Einunddreißig

Cerberus/Hades,

an der Heliopause von Delta Pavonis

2566


»Jetzt ist wohl eine Zigarette fällig«, sagte Volyova. Sie wusste im ersten Moment gar nicht mehr, wo sie die Glimmstängel verstaut hatte, fand sie aber schließlich in einer selten benutzten Tasche ihrer Fliegerjacke. Sie ließ sich viel Zeit, das Päckchen zu öffnen und eins der zerknitterten, vergilbten Röhrchen herauszufischen, und als sie endlich so weit war, inhalierte sie gemächlich und wartete, bis ihre flatternden Nerven wie eine Wolke aufgewirbelter Federn allmählich zur Ruhe kamen.

»Das Schiff hat ihn getötet«, sagte sie und schaute auf Hegazis Überreste hinab, bemühte sich aber nach Kräften, nicht weiter über den Anblick nachzudenken. »Das ist das Einzige, was Sinn ergibt.«

»Ihn getötet?«, fragte Khouri. Sie hielt den Lauf ihres Plasmagewehrs immer noch auf die Fetzen des Triumvirs gerichtet, die zu ihren Füßen im glitschigen Schiffsschleim schwammen, als fürchte sie, die Teile könnten sich jeden Moment wieder zu einem Ganzen zusammenfügen. »Du meinst, das war kein Unfall?«

»Nein, das war kein Unfall. Ich weiß, dass er mit Sajaki und folglich auch mit Sylveste gemeinsame Sache machte. Trotzdem hat ihn Sonnendieb getötet. Da kommt man ins Grübeln, nicht wahr?«

»Das kann man wohl sagen.«

Vielleicht war Khouri bereits selbst dahinter gekommen, aber Volyova erklärte es ihr trotzdem. »Sylveste hat das Schiff verlassen. Er ist auf dem Weg zu Cerberus, und da es mir nicht gelungen ist, den Brückenkopf zu sabotieren, kann ihn kaum noch etwas aufhalten. Er wird ins Innere gelangen. Verstehst du? Das heißt, Sonnendieb hat gesiegt. Er braucht nichts mehr zu tun. Der Rest ist nur noch eine Frage der Zeit. Es genügt, wenn der Status quo erhalten bleibt. Und durch wen wird der bedroht?«

»Durch uns«, sagte Khouri zögernd wie ein kluger Schüler, der seinen Lehrer beeindrucken, sich aber nicht dem Spott seiner Klassenkameraden aussetzen will.

»Mehr als das. Nicht nur durch dich und mich; nicht einmal, wenn wir Pascale mit einbeziehen. Für Sonnendieb war auch Hegazi eine Bedrohung. Und zwar aus einem einzigen Grund: weil er ein Mensch war.« Das waren natürlich nur Vermutungen, aber für Volyova klangen sie vollkommen einleuchtend. »Für jemanden wie Sonnendieb ist menschliche Loyalität ein unberechenbares, chaotisches Phänomen — vielleicht ist es ihm nicht einmal ganz verständlich. Er hatte Hegazi umgedreht — oder zumindest die Leute, denen Hegazis Loyalität bereits gehörte. Aber verstand er, von welcher Dynamik diese Loyalität beherrscht wurde? Das bezweifle ich. Hegazi war eine Komponente, die ihren Dienst getan hatte und womöglich irgendwann zum Störfaktor wurde.« Sie war von einer eisigen Ruhe erfüllt, die daher rührte, dass sie ihrer eigenen Vernichtung ins Auge sah und wusste, dass sie ihr selten so nahe gewesen war. »Also musste er sterben. Und nachdem Sonnendieb sein Ziel jetzt fast erreicht hat, gedenkt er mit uns anderen sicher ebenso zu verfahren.«

»Wenn er uns töten wollte…«

»Hätte er es bereits getan? Vielleicht hat er es ja versucht, Khouri. Große Teile des Schiffes werden nicht mehr zentral gesteuert, dadurch sind Sonnendiebs Möglichkeiten begrenzt. Er hat von einem Körper Besitz ergriffen, der nur noch zur Hälfte funktionsfähig ist, weil er vom Aussatz zerfressen wird und obendrein gelähmt ist.«

»Sehr poetisch, aber was bedeutet das für uns?«

Volyova zündete sich eine zweite Zigarette an. Mit der ersten hatte sie kurzen Prozess gemacht. »Für uns bedeutet das, er wird versuchen, uns zu töten, wobei allerdings schwer vorauszusehen ist, welche Mittel er dafür noch hat. Er kann nicht einfach das ganze Schiff luftleer machen, denn dafür existiert keine Befehlshierarchie. Das könnte nicht einmal ich, es sei denn, ich wollte alle Schleusen von Hand öffnen, und dazu müsste ich zuerst Tausende von elektromechanischen Sicherungen außer Kraft setzen. Wahrscheinlich wäre es auch nicht einfach für ihn, größere Bereiche als diese Luftschleuse mit Schleim zu überfluten. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ihm schon etwas einfallen wird.«

Sie hob plötzlich und fast automatisch mit beiden Händen das Projektilgewehr und zielte damit in den dunklen Korridor, der zur Schleuse führte.

»Was ist?«

»Nichts«, sagte Volyova. »Ich bin nur nervös. Auffallend nervös. Du weißt wahrscheinlich auch nicht, was wir jetzt tun sollen, Khouri?«

Khouri hatte tatsächlich einen Vorschlag.

»Wir sollten Pascale suchen. Sie kennt sich nicht so gut aus wie wir. Und wenn es gefährlich wird…«

Volyova drückte ihre Zigarettenkippe am Lauf des Projektilgewehrs aus.

»Du hast Recht; wir sollten zusammenbleiben: Und das werden wir auch. Sobald…«

Etwas kam geräuschvoll aus dem Halbdunkel und blieb zehn Meter vor ihnen stehen.

Volyova legte sofort darauf an, feuerte aber noch nicht; sie spürte instinktiv, dass im Moment noch keine Lebensgefahr drohte. Es war einer der Servomaten, die Sylveste bei der missglückten Operation am Captain eingesetzt hatte; ein Raupenfahrzeug ohne kompliziertes Innenleben, kurzum, eine von den Drohnen, die hauptsächlich vom Schiff und nicht von einem eigenen Gehirn gesteuert wurden.

Die vorstehenden Sensoraugen richteten sich auf die beiden Frauen.

»Er ist nicht bewaffnet«, flüsterte Volyova und merkte im gleichen Moment, dass Flüstern sinnlos war. »Vermutlich hat man ihn losgeschickt, um nach uns zu suchen. Wir befinden uns an einer blinden Stelle; in einem der Bereiche, die das Schiff nicht beobachten kann.«

Der Servomat schwenkte seine Sensoren hin und her, als wollte er die genaue Position der Frauen durch Triangulation ermitteln. Dann fuhr er rückwärts und schickte sich an, im Dunkel zu verschwinden.

Khouri schoss ihn nieder.

»Warum hast du das getan?«, fragte Volyova, als die Schüsse verhallt und die Lichtblitze erloschen waren, so dass sie die Augen wieder öffnen konnte. »Was immer er gesehen hat, wurde bereits zum Schiff gesendet. Es war sinnlos, ihn zu erschießen.«

»Mir hat nicht gefallen, wie er mich angesehen hat«, sagte Khouri. Dann runzelte sie die Stirn. »Außerdem ist jetzt einer weniger da, der Ärger machen kann.«

»Richtig«, sagte Volyova. »Und bei der Geschwindigkeit, mit der das Schiff so simple Drohnen herstellt, dauert es vielleicht sogar zehn bis zwanzig Sekunden, bis er ersetzt ist.«

Khouri sah sie an, als habe sie die Pointe nicht verstanden. Aber Volyova machte keine Witze. Sie hatte soeben etwas bemerkt, was sie viel mehr erschreckte als der Servomat. Immerhin war es logisch, wenn das Schiff früher oder später Drohnen einsetzte, um sensorische Informationen zu sammeln; logisch wäre auch, wenn es nach Wegen suchte, die Maschinen so auszurüsten, dass sie den Rest der menschlichen Besatzung und die Passagiere ermorden konnten. Das hätte sie sich irgendwann auch selbst ausrechnen können. Aber das nicht. Was soeben für einen Moment die Nase aus dem Schiffsschleim gesteckt und sie mit seinen schwarzen Nageraugen angesehen hatte, um dann sofort kehrtzumachen und im Dunkel davonzuschwimmen, traf sie unerwartet.

Doch jetzt erinnerte sie sich. Das Schiff kontrollierte auch die Pförtnerratten.

Als Sylveste zu sich kam — im ersten Moment wusste er nicht mehr genau, wann er das Bewusstsein verloren hatte —, war er von verschwommenen Sternen umgeben, die einen komplizierten Tanz aufführten. Wenn ihm nicht bereits übel gewesen wäre, hätte sein Magen bei diesem Anblick ganz sicher rebelliert. Was wollte er hier? Und was war das für ein sonderbares Gefühl — als hätte man ihm jede Körperzelle mit Watte ausgestopft? Er steckte in einem Raumanzug — deshalb! In einem der Spezialanzüge, die der Besatzung gehörten. So ein Ding hatte ihn und Pascale von Resurgam aufs Schiff gebracht. Und der Anzug hatte an Stelle von Luft eine Flüssigkeit in seine Lungen gepresst.

»Was ist los?«, artikulierte er stumm. Der Anzug konnte solche Äußerungen über den einfachen, im Helm integrierten Sprachzentrums-Trawl interpretieren.

»Ich schalte zurück«, teilte ihm der Anzug mit. »Schubumkehr am Mittelpunkt.«

»Wo, zum Teufel, sind wir?« Sich in seinen Erinnerungen zurechtzufinden war immer noch so mühsam wie die Suche nach dem Ende eines verwirrten Wollknäuels. Er hatte keine Ahnung, wo er anfangen sollte.

