Es war nichts Auffallendes an der äußeren Erscheinung Chun Ah Chuns. Er war, wie die meisten Chinesen, ziemlich klein, hatte die für Chinesen typischen schmalen Schultern und ihren hageren Körper. Der Durchschnittstourist, der ihn zufällig auf den Straßen Honolulus sah, würde ihn für einen freundlichen kleinen Chinesen, vermutlich den Besitzer einer gutgehenden Wäscherei oder Schneiderwerkstatt gehalten haben. Was Freundlichkeit und Wohlstand angeht, wäre das Urteil richtig, aber trotzdem nicht ganz zutreffend gewesen, denn Ah Chun war nicht weniger freundlich als wohlhabend, nur - wie wohlhabend er tatsächlich war, darüber wußte kein Mensch auch nur annähernd Bescheid. Es war zwar allgemein bekannt, daß er enorm reich sein mußte, aber in seinem Fall stand die Bezeichnung »enorm« nur als Symbol für das Unbekannte.
Ah Chun hatte kluge Äuglein, schwarze, glänzende Knöpfe, und so winzig, daß sie Bohrlöchern glichen. Aber sie standen weit auseinander und wurden von einer Stirn überwölbt, die ganz offensichtlich die Stirn eines Denkers war. Denn Ah Chun hatte seine Probleme, und er hatte sie sein ganzes Leben lang gehabt. Trotzdem hatte er sich deswegen nie Sorgen gemacht. Er war von seinem Wesen her ein Philosoph, und seine innere Ausgeglichenheit blieb bestehen, ob er nun Kuli oder Multimillionär und Herr über viele Menschen war. Er führte stets ein von heiterem Gleichmut, seelischer Harmonie und Ruhe bestimmtes Leben, das weder durch Glück noch durch Unglück erschüttert werden konnte. Alle Dinge wendeten sich bei ihm zum Guten, ob es die Schläge des Aufsehers in den Zuckerrohrfeldern waren oder der Preisverfall auf dem Zuckermarkt, als diese Felder schon ihm gehörten. Und so meisterte er von dem festverankerten Fels seiner sicheren Zufriedenheit aus schwierige Aufgaben, wie sie nur wenige Menschen, und fraglos kein anderer chinesischer Bauer, zu lösen haben.
Und genau das war er - ein chinesischer Bauer, dazu geboren, sein Leben lang wie ein Tier auf den Feldern zu rackern, aber vom Schicksal ausersehen, den Feldern zu entkommen wie der Prinz im Märchen. Ah Chun erinnerte sich nicht an seinen Vater, einen kleinen Bauern in der Gegend von Kanton, auch nicht an seine Mutter, die starb, als er sechs Jahre alt war. Doch an seinen angesehenen Onkel erinnerte er sich gut, denn ihm hatte er von seinem sechsten bis zu seinem vierundzwanzigsten Lebensjahr als Sklave gedient. Aus diesem Dasein floh er dann, indem er sich drei Jahre lang als Kuli verdingte, um für fünfzig Cents am Tag auf den Zuckerrohrplantagen Hawaiis zu arbeiten.
Ah Chun war ein aufmerksamer Beobachter. Er nahm Kleinigkeiten wahr, die unter Tausenden kein einziger je bemerkte. Drei Jahre lang arbeitete er auf den Feldern, danach verstand er mehr vom Zuckerrohranbau als die Aufseher oder selbst der Inspektor, und dieser wiederum wäre erstaunt gewesen über die Kenntnisse, die der schmächtige Kuli über die Verarbeitungsvorgänge in der Mühle besaß. Aber Ah Chun studierte nicht nur die Zuckerverarbeitung. Er versuchte herauszufinden, wie manche es fertigbrachten, selbst Besitzer von Zuckermühlen und Plantagen zu werden. Zu einem Schluß gelangte er bald, nämlich daß man nicht durch seiner eigenen Hände Arbeit reich wurde. Das wußte er genau, denn er selbst hatte sich zwanzig Jahre lang abgerackert. Leute, die reich wurden, wurden es durch die Arbeit der Hände anderer. Der Mann war am reichsten, der die größte Anzahl seiner Mitmenschen für sich schuften ließ.
Als sein Kontrakt abgelaufen war, steckte Ah Chun daher seine Ersparnisse in ein kleines Importgeschäft und tat sich mit einem gewissen Ah Yung zusammen. Das Unternehmen wurde schließlich die große Firma »Ah Chun & Ah Yung«, die mit allem, von indischer Seide und Ginseng bis hin zu GuanoInseln und Briggs für die Arbeiterwerber, Handel trieb. In der Zwischenzeit verdingte Ah Chun sich als Koch. Er war ein guter Koch, und nach drei Jahren war er der bestbezahlte Küchenchef von Honolulu. Seine Zukunft war gesichert, und er war ein Narr, das aufzugeben, wie Dantin, sein Arbeitgeber, ihm sagte; aber Ah Chun wußte selbst am besten, was er wollte, und dafür wurde er ein dreifacher Narr geheißen und erhielt, zusätzlich zu dem Lohn, der ihm zustand, noch ein Geschenk von fünfzig Dollar.
Die Firma von Ah Chun & Ah Yung blühte und gedieh. Ah Chun brauchte nicht mehr als Koch zu arbeiten. Es waren Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs auf Hawaii. Zuckerrohr wurde im großen Stil angebaut, und dazu benötigte man Arbeitskräfte. Ah Chun witterte seine Chance und verlegte sich auf die Einfuhr von Arbeitern. Er brachte Tausende von kantonesischen Kulis nach Hawaii, und sein Reichtum begann zu wachsen. Er legte das Geld an. Seine schwarzen Knopfaugen entdeckten dort gute Geschäfte, wo andere Leute nur den Bankrott sahen. Für ein Butterbrot kaufte er einen Fischteich, der ihm später fünfhundert Prozent Gewinn einbrachte und der den ersten Schritt zur Monopolisierung des Fischhandels von Honolulu darstellte. Er trat weder öffentlich in Erscheinung, noch spielte er in der Politik eine Rolle oder mischte bei Revolutionen mit, sah aber Ereignisse klarer und früher voraus als selbst die Männer, die die Dinge dann in Gang brachten. Vor seinem geistigen Auge erschien Honolulu als eine moderne Stadt mit elektrischer Beleuchtung, und das zu einer Zeit, als es sich noch verwahrlost und versandet auf einem öden, aus dem Wasser ragenden Korallenriff ausbreitete. Also kaufte er Land. Er erwarb Grundstücke von Kaufleuten, die schnell Bargeld brauchten, von mittellosen Eingeborenen, von den in Saus und Braus lebenden Söhnen von Händlern, von Witwen und Waisen und von den Aussätzigen, die nach Molokai deportiert wurden. Und irgendwie stellte es sich im Lauf der Zeit heraus, daß die Grundstücke, die er erstanden hatte, für Warenhäuser, Bürogebäude oder Hotels benötigt wurden. Er pachtete und mietete, verkaufte und kaufte und verkaufte wieder.
Aber er befaßte sich auch mit anderen Dingen. Er setzte sein Vertrauen und sein Geld auf Kapitän Parkinson, den Renegaten, auf den sich keiner verlassen mochte. Und Parkinson unternahm geheimnisvolle Fahrten auf der kleinen Vega. Ah Chun sorgte für Parkinson bis zu seinem Tode, und Jahre später staunte ganz Honolulu, als die Nachricht durchsickerte, daß die Guano-Inseln Drake und Acorn für eine dreiviertel Million an die britische Phosphatgesellschaft verkauft worden waren. Dann folgten die fetten, einträglichen Tage unter König Kalakaua, als Ah Chun dreihunderttausend Dollar für die Opiumkonzession zahlte. Wenn er auch eine Drittelmillion für das Drogenmonopol berappen mußte, so war es doch eine gute Investition, denn von den Dividenden kaufte er die Kalalau-Plantage, die ihm wiederum siebzehn Jahre lang dreißig Prozent Gewinn einbrachte und die er dann schließlich für eineinhalb Millionen abstieß.
Es war vor Zeiten unter den Kamehamehas, daß er seinem eigenen Land als Konsul diente - ein Amt, das nicht ganz unrentabel war, und es geschah unter Kamehameha IV. daß er seine Staatsangehörigkeit wechselte und ein Bürger Hawaiis wurde, um Stella Allendale heiraten zu können, die selbst eine Untertanin dieses braunhäutigen Königs war, obwohl mehr angelsächsisches als polynesisches Blut in ihren Adern floß.
Tatsächlich waren die Anteile der verschiedenen Rassen in ihr so verdünnt, daß sie nach Achteln oder Sechzehnteln berechnet werden mußten. Zu einem Sechzehntel hatte sie das Blut ihrer Urgroßmutter Paahao in sich - der Prinzessin Paahao, denn sie stammte von der Königsfamilie ab. Stella Allendales Urgroßvater war ein gewisser Kapitän Blunt gewesen, ein englischer Abenteurer, der in den Dienst Kamehamehas I. getreten und selbst zu einem Tabu-Häuptling ernannt worden war. Ihr Großvater war ein Walfängerkapitän aus New Bedford, während durch ihren eigenen Vater eine schwache Beimischung italienischen und portugiesischen Bluts, die auf seinen eigenen englischen Stammbaum aufgepfropft worden war, dazukam. Dem Gesetz nach eine Hawaiianerin, hatte Ah Chuns Ehefrau jedoch mehr von jeder der drei anderen Nationalitäten in sich.
Und diesem bunten Durcheinander fügte Ah Chun noch die mongolische Mischung hinzu. So waren also seine Kinder, die er mit Frau Ah Chun zeugte, zu einem Zweiunddreißigstel Polynesier, zu einem Sechzehntel Italiener, einem Sechzehntel Portugiesen, zur Hälfte Chinesen und zu elf Zweiunddreißigstel Engländer und Amerikaner. Es könnte gut sein, daß Ah Chun nicht geheiratet haben würde, hätte er die wundervolle Familie voraussehen können, die dieser Verbindung entsproß. Wundervoll war sie in vielerlei Hinsicht. Erstens durch ihre Größe. Er hatte fünfzehn Söhne und Töchter, größtenteils Töchter. Die Söhne wurden zuerst geboren, drei an der Zahl, und darauf folgte, ohne Unterbrechung, ein rundes Dutzend Mädchen. Die Mischung war ausgezeichnet. Sie erwies sich nicht nur als fruchtbar, denn die gesamte Nachkommenschaft war ausnahmslos gesund und ohne Fehl und Tadel. Doch das Verblüffendste an der Familie war ihre Schönheit. Alle Mädchen waren schön - von einer zarten, ätherischen Schönheit. Die runden Linien der Mama Ah Chun schienen Papa Ah Chuns kantige Hagerkeit zu mildern, so daß die Töchter zwar gertenschlank, aber nicht dürr, wohlgeformt, aber nicht mollig waren. Jeder ihrer Gesichtszüge wies einen leichten asiatischen Einschlag auf, der aber vom alten England, Neuengland und südlichen Europa beeinflußt und überdeckt wurde. Keiner, der sie sah, hätte ohne Kenntnis der näheren Umstände den starken Anteil chinesischen Blutes in ihren Adern vermutet; doch andererseits konnte kein Beobachter, nachdem er eingeweiht war, die chinesischen Merkmale übersehen.
Als Schönheiten waren die Ah Chun Mädchen etwas Neues, nie zuvor Dagewesenes. Sie glichen nichts und niemandem so sehr, wie sie einander glichen, und doch unterschieden sie sich deutlich voneinander. Man konnte sie nicht miteinander verwechseln. Andererseits wiederum erinnerte einen die blauäugige und blonde Maud sofort an Henrietta, eine Brünette mit olivfarbenem Teint, großen, sehnsuchtsvollen, dunklen Augen und blauschwarzem Haar. Diese leichte Ähnlichkeit, die bei ihnen allen vorhanden war und jede Andersartigkeit wieder ausglich, war der Beitrag Ah Chuns. Er hatte gleichsam den Malgrund geliefert, auf dem die miteinander vermischten Muster der Rassen aufgetragen worden waren. Ihm war das feinknochige chinesische Gerüst zu verdanken, dem dann die Feinheiten und Raffinessen angelsächsischen, romanischen und polynesischen Fleisches aufmodelliert wurden.
Frau Ah Chun hatte ihre eigenen Ideen, die Ah Chun respektierte, die er jedoch unterdrückte, sobald sie seiner persönlichen philosophischen Ruhe abträglich waren. Sie war von Jugend an gewohnt gewesen, auf europäische Art zu leben. Nun gut. Ah Chun gab ihr ein Herrenhaus im europäischen Stil. Später, als seine Söhne und Töchter groß genug waren, um eine eigene Meinung zu äußern, baute er den Bungalow, ein geräumiges, weitläufiges Gebäude, ebenso schlicht wie großzügig. Und im Lauf der Zeit entstand auf dem Tantalus ein Berghaus, in das sich die Familie zurückziehen konnte, wenn der »ungesunde« Wind aus dem Süden wehte. Und am Strand von Waikiki errichtete er ein Haus auf einem riesigen Grundstück, dessen Lage so gut gewählt war, daß er später, als es die Regierung der Vereinigten Staaten für Festungsanlagen zwangsenteignete, dafür mit einer immensen Summe entschädigt wurde. In allen Häusern gab es Billard-, Rauch- und Gästezimmer im Überfluß, denn die wundervolle Nachkommenschaft Ah Chuns legte Wert auf großzügige Gastlichkeit. Die Ausstattung war von extravaganter Schlichtheit. Königliche Summen wurden dafür ausgegeben, ohne daß die Einrichtung - dank des kultivierten Geschmacks der Nachkommenschaft - protzig wirkte.
Ah Chun hatte es bei ihrer Erziehung an nichts fehlen lassen. Achte nicht auf die Kosten, hatte er in den alten Tagen zu Parkinson gesagt, als dieser lustlose Seemann keine Veranlassung sah, die Vega seetüchtig zu machen. »Du segelst den Schoner, ich zahle die Rechnungen.« Und ebenso hielt er es mit seinen Söhnen und Töchtern. Es war ihre Sache gewesen, sich eine gute Bildung anzueignen, um die Kosten brauchten sie sich nicht zu kümmern. Harold, der Erstgeborene, hatte in Harvard und Oxford studiert, Albert und Charles hatten denselben Studiengang in Yale absolviert. Und die Töchter, von der ältesten bis hinunter zur jüngsten, hatten sich im Mills Seminar in Kalifornien auf ihr Studium am Vassar, Wellesley oder Bryn Mawr College vorbereitet. Auf ihren eigenen Wunsch hin holten sich einige den letzten Schliff in Europa. Und aus der ganzen Welt kehrten Ah Chuns Söhne und Töchter zu ihm zurück, um ihm mit Anregungen und Ratschlägen bei der stilgerechten Ausschmückung seiner prächtigen Wohnsitze zur Seite zu stehen. Ah Chun selbst zog den üppigen Glanz orientalischer Prachtentfaltung vor; aber er war ein Philosoph und sah ein, daß der Geschmack seiner Kinder nach westlichem Maßstab der richtige war.
