dieses Bewusstsein entscheidend zu Ihrem Wohlbefinden beiträgt, aber wir sollten endlich zum Wesentlichen kommen.«

»Ich stehe Ihnen voll und ganz zu Diensten. Offensichtlich haben Sie bereits einen Plan, sonst wären Sie wahrscheinlich gar nicht hier.«

»Da wir nicht wissen, wer dahintersteckt und warum, bleibt uns nur das Was: Polumkehr oder Polsprung, wie immer man es nennen mag. Wir müssen es verhindern.«

»Dem stimme ich zu. Erzählen Sie mir mehr von jener sogenannten Gegenmaßnahme, die Sie erwähnten.«

»Joe ist der Techniker unseres Teams. Er kann es besser erklären als ich.«

»Ich werde mir alle Mühe geben«, versprach Zavala. »So wie ich es verstehe, besteht die Grundidee darin, eine Polverschiebung dadurch auszulösen, dass man elektroma­gnetische Impulse in die Erdkruste strahlt, um auf diese Weise Vibrationen des Kerns zu erzeugen. Man kann diese Impulse mit Tonwellen vergleichen. Wenn man sich in einem Hotel aufhält und die lauten Stimmen im Zimmer nebenan überdecken will, könnte man zum Beispiel einen Ventilator einschalten, dessen Schwingungen den Lärm auslöschen würden. Wenn man einen höheren Ton überdecken will, wie zum Beispiel das Geräusch eines Haartrockners, brauchte man andere Frequenzen. Man nennt das Ganze Weißes Rauschen. Man hört es als ein Zischen oder etwas, das wie raschelndes Herbstlaub klingt. Das Gegenmittel oder die Gegenmaßnahme, wie auch immer, ist damit vergleichbar.

Aber sie funktioniert nur, wenn man die richtigen Frequenzen kennt.«

»Und Sie glauben, dass diese Frau, Karla Janos, diese Frequenzen kennt?«

»Vielleicht kennt sie sie gar nicht, aber alles scheint darauf hinzudeuten, dass sie es tut«, sagte Austin. »Doch abgesehen von den globalen Folgen geht es auch darum, dass eine junge Frau ihr Leben verlieren könnte.«

Petrows Miene blieb ernst, aber seine Augen funkelten vergnügt.

»Das ist einer der vielen Gründe, warum ich Sie mag, Austin. Sie sind ein Ausbund an Galanterie. Ein Ritter in glänzender Rüstung.«

»Danke für das Kompliment, aber wir haben nicht viel Zeit, Petrow.«

»Das stimmt. Haben Sie irgendwelche Vorschläge?«

»Ja«, schaltete Zavala sich ein. »Hat Veronika eine Telefonnummer?«

»Das können Sie sie selbst fragen«, erwiderte Petrow.

Er leerte sein Wodkaglas, schraubte den Verschluss wieder auf die Flasche und klemmte sie sich unter den Arm. Dann verließ er mit den anderen den Raum und das Gebäude. Ein Fahrer mit Wagen wartete auf sie.

»Wir haben noch ein wenig Sondergepäck«, sagte Austin. Er deutete auf zwei überdimensionierte Koffer. »Bitte gehen Sie besonders vorsichtig damit um.«

»Alles wird ordnungsgemäß weitergeleitet.«

Sie stiegen in den Wagen, der sie zu der dem Meer zugewandten Seite des Flughafens und weiter zu einem breiten, durchhängenden Pier brachte. Ein Boot, etwa zwanzig Meter lang, war am Ende des Piers vertäut. Mehrere Männer warteten an der Gangway.

Austin stieg aus dem Wagen und erkundigte sich nach der Bedeutung der Worte in kyrillischer Schrift auf dem weißen Rumpf.

»Arctic Tours. Es ist ein real existierendes Reiseunternehmen, das reiche Amerikaner für horrende Geldsummen zu den gottverlassensten Orten bringt. Ich habe das Boot für ein paar Tage gechartert. Falls jemand fragt, zeigen wir ein paar Pfadfindern unsere schöne Natur.«

Während Petrow die beiden Männer über die Gangway begleitete, sah Austin zu seiner Erleichterung, dass ihr Gepäck wie durch Zauberhand an Deck gebracht worden war. Viel hatten sie nicht mitgenommen, jeder nur einen Seesack und die beiden Koffer, die laut Austin sorgfältig behandelt werden sollten.

Petrow führte sie zur Hauptkabine. Austin brauchte sich nur kurz umzusehen, um zu erkennen, dass dies kein Ausflugsboot war. Der größte Teil der normalen Möblierung war entfernt worden, bis auf einen großen, am Boden festgeschraubten Tisch in der Mitte und gepolsterte Bänke an den Seiten. Dimitri und Veronika saßen zusammen mit vier Männern in Tarnanzügen auf der Bank. Sie waren damit beschäftigt, eine eindrucksvolle Kollektion von automatischen Waffen zu reinigen.

»Wie ich sehe, bereiten Ihre Pfadfinder sich darauf vor, ihre Leistungsprüfung im Scharfschießen abzulegen. Was denkst du, Joe?«

»Ich interessiere mich viel mehr für die Pfadfinderin«, erwiderte Zavala. Er ging hinüber und begann mit der jungen Russin eine Unterhaltung.

Austin warf Petrow einen fragenden Blick zu.

»Ich weiß, dass Sie meinten, ein möglichst unauffälliges Auftreten sei notwendig«, erklärte Petrow. »Das ist auch meine Meinung. Diese Leute sind nur eine Art Rückversicherung. Sehen Sie, es sind nur sechs an der Zahl. Keine Armee.«

»Sie haben aber mehr Feuerkraft, als beide Seiten während der Schlacht von Gettysburg zusammen«, stellte Austin fest.

»Möglicherweise brauchen wir sie«, sagte Petrow. »Kommen Sie in meine Kabine, damit ich Sie auf den neuesten Stand bringen kann.«

Petrow ging voraus zu einer kleinen Kabine und nahm dort einen dicken Umschlag von der Schlafkoje. Er holte einige Fotografien aus dem Umschlag und reichte sie Austin, der sie ins Licht hielt, das durch das Bullauge hereindrang. Die Fotos zeigten verschiedene Ansichten von einer langen, grauen Insel mit einem donutförmigen Berg in der Mitte.

»Ivory Island?«, fragte er.

»Die Fotos wurden während der letzten Tage von Satelliten geschossen.« Petrow angelte ein kleines Vergrößerungsglas aus der Tasche. Er deutete auf eine Einbuchtung an der Südseite der Insel. »Das ist der natürliche Hafen, den der Eisbrecher benutzt, der den Nachschub bringt und die Expedition transportiert. Das Schiff hat Karla Janos hier vor zwei Tagen abgesetzt, um sie zu einer Expeditionsgruppe zu bringen, die bereits seit einiger Zeit auf der Insel arbeitet.«

»Und was ist die Aufgabe dieser Expedition?«

»Reinste Science-Fiction. Ein paar verrückte Russen und Japaner hoffen, DNS eines Wollhaarmammuts zu finden, mit dem sie ein lebendiges Exemplar klonen können. Sehen Sie, auf der anderen Seite der Insel, wo der Permafrost abgetragen wurde, befinden sich natürliche Buchten.«

Austin entdeckte in einer dieser Buchten eine längliche Form. »Ein Boot?«

»Wer immer es sein mag, wollte nicht gesehen werden, sonst hätte er den natürlichen Hafen benutzt. Ich glaube, dass die Mörder eingetroffen sind.«

»Wie schnell können wir dort sein?«

»In zehn Stunden. Das Boot schafft vierzig Knoten, aber die Entfernungen hier sind riesig, und wir könnten durch Treibeis aufgehalten werden.«

»So viel Zeit haben wir nicht.«

»Das ist richtig. Deshalb haben wir einen Ersatzplan vorbereitet.« Er schaute auf seine Uhr. »In einer Dreiviertelstunde kommt ein Wasserflugzeug vom Festland. Nach dem Auftanken fliegt es Sie und Zavala zum Eisbrecher Kotelny, der zwischen der Wrangelinsel und dem Polareis liegt. Ein Flug von etwa drei Stunden. Der Eisbrecher bringt Sie dann nach Ivory Island.«

»Was ist mit Ihnen und Ihren Freunden?«

»Wir starten zum gleichen Zeitpunkt wie Sie und hoffen, irgendwann morgen einzutreffen.«

Austin streckte Petrow eine Hand entgegen. »Ich kann Ihnen nicht genug danken, Iwan.«

»Eigentlich sollte ich mich bei Ihnen bedanken. Gestern war ich noch im Begriff, in meinem Moskauer Büro zu versauern. Und heute bin ich schon unterwegs, um eine schöne Frau aus großer Not zu retten.«

»Ich könnte Probleme haben, Zavala von hier wegzulocken«, sagte Austin.

Wie sich herausstellte, waren seine Befürchtungen unbegründet. Als er in die Hauptkabine zurückkehrte, unterhielt Zavala sich mit einem der Männer über seine Waffe. Veronika und Dimitri saßen ein wenig abseits und waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft.

»Tut mir leid, die junge Liebe zu stören«, sagte Austin.

»Das braucht es nicht. Petrow hat versäumt, mich darauf aufmerksam zu machen, dass Veronika und Dimitri verheiratet sind. Und zwar miteinander. Wohin geht’s?«

Austin erläuterte Petrows Plan, und sie gingen hinaus auf den Pier, um zu warten. Das Wasserflugzeug erschien eine Viertelstunde früher als erwartet. Es begab sich auf eine Position am Tankanschluss am Ende des Piers. Austin überwachte das Verladen seines Gepäcks, während das Flugzeug aufgetankt wurde, dann stiegen er und Zavala in die Maschine. Kurz darauf jagte es über die Bucht, hob die Nase und stieg in scharfem Winkel über die zerklüfteten grauen Bergspitzen, die die Bucht umschlossen, dann ging es auf nördlichen Kurs ins Ungewisse.

Загрузка...