XXVI

WAS SUCHST DU, fetter Mönch?« fragte Sir William Geary, der mit zwei anderen Höflingen unter dem Bogen stand, der zu dem großen Hof im Kastell von Nottingham führte, einen dicken, schwerfälligen Mann mit rosigem Gesicht und einem Doppelkinn. Dieser war einige Zeit im Hofe hin und her gewandert, aber offenbar ohne einen bestimmten Zweck.

»Ich suche, mein Sohn«, versetzte der Mönch mit boshaftem Lächeln, »was du mir vielleicht zeigen kannst, aber was dennoch dir selbst zu suchen sehr nötig und heilsam wäre.«

»Nur keine Rätsel, du höchst joviale Sphinx«, versetzte Sir Wailiam Geary. »Sprich einfach, so kann ich dir vielleicht dienen. Was meinst du?«

»Ich meine, ich suche den rechten Weg«, antwortete der Priester.

»Aber wohin?«

»Ich begehre zu sprechen mit dem edlen Lord Hugh de Monthermer«, antwortete der Mönch, »der, wie ich höre, im Zuge des Königs kommt.«

»Mitgeführt wird, meint Ihr«, mischte sich jetzt Sir Harry Grey ein; »denn er kommt als Gefangener. Aber, die Wahrheit zü gestehen, seine Gefangenschaft scheint die Herzen des ganzen Hofes gefangenzunehmen; denn da ist keiner, dem solche Aufmerksamkeit zuteil wird wie Hugh de Monthermer.«

»Der Hof muß weise werden in seinen alten Tagen«, versetzte der Mönch. »Ich glaube, ich will mich ihm auch anschließen, wenn wirklich das Verdienst dort vorwärts kommt. Aber ich bitte Euch, Herr, sagt mir, wo der junge Lord seine Wohnung hat. Obgleich ich die Pforten dieses Kastells so schmal für meine fetten Seiten finde wie die des Himmels, so sind ihrer doch so viele wie an dem entgegengesetzten Orte.«

»Ihr werdet ihn bei einem Fräulein treffen, in einer tiefen Fensternische des großen Saales, wo er dir ins Handwerk pfuscht; denn als ich an ihnen vorbeiging, schien es beinahe, als nähme er ihr die Beichte ab.«

»Und diejenige, die allein nötig war, hat sie schon lange abgelegt«, rief Sir Harry Grey. »Schon auf dem Ritt von Huntingdon hierher hörte ich sie sagen: ,Ihr wißt, ich tu es, Hugh.' Und was konnte sie anders meinen als natürlich: ,Euch heben'.«

»Dann verhüte der Himmel, daß ich die Beichte störe«, sagte der Mönch mit Lachen. »Aber wenn Ihr mir zeigen wollt, mein Sohn, wo sein Zimmer ist, so will ich dahin gehen und ihn erwarten. Ein kleiner Knabe, der mir soeben vor dem Tor begegnete, hatte mich zum Narren und sagte mir, wenn ich durch die dritte Tür rechter Hand, auf der Ecke linker Hand, jenseits des vierten Turms, nachdem ich durch das zweite Tor gekommen, eintrete, würde ich eine Treppe finden, welche mich auf die Höhe des Kastells führen würde, und wenn ich hinaufgestiegen, möge ich wieder herunterkommen. Meiner Treu, hätte ich ihn erreichen können mit meinem Stock, ich hätte ihm eine heilsame Züchtigung erteilt. Aber er war mit mir zu flüchtig, und meine Körperschwachheit erlaubte mir nicht, ihn zu verfolgen.«

»Eure Fettheit meint Ihr, Mönch«, versetzte Sir Harry Grey. »Aber sagt mir, wie viele Tonnen Bier und Fässer Wein hat es gekostet, Euren Leichnam so zu vervollständigen und Eurer Gesicht so zu färben?«

»Beide sind noch nicht ganz fertig, mein Sohn«, antwortete der Mönch gelassen. »Doch sobald sie es sind, will ich die Posten zusammenzählen und dir die Rechnung schicken. Aber zeigt mir jetzt den Weg.«

»Geht durch die Tür dort unter dem Bogen«, sagte Sir Harry Grey, ihm die Richtung weisend, »und dann die Treppe hinauf. Gleich die zweite Tür, an die Ihr kommt, führt in das Zimmer von Hugh de Monthermer.«

»Der Himmel sei mit Euch, Gentlemen. Dank für Eure artige Unterhaltung!« Nach diesen Worten watschelte der Mönch mit einem leisen Kichern fort.

Einer der drei Gentlemen hatte an dem Gespräch nicht teilgenommen. Jetzt aber wandte er sich an Sir William Geary und fragte: »Kennt Ihr den lumpigen Schuft?«

»Nein«, antwortete dieser. »Es ist das erstemal, daß ihn meine Augen sehen, aber es ist offenbar ein schlauer und spöttischer Schelm, imstande, sich auf mancherlei Weise nützlich zu machen. Kennt Ihr ihn, de Margan?«

»Ich habe ihn vor knapp zehn Tagen gesehen«, versetzte de Margan, »aber in einer ganz anderen Gegend Englands und unter Leuten, von denen er ohne Zweifel Botschaften an diesen Lord Hugh überbringt. - Man muß ein Auge auf diese Sache haben, Geary. Ich habe eine alte Rechnung mit Hugh de Monthermer zu begleichen; so laßt uns wohl aufpassen, was auf dieses guten Priesters Besprechung mit ihm erfolgt.«

»Ich habe von Eurem Abenteuer mit Monthermer gehört, de Margan«, sagte Sir William Geary. »Aber Euer Vorhaben, den alten Grafen Ashby von gewissen Zusammenkünften bei Mondschein in Kