XXIV

IN EINEM der Vorzimmer des Palastes zu Eltham saßen am folgenden Morgen fünf Gentlemen, übertrieben zierlich und geckenhaft gekleidet, die Haare gekräuselt und zum Teil nach Frauenart geflochten.

»Zum Teufel! Mir einen Schlag zu versetzen!« schrie einer von ihnen. »Ich will Rache nehmen!«

»Wie wollt Ihr das tun, de Margan?« fragte ein anderer. »Mit einem Kräuseleisen?«

»Nein, nein, laßt ihn nur machen!« sagte der dritte. »Er ist ein Mann von Herz und wird diesen stolzen Ritter schon aufs Feld fordern!«

»Der ihn knacken wird, wie man einen Bachkrebs knackt«, fügte der zweite Sprecher spöttisch hinzu.

»Das ist lauter Unsinn«, mischte sich ein anderer ein. »Monthermer ist ein Gefangener und kann keine Herausforderung annehmen.«

»De Margan wird etwas Klügeres tun, als ihn herausfordern«, sagte einer der Höflinge nun ernsthaft. »Er kennt gescheitere Mittel, sich zu rächen.«

»Jawohl!« rief de Margan. »Diese zwei Verliebten würden, so bilde ich mir ein, lieber jeder einen Finger der rechten Hand hergeben, als den Grafen von Ashby um ihre geheime Mondscheinzusammenkunft im Kreuzgang wissen lassen. Dem guten Grafen dürfte es kaum recht sein, daß seine schöne Tochter diesem Lord Hugh solche Gunst gewährt, und Alured de Ashby, habe ich gehört, haßt diese Monthermers ärger als eine Katze das Öl.«

»Ein tüchtiges Giftgericht, wenn Ihr es recht einrührt!« bemerkte einer seiner Kumpane.

»Das will ich schon tun!« sagte Guy de Margan. »Ich warte nur, bis der Hof versammelt ist, um dem Grafen von Ashby zu erzählen, daß seine Tochter gestern abend mit ihrer Gegenwart weniger karg gegen Hugh de Monthermer gewesen, als er sich träumen läßt. Dann wird der alte Lord toben, der König wird die Stirn runzeln, und man wird nach Alured de Ashby schicken...«

»... damit er tut, was Guy de Margan selbst nicht zu tun wagt«, fiel einer der Gentlemen bissig ein.

Was die Erwiderung hierauf gewesen wäre, ist schwer zu sagen; denn obgleich de Margan so viel von der besseren Hälfte der Tapferkeit, der Vorsicht, besaß, daß er sich klüglich enthielt, seine Stärke mit der eines ihm so sehr überlegenen Mannes, wie es Hugh de Monthermer war, zu messen, fehlte es ihm doch keineswegs an Mut, wenn es mit der Klugheit vereinbar war, ihn zu zeigen. Aber seine sicher sehr heftige Antwort wurde auf seiner Lippe gehemmt; denn die Tür zum Gemach des Königs tat sich in diesem Augenblick auf, und William de Valence, der Graf von Pembroke, trat heraus, mit einigen versiegelten Briefen in der Hand.

»Sir Guy de Margan«, sagte er, ihm ein Paket übergebend, »ich bin vom König angewiesen, Euch Befehl zu geben, unverzüglich nach Monmouth Euch zu begeben, wo Ihr diese Ordres öffnen, sie ausführen und Euch dann wieder am Hofe, der nach Nottingham zieht, einfinden werdet. Ihr, Sir Thomas le Strange, werdet Euch mit einer gleichen Sendung nach Chester begeben, und Ihr, Sir Roger de Leiburn, reist mit diesen Depeschen nach Derby. Eilt, Gentlemen! Es ist keine Zeit zu verlieren. Wir haben Nachrichten, daß ein Aufstand im Norden droht, und der ganze Hof bricht binnen zwei Stunden auf.«

»Kann ich nicht eine Audienz beim König haben, mein Lord«, fragte Guy de Margan. »Nur für einen Augenblick? Oder ein Wort mit dem Grafen von Ashby?«

»Unmöglich!« William de Valence winkte unwillig ab. »Der König bespricht mit den Grafen von Ashby, Mortimer und Gloucester in Gemeinschaft mit dem Prinzen die Vorkehrungen und Maßregeln, die man ergreifen muß. Es ist also unmöglich, de Margan. Eilt Euch, Gentlemen, und seht, wessen Sporn am schärfsten ist!«

Am Hofe zu Eltham herrschte nun Geschäftigkeit, Hast und Verwirrung. Der in Northumberland drohende Aufstand war zwar nicht von emstlicher Beschaffenheit, und Edward war sicher, die wenigen Truppen, die er schnell auf dem Wege dorthin zusammenraffen könnte, würden hinreichen, die Unzufriedenen einzuschüchtern. Aber Heinrich, immer begierig nach Aufregung und Machtentfaltung, ergriff den Vorwand, um einen königlichen Zug in den Norden zu unternehmen, da er wohl wußte, daß zur Zeit jeder große Edelmann mit seinem Nachbarn wetteifern würde, ihn mit Pracht und Glanz zu beherbergen.

Edwards Gesicht war ernst und drückte sichtlich Mißbilligung aus. Aber er wagte es nicht, seines Vaters Wünschen Widerspruch entgegenzusetzen, und gegen zwei Uhr des schönen Frühherbsttages setzte sich, begleitet von einem starken Aufgebot Gewappneter, der Hof in Bewegung nach Nottingham.

Obgleich sich in dem Zug mehr als eine von Pferden getragene Sänfte befand, unternahmen doch die meisten die Reise zu Pferd. Aber selbst in ihren Reisekleidern bildeten die beinahe zweihundert Personen einen stattlichen, farbenprächtigen Anblick. Lachend, plaudernd und scherzend ritten sie dahin, keine streng geschlossene Ordnung beobachtend, und jeder wählte sich seine Gesellschaft nach seiner Neigung oder wie die Umstände es gestatteten.

Hugh de Monthermer suchte sich zu Lucy de Ashby zu gesellen, und es traf sich glücklich, daß ein alter Ritter von ihres Vaters Gefolge, so taub, daß das Schmettern der Trompete das einzige war, was er hören konnte, es übernommen hatte, den Knappen und Geleitsmann der Dame zu machen. In dieser Eigenschaft nahm er den Posten auf ihrer linken Seite ein, immerfort plaudernd und sich selbst die Antworten erdichtend, die gar nicht gegeben wurden. Unmittelbar hinter ihnen ritten die munteren Mädchen, die Lucy bedienten, und zwei Pagen. Der Graf von Ashby hielt sich in der Nähe des Königs und schien nichts einzuwenden zu haben gegen die Aufmerksamkeit, die Hugh seiner Tochter erwies. Auch Edward bezeigte Hugh de Monthermer alle Freundlichkeit und bemerkte im Vorbeireiten mit Lächeln den Glanz im Auge des Liebenden.

In Huntingdon stießen zu Hugh de Monthermer einige seiner eigenen Dienstleute und mehrere von denen, die zum Gefolge seines Oheims gehört hatten. Unter diesen war der tüchtige Yeoman Thomas Blawket. Hugh fand bald heraus, daß keiner der Dienstleute des alten Grafen annahm, ihr Lord sei lebend aus der Schlacht gekommen. Besonders Blawket war sichtlich tief betrübt über den vermeintlichen Tod des alten Grafen; doch Hugh vermied es, ihm die Wahrheit mitzuteilen, weil er annahm, es würde dem Willen seines Oheims zuwider sein.

Nun konnte Hugh wieder in jeder Hinsicht die äußere Würde seines Ranges behaupten. Sein Gesundheitszustand besserte sich mit jedem Tag; denn die Brustwunde hatte sich geschlossen, ehe er Huntingdon erreichte. Nichts blieb ihm mehr zu wünschen übrig als die Rückkehr seiner ganzen früheren Kraft und Frische.

So verlief die Reise nach Nottingham für Hugh de Monthermer sehr glücklich, und gern nahm er an allen Vergnügungen teil, die man zur Unterhaltung des Königs durchführte.

Zahllose Schaugepränge, Bankette und Turniere winden unterwegs veranstaltet, und sogar an Plätzen, wo man de Montfort in den Tagen seines Glücks am stärksten angehangen hatte, strömte das Volk zusammen, um den König zu begrüßen, gegen dessen Unterdrückung und Erpressimg es sich erhoben hatte. Doch mochten diese Grüße mehr dem Prinzen gelten, von dessen Einfluß auf den König es sich allerdings einiges erhoffte, da es wußte, daß Prinz Edward schon immer den Ideen und Einrichtungen de Montforts, und damit den Rechten des Volks, grundsätzlich Anerkennung gezollt hatte.

Lange bevor der königliche Zug den Norden erreichte, ging ihm die Kunde von dem Anmarsch beträchtlicher Streitkräfte voraus und, wie Edward vermutet, erstickte schon das bloße Gerücht den Aufstand im Keim. Aber Heinrich blieb bei dem Vorsatz, bis Nottingham vorzurücken, und versprach dem Grafen von Ashby, einige Zeit auf seinem Schloß Lindwell zu verweilen.


Der Graf schickte Boten voraus, um alles zum Empfang des Monarchen vorzubereiten. Zwar war das Schloß damals nur zum Teil bewohnbar, aber in der zugehörigen Priorei fanden der König, der Prinz und einige der Vornehmsten ihres Gefolges ein Nachtquartier, während die übrige Hofgesellschaft in den umliegenden Häusern und in dem Gasthof untergebracht wurde.

Die Mönche der Priorei waren berühmt wegen der Trefflichkeit ihrer Küche, und wirklich boten sie in ihrem Refektorium (Speisesaal) ein Mahl, das alles übertraf, was der König unterwegs gekostet hatte. Heinrich, ein Freund der Tafelfreuden, blieb lange sitzen und probierte von all den feinen Gerichten und Leckereien. Zwischendurch unterhielt er sich mit dem Prior, der das Essen mit Lustigkeit zu würzen verstand und manches leichtfertige Geschichtchen für das nicht allzu empfindliche Ohr des Königs wußte. Es ging auf Mitternacht zu, als der König endlich die Tafel aufhob und sich zur Ruhe begab.

Zu dieser Zeit saßen in dem besten Zimmer des kleinen Gasthofes drei Gentlemen, vor denen noch die Überreste ihres Abendessens standen. Der rote Saft der Bordeauxtraube floß reichlich, und groß war die Lustigkeit und der Lärm am Tisch, als das Geräusch von einigen Pferden, die vor der Tür hielten, die Aufmerksamkeit der Zechenden auf sich zog.

»Wir können hier niemand mehr brauchen«, schrie aufspringend einer der Gentlemen. »Wer es auch sei, er muß sich anderswo ein Unterkommen suchen.«

Aber während er noch sprach, wurde die Tür heftig aufgerissen, und ein Mann in einem Reitanzug, in einen großen, weiten Mantel gehüllt, stürzte in das Zimmer. Der Sprecher wollte ihn scharf zurückweisen, schien aber plötzlich den neuen Gast zu erkennen. Ihm seine Hand hinstreckend, rief er aus: »Richard de Ashby, so wahr ich lebe! Ha, wer hätte gedacht, Euch hier zu sehen? Wir wähnten, Ihr seid bei Eurem Vetter Alured in Westmoreland. Doch in jedem Fall seid Ihr willkommen, obwohl Ihr das Abendessen, das wir Euch noch übriggelassen, knapp und das Weinfäßchen nicht sehr voll finden werdet.«

Richard de Ashby erklärte, daß von beiden ausreichend für ihn vorhanden sei, und machte sich sofort an seine Mahlzeit, von Zeit zu Zeit fragend, was seine Tischgenossen von den Vorgängen am Hof wußten.

»Ein lustiges Leben«, sagte er, »wie ich sehe, zwischen Eltham und Leicester. Ha, das ganze Land widerhallt davon!«

»Wohl mag es widerhallen und sich freuen dazu, daß es solche Schauspiele zu sehen bekommt«, versetzte der andere Gentleman. »Ich habe noch nie dergleichen erlebt, seit ich dem Hof von England folge. Die ganze Zeit über hatten wir allerdings nichts als Bürgerkriege oder die Regierung des uns kaum noch Üppigkeit gestattenden de Montfort. So ist es kein Wunder, daß es traurig herging.«

»Ich hoffe, es wird noch lustiger werden, Sir Grey«, sagte Richard de Ashby. »Es ist auch hohe Zeit, daß meine eigenen Angelegenheiten ein wenig lustiger gehen, und gewiß habe ich alles Recht, dies zu erwarten; denn mir verdankt der Prinz seine Freiheit. Und mir verdanken sie es auch, daß ich den ersten Samen der Zwietracht unter den Leuten de Montforts ausgesät habe. Die Billigkeit würde erfordern, daß man meinen Ansprüchen ein Ohr liehe.«

»Euch ein Ohr leihen«, rief der andere hohnlachend. »Unser guter König und besonders der Prinz scheinen mehr auf ihre Feinde zu hören als auf ihre Freunde. Der junge Monthermer ist einer der Hauptgünstlinge des Hofes.«

Ein boshaftes Grinsen zog über das dunkle Gesicht Richard de Ashbys, aber da in diesem Augenblick der Wirt mit einem Krug Wein eintrat, schwieg er und zerschnitt das Fleisch, das er vor sich hatte. Als jedoch der Wirt wieder hinaus war, rief er mit erzwungenem Lachen: »Ein artiger Günstling, wahrhaftig! - Aber sagt mir, welche schönen Damen dem Hof folgen? Ich höre, man habe nie einen hübscheren Zug gesehen.«

»Ihr habt die Wahrheit gehört, Sir Richard«, versetzte Harry Grey. »Selten hat man einen hübscheren Zug von Damen gesehen. Zwar muß man die Gräfin von Pembroke ausnehmen, denn sie ist häßlich genug, das weiß der Himmel. Aber da sind die junge Lady de Veux und Lord Audleys Tochter und vor allem Hugh de Monthermers Auserwählte, Eure schöne Verwandte Lucy de Ashby.«

Es lag bei den letzten Worten ein gewisser Anstrich von Bosheit in seinem Ton. Vielleicht beabsichtigte Hirry Grey, Richard de Ashby zum Zorn zu reizen. Aber wenn dies so war, wurde seine Erwartung getäuscht.