Natürlich kannte man seine Nachkommen nicht unter dem Namen Ah Chun. So wie er sich vom einfachen Kuli zum Multimillionär entwickelt hatte, so hatte sich auch sein Name entwickelt. Mama Ah Chun hatte ihn A’Chun buchstabiert, doch ihre klügeren Sprößlinge ließen das Apostroph weg und schrieben ihn Achun. Ah Chun hatte nichts dagegen. Die Schreibweise seines Namens beeinträchtigte seine Bequemlichkeit oder seine philosophische Ruhe nicht im geringsten. Außerdem war er nicht stolz. Als sich jedoch seine Kinder zu einem gestärkten Hemd mit steifem Kragen und einem Gehrock für ihn verstiegen, störten sie seine Bequemlichkeit und Ruhe sehr wohl. Ah Chun wollte nichts davon wissen. Er zog die locker fallenden Gewänder Chinas vor, und sie konnten ihn weder durch gutes Zureden noch durch massives Drängen dazu bewegen, sich anders zu kleiden. Sie versuchten es auf beide Arten, und gerade bei der zweiten Methode versagten sie aufs Kläglichste. Nicht umsonst waren sie in Amerika gewesen. Sie hatten gelernt, welche Wirkung ein von einer gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft ausgeübter Boykott hat, und nun boykottierten sie ihn, ihren Vater Chun Ah Chun, in seinem eigenen Haus, und Mama Achun unterstützte und ermutigte sie dabei auch noch. Doch Ah Chun war zwar mit der westlichen Kultur nicht vertraut, kannte sich aber sehr gut mit den westlichen Arbeitsbedingungen aus. Selbst ein großer Arbeitgeber, war er solchen Taktiken durchaus gewachsen. Er veranlaßte sofort die Aussperrung seines aufrührerischen Nachwuchses und seiner abtrünnigen Ehefrau. Er entließ die große Dienerschar, verriegelte seine Ställe, verschloß seine Häuser und zog ins Royal Hawaiian Hotel, dessen größter Aktionär er zufällig war. Die Familie suchte bestürzt und aufgeregt reihum bei Freunden Unterschlupf, während Ah Chun in aller Ruhe seine zahlreichen Geschäfte abwickelte, die lange Pfeife mit dem winzigen Silberkopf rauchte und über das Problem seiner wundervollen Nachkommenschaft nachsann.
Dieses Problem brachte ihn jedoch nicht aus seiner Ruhe. Er wußte in seiner philosophischen Seele, daß er es lösen würde, sobald die Zeit dafür reif war. Unterdessen erteilte er seiner Familie die Lektion, daß er trotz seiner Nachgiebigkeit doch der absolute Herrscher über das Geschick der Achuns war. Die Familie hielt eine Woche durch, kehrte dann aber, zusammen mit Ah Chun und der großen Dienerschaft, wieder in den Bungalow zurück. Und von da an gab es keinerlei Debatten mehr, wenn es Ah Chun einfiel, seinen prachtvollen Salon im blauseidenen Gewand, mit wattierten Pantoffeln und schwarzem, mit einem roten Knopf verzierten Seidenkäppchen zu betreten, oder wenn er auf einer der breiten Veranden oder im Herrenzimmer mitten unter den Zigaretten und Zigarren rauchenden Offizieren und Zivilisten lieber an seiner langen, schlanken Pfeife mit dem Silberkopf zog.
Ah Chun hatte in Honolulu eine einzigartige Stellung inne. Obwohl er nicht am Gesellschaftsleben teilnahm, war er doch überall gern gesehen. Abgesehen von seinen Besuchen bei den chinesischen Kaufleuten der Stadt, ging er niemals aus. Doch er empfing gerne Gäste und war stets der Mittelpunkt seines Haushalts und führte den Vorsitz an der Tafel. Obgleich als chinesischer Bauer geboren, herrschte bei ihm doch eine von Kultur und Eleganz erfüllte Atmosphäre, die nirgendwo auf den Inseln überboten wurde. Auch gab es niemanden, der zu stolz gewesen wäre, über seine Schwelle zu treten und seine Gastfreundschaft zu genießen. Vor allem herrschte im Achunschen Bungalow ein tadelloser Ton. Zudem besaß Ah Chun Macht. Und schließlich war Ah Chun ein Ausbund der Tugend und ein ehrlicher Geschäftsmann. Trotz der Tatsache, daß die Geschäftsmoral auf den Inseln an sich schon höher war als auf dem Festland, übertraf Ah Chun die Geschäftsleute von Honolulu noch an Gewissenhaftigkeit und unbeugsamer Redlichkeit. Es hieß allgemein, daß sein Wort ebenso gut sei wie ein von ihm signierter Schuldschein. Man brauchte, um ihn zu verpflichten, keineswegs seine Unterschrift. Er brach sein Wort nie. Zwanzig Jahre, nachdem Hotchkiss von der Hotchkiss-Morterson-Gesellschaft gestorben war, fand man unter verlegten Papieren einen kurzen Vermerk über ein Darlehen an Ah Chun von dreißigtausend Dollar. Das war zu einer Zeit gewesen, als Ah Chun Geheimer Rat bei Kamehameha II. war. In der Geschäftigkeit und dem Tumult dieser Blütezeit, dieser Tage des großen Geldes, war die Sache dem Gedächtnis Ah Chuns entfallen. Es gab keinen Schuldschein, keine rechtsgültigen Dokumente, doch er beglich den Hotchkiss-Erben ihre Forderung vollständig und zahlte noch freiwillig die Zinseszinsen, die den ursprünglichen Betrag lächerlich gering erscheinen ließen. Ebenso ging es, als er für das unselige Kakiku-Kanalisierungsprojekt zu einer Zeit eine mündliche Garantieerklärung abgab, als selbst der Vorsichtigste sich nicht träumen ließ, daß eine Bürgschaft nötig sei. »Er unterschrieb einen Scheck über mehr als zweihunderttausend, ohne mit der Wimper zu zucken, meine Herren, ohne mit der Wimper zu zucken«, berichtete der Sekretär dieses bankrotten Unternehmens, den man in der fast aussichtslosen Hoffnung, etwas über Ah Chuns Absichten in Erfahrung zu bringen, vorgeschickt hatte. Zu all dem und vielen ähnlichen Fällen, in denen er sein Wort gehalten hatte, kam noch, daß es kaum einen angesehenen Mann auf den Inseln gab, dem Ah Chun nicht bei irgendeiner Gelegenheit finanzielle Unterstützung gewährt hätte.
Kein Wunder, daß ganz Honolulu beobachtete, wie sich seine wundervolle Familie zu einem umfassenden Problem auswuchs, und man ihn insgeheim bedauerte, denn keiner konnte sich vorstellen, wie er damit fertigwerden wollte. Aber Ah Chun sah das Problem klarer als alle anderen. Niemand wußte so gut wie er selbst, in welchem Maße er als Fremder in seiner eigenen Familie lebte. Und die Familienangehörigen ahnten es nicht einmal. Er erkannte, daß für ihn kein Platz mehr war inmitten der wunderbaren Saat seiner Lenden, und er blickte voraus auf die Jahre, die ihm noch blieben, und wußte, daß er ihnen immer fremder werden würde. Er begriff seine Kinder nicht. Ihre Unterhaltung drehte sich um Dinge, die ihn nicht interessierten und von denen er nichts verstand. Die Kultur des Westens war an ihm vorbeigegangen. Er war Asiate bis in die letzte Faser, was wiederum bedeutete, daß er ein Heide war. Ihr Christentum war für ihn reiner Humbug. Aber all das würde er als etwas Unwesentliches und Unbedeutendes beiseite gewischt haben, hätte er sich nur in die jungen Leute selbst hineinversetzen können. Sagte Maud zum Beispiel, daß der Haushalt im Monat dreißigtausend kostete - so verstand er das, wie er auch Alberts Bitte um fünftausend Dollar verstand, mit denen er den Schoner Muriel kaufen und Mitglied des hawaiischen Jachtclubs werden wollte. Doch es waren ihre indirekteren, komplizierteren Wünsche und Denkweisen, die ihn verwirrten. Er entdeckte bald, daß die Gedankenwelt jedes Sohnes und jeder Tochter ein geheimes Labyrinth war, in das vorzudringen er nie hoffen durfte. Immer wieder stieß er auf die Wand, die den Osten vom Westen trennt. Er fand keinen Zugang zu ihrer Seele, und daher wußte er, daß auch sie keinen Zugang zu seiner Seele fanden.
Außerdem stellte er fest, daß er sich mit zunehmendem Alter immer mehr zu seiner eigenen Rasse hingezogen fühlte. Die starken Gerüche des Chinesenviertels waren aromatische Düfte für ihn. Er sog sie voller Wohlbehagen ein, wenn er durch die Straßen ging, führten sie ihn doch in Gedanken in die engen, winkeligen Gassen Kantons zurück, wo es von buntem Leben und Treiben nur so wimmelte. Er bedauerte, daß er seinen Zopf abgeschnitten hatte, um Stella Allendale in der Zeit vor ihrer Hochzeit zu gefallen, und erwog ernsthaft, ob er sich nicht den Schädel rasieren und einen neuen Zopf wachsen lassen sollte. Die Speisen, die sein hochbezahlter Chefkoch ihm bereitete, konnten seinen Gaumen nicht auf dieselbe Weise kitzeln wie die eigenartigen Gerichte in dem stickigen Restaurant unten im Chinesenviertel. Ein halbes Stündchen lang mit zwei oder drei alten chinesischen Freunden zu rauchen und zu plaudern bereitete ihm viel mehr Vergnügen, als den Vorsitz bei den üppigen und eleganten Abendeinladungen zu führen, für die sein Haus berühmt war und bei denen die Spitzen der amerikanischen und europäischen Gesellschaft, Herren und Damen nebeneinander, an seiner langen Tafel saßen - die Damen mit Juwelen geschmückt, die in dem gedämpften Licht auf ihren weißen Dekolletes und Armen funkelten, die Herren im Abendanzug. Und alle plauderten und lachten über Themen und scherzhafte Bemerkungen, die zwar nicht unbedingt böhmische Dörfer für ihn waren, ihn aber nicht interessierten und auch nicht amüsierten.
Aber das Problem war nicht nur sein Gefühl des Fremdseins und sein immer größer werdender Wunsch, zu seinen chinesischen Fleischtöpfen zurückzukehren. Da war auch noch sein Reichtum. Er hatte sich auf ein friedliches Alter gefreut. Er hatte schließlich schwer gearbeitet. Dafür sollte er eigentlich mit Ruhe und Frieden belohnt werden. Aber er wußte, daß ihm bei einem so ungeheuer großen Vermögen Ruhe und Frieden nicht zuteil werden würde. Dafür gab es bereits gewisse Anzeichen und Hinweise. Ähnliche Schwierigkeiten hatte er früher schon mitbekommen. Da war sein alter Arbeitgeber, Dantin, dessen Kinder ihm durch ordentlichen Gerichtsbeschluß des Verfügungsrechts über seinen Besitz beraubt hatten, indem sie ihn unter Vormundschaft stellen ließen. Ah Chun wußte, und wußte sehr wohl, daß man Dantin, wäre er ein armer Mann gewesen, für zurechnungsfähig genug gehalten hätte, um seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Und der alte Dantin hatte nur drei Kinder und eine halbe Million, während er, Chun Ah Chun, fünfzehn Kinder und, keiner außer ihm wußte, wieviele Millionen besaß.
»Unsere Töchter sind schöne Frauen«, sagte er eines Abends zu seiner Gattin. »Es gibt doch so viele junge Männer. Das Haus ist immer voll davon. Meine Zigarrenrechnungen sind sehr hoch. Weshalb kommt es nie zu einer Hochzeit?«
Mama Achun zuckte die Schultern und schwieg abwartend.
»Frauen sind Frauen, und Männer sind Männer - es ist schon seltsam, daß es nie eine Hochzeit gibt. Vielleicht mögen die jungen Männer unsere Töchter nicht.«
»Ach doch, sie mögen sie schon«, entgegnete Mama Achun, »aber weißt du, sie können nicht vergessen, daß du der Vater deiner Töchter bist.«
»Und doch hast du vergessen, wer mein Vater war«, meinte Ah Chun ernst. »Alles, was du von mir verlangt hast, war, daß ich meinen Zopf abschneide.«
»Die jungen Männer sind etwas anspruchsvoller, als ich es war, nehme ich an.«
»Was ist das Größte auf der Welt?« fragte Ah Chun scheinbar zusammenhanglos.
Mama Achun überlegte einen Augenblick und erwiderte dann: »Gott.«
Er nickte. »Es gibt Götter und Götter. Einige sind aus Papier, einige aus Holz, andere aus Bronze. Ich benutze einen kleinen im Büro als Briefbeschwerer. Im Bishop-Museum gibt es viele Götter aus Korallen- und Lavagestein.«
»Aber es gibt nur einen Gott«, erklärte sie bestimmt, und ihre volle Figur straffte sich angriffslustig.
Ah Chun bemerkte das Gefahrensignal und wich aus.
»Was ist denn größer als Gott?« fragte er. »Ich werde es dir sagen. Es ist das Geld. In meinem Leben habe ich mit Juden und Christen, Mohammedanern und Buddhisten und mit kleinen schwarzen Männern von den Salomonen und aus Neuguinea, die ihren Gott, in Ölpapier eingewickelt, bei sich trugen, Geschäfte gemacht. Sie hatten alle verschiedene Götter, diese Menschen, aber alle beteten sie das Geld an. Da ist dieser Captain Higginson. Henrietta scheint ihm zu gefallen.«
»Er wird sie nie heiraten«, gab Mama Achun zurück. »Er wird es bis zum Admiral bringen, bevor er das Zeitliche segnet.«
»Konteradmiral«, warf Ah Chun ein. »Ja, ich weiß. Das werden sie, wenn sie ihren Abschied nehmen.«
»Seine Familie in den Vereinigten Staaten ist sehr vornehm. Sie würden wohl nicht einverstanden sein, wenn er. wenn er nicht ein amerikanisches Mädchen heiraten würde.«
Ah Chun klopfte die Asche aus seiner Pfeife und stopfte ihren silbernen Kopf gedankenvoll mit einer kleinen Portion Tabak. Er zündete sie an und rauchte zu Ende, ehe er sich äußerte.
»Henrietta ist die Älteste. Am Tag ihrer Hochzeit werde ich ihr dreihunderttausend Dollar geben. Das wird diesen Captain Higginson und seine vornehme Familie schon für sie einnehmen. Sieh zu, daß er es erfährt. Ich überlasse das dir.«
Und Ah Chun blieb sitzen und rauchte weiter, und in den aufsteigenden Rauchkringeln sah er das Gesicht und die Figur von Toy Shuey Gestalt annehmen - von Toy Shuey, dem Mädchen für alles im Haus seines Onkels in dem kantonschen Dorf, dessen Arbeit nie endete und das für die Arbeit eines ganzen Jahres einen Dollar erhielt. Und er sah sich selbst als jungen Mann in den Tabakschwaden, als den jungen Mann, der sich achtzehn Jahre lang auf dem Feld seines Onkels für nur wenig mehr abgeplagt hatte. Und jetzt gab er, Ah Chun, der Bauer, seiner Tochter eine Mitgift von dreihunderttausend Jahren solcher Plackerei. Und sie war nur eine von einem Dutzend Töchtern. Dieser Gedanke machte ihn nicht besonders stolz. Es kam ihm plötzlich in den Sinn, was für eine komische, launenhafte Welt das war, und er kicherte laut und schreckte dadurch Mama Achun aus einer Träumerei auf, die sich, wie er wußte, in den verborgensten Winkeln ihres Inneren, wohin er nie vorgedrungen war, abspielte.
Ah Chuns Versprechen machte heimlich die Runde, und es wurde überall darüber geflüstert. Und Captain Higginson vergaß seine Karriere als Konteradmiral und seine vornehme Familie und heiratete die dreihunderttausend Dollar und ein gebildetes, kultiviertes Mädchen, das zu einem Zweiunddreißigstel polynesischer, einem Sechzehntel italienischer, einem Sechzehntel portugiesischer, elf Zweiunddreißigstel englischer und amerikanischer und zur Hälfte chinesischer Abstammung war.
Ah Chuns Freigebigkeit verfehlte ihre Wirkung nicht. Seine Töchter wurden plötzlich standesgemäße und begehrte Partien. Clara war die nächste, aber als der Verwaltungschef formell um ihre Hand anhielt, ließ Ah Chun ihn wissen, daß er warten müsse, bis er an die Reihe käme, daß Maud die Älteste sei und zuerst verheiratet werden müsse. Es war eine kluge Politik. Die ganze Familie hatte auf einmal ein lebhaftes Interesse daran, Maud unter die Haube zu bringen, was ihr nach drei Monaten mit Ned Humphreys, dem Einwanderungskommissar der Vereinigten Staaten, glückte. Sowohl er als auch Maud beklagten sich, denn die Mitgift betrug nur zweihunderttausend. Ah Chun erklärte, daß er sich anfangs nur so freigebig gezeigt habe, um das Eis zu brechen, und daß seine Töchter jetzt nichts anderes erwarten könnten, als billiger wegzugehen.
Auf Maud folgte Clara, und danach gab es innerhalb von zwei Jahren in dem Bungalow eine nicht abreißende Reihe von Hochzeiten. In der Zwischenzeit war Ah Chun nicht untätig geblieben. Eine Geldanlage nach der anderen wurde gekündigt. Er verkaufte seine Anteile an vielen Unternehmen, und Schritt für Schritt, um nicht einen plötzlichen Preisverfall auf dem Markt zu verursachen, trennte er sich von seinem großen Grundbesitz. Bei der letzten Transaktion indessen verursachte er doch noch einen Preissturz und verkaufte mit Verlust. Der Grund für diese Eile waren die Gewitterwolken, die er bereits am Horizont aufziehen sah. Als Lucille verheiratet war, dröhnte schon der Widerhall von Streit und Eifersüchteleien in seinen Ohren. Die Luft war erfüllt von Intrigen und Gegenintrigen, um seine Gunst zu gewinnen und ihn gegen den einen oder anderen oder alle außer einem seiner Schwiegersöhne einzunehmen. Und all das trug nicht gerade zu dem Frieden und der Ruhe bei, die er sich für sein Alter gewünscht hatte.
Er beschleunigte seine Bemühungen. Seit langer Zeit stand er mit den führenden Banken in Schanghai und Makao in Briefwechsel. Jeder abgehende Dampfer hatte seit mehreren Jahren Zahlungsanweisungen zugunsten eines gewissen Chun Ah Chun zur Einlage in diesen fernöstlichen Banken mitgenommen. Die Beträge wurden jetzt größer. Seine beiden jüngsten Töchter waren noch nicht verheiratet. Er wartete nicht, sondern gab jeder eine Mitgift von Hunderttausend, die in der Bank von Hawaii hinterlegt wurden, Zinsen brachten und auf den Hochzeitstag warteten. Albert übernahm die Firma Ah Chun & Ah Yung, Harold, der Älteste, entschloß sich dazu, sich mit einer Viertelmillion in England niederzulassen, Charles, der Jüngste, bekam Hunderttausend, einen gesetzlichen Vormund und einen Kursus in einem Keeley-Institut. Mama Achun erhielt den Bungalow, das Berghaus auf dem Tantalus und eine neue Villa am Meer, anstelle derjenigen, die Ah Chun an die Regierung verkauft hatte. Außerdem bekam Mama Achun noch eine halbe Million, die solide angelegt war.
