XVI

ETWA UM ZEHN UHR am Morgen des nächsten Tages saß Simon de Montfort allein an einem kleinen Tisch in einem Zimmer neben demjenigen, dessen er sich als Beratungszimmer bediente. Vielerlei Papiere und Pergamente bedeckten den Tisch. Eine Landkarte von England, so gut die geographische Kunstfertigkeit sie damals zu schaffen verstand, lag unter seiner großen, starken Hand, und der Zeigefinger ruhte auf dem Namen Gloucester. Seine Stirn war finster, die Lippen hatte er zusammengepreßt; abwesend starrte er auf die Wand des Zimmers.

»Sonderbar!« murmelte er vor sich hin. »Mir ist, als ob sich alles von mir abwendete. Doch ist es eine Schwäche, sich solchen Gedanken hinzugeben. - Heda, draußen!« rief er laut.

»Wartet jemand?« fragte er einen Diener, der auf seinen Ruf erschien.

»Der Konstabier der Wache des westlichen Hofes, mein Lord«, antwortete der Diener. »Er hat etwas zu melden.«

»Laßt ihn herein«, befahl Simon de Montfort. »Und schickt einen Boten an den Grafen von Ashby, mit vielen höflichen Grüßen, und ich sei bereit, ihn zu empfangen, wenn es seinem Belieben gemäß sei; dieselbe Botschaft an den Grafen von Monthermer und an den Lord Hugh. - Jetzt, Konstabier, was habt Ihr mir zu sagen?«

Der Diener hatte mit einem Wink einen stämmigen Soldaten hereingerufen, der in voller Waffenrüstung an der Tür stand und nun auf de Montforts Frage erwiderte:

»Ihr habt mir gesagt, mein Lord, der Paß sei dem Sir Richard de Ashby entzogen, und er solle weder beim König noch beim Prinzen Zutritt haben.«

»Ich habe überdies gesagt, er müsse Hereford verlassen. Ist er nicht fort?«

»Jetzt vielleicht, mein Lord. Aber heute nacht noch traf ich ihn mehrere Male, in der Nähe des Kastells herumlungernd.«

»Wenn Ihr ihn wiedertrefft, verhaftet ihn auf der Stelle!« rief de Montfort hastig. »Der Mann ist sicher ein Verräter. Ich habe ihn zu seinem eignen Besten von hier weggeschickt. Wenn er zurückkommt, treffe ihn das Unheil!«

Er sprach sichtlich in großer Aufregung, in der man sonst den großen Grafen von Leicester, wie man ihn gewöhnlich nannte, nie sah. Ungestüm war er allerdings in seiner frühen Jugend gewesen, und Stolz und übertriebene Strenge waren Fehler auch seiner späteren Jahre geblieben. Aber solche Gereiztheit bei geringfügigen Anlässen war seinem Charakter etwas so Fremdes, daß der Kon-stabler der Wache, nachdem er sich entfernt hatte, brummte: »Es muß dem großen Grafen etwas völlig danebengegangen sein. Ich hab' ihn noch nie so gesehen!«

Simon de Montfort war aufgestanden, schritt im Zimmer auf und ab und dachte: Dieser erbärmliche Schuft wagt es, mir ungehorsam zu sein. Ich mißtraue diesen Ashbys; sie stehen alle nicht fest für die Sache des Rechts. Diese Besprechung mit Gloucester, unter dem Vorwand, von seinen Truppen angehalten worden zu sein, diente einer Schändlichkeit - das ist klar. Aber wir werden bald mehr hören; denn sie kommen schon, glaube ich.




Die in das Beratungszimmer führende Tür öffnend, schritt er langsam nach dem oberen Ende des Tisches, während der alte Graf von Monthermer ihm entgegentrat und Hugh einen Augenblick zögernd an der entgegengesetzten Seite des Zimmers stehenblieb, ein Billett lesend, das ihm eben eingehändigt worden zu sein schien.

»Öffentliche oder Privatsache?« fragte de Montfort, seinen jungen Freund mit einem Lächeln ansehend.

»Privatsache, mein Lord«, antwortete Hugh, »wenigstens ist es so bezeichnet. Obgleich ich einigen Zweifel in die Ehrlichkeit des Schreibers setze, will ich es doch als solche behandeln - wenigstens vorerst.«

Der Graf wollte noch etwas antworten, aber in diesem Augenblick hörte man den klirrenden Tritt Alured de Ashbys auf dem steinernen Korridor, und gleich darauf erschien er, seinem Vater folgend, im Beratungszimmer.

»Willkommen, mein Lord von Ashby«, sagte de Montfort, vortretend und des Grafen Hand ergreifend. »Ich bin recht erfreut, Euch hier zu sehen. Willkommen auch Ihr, Lord Alured. Ich fürchte, Ihr habt auf Eurem Weg hierher Gefahren durchgemacht und eine etwas rauhe Behandlung erlitten?«

»Gefahren, mein Lord«, antwortete Alured, »habe ich durchgemacht, aber über rauhe Behandlung habe ich mich nicht zu beklagen. Der edle Graf von Gloucester hat mich mit mehr Höflichkeit behandelt, als ich zu erwarten berechtigt war, und mich, wie Ihr seht, die Reise zu Eurer Lordschaft fortsetzen lassen.«

De Montfort bemühte sich vergebens, seine Stirn von finsteren Falten rein zu halten, und versetzte mit einem bitteren Lächeln: »Ohne Zweifel ist der Graf ein kluger Mann!«

Der alte Graf von Ashby begrüßte nun herzlich den Grafen Monthermer und seinen Neffen, und der Anblick ihrer gegenseitigen Höflichkeiten schien für Alured de Ashby nicht gerade angenehm zu sein.

»Nun, Sir«, sagte er, sich sogleich scharf gegen Hugh wendend. »Ihr ließt mich vor einiger Zeit wissen, daß die Ursache, warum meine Schwester von einigen im Forst lebenden Geächteten entführt wurde, meinem guten Vgter hier erklärt werden solle. Bitte, tut dies jetzt in diesem Kreise! Ich bin neugierig wie ein Weib!«

»Still, Alured!« rief sein Vater. »Du bist ein ungeduldiger, hitzköpfiger Knabe! Zuerst laßt mich Dank sagen unserem jungen Freunde für seine mannhafte, wohlangelegte Nachforschung nach unserer teuern Lucy und dafür, daß er sie uns so bald wieder zugeführt hat.«

»Was er an Dank verdient hat, mein Lord«, versetzte Alured bissig, »bin ich bereit, ihm zu zollen; aber zuerst wünsche ich den vollen Umfang seiner Verdienste zu erfahren, damit mich meine Dankbarkeit nicht überwältigt. Zum Glück jedoch ist davon ein kleiner Abzug zu machen; denn er hat zu dieser frühen Stunde schon eine ungerechte Anschuldigung gegen unsern Vetter Richard erhoben und schwarzen Verdacht gegen ihn in der Brust des Grafen von Leicester erweckt!«

»Ich fürchte, mein junger Freund«, sagte der alte Lord von Monthermer in ruhigem und freundlichem Ton, »daß die Dankbarkeit, die Euch so schwer zu drücken scheint, durch die Gegenrechnung, welche Ihr geltend machen möchtet, keine Verminderung erleiden dürfte. Die Beschuldigung gegen Euern Verwandten ist von mir erhoben worden, nicht von Hugh. Ich habe weder irgend etwas von dem Verdacht verhehlt, noch ihm im mindesten etwas hinzugefügt, sondern nur de Montfort erzählt, was uns allen bekannt ist und was zu wissen für ihn von Interesse war, da er ständigen Verkehr mit dem Prinzen Edward einem Manne gestattete, gegen den selbst Euer Vater schweren Zweifel hegen muß!«

»Nein, nicht so, mein Lord!« rief Graf von Ashby. »Meine Zweifel sind inzwischen zerstreut worden!«

Die weitere Verhandlung der Angelegenheit nahm ziemlich drohenden Charakter an, obwohl sich der Graf von Monthermer beflissen zeigte, die beiden Lords von Ashby zu begütigen. Aber Alured war sichtlich bemüht, einen Streit heraufzubeschwören.

»Gut, Lord Alured«, sagte der alte Monthermer endlich, nicht ohne Schärfe in der Stimme. »Es ist mir klar, was Ihr beabsichtigt. Ihr habt die alten Fehden niemals vergessen, obgleich wir alle übereingekommen, sie für immer abzutun. Ich würde gern die freundschaftliche Gesinnung zwischen unseren beiden Häusern erhalten und verstärken, aber ich kann nicht von dem, was ich für recht halte, abweichen. Ich glaube, daß Richard de Ashby ein Verräter ist, unwürdig des Namens, den er führt; denn das Geschlecht der Ashbys, welche Partei es auch ergriffen, hat noch nie einen Verräter hervorgebracht!«

»Und ich behaupte, daß er ehrlich und treu ist«, rief Alured hitzig, »und will es verfechten mit...«

Er wollte »mit der Spitze meiner Lanze« sagen, aber sein Vater unterbrach ihn mit dem Ruf: »Still, Alured! Keine Gewalttaten! Höre, was Lord Hugh sagen wollte.«

»Jedenfalls«, sagte nun de Montfort, der sich genötigt sah, Alured de Ashby zurechtweisen, »habt einige Achtung vor denjenigen, in deren Gegenwart Ihr sprecht!«

Alured biß sich in die Lippe, antwortete aber nicht, und Hugh de Monthermer wandte sich nun mit glühender Wange gegen den Grafen von Ashby und fragte: »Mein Lord, habt Ihr von Eurer Tochter gehört, in wessen Händen ich sie gefunden?«

»Ich habe sie bisher noch nicht gesehen«, antwortete der Graf. »Diese Stadt ist so voll von Truppen und Bewaffneten, daß Alured es für besser erachtete, sie an einem nicht weit von hier entfernten Ort nach Gloucester hin, zurückzulassen. Aber Alured hat mir berichtet, was sie ihm erzählt hat.«

»Dann, mein Lord«, fuhr Hugh fort, »habe ich nur beizufügen, daß die Männer, in deren Händen sie war und gegen die ich keine hinlängliche Streitmacht aufbringen konnte, um sie gewaltsam zu befreien, sich dazu verstanden, sie frei ziehen zu lassen unter der Bedingung, daß ich Euch bei Eurer Ehre und Eurem hohen Namen auffordern wolle, Euern Vetter, Richard de Ashby, zu nötigen, das unglückliche Mädchen, das er entführte, in das Haus ihres Vaters zurückzusenden und ihn zur Zahlung einer Mitgift für ihren Eintritt in ein Kloster anzuhalten. Als Geisel für ihre Rückkehr nahmen sie Eure Tochter gefangen, und nur unter der Bedingung setzten sie sie in Freiheit.«

»Darf ich wissen«, fragte Alured de Ashby, sich einer sanften und zeremoniösen Sprechweise bedienend, die mit seinen vor Zorn und Stolz heftig arbeitenden Zügen sonderbar kontrastierte. »Darf ich wissen, edler Sir, ob dieses Verlangen an meinen Herrn Vater gestellt wird von den höflichen Räubern vom Sherwood oder von dem edlen Lord Hugh de Monthermer?«

»Alured, ich will nichts dergleichen hören!« rief wieder sein Vater beschwichtigend. »Du bist zu heftig! Gewiß habe ich doch alle Tage meines Lebens die Würde meines Hauses aufrechterhalten und kann dabei Deiner Hilfe entbehren. - Jetzt, mein Lord Hugh, von wem kommt diese Forderung?«

»Sie kommt, mein Lord, von all den Personen, welche Eure Tochter in ihrer Gewalt gehabt haben«, antwortete Hugh. »An Euch, mein Lord, für den ich so große Achtung hege, überbringe ich sie ungern und nur im Namen anderer. Aber es ist, ich gestehe, meine Absicht, wann und wo immer ich Richard de Ashby treffe, dies und mehr von ihm zu verlangen.«

»Sir!« rief Alured. »Hier steht einer, der sehr bereit ist, die Stelle seines Vetters einzunehmen und Euch über seine Handlungsweise jede Rechenschaft zu geben, die Ihr verlangen mögt.«

Hugh wandte sich mit einer Miene von ihm ab, aus der er den Ausdruck von Verachtung nicht völlig zu verbannen vermochte. »Wenn ich erfahre, mein Lord«, versetzte er, »daß Richard de Ashby lahm oder schwach, ein Weib oder ein Mönch ist, will ich einwilligen, daß er einen Kämpfer an seiner Statt bestellt, aber eher nicht. Ich habe keinen Streit mit Euch, mein Lord, und suche mit Euch auch keinen.«

»Mich dünkt, mein Lord von Ashby«, sagte de Montfort, der sich einen Augenblick mit dem alten Grafen von Monthermer besprochen hatte, »das an Euch gestellte Verlangen ist billig, komme es, von wem es wolle. Jene Männer hatten Eure Tochter in ihrer Gewalt und setzten gewisse Bedingungen. Diese Bedingungen sind recht und billig, wenn ich die Sache richtig verstehe, und es wäre gut, sie zu erfüllen, nachdem Eure Tochter ihre Freiheit wiedererlangt hat. Es wäre ehrenhaft, sag' ich.«

Dem alten Grafen von Ashby stieg das Blut in die Wangen.

»Das Haus Ashby, mein Lord«, versetzte er steif, »gestattet niemand, ihm vorzuschreiben, wie zu handeln seiner Ehre gezieme.«

»Viel weniger«, schrie Alured aufgebracht, »gestattet es einem alten Feind, falsche Anklagen vorzubringen gegen eines seiner Familienmitglieder und dann seinem Haupt vorzuschreiben, wie es handeln solle!«

»Falsche Anklagen!« rief nun Hugh de Monthermer empört. »Das sind sonderbare Ausdrücke! Wenn Euer niederträchtiger Vetter sich erfrecht, auch jetzt noch die lügenhafte Ausrede vorzubringen, zu der er griff, als ich ihn das letztemal sah, und demselben Sündenbock die Schuld der Korrespondenz mit den Feinden des Staates und der Entführung jenes armen Mädchens zur Last zu legen, so kann seine Lüge bald bewiesen werden, denn man hat das Mädchen hier in dieser Stadt bei ihm gesehen.«

Alured blickte betroffen zu Boden, und der alte Lord von Monthermer, begierig, das Haus Ashby zurückzuhalten vom Abfall von der Sache, die er für die der Wahrheit und des Rechts erkannte, legte sich mit der ihm gewohnten ruhigen und würdevollen Weise ins Mittel und sagte: »Glaubt doch nicht, mein edler Freund, der Lord von Leicester wolle Euch im mindesten vorschreiben und befehlen. Es ist aber wohlgemeint, wenn er Eurer Erwägung anheimgibt, ob es nicht ehrenvoller für Eure Familie sein dürfte, sie von dem Fleck zu reinigen, den die Handlungsweise jenes Richard ihr angehängt hat.«

»Ich kann mich, mein Lord, in keines Mannes Kurzweil mischen«, sagte der Graf von Ashby heftig, fortgerissen vom Beispiel seines Sohnes. »Richard des Ashby ist nicht mein Page, daß ich ihn züchtigen könnte, wenn er mit einer Bauerntochter närrische Streiche macht. - Ich kann mich einfach nicht in die Sache mischen.«

»Hätte sich Euer Lordschaft auch nicht dareingemischt, wenn Eurer Tochter Freiheit noch davon abgehangen hätte?« fragte de Montfort finster. »Mich dünkt, Ihr hättet dann genügend Beweggründe gefunden, Euch der Sache anzunehmen, und zwar sehr kräftige!«

»Wohl, mein Lord«, rief der Graf zornig, denn wo Schwäche mit Unrecht Hand in Hand geht, da bleibt der Zorn nicht lange aus. »Jedenfalls ist es keine Angelegenheit, die Euch angeht! Dies ist keine öffentliche, sondern eine Privatsache, mit der mich Lord Hugh de Monthermer behelligt.«

»Nein, mein guter Lord, nein!« rief Hugh. »Sehr ungern übernahm ich es, Aber gewiß hättet Ihr doch selbst nicht gewollt, daß ich Eurer Tochter Befreiung hätte aufs Spiel setzen sollen durch ein zögerndes Bedenken, der Überbringer einer bloßen Forderung an Euch zu sein, die man Euch auch durch jede andere Person hätte übermitteln lassen können, ohne daß vorher Eurer Tochter Befreiung erfolgt wäre.«

»Und die jede andre Person mit weit besserer Art vorgetragen haben würde als ein angeblicher Freund«, bemerkte Alured de Ashby feindselig.

»Junger Gentleman«, sagte der alte Graf von Monthermer, »Ihr habt diesen Morgen genug Unheil gestiftet, mochte dies nun Eure Absicht sein oder nicht. Stiftet nicht noch mehr Unheil, ich bitte Euch! Macht nicht, daß die als Feinde auseinandergehen, die gern Freunde sein möchten. Euer Vater hat seine Antwort gegeben: er will sich in die Sache nicht mischen; so laßt sie denn ruhen. Hugh hat seine Schuldigkeit getan, und er hat überdies die Freude und die Ehre gehabt, einer Dame zu dienen und sie zu beschützen. Was weiter zu tun ist, steht ganz bei Euch.«

»Nicht ganz«, versetzte de Montfort mit Stirnrunzeln. »Ich habe bei dieser Sache auch ein Wort mitzusprechen.«

»Wieso, mein Lord?« fragte der Graf von Ashby scharf. »Ich werde keinem, nicht dem Höchsten im Lande, gestatten, für mich zu beschließen und zu urteilen, was meine Handlungsweise in meinen Privatangelegenheiten betrifft.«

»Ihr seid etwas hastig, mein guter Lord«, sagte de Montfort kalt.

»Hastig oder nicht«, fiel ihm Alured de Ashby ins Wort, begierig, den Bruch sosehr als möglich zu erweitern. »Mein Vater hat recht in dem, was er sagte, und ich stimme ihm ganz bei.«

»Wie gar kühn für einen so jungen Vogel!« sagte de Montfort verachtend. »Mich dünkt, seine Flügel sollten beschnitten werden, daß er nicht davonfliegt!«

Alured de Ashby sah, daß er etwas zu weit gegangen war und vielleicht, wenn er weiter ging, sogar seine Freiheit gefährden könnte. Wenigstens deutete er selbst, seiner Absichten sich bewußt, so die Worte des Grafen von Leicester. Sein hochfahrender Geist jedoch wollte sich nicht so weit beugen, auch nur einigermaßen die kecke Sprache, die er geführt, zu mildern, und er verharrte in mürrischem Schweigen und starrte auf den Boden nieder, während der große Graf unaufhörlich seine scharfen grauen Augen finster auf ihn heftete.

»Um all dem ein Ende zu machen«, fuhr schließlich de Montfort fort. »Es liegen noch ernsthaftere Anschuldigungen gegen Euern Verwandten vor, Graf von Ashby. Da bewiesen worden, daß man ihn mit dieser leichtfertigen Dirne gesehen hat, die nach seinem eigenen Geständnis davongegangen ist mit einem, der ohne allen Zweifel ein Verräter ist, so liegt der stark begründete Verdacht vor, daß er diesen Verräter noch in seinen Diensten hat oder mehr von ihm weiß, als ihm ziemt. Unter diesen Umständen habe ich schon seine Verhaftung befohlen, sollte er sich in Hereford blicken lassen. Und jetzt will ich ihn ausdrücklich aufsuchen lassen und, wenn er ein Verräter ist, mit ihm als solchem verfahren - ebenso mit allen anderen, die sich als Verräter zeigen!« setzte er mit scharfer Betonung hinzu.

»Euer Lordschaft hat recht«, sagte Alured de Ashby, aber zwischen den Zähnen murmelte er leise: »Wenn Ihr sie fangen könnt!«

»Jetzt lebt wohl, meine Lords«, sagte de Montfort, sich erhebend. »Heute abend wollen wir Rat halten und in Erwägung ziehen, ob Mortimer und andere für Verräter erklärt werden sollen. Wir erwarten, daß Ihr alle anwesend seid. - Kommt mit mir, Monthermer - kommt mit mir, Lord Hugh! Wir wollen nicht, daß auf den Treppen hitzige Worte gewechselt werden!«

Lord Ashby und sein Sohn entfernten sich mit gerunzelter Stirn, und wie sie in den Hofraum hinabstiegen, wurden zwei kleine Sätze gesprochen, die das Schicksal beider entschieden:

»Ich weiß nicht, was Euer Vorhaben sein mag, mein Vater«, sagte Alured, »aber meine Handlungsweise ist entschieden. Ich will weder das Gespötte der Monthermers noch der Sklave Simon de Montforts sein.«

»Ich auch nicht, Alured«, antwortete der Graf mit leiser Stimme, und ohne ein weiteres Wort bestiegen sie ihre Pferde und ritten zurück nach der Herberge.

Sie hatten kaum den Hof verfassen, als Hugh de Monthermer mit hastigen Schritten darin erschien. Einer von den wenigen Gewaffneten, die ihn begleitet hatten, führte augenblicklich sein Pferd vor, und er sprang in den Sattel. »Welchen Weg hat der Graf von Ashby eingeschlagen?« fragte er.

»Durch dieses Tor, mein Lord«, antwortete der Mann, und Hugh wandte sich, mit dem Befehl an seine Diener, ihm zu folgen, nach dem anderen Tor, als er an seinem Steigbügel ein Zerren fühlte und hinunterschauend den Knaben Tangel erblickte, der mit sonderbaren Grimassen seine langen Arme emporhob. »Ich will in Kürze mit dir sprechen, Tangel«, sagte Hugh hastig. »In einer Stunde bin ich zurück.«

»Ja, in einer Stunde - das ist die Katze, die allen Rahm wegleckt!« rief Tangel. »Es hilft nichts, ich muß jetzt mit Euch sprechen. Ich habe Euch viel zu sagen!«

»Dann müßt Ihr ein Pferd nehmen und mir folgen«, versetzte der junge Lord. »Es ist schon nahe an der verabredeten Zeit. Ich reite den Berg hinauf - macht schnell!«, und er gab seinem Pferd die Sporen. Der Knabe starrte ihm eine Minute lang nach und murmelte: »Er wird eine Stunde zu bald kommen, wenn er nicht aufpaßt!«

Загрузка...