Zwar verzerrte ein Ausdrude tiefen Grimms für eine Sekunde dessen Züge, doch erwiderte er nicht ein Wort. Er füllte langsam seinen Becher mit Wein, trank aber nicht, sondern starrte nachdenklich auf die Schneide seines Messers.

Harry Grey wollte das Thema aber noch nicht fallenlassen und fragte geradezu: »Was haltet Ihr von der bevorstehenden Vermählung der beiden? Hugh de Monthermer ist reich, berühmt und von untadeligem Aussehen. Wir alle glauben, er paßt recht gut zu Lucy.«

»Meint Ihr?« fragte Richard de Ashby trocken. »Ich dagegen glaube, Sir Harry, es geht eigentlich weder mich noch Euch etwas an, obwohl - die Wahrheit zu gestehen - mir scheint, Ihr irrt Euch und es ist keine solche Vermählung in Aussicht.«

»Es ist aber das Gerede des ganzen Hofes!« rief der andere. »Er ist immer bei ihr oder bei dem Lord von Ashby, und überdies weiß man, daß der Graf gesagt hat...«, und er wiederholte sofort zwanzigerlei Tagesgerüchte über die Wahrscheinlichkeit dieser Heirat.

Richard de Ashby blieb jedoch ungerührt, wenigstens gab er sich den Anschein. Nachdem er sich noch kurz informiert hatte, wer sonst am Hofe weile, und eine etwas ausführliche Antwort erhalten hatte, indem ihm die Namen von fünfzehn oder sechzehn Damen hergezählt wurden, die ihn nicht im mindesten interessierten, stand er auf und sagte: »Ich muß zu Bett, denn ich reise morgen mit Tagesanbruch ab.«

»Wie? Ihr besucht nicht den König?« fragte einer der anderen Höflinge.

»Nein, ich reise weiter nach Nottingham, um ihn dort zu treffen. Bis dahin habe ich wichtige Geschäfte. Gute Nacht!« Damit verließ er das Zimmer.

»Ihr habt ihn erbittert, Grey«, sagte Sir William Geary. »Ihr habt ihn mit der Heirat gehänselt.«

»Ich weiß es wohl«, antwortete Harry Grey. »Aber wenn ich nur einmal eines Menschen Torheit kenne, so will ich ihn alsbald zwicken und stechen, daß er schreit, wenn auch seine Haut so dick und stark ist wie die eines Büffels. - Nicht, daß er daran denkt, Lucy selbst zu heiraten. Aber sein Haß gegen die Monthermers reizt ihn so.«

»Ihr irrt Euch«, versetzte Sir William Geary, der Richard de Ashby durchschaute, »Dieser Mensch hat mehr Ehrgeiz, als Ihr glaubt. Er weiß recht gut, daß bei den vielen wechselnden Geschicken in dieser Zeit Lucy de Ashbys Bruder, der gute Lord Alured, seinen Weg rasch in das Reich der himmlischen Herrlichkeit finden kann, und dann - obschon er jetzt nur der arme Verwandte ist, der nicht einmal so gut behandelt wird wie mancher würdige Vasall des Hauses - wird er der Erbe des Titels, wenn auch vorerst nicht der Ländereien, ausgenommen das kleine Besitztum Ashby. Es würde ihm sehr übel behagen, Hugh de Monthermer als Gatten der Erbin den ganzen Reichtum des Hauses verschlingen zu sehen.- Was er versuchen wird«, fuhr Sir William nachdenklich fort, »weiß ich nicht. Aber sicherlich wird er etwas tun, um die Heirat zu vereiteln - falls an der ganzen Geschichte etwas ist.«

»Dann wird ihm Monthermer den Hals abschneiden«, entgegnete Sir Harry Grey. »Und das wird das Ende vom Lied sein. - Aber was sagt Ihr zu einem Würfelspiel, Geary? Laßt uns ein paar Würfe versuchen.«

»Ich mag nicht«, antwortete dieser gähnend. »Ich fühle mich heute abend nicht wohl und will mich bald zur Ruhe begeben.«

»Ich will mit Euch würfeln«, rief ein junger Mann von der anderen Seite des Zimmers herüber. »Wenn Geary die Flügel hängen läßt wie ein krankes Huhn, so laßt ihn gehen. Ich will Euch bis zum Morgen Gesellschaft leisten, wenn Euer Beutel lang genug und der Wein gut ist!«

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