»Mehr als eine Million Kilometer vom Schiff und etwas weniger als das von Cerberus entfernt.«

»Wie sind wir in so kurzer Zeit so weit…?« Er hielt inne. »Nein, warte. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir schon unterwegs sind.«

»Wir sind vor vierundsiebzig Minuten aufgebrochen.« Nicht viel mehr als eine Stunde, dachte Sylveste. Hätte der Anzug von einem Tag gesprochen, dann hätte er auch das widerspruchslos hingenommen. »Wir flogen mit einer durchschnittlichen Beschleunigung von zehn Ge. Triumvir Sajaki hatte Höchstgeschwindigkeit befohlen.«

Jetzt kam die Erinnerung. Sajakis nächtlicher Anruf, die wilde Jagd zu den Anzügen. Er erinnerte sich, Pascale eine Nachricht hinterlassen zu haben, aber keine genaueren Angaben. Das war sein einziges Zugeständnis gewesen; der einzige Luxus, den er sich gestattete. Doch selbst wenn er Tage Zeit gehabt hätte, um sich auf das Unternehmen vorzubereiten, er hätte kaum etwas anders gemacht. Eigene Dokumentations- oder Aufzeichnungsgeräte brauchte er nicht, denn er hatte Zugriff auf die Datenbanken und die integrierten Sensoren des Anzugs. Die Anzüge waren auch bewaffnet und dafür ausgerüstet, sich gegen Angriffe der Art, wie sie derzeit gegen Volyovas Waffe geführt wurden, autonom zu verteidigen. Sie konnten Instrumente für wissenschaftliche Analysen herstellen und in ihrem Innern Behältnisse zur Aufbewahrung von Proben ausbilden. Davon abgesehen, waren sie so unabhängig wie jedes Raumschiff. Nein — die Erkenntnis kam wie ein Blitz —, das war falsch gedacht; die Anzüge waren Raumschiffe, sehr vielseitige Ein-Mann-Raumschiffe, die zu atmosphäretauglichen Flugzeugen und — wenn nötig — auch zu geländegängigen Fahrzeugen umfunktioniert werden konnten. Bei vernünftiger Überlegung gab es keine bessere Möglichkeit, nach Cerberus zu gelangen.

»Ich bin froh, dass ich die Beschleunigungsphase verschlafen habe«, sagte Sylveste.

»Sie hatten gar keine andere Wahl«, erklärte der Anzug ungerührt. »Ihr Bewusstsein wurde unterdrückt. Machen Sie sich jetzt bitte für die Bremsphase bereit. Wenn Sie wieder aufwachen, befinden Sie sich in unmittelbarer Nähe des angegebenen Ziels.«

Sylveste begann in Gedanken eine Frage zu formulieren; er wollte wissen, warum sich Sajaki nicht zeigte, obwohl er doch versichert hatte, Sylveste begleiten zu wollen. Doch bevor er sein Anliegen noch in die vorsprachliche Form gebracht hatte, die für den Trawl zu interpretieren war, versetzte ihn der Anzug abermals in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Khouri begab sich auf die Suche nach Pascale Sylveste, und Volyova kehrte auf die Brücke zurück. Sie wagte nicht mehr, die Fahrstühle zu benützen, doch zum Glück brauchte sie nicht mehr als zwanzig Decks zu überwinden; anstrengend, aber nicht unmöglich. Außerdem einigermaßen sicher: das Schiff konnte keine Drohnen in die Treppenhäuser schicken; nicht einmal die Schweber, die auf supraleitenden Magnetfeldern durch die normalen Korridore flogen. Trotzdem behielt sie das Projektilgewehr im Anschlag, während sie die endlose Wendeltreppe hinaufstieg, und bewegte den Lauf von einer Seite zur anderen. Gelegentlich blieb sie stehen, hielt den Atem an und lauschte, ob ihr jemand folgte oder weiter oben auf sie lauerte.

Unterwegs überlegte sie, auf wie viele Arten die Sehnsucht nach Unendlichkeit sie töten konnte. Es war eine intellektuelle Herausforderung, die sie zwang, ihre Kenntnisse auf andere Weise einzusetzen als bisher. Vieles erschien ihr in einem neuen Licht. Vor gar nicht langer Zeit war sie in einer ganz ähnlichen Situation gewesen wie das Schiff jetzt. Damals wollte sie Nagorny töten oder zumindest verhindern, dass er für sie zur Bedrohung wurde, was im Grunde auf das Gleiche hinauslief. Letzten Endes hatte sie ihn erst getötet, nachdem er versucht hatte, sie zu töten — aber was sie jetzt beschäftigte, war die Todesart, die sie gewählt hatte. Sie hatte das Schiff so schnell beschleunigt und wieder abgebremst, dass er bei lebendigem Leib zu Brei zerquetscht wurde. Früher oder später — es gab kein stichhaltiges Argument, das dagegen spräche — würde das Schiff auf die gleiche Idee kommen. Dann wäre es besser, nicht mehr an Bord zu sein.

Sie erreichte unbehelligt die Brücke, aber das hinderte sie nicht, jeden Schatten auf lauernde Maschinen oder — jetzt noch gefährlicher — auf Ratten zu untersuchen. Sie wusste nicht, was ihr die Ratten antun konnten, aber sie war auch nicht scharf darauf, es herauszufinden.

Die Brücke war so leer, wie Volyova sie verlassen hatte. Die Schäden, die Khouri angerichtet hatte, waren nicht beseitigt worden; der Boden des großen, kugelförmigen Versammlungsraums war noch mit Sajakis Blut befleckt. Die Projektionssphäre hing leuchtend über ihr und zeigte immer neue Berichte über den Zustand des Cerberus-Brückenkopfs. Einen Moment lang beobachtete sie unwillkürlich mit gewissem Stolz, wie wacker sich ihr Geschöpf noch immer gegen die lebensbedrohenden Waffen der Alien-Welt verteidigte. Doch bevor die Genugtuung noch richtig zum Tragen kam, wurde sie durch den Wunsch verdrängt, der Brückenkopf möge versagen und Sylveste den Zugang versperren. Vorausgesetzt, er war noch nicht eingetroffen.

»Was wollen Sie hier?«, fragte eine Stimme.

Sie fuhr herum. Von einer der umlaufenden Sitzreihen schaute eine Gestalt auf sie herab, die sie nicht kannte. Ein Mann in dunklem Mantel mit gefalteten Händen und eingefallenem Gesicht. Sie schoss auf ihn, aber er verschwand nicht. Die Kugeln der Projektilwaffe rasten durch ihn hindurch und hinterließen ionisierte Streifen, die wie Fahnen in der Luft hingen.

Daneben erschien eine zweite Gestalt in anderer Kleidung. »Sie haben Ihr Bleiberecht verwirkt«, sagte sie in einer uralten Norte-Variante, die Volyova nicht sofort verstand und erst mühsam übersetzen musste.

»Sie müssen einsehen, Triumvir, dass dieses Reich nicht länger das Ihre ist«, meldete sich eine dritte Stimme. Gegenüber war eine weitere Gestalt zum Leben erwacht. Sie trug einen uralten Raumanzug ohne Helm, der über und über mit Kühlleitungen und kastenförmigen Zusatzgeräten bepflastert war, und sprach das älteste Russisch, das Volyova noch umsetzen konnte.

»Was wollen Sie hier erreichen?«, fragte die erste Gestalt. Daneben manifestierte eine neue Erscheinung, die auf Volyova einredete, und so ging es weiter, bis sie völlig von den Schatten der Vergangenheit umzingelt war. »Das ist unerhört…« Doch schon wurde die Stimme von einem weiteren Gespenst auf der rechten Seite übertönt.

»…dazu keine Vollmacht, Triumvir. Ich muss Ihnen sagen…«

»…Ihre Befugnisse erheblich überschritten und müssen sich nun…«

»…bitter enttäuscht, Ilia, und muss dich höflich bitten, dass du…«

»…Privilegien… entziehen…«

»…in keiner Weise akzeptabel…«

Die Stimmen vermischten sich und steigerten sich zu einem unartikulierten Gebrüll. Volyova begann zu schreien. Die Toten füllten jetzt den ganzen Raum. Wohin sie auch schaute, sie sah nur noch uralte Gesichter, und jedes bewegte die Lippen, als wäre es allein und wähnte sich im Besitz ihrer vollen Aufmerksamkeit. Sie flehten zu ihr wie zu einer allwissenden Gottheit, doch das Flehen war zugleich eine Klage. Zunächst klangen die Stimmen nörgelig und enttäuscht, doch alsbald wurde der Ton von Sekunde zu Sekunde gehässiger und verächtlicher, als hätte Volyova die ganze Gesellschaft nicht nur aufs Schändlichste im Stich gelassen, sondern obendrein ein so grausiges Verbrechen begangen, dass es nicht mit Worten auszudrücken war, sondern nur mit angewidert hochgezogenen Lippen und zutiefst beschämten Blicken angedeutet werden konnte.

Sie wog das Gewehr in den Händen. Die Versuchung, einen ganzen Patronengurt in die Gespensterschar zu jagen, war fast übermächtig. Töten konnte sie die Erscheinungen natürlich nicht, aber sie konnte ihre Projektionssysteme schwer beschädigen. Doch seit die Waffenkammer nicht mehr in Betrieb war, musste sie Munition sparen.

»Haut ab!«, schrie sie. »Lasst mich in Frieden!«

Ein Toter nach dem anderen verstummte und verschwand mit enttäuschtem Kopfschütteln, als ertrage er es nicht, noch länger in einem Raum mit ihr zu verweilen. Endlich war sie wieder allein. Rasselnd strich ihr der Atem durch die Kehle. Um sich zu beruhigen, zündete sich noch eine Zigarette an und rauchte sie langsam. Sie musste ein paar Minuten abschalten. Liebevoll streichelte sie das Gewehr. Gut, dass sie die Patronen nicht verschwendet hatte, auch wenn sie es in diesem Moment genossen hätte, die Brücke zu zerstören. Khouri hatte eine gute Wahl getroffen.

Die Seiten der Waffe waren mit silbernen und goldenen Drachenmotiven in chinesischem Stil verziert.

Aus der Projektionssphäre sprach eine Stimme.

Volyova blickte auf und sah in Sonnendiebs Gesicht.

Sie hatte gewusst, wie er aussehen musste, seit ihr Pascale die Bedeutung des Namens erklärt hatte. Es war genauso, wie sie gedacht hatte, und doch viel schlimmer. Denn sie sah das Alien nicht nur von außen. Sie sah auch, wie es sich selbst sah — und sie sah, dass Sonnendieb unter einer massiven Geistesstörung litt. Nagorny fiel ihr ein. Sie verstand, was den Mann in den Wahnsinn getrieben hatte, und konnte ihm kaum noch böse sein — nicht, wenn er die ganze Zeit dieses Wesen im Kopf gehabt hatte, ohne zu ahnen, woher es kam oder was es von ihm wollte. Nein; jetzt hatte sie Mitleid mit dem toten Waffenoffizier. Der arme Teufel war zu bedauern. Vielleicht wäre auch sie in eine Psychose gestürzt, wenn hinter jedem Traum, jedem wachen Gedanken dieses Gespenst gelauert hätte.

Sonnendieb mochte einst ein Amarantin gewesen sein. Aber er hatte sich verändert, vielleicht sogar gezielt, mit Hilfe der Gentechnik, die durch selektiven Druck aus ihm und seinen Stammesgenossen eine ganz neue Spezies gemacht hatte. Die Verbannten hatten ihre Anatomie für den Flug in der Schwerelosigkeit umgestaltet und sich riesige Flügel wachsen lassen. Volyova sah sie hinter dem schmalen, gerundeten Kopf aufragen, der sich zu ihr herabneigte.

Es war ein Totenkopf. Die Augenhöhlen waren nicht völlig leer und nicht völlig hohl, sondern bis zum Rand gefüllt mit einer unendlich tiefen Schwärze, die so dunkel und zugleich ohne Tiefe war, wie sie sich die Membranen der Schleierweber vorstellte. Sonnendiebs Knochen verbreiteten ein fahles Licht.

»Entgegen meinen früheren Äußerungen«, bemerkte sie, als sich der erste Schock gelegt oder zumindest auf ein erträgliches Maß abgeschwächt hatte, »hättest du inzwischen wohl eine Möglichkeit finden können, mich zu töten. Wenn du das wolltest.«

»Woher willst du wissen, was ich will?«

Seine Sprache war ein wortloses Nichts, wie aus Stille geschnitten, das aber doch irgendwie Bedeutung vermittelte. Die mehrfach gegliederten Kieferknochen bewegten sich nicht. Volyova erinnerte sich, dass die Sprache für die Amarantin nie das wichtigste Kommunikationsmittel gewesen war. Die gesellschaftlichen Beziehungen beruhten auf visuellen Verständigungsformen. Ein so grundlegendes Charakteristikum war sicher auch dann erhalten geblieben, als Sonnendieb mit seinem Schwarm Resurgam verlassen und die Transformationen eingeleitet hatte; jene radikalen Transformationen, die dafür sorgten, dass er und seinesgleichen für geflügelte Götter gehalten wurden, als sie nach langer Zeit auf ihre Welt zurückkehrten.

»Ich weiß, was du nicht willst«, sagte Volyova. »Du willst nicht, dass Sylveste daran gehindert wird, Cerberus zu erreichen. Deshalb müssen wir jetzt sterben; damit wir keinen Weg finden können, um ihn aufzuhalten.«

»Seine Mission ist von großer Bedeutung für mich«, sagte Sonnendieb. Dann verbesserte er sich: »Für uns. Die Überlebenden.«

»Und was habt ihr überlebt?« Vielleicht war dies ihre einzige Chance, die Verhältnisse wenigstens in Ansätzen zu verstehen. »Nein; warte — was könnte es anders sein als der Untergang der Amarantin? Ist es das? Habt ihr irgendeinen Weg gefunden, dem Tod zu entrinnen?«

»Du weißt inzwischen, wann ich in Sylveste eingedrungen bin.« Das war keine Frage, sondern eine sachliche Feststellung. Volyova fragte sich, wie viel von ihren Gesprächen Sonnendieb wohl mit angehört hatte.

»Es muss vor Lascailles Schleier gewesen sein«, sagte sie. »Nur das ergibt einen Sinn — wenn auch nicht allzu viel, wie ich zugeben muss.«

»Wir hatten dort Zuflucht gefunden; neunhundertundneunzigtausend Jahre lang.«

Die Übereinstimmung war zu groß; das konnte kein Zufall sein. »Seit euer Leben auf Resurgam endete.«

»Ja.« Das Wort verklang. Die Stille schien zu brodeln. »Wir hatten die Schleier errichtet; die letzte Verzweiflungstat unseres Schwarms, nachdem alle, die auf dem Planeten zurückblieben, zu Asche verbrannt waren.«

»Ich verstehe nicht. Was Lascaille sagte und Sylveste auch selbst herausfand…«

»Man zeigte ihnen nicht die Wahrheit. Lascaille sah eine Fiktion — wir ersetzten unsere Identität durch die einer viel älteren Kultur, die keinerlei Ähnlichkeit mit uns hatte. Der wahre Zweck der Schleier wurde ihm nicht offenbart. Man zeigte ihm eine Lüge, um andere Besucher anzulocken.«

Jetzt begriff Volyova auch die Wirkungsweise des Manövers. Lascaille hatte man erklärt, die Schleier seien Horte gefährlicher Technik — wahre Fundgruben für vieles, wonach die Menschheit insgeheim gierte, wie etwa für Methoden der Raumfahrt mit Überlichtgeschwindigkeit. Lascaille hatte das Sylveste offenbart und damit dessen Verlangen, das Rätsel der Schleier zu lüften, noch weiter angeheizt. Zugleich hatte er Sylveste auf diese Weise ein Argument an die Hand gegeben, mit dem er die gesamte Demarchisten-Gesellschaft um Yellowstone für sein Unternehmen gewinnen konnte, denn wer die Geheimnisse der Aliens als Erster entschlüsselte, konnte damit rechnen, mit geradezu märchenhaften Reichtümern belohnt zu werden.

»Aber wenn das eine Lüge war«, sagte sie, »was war dann der wahre Zweck der Schleier?«

»Wir haben sie errichtet, um uns dahinter zu verstecken, Triumvir Volyova.« Jetzt spielte er mit ihr, weidete sich an ihrer Verwirrung. »Es waren Zufluchtsorte. Umstrukturierte Raumzeit-Sphären, die uns Schutz boten.«

»Schutz vor wem?«

»Vor den Überlebenden des Morgenkrieges. Sie sind auch als Unterdrücker bekannt.«

Sie nickte. Vieles verstand sie immer noch nicht, aber eines war ihr jetzt klar. Was Khouri ihr erzählt hatte — die Fragmente jenes seltsamen Traums im Leitstand —, war tatsächlich die Wahrheit. Khouri hatte nicht alles in Erinnerung behalten, und sie hatte Mühe gehabt, die Ereignisse in der richtigen Reihenfolge darzustellen, aber jetzt begriff Volyova, woran das lag. Man hatte Khouri etwas gezeigt, das zu gewaltig, zu fremd — zu apokalyptisch war, als dass ihr Verstand es hätte fassen können. Sie hatte ihr Bestes getan, aber das hatte nicht gereicht. Jetzt wurden Volyova Teile desselben Bildes aus einer ganz anderen Perspektive offenbart.

Khouri hatte die Geschichte des Morgenkrieges von der Mademoiselle gehört, und die hatte gewollt, dass Sylvestes Unternehmen scheiterte. Sonnendieb dagegen wünschte sich mit aller Inbrunst, dass Sylveste Erfolg haben möge.

»Was willst du?«, fragte Volyova. »Ich weiß, warum du hier bist: du willst mich festnageln, du hältst mich hin, weil du weißt, dass ich alles tun würde, um eine Erklärung von dir zu bekommen. Und irgendwie hast du Recht. Ich muss es erfahren. Ich muss alles erfahren.«

Sonnendieb wartete schweigend, bis sie alle ihre Fragen gestellt hatte, dann beantwortete er sie.

Als Volyova fertig war, beschloss sie, eine der Kugeln in ihrem Patronengurt sinnvoll zu verwenden. Sie schoss auf die Projektionssphäre. Die große Glaskugel zersprang in unzählige Scherben und bei der Explosion wurde auch Sonnendiebs Gesicht zerstört.


Khouri und Pascale steuerten auf Umwegen die Krankenstation an. Sie mieden alle Fahrstühle und alle gut erhaltenen Korridore, die für Drohnen leicht zugänglich waren. Sie hielten die Waffen ständig im Anschlag und schossen auf alles, was ihnen auch nur im geringsten verdächtig vorkam, auch wenn es sich hinterher als Schatten oder als merkwürdig geformter Rostfleck an einer Wand oder einem Schott herausstellte.

»Hat er eigentlich vorher angedeutet, dass er schon früher aufbrechen wollte?«, fragte Khouri.

»Nein, jedenfalls nicht so früh. Ich meine, ich dachte mir schon, dass er es irgendwann versuchen würde, aber ich habe mich bemüht, es ihm auszureden.«

»Was empfindest du jetzt?«

»Was soll ich darauf sagen? Er war mein Mann. Wir haben uns geliebt.« Pascale drohte zusammenzubrechen; Khouri streckte den Arm aus und fing sie auf. Pascale rieb sich die nassen Augen, bis sie rot waren. »Ich hasse ihn, weil er sich so verhält… das würdest du auch tun. Und ich kann ihn nicht verstehen. Aber ich liebe ihn immer noch. Ich denke ständig… vielleicht ist er schon tot. Es wäre doch möglich? Und selbst wenn nicht, es gibt keine Garantie, dass ich ihn jemals wiedersehe.«

»Sein Ziel ist wirklich nicht gerade der sicherste Ort«, bestätigte Khouri. Doch insgeheim fragte sie sich, ob Cerberus gefährlicher sein konnte als das Schiff.

»Nein, ich weiß. Ich glaube, er ahnt gar nicht, in welcher Gefahr er schwebt — und wir mit ihm.«

»Andererseits reden wir hier von Sylveste, und er ist kein gewöhnlicher Mensch«, gab Khouri zu bedenken. Er habe, erinnerte sie Pascale, sein Leben lang auffallend viel Glück gehabt, es wäre doch seltsam, wenn ihn das Schicksal gerade jetzt, so kurz vor dem Ziel seiner Wünsche, im Stich ließe. »Er wird sich winden wie ein Aal, und ich denke, er hat immer noch gute Chancen, einen Ausweg zu finden.«

Pascale beruhigte sich ein wenig.

Nun sagte ihr Khouri, dass Hegazi tot war und das Schiff offenbar jedem nach dem Leben trachtete, der sich noch an Bord befand.


»Sajaki kann nicht hier sein«, sagte Pascale. »Ich meine, das ist doch ausgeschlossen, nicht wahr? Wie sollte Dan allein nach Cerberus kommen? Er brauchte jemanden von euch zur Begleitung.«

»Das ist auch Volyovas Meinung.«

»Was wollen wir dann hier?«

»Vermutlich traut Volyova ihren eigenen Überzeugungen nicht.«

Khouri stieß die Tür auf, die vom teilweise überfluteten Zugangskorridor in die Krankenstation führte, und trat dabei mit dem Fuß nach einer Pförtnerratte. Auf der Krankenstation stimmte etwas nicht. Sie roch es sofort.

»Pascale, hier ist etwas Schlimmes passiert.«

»Ich… was soll ich denn jetzt tun? Soll ich dir vielleicht Deckung geben?« Pascale hatte ihre Pistole in der Hand, schien aber nicht recht zu wissen, was sie damit anfangen sollte.

»Ja«, sagte Khouri. »Gib mir Deckung. Das ist eine sehr gute Idee.«

Sie betrat die Krankenstation mit vorgehaltenem Plasmagewehr.

Sobald der Raum ihre Gegenwart registrierte, verstärkte er die Beleuchtung. Khouri hatte Volyova hier besucht, nachdem sie von Sudjic verletzt worden war; sie kannte sich halbwegs aus.

Zuerst wandte sie sich dem Bett zu, wo sie Sajaki vermutete. Über dem Bett schwebte, zentral mit Scharnieren befestigt, ein Satz kardangelagerter, servo-mechanisch zu bedienender medizinischer Instrumente wie eine mutierte Stahlhand mit viel zu vielen krallenbewehrten Fingern.

Kein Zentimeter Metall, der nicht mit einer dicken Schicht geronnenen Blutes überzogen gewesen wäre wie mit Kerzenwachs.

»Pascale, du solltest nicht…«

Aber sie hatte schon gesehen, was unter den Instrumenten lag und vielleicht einmal Sajaki gewesen war. Auch das Bett war über und über mit Blut besudelt. Man konnte kaum erkennen, wo Sajaki aufhörte und seine ausgetretenen Eingeweide anfingen. Khouri fühlte sich an den Captain erinnert; nur war die Masse hier nicht silbrig, sondern scharlachrot, als habe ein Künstler sein Grundthema in einem organischen Medium variiert. Zwei Hälften eines morbiden Diptychons.

Sein aufgetriebener Brustkorb überragte das Bett, als stehe er noch immer unter Strom. Auch die Brust war innen hohl, in einem tiefen Krater vom Brustbein bis zum Unterleib hatte sich das Blut gesammelt. Es schien, als wäre eine riesige Stahlfaust von oben gekommen und hätte ihn ausgeweidet. Vielleicht schien es nicht nur so. Vielleicht war er nicht einmal wach gewesen, als es geschah. Khouri sah ihm prüfend ins Gesicht, suchte unter dem roten Schleier nach einem Ausdruck, der ihre Vermutung bestätigte.

Nein; Triumvir Sajaki war höchstwahrscheinlich wach gewesen.

Pascale war dicht hinter ihr, sie spürte ihre Gegenwart. »Vergiss nicht, der Tod ist mir nicht fremd«, sagte sie. »Ich war dabei, als mein Vater ermordet wurde.«

»Aber so etwas hast du noch nie gesehen.«

»Nein«, gestand sie. »Du hast Recht. So etwas habe ich noch nie gesehen.«

In diesem Moment explodierte Sajakis Brustkorb, eine Blutfontäne spritzte auf, und etwas sprang heraus. Die beiden konnten zunächst nicht erkennen, was es war. Doch dann landete es auf dem blutverschmierten Boden und huschte mit peitschendem Schwanz davon. Drei weitere Ratten streckten die Schnauze aus Sajakis Innerem, prüften die Luft und musterten Khouri und Pascale mit schwarzen Knopfaugen. Dann hievten auch sie sich aus dem Krater, der einmal Sajakis Oberkörper gewesen war, sprangen zu Boden und folgten ihrem Artgenossen in eine der vielen dunklen Nischen.

»Wir müssen hier weg«, sagte Khouri. Doch bevor sie noch zu Ende gesprochen hatte, passierte es. Die stählerne Faust über dem Bett aktivierte sich, fuhr wie der Blitz die Finger mit den Diamantkrallen aus und kam so rasend schnell auf sie zu, dass sie nur noch schreien konnte. Die Krallen erfassten ihre Jacke und zerrissen sie. Khouri versuchte sich mit aller Kraft zu befreien.

Es gelang ihr zwar, sich loszureißen, aber die Finger hatten sich bereits um ihr Gewehr gelegt und entwanden es ihr mit brutaler Gewalt. Khouri fiel zu Boden. Sajakis Blut besudelte ihr die Jacke, aber der hellrote Fleck über ihren Rippen stammte wohl von ihr selbst.

Der mechanische Chirurg hob das erbeutete Gewehr und schaukelte es triumphierend hin und her. Zwei der beweglichen Manipulatoren schlängelten sich nach vorne, betasteten die Bedienungselemente und strichen in grausiger Faszination über die lederne Schutzhülle. Dann drehten sie die Mündung langsam, ganz langsam in Khouris Richtung.

Pascale hob ihre Strahlenpistole und schoss. Blutverkrustete Metallsplitter regneten auf Sajakis Überreste nieder. Das Plasmagewehr krachte rußgeschwärzt und qualmend zu Boden, aus der zerrissenen Schutzhülle sprühten bläuliche Funken.

Khouri rappelte sich auf. Sie war über und über mit Blut verschmiert, aber das nahm sie in diesem Moment nicht wahr.

Das Plasmagewehr hatte zornig zu summen begonnen, die Funken sprühten immer schneller.

»Es geht gleich hoch«, sagte Khouri. »Wir müssen hier raus.«

Sie wandten sich zur Tür und erstarrten. Der Ausgang war blockiert. Es mussten Hunderte sein. In Dreierreihen hintereinander stapelten sie sich im Schiffsschleim, jede Einzelne war bereit, sich ohne Rücksicht auf das eigene Leben dem Wohl der dumpfen Masse zu opfern. Und es wurden immer mehr: zu Hunderten, zu Tausenden drängten sich die Ratten im Korridor; ein ganzes Meer von Nagern lauerte vor der Krankenstation, bereit, wie eine gierige Welle vorwärts zu stürmen und alles unter sich zu begraben.

Khouri zog die einzige Waffe, die ihr noch geblieben war, den kleinen Nadler, den sie nur mitgenommen hatte, weil man mit ihm punktgenau zielen konnte. Nun schoss sie damit auf das Rattenpack. Pascale half ihr mit dem Strahler, aber der war nicht viel besser geeignet. Obwohl bei jedem Schuss eine Ratte explodierte oder verbrannte, drängten ständig neue Tiere nach. Jetzt kroch bereits die erste Reihe durch die Tür ins Innere der Krankenstation.

Ein greller Lichtschein fiel in den Korridor, dann krachte es mehrmals dicht hintereinander. Lärm und Licht kamen näher. Ratten flogen durch die Luft. Ein überwältigender Gestank nach verbrannten Nagern breitete sich aus; schlimmer noch als der Geruch, der über der Krankenstation hing. Allmählich lichteten sich die Massen, die Tiere zerstreuten sich.

Volyova erschien in der Tür. Ihr Projektilgewehr stieß Rauchwolken aus, der Lauf glühte wie Lava. Hinter Khouri war das Summen des Plasmagewehrs jäh verstummt. Die Stille war bedrohlich.

»Ich denke, wir sollten jetzt gehen«, sagte Volyova.

Khouri und Pascale rannten zur Tür und trampelten dabei rücksichtslos über tote und flüchtende Ratten hinweg. Khouri spürte einen Schlag im Rücken. Ein glühend heißer Wind strich über sie hinweg. Dann verlor sie den Boden unter den Füßen und wurde durch die Luft geschleudert.

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