XLIII

AUF EINEM weiten, offenen Feld am Ufer des Trent, das den Bogenschützen sonst als Schießplatz diente, hatte man die Schranken errichtet, in denen Hugh de Monthermer gegen Alured de Ashby kämpfen sollte. All die üblichen Vorbereitungen waren getroffen worden. Einen Pavillon für den König mit seinem Hofstaat, Galerien für die Damen, Zelte für den Herausforderer und den Herausgeforderten und zahlreiche andere Buden hatte man errichtet, Obdach und Erfrischung jedem darbietend, der etwa weither gekommen sein mochte, um Zeuge zu sein von einem ritterlichen Zweikampf auf Leben und Tod.

Schon vor der elften Stunde war eine große Menschenmenge versammelt, und mit jeder Minute nahm das Gewühl noch zu; denn am frühen Morgen hatten sich Gerüchte seltsamer Art nicht nur in Nottingham verbreitet, sondern auch in der weiteren Umgebung der Stadt, und jedermann war begierig, mit eigenen Augen zu sehen, wie alles enden würde. Uberall fragten die Männer einander, was man wisse, und fast jeder mußte gestehen, daß er den genauen Hergang und Stand der Sache nicht kenne. Doch fanden sich auch hier, wie immer, Leute, die behaupteten, aufs genaueste unterrichtet zu sein, obwohl sie in Wirklichkeit gar nichts wußten. Was allein gewiß schien, war dies, daß aus irgendeinem Grunde in der Nacht die Schloßtore zugesperrt und scharf bewacht worden waren und niemand hatte hinausgehen dürfen, außer einigen Dienern des Prinzen, die, nachdem sie sich einer kurzen Botschaft in der Stadt entledigt, unverweilt zurückgekehrt waren, ohne eine Frage zu beantworten oder auch nur zufällig Aufschlüsse zu geben.

Zwei oder drei Personen hatten jedoch gesehen, daß ein Trupp von etwa zwölf Personen, aus der Richtung von Pontefrakt kommend, im Schloß eingezogen war. Sie hätten keine Waffen getragen, nicht das Aussehen von Soldaten gehabt und müßten, nach der Beschaffenheit ihrer Kleidung und ihrer Pferde zu urteilen, die Nacht durch gereist sein. Man wollte wissen, daß sie sofort vom Prinzen empfangen worden waren. Zahlreiche andere Gerüchte liefen allerdings noch auf dem Platz um, und die Ansicht verbreitete sich, daß gar kein Kampf stattfinden würde. Diese Vermutung wurde aber bald verdrängt durch das Erscheinen der Herolde, die mit ihren Gehilfen den Kampfplatz genau untersuchten, um sich zu vergewissern, daß alles eben sei, ohne Löcher oder Erhöhungen, die Fallen für die Füße der Pferde bilden konnten, wodurch der eine oder andere der Kämpfer einen ungebührlichen Vorteil erlangt hätte.

Fast gleichzeitig erschienen verschiedene Pagen und Diener des Königs, die sich damit beschäftigten, den für den König bereiteten Pavillon in gebührende Ordnung zu bringen.

Dann hörte man in geringer Entfernung das Blasen einer Trompete, und eine Schar Gewappneter zu Pferde näherte sich in raschem Schritt und nahm in kriegerischer Ordnung ihren Posten an beiden Enden des Kampfplatzes ein, außerhalb der Schranken sich aufstellend. Eine Pause von etwa fünf Minuten trat jetzt ein, und die Menge, all diese Anordnungen beobachtend, wünschte sich Glück zu der Gewißheit, zwei Mitmenschen in tödlichem Kampfe sich messen zu sehen, und begann schon Vermutungen auszusprechen, wer der Sieger sein würde. Viele Anwesende, nur von ihrer Phantasie oder von Gerüchten geleitet, stellten Mutmaßungen über den Ausgang des Kampfes an, ohne auch nur einen der Gegner je gesehen zu haben. Aber es waren auch viele da von den Hintersassen von Lindwell und von den Bauern aus der Umgebung des Schlosses des Grafen von Ashby, die natürlich die Ehre ihres Lords aufrecht erhielten und meinten, er würde das Feld behaupten gegen jeden Ritter in Europa. Man bemerkte jedoch, daß selbst ihre kühnsten Voraussagen über die Tapferkeit ihres jungen Lords verbunden waren mit dem Ausdruck ihrer Überzeugung, daß, »wie dies immer sei, sie gewiß glaubten, daß der junge Lord von Monthermer nimmermehr den alten Grafen getötet habe. Warum hätte er es denn tun sollen?«

Es fehlte auch Hugh de Monthermer nicht an Anhängern unter der Volksmenge; denn er war in dieser Gegend des Landes wohlbekannt, und das Gefühl, daß er unschuldig und gekränkt sei, wirkte zu seinen Gunsten.

Etwa um halb zwölf Uhr mischten sich eine Anzahl Waidmänner in ihrer festtäglichen Tracht unter die Menge. Sie waren ohne Bogen, aber jeder hatte seine sechs Pfeile an der Seite stecken und trug in der Hand ein kurzes Schwert und den Schild. Sie hatten zahlreiche Bekannte unter dem Volk, und mit anderen, die sie nicht direkt anredeten, wurde ein freundlicher Blick des Erkennens und ein vertrauliches Kopfnicken getauscht, während sie sich nach den Schranken drängten.

»He, Müller!« sagte einer der Pächter, als ein Yeoman in Hellgrün an ihm vorbeischritt. »Warum bringt Ihr Eure Pfeile mit? Es ist heute kein Schießplatz hier!«

»Es gibt überall Schießplätze und ein Ziel, Winken«, versetzte der Angeredete.

»Aber Ihr habt keinen Bogen«, erwiderte der Landmann.

»An Bogen wird es nicht fehlen, wenn wir sie brauchen«, sagte der Waidmann und schritt weiter.

Kaum war dies Gespräch zu Ende, als man von Nottingham her einen stattlichen Zug anreiten sah, in dem sich manche schöne Lady befand, trotz des blutigen Schauspiels, das zu erwarten war.

»Der König!« schrien viele Stimmen. »Der König und der Prinz! Gott segne den Prinzen Edward!«

Nur wenige schlossen den Namen des Monarchen in den Segenswunsch ein. Aber Heinrich hörte nur den Willkommen- und Glückwunschruf, und da er sich einbildete, beim Volke beliebt zu sein, verbeugte er sich huldvoll gegen die Menge. Dann ritt er nach dem Eingang des für ihn bereiteten Pavillons, der sich bald mit den Lords und Ladys seines Hofes füllte.

Zum Erstaunen der meisten Anwesenden sah man die Prinzessin Eleonore zur rechten Seite des Königs, und viele Bemerkungen wurden darüber gemacht, daß sie heute zum erstenmal erschien, um einem gerichtlichen Zweikampf beizuwohnen.

Mittlerweile ritt Prinz Edward, gefolgt von einigen Herolden in ihren glänzenden Wappenröcken und begleitet von zwei unbewaffneten Rittern, auf den Kampfplatz. Er war in einen schimmernden Harnisch von Stahlschuppen gekleidet, Schild und Lanze wurden ihm von Knappen zu Fuß nachgetragen. Nachdem er wenige Minuten mit den Herolden gesprochen, wandte sich Edward zu einem der ihn begleitenden Ritter: »Reitet zum Zelt des Grafen von Ashby und sagt ihm, er sei zu schwach, um heute zu kämpfen. -Guy de Margan, der zuerst aus dem Becher trank, ist tot, sagt Ihr?«

»Er starb sehr rasch, mein Lord«, versetzte der Ritter, »und hatte kaum noch Zeit anzugeben, daß er im Zimmer Alured de Ashbys den Becher beinahe voll mit Wein gefunden und ihn während des Wartens ausgetrunken habe.«

»Es muß in der Tat ein starkes Gift gewesen sein«, versetzte der Prinz. »Der Arzt sagt mir, er habe all seine Kunst gebraucht, den Grafen Alured zu retten, der aus demselben Becher nachher Wein getrunken. Aber geht zu ihm und sagt ihm, er sei zu schwach. Wenn er die Anklage zurücknehmen will, gut - wo nicht, so soll er den Kampf um acht Tage aufschieben. In keinem Fall wird daraus eine Unehre für ihn folgen.«

Der Ritter ritt weg, und Edward, zu seinem anderen Begleiter sich wendend, fragte: »Man hat ihn noch nicht gefunden?«

»Nein, mein Lord«, versetzte der. »Man hat alles vergebens durchsucht. Der Leichnam lag in dem Zimmer oben. Der Tote ist ein Mann mit Namen Dighton. Ich erkannte ihn sogleich; denn ich habe ihn oft mit Ellerby und anderen schuftigen Lumpen in London und Westminster herumstreifen sehen.«

»Sir Roger hat einen kurzen Bescheid erhalten«, sagte der Prinz, als er, nach dem Zelt am westlichen Ende der Schranken schauend, den von ihm abgeschickten Ritter wieder sein Pferd besteigen sah, um zurückzukommen. »Ich habe selten einen so halsstarrigen Mann wie Alured de Ashby erlebt!«

»Er will nichts davon hören, mein Lord«, rief der Ritter im Heranreiten. »Er behauptet, die Leute würden ihn gewiß auch dann eine Memme nennen, wenn er wegen eines Unwohlseins von einigen Stunden dem Kampf auswiche.«

»Nun denn, so muß die Sache ihren Lauf nehmen«, versetzte der Prinz, zu Boden schauend. »Aber er könnte sich doch noch getäuscht sehen. Reitet hinüber und sprecht mit Sir John Hardy. Hört, was er sagt.«

Während der Ritter sich zu Hugh de Monthermers Zelt begab, ritt der Prinz um die Schranken herum und näherte sich dem Platz, wo Heinrich und Eleonore saßen. Er sprach mit beiden ein paar Worte; als er eben im Begriff war, sich zu entfernen, beugte sich Eleonore, deren Miene eine nicht geringe Unruhe verriet, vor und fragte mit leiser Stimme: »Seid Ihr Eurer Sache ganz gewiß, Edward?«

»Ich glaube es zu sein«, antwortete der Prinz, »obwohl ich noch niemand erscheinen sehe. Es wird jedoch nie zu spät sein, mich selbst ins Mittel zu legen. Der Brief, der mir heute nacht überbracht wurde, besagte, sie würden vor der Zeit mit dem verwundeten Grafen auf dem Kampfplatz sein. - Doch da kommt schon der Aus-forderer!«

Während er so sprach, waren seine Blicke auf das Zelt des jungen Grafen von Ashby geheftet, aus dem er einen Ritter hervortreten sah. Alured war in vollständiger Waffenrüstung, bestehend aus der Halsberge und dem Waffenhemd von Stahlschuppen, ebensolchen Beinschienen, einem stählernen Helm mit der Helmzier und dem beweglichen Visier von Eisendraht. Er trug kein Gewand über der Rüstung, und das einzige, was ihn von den gewöhnlichen Gewappneten unterschied, waren die Bänder von stählernen Platten an den Knien und Ellbogen des Harnischs, die erste Annäherung zu dem Panzer aus einem Stück, der später in Gebrauch kam.

Alle wandten ihre Blicke nun in diese Richtung, und jeder bemerkte, daß sich der junge Graf von Ashby, als er vom Eingang des Zeltes zu seinem Pferd hinschritt, auf den Arm Sir Harry Greys lehnte, der als sein Kampfzeuge auftrat. Und da sich mittlerweile allgemein das Gerüdit verbreitet hatte, daß in der vorigen Nacht ein Versuch gemacht worden sei, ihn zu vergiften, lief ein lautes Gemurmel durch das Volk: »Er ist nicht im Stande! Er ist nicht tüchtig! Laßt ihn nicht fechten!«

Aber Alured de Ashby setzte den Fuß in den Bügel und bestieg sein Roß mit sichtlicher Schwierigkeit; dann aber saß er fest und aufrecht im Sattel.


„Nun, mein Tier«, rief er, seinem Streitroß den Nacken klopfend, »du kannst die Waffen wohl tragen, die mich ermüden!« Und nach dem andern Ende der Schranken reitend, während seine Diener ihm mit Lanze und Schild folgten, grüßte er im Vorbeireiten den König und die Prinzessin und verbeugte sein Haupt tief vor dem Prinzen.

»Das ist wahrer Wahnsinn, mein guter Lord«, sagte der Prinz, zu ihm hinreitend. »Ich fühle in der Tat, daß ich als Kampfrichter dies nicht zugeben kann.«

»Ich muß meine Pflicht tun, Sir«, antwortete Alured de Ashby. »Ich bin weder eine Memme noch ein Elender. Und hier stehe ich in den Waffen, meine Ehre zu wahren.«

Edward wollte gerade antworten; da zügelte der Ritter, den er zu John Hardy geschickt hatte, neben ihm sein Pferd und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

»Sie seien bereit, den Kampfplatz zu betreten?« fragte Edward, verwundert die Augenbrauen hoch ziehend. »Was soll das bedeuten? - Nun, laßt die Herolde denn ihre Verkündigung tun. Wir wollen Sonne und Wind teilen.«

Auf ein Zeichen, das der Prinz mit dem Kampfrichterstab gab, schmetterten laut die Trompeten, und ein Herold, sein Roß vorwärts spornend, verkündete, daß alle Personen das Feld verlassen sollten, außer dem herausfordernden Ritter und seinem Gegner, den Herolden und Wappenbeamten, dem Kampfrichter und seinen Knappen.

Ein unbeschreibliches Gewühl trat jetzt ein; denn eine Menge Personen waren unter verschiedenen Vorwänden eben jetzt in den Schranken gewesen. Aber bald war alles geräumt, und Alured de Ashby, an den von den Herolden dem Herausforderer zugewiesenen Ort gestellt, schnallte seinen Schild an und nahm die Lanze zur Hand, die er senkrecht hielt, die eiserne Spitze steil in die Luft zeigend, das andere Ende auf seinem Fuß ruhend. Ein unbewaffneter Knappe stand auf jeder Seite und zwei Pagen dahinter.

Nun händigte Sir Harry Grey dem vornehmsten Herold einen Beutel voll Gold ein und sagte, dem Zeremoniell folgend: »Das für des guten Ritters Helm!«

Der Herold neigte den Kopf und versetzte: »Dank für die Freigebigkeit, edler Sir. Ist der Kampf auf Lanze und auf Schwert?«

»Das ist einerlei«, sagte Sir Harry Grey. »Er bezahlt für die Lanze, und die Lanze deckt das Schwert.«

Darauf spornte der Herold sein Pferd etwa zwanzig Schritt vorwärts, gefolgt von seinen Wappenbeamten, und nach einem lauten Schmettern der Trompeten verkündete er, daß hier stehe Alured, Graf von Ashby, bereit, den Kampf zu wagen gegen Hugh von Monthermer, Lord von Amesbury, wegen gewisser Anklagen, die er, Alured, gegen besagten Hugh vorgebracht, nachdem er, dem Gesetz der Waffen gemäß, den Eid geleistet, daß sein Streit recht und gerecht sei und er bereit, Leib und Leben der Entscheidung Gottes anheimzustellen. »Wenn nun«, fuhr der Herold fort, »besagter Hugh von Monthermer behaupten und verfechten will, daß die Anklage falsch und grundlos sei, und dafür sein Leben wagen, so möge er nahen vor dem dritten Schmettern der Trompeten, oder wenn nicht, so überliefere er sich den Händen des Königs, daß mit ihm verfahren werde, so wie er verdient hat! - Höret! Höret! Es wolle kein Mann, bei Gefahr, Leib und Leben zu verwirken, Zuspruch oder Aufmunterung angedeihen lassen weder besagtem Alured, Grafen von Ashby, noch Hugh, Lord von Monthermer, durch Zeichen, Wort oder Zuruf, und Gott wolle das Recht verteidigen. - Blast die Trompeten!«

Ein langer, lauter Ruf der Trompeten folgte, und alle Blicke wandten sich nun nach dem anderen Zelt, bei dem das Banner des Hauses Monthermer wehte. Zwei aufgezäumte und vollständig gerüstete Pferde und verschiedene Pagen und Diener standen davor. Hinter dem Zelt schien Gewühl und Tumult zu herrschen, und die Frist nach dem ersten Ruf der Trompete verstrich, ohne daß jemand erschien, auf die Ausforderung zu antworten.

»Blast wieder!« befahl der Herold, und wieder ertönte das Schmettern der Trompete, worauf beinahe augenblicklich die Vorhänge des Zeltes zurückgezogen wurden und Hugh de Monthermer, bewaffnet, aber entblößten Hauptes, sich der Schranke näherte.

»Das ist nicht in der Ordnung«, murmelte Alured de Ashby, sich mühsam im Sattel hochrichtend. Aber schon im nächsten Augenblick sah er mehr. Zur Rechten von Hugh schritt Sir John Hardy und zu seiner Linken sein Oheim, der alte Graf von Monthermer.




Zwei Knappen trugen des Ritters Lanze und Schild, ein Page zwischen ihnen seinen Helm. Langsam rückte der ganze Zug gegen die Schranke vor, die aufgehoben wurde, um sie in den Kampfplatz einzulassen. Aber dicht hinter ihnen kamen vier Männer, auf ihren Schultern etwas wie eine Sänfte mit Vorhängen von leichtem Tuch tragend. Ein Trupp Waidmänner folgte, einen Mann mit gebundenen Armen zwischen sich führend. Seine Kapuze war zurückgeschlagen, so daß das Gesicht frei sichtbar war.

»Ha! Was ist das?« Alured de Ashby trieb sein Pferd ein paar Schritte vorwärts. »Was bedeutet das alles? Ach, jetzt seh' ich es! Sie haben Richard in ihre Hände bekommen - und auf der Bahre bringen sie wahrscheinlich den Leichnam Guy de Margans. Mein Prinz, ich errate das übrige.«

»Ich auch«, entgegnete Edward trocken. »Laßt uns hinreiten und sehen!«

Beide spornten rasch ihre Pferde und erreichten den Platz vor dem königlichen Pavillon in demselben Augenblick, als Hugh de Monthermer dort hielt.

»Nun, Hugh, sprecht und gebt Aufklärung!« sagte der Prinz. »Aber zuerst, mein guter Lord«, fuhr er fort, dem alten Grafen Monthermer die Hand bietend, »willkommen Ihr, zurückkehrend zu Eurer Pflicht und zu England. Mein Herr und König, darf wohl Euer Sohn diesem Edelmann Gnade und Verzeihung ankündigen?«

Vermutlich hätte dies Heinrich zu keiner anderen Stunde bewilligt. Aber in diesem Augenblick war er zu begierig nach Aufschlüssen, als daß er sich lange besinnen konnte, und sein Haupt neigend, versetzte er: »Wohl, sei es so. - Aber was nun?«

»Gnädiger Herr«, sagte Hugh. »Ich erscheine vor Euch, meine Unschuld zu beweisen in der Art, wie es zu befehlen Euer Gnaden passend scheint, entweder mit den Waffen, gemäß der erfolgten Ausforderung, oder durch noch triftigeren Beweis, wenn es Euch so gefällt.«

»Kein Beweis kann besser sein als der mit den Waffen, Sir«, antwortete der König. »Gottes eigene Entscheidung muß doch sicherlich gerechter sein als die von Menschen.«

»Wohl, Sire«, versetzte Hugh de Monthermer mit feinem Lächeln. »Sei es, wie es Euer Gnaden behebt. - Alured«, fuhr er fort, »wenn ich nun durchaus mit Euch kämpfen muß, werdet Ihr genötigt sein, einen anderen Grund zu suchen als Eures Vaters Tod. An diesem bin ich unschuldig. Hier ist ein Zeuge, der nicht lügen kann. - Zieht die Vorhänge zurück! - Wollt Ihr ihm glauben?«

Alured de Ashby, zuvor schon blaß, wurde einen Augenblick noch blasser, aber es war, als wenn das Blut sich nur in die Tiefe des Herzens zurückgezogen hätte, um gereinigt, verjüngt, gekräftigt wieder daraus hervorzubrechen. Einen Augenblick war er so weiß wie die Asche eines erloschenen Feuers, im nächsten aber glühten seine Wangen, seine Augen funkelten, und mit einer Leichtigkeit, als wäre alle Krankheit verschwunden, warf er sich von seinem Pferd. Neben der Sänfte, in der halb aufgerichtet der alte Graf von Ashby lag, stürzte er auf die Knie und benetzte die Hand seines Vaters mit Tränen. Dann sprang er auf, umarmte Hugh de Monthermer und rief: »Ich habe Euch unrecht getan - verzeiht mir, mein Freund.«

Hugh preßte seine Hand und sagte: »Das alles ist erfreulich, Alured, aber etwas Peinliches bleibt noch. Da steht der Mörder! Mein gnädiger Herr und König, in Eure Hand überliefere ich ihn, mit ihm zu verfahren, wie Ihr es in Eurer hohen Einsicht für angebracht erachten werdet. Die Männer, die er zur Ausführung seines Verbrechens gedungen, sind, soweit sie noch leben, in sicherem Gewahrsam und haben gestanden. Auch er hat nicht die Stirn zu leugnen, und in der Tat wäre das auch fruchtlos; denn ein armes unglückliches Mädchen, das er vom Pfad der Tugend und von ihrer friedlichen Heimat weggelockt hat, konnte in seinem Hause die niederträchtige Verschwörung belauschen, die darauf zielte, den alten Grafen Ashby zu ermorden und mich des Verbrechens anzuklagen. Sie sagte es denjenigen, von denen sie erwartete, daß sie es am ehesten würden verhüten können, nämlich den Waidmännern des Sherwood. Zwar kamen die Leute Robin Hoods nicht mehr zur rechten Zeit, die Tat zu verhindern, aber bald genug, um den Grafen zu finden und das Blut zu stillen, ehe das Leben erloschen war. Sie ist jetzt bereit, obgleich ihr Herz gebrochen ist, Zeugnis abzulegen, das keinen Zweifel mehr übrig läßt an der Schuld dieses Mannes.«

»Oh, du Schurke!« sagte Alured de Ashby, seinen Vetter mit Abscheu anstarrend. »Elender! Eine solche Schande über den Namen de Ashby zu bringen!«

»Still, Alured, still!« beschwichtigte der alte Graf seinen Sohn. »Ich will den König bitten, ihn zu begnadigen.«

»Ja, begnadigt midi, begnadigt mich!« schrie Richard de Ashby, vorstürzend. »König, ich habe Euren Sohn aus der Gefangenschaft befreit - ich gab ihm die Mittel zur Flucht! Ohne mich hätte es keine Schlacht bei Evesham gegeben - ohne mich würde de Mont-fort noch herrschen - ohne mich wärt Ihr nodi zu dieser Stunde Gefangenerl«

»Ich bitte Euch, gnädiger Herr, begnadigt ihn, begnadigt ihn!« riefen Mortimer und Pembroke in einem Atem.

»Was meint Ihr, Edward?« fragte der König unsicher; denn eine starke Unruhe machte sich unter den Umstehenden breit.

»Gnädiger Herr, ich darf nichts sagen. Obgleich die Gerechtigkeit laut den Tod des schwärzesten Bösewichts fordert, den ich je gekannt, bindet mir doch Dankbarkeit die Zunge. Ich darf nichts sagen.«

»Entledigt ihn der Fesseln«, rief der König nach einer augenblicklichen Pause. »Wir schenken ihm das Leben, verbannen ihn aber für immer aus dem Königreich. Wenn er binnen zehn Tagen noch im Lande sich betreffen läßt, soll er sterben!«

»Dank, gnädiger Herr, Dank!« rief Richard de Ashby, während die Waidmänner widerwillig die starken Stricke lösten.

Sobald er frei war, schritt er an seinem Vetter und Hugh de Monthermer vorbei, als wollte er direkt über den Kampfplatz davoneilen, aber nach einigen Schritten wandte er sich um, schüttelte seine geballte Faust gegen sie und schrie: »Fluch über Euch beide! Aber die Zeit der Rache mag noch kommen! Ich bin mit Euch noch nicht im reinen!«

Während er sprach, entstand eine kleine Bewegung unter der Volksmenge außerhalb der Schranken, und als er sich wieder wandte, um weiterzueilen, rief eine gewaltige Stimme, die man laut und klar über das ganze Feld hin widerhallen hörte: »Dies für das Herz des mörderischen Verräters Richard de Ashby! Den die Könige schonen, senden die Gemeinen vor Gottes Gericht!«

Niemand sah den Mann, von dem die Stimme kam. Aber gleich darauf hörte man das Schwirren einer Bogensehne, ein Pfeifen in der Luft und dann einen dumpfen Aufprall, als wenn ein Pfeil in die Scheibe trifft.

Ein gellendes Kreischen entfuhr dem Munde Richard de Ashbys, und mit den Armen in die Luft fahrend, so als suche er etwas zu erhaschen, um sich aufrecht zu halten, sank er rücklings auf das Gras.

Mehrere Männer liefen herbei; aber er war schon tot. Das Geschoß war ihm mitten durch das Herz gegangen, und zwischen den Pfauenfedern, die den Pfeil beflügelten, fand man geschrieben: Robin Hood.

Beinahe in demselben Augenblick sah man einen großen stattlichen Waidmann auf der anderen Seite der Schranken ein weißes Pferd besteigen und vom Kampfplatz wegreiten. Er ritt in nicht sehr raschem Schritt dahin und summte dabei die Weise eines alten, längst vergessenen Liedes ...


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