Ah Chun war jetzt bereit, den Kern des Problems anzugehen. Eines schönen Morgens, als die Familie beim Frühstück saß -er hatte dafür gesorgt, daß alle seine Schwiegersöhne und Töchter anwesend waren - verkündete er, daß er in das Land seiner Vorfahren zurückkehren werde. In einer hübschen kleinen Predigt legte er dar, daß er für seine Familie in ausreichendem Maß Vorsorge getroffen hätte, und stellte verschiedene Regeln auf, die sie, da sei er sicher, sagte er, in die Lage versetzen würden, in Frieden und Harmonie miteinander zu leben. Auch gab er seinen Schwiegersöhnen geschäftliche Ratschläge, predigte die Vorzüge eines mäßigen Lebens und sicherer Geldanlagen und ließ sie von seinem umfassenden Wissen über die industriellen und geschäftlichen Verhältnisse in Hawaii profitieren. Dann verlangte er nach seinem Wagen, fuhr in Begleitung der weinenden Mama Achun zu dem pazifischen Postdampfer hinunter und hinterließ panische Bestürzung im Bungalow. Captain Higginson forderte ungestüm eine gerichtliche Verfügung. Die Töchter vergossen ausgiebig Tränen. Einer ihrer Ehemänner, ein ehemaliger Bundesrichter, zweifelte an Ah Chuns Geisteszustand und eilte zu den zuständigen Behörden, um ihn überprüfen zu lassen. Er kehrte mit der Information zurück, daß Ah Chun am Tag zuvor vor der Kommission erschienen war, eine Untersuchung verlangt und sie glänzend bestanden hatte. Es war nichts zu machen, und so fuhren sie zum Hafen hinunter und sagten dem kleinen Mann Lebewohl, der ihnen vom Promenadendeck aus zum Abschied zuwinkte, als der große Dampfer durch das Korallenriff Kurs aufs offene Meer nahm.
Aber der kleine alte Mann fuhr nicht nach Kanton. Er kannte sein eigenes Land und die Erpressungen der Mandarine zu gut, um sich mit dem ansehnlichen Vermögen, das ihm noch geblieben war, dorthin zu wagen. Er reiste nach Makao. Nun hatte Ah Chun lange die Macht eines Königs ausgeübt und besaß auch die Autorität eines Königs. Als er in Makao an Land ging und sich in die Rezeption eines der größten europäischen Hotels begab, um sich in die Gästeliste einzutragen, klappte ihm der Portier das Buch vor der Nase zu. Chinesen wurden nicht aufgenommen. Ah Chun ließ den Direktor holen und wurde auch von ihm von oben herab abgefertigt. Er fuhr weg, kam aber zwei Stunden später wieder. Er ließ den Portier und den Direktor rufen, gab ihnen ein Monatsgehalt und entließ sie. Er hatte das Hotel gekauft und bezog dort während der vielen Monate, in denen sein prächtiger Palast am Stadtrand gebaut wurde, die schönste Suite. In der Zwischenzeit erhöhte er mit der ihm eigenen unvermeidlichen Tüchtigkeit die Einkünfte seines großen Hotels von drei auf dreißig Prozent.
Die Schwierigkeiten, vor denen Ah Chun geflüchtet war, begannen schon bald. Einige Schwiegersöhne hatten das Geld schlecht angelegt, andere brachten die Achunsche Mitgift mit einem verschwenderischen Lebensstil durch. Nachdem sie sich nicht mehr an Ah Chun wenden konnten, richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf Mama Achun und die halbe Million, und dadurch gewannen ihre Gefühle füreinander nicht gerade an Wärme. Die Rechtsanwälte wurden dick und fett bei den Bemühungen, Treuhandverträge auf ihre Hieb- und Stichfestigkeit hin abzuklopfen. Die Gerichte Hawaiis konnten sich vor Klagen, Nebenklagen und Gegenklagen kaum mehr retten. Auch die Strafkammer entging dieser Prozeßflut nicht.
Es gab wütende Zusammenstöße, bei denen harte Worte fielen und noch härtere Schläge ausgeteilt wurden. Es wurden sogar Blumentöpfe geworfen, um den Worten, die hin- und herflogen, noch mehr Gewicht zu verleihen. Und es kam wiederum zu Verleumdungsklagen, die sich durch die verschiedenen Instanzen schleppten und ganz Honolulu mit den Enthüllungen der Zeugen in Atem hielten.
In seinem Palast raucht unterdessen Ah Chun, von allen ihm teuren Köstlichkeiten des Orients umgeben, friedlich sein Pfeifchen und lauscht dem Tumult von jenseits des Ozeans. Mit jedem Postdampfer geht ein auf einer amerikanischen Schreibmaschine in fehlerlosem Englisch getippter Brief von Makao nach Honolulu, in dem Ah Chun mit goldenen Worten und Ratschlägen seine Familie ermahnt, in Eintracht und Harmonie miteinander zu leben. Was ihn selbst angeht, so hat er mit der Sache nichts mehr zu tun und ist darüber sehr froh. Er hat Frieden und Ruhe erlangt. Dann und wann kichert er und reibt sich die Hände, und seine kleinen schwarzen Schlitzäugelchen blinzeln heiter bei dem Gedanken an diese seltsame Welt. Denn von seinem ganzen Dasein und seiner Philosophie ist ihm das eine geblieben - die Überzeugung, daß dies schon eine sehr komische Welt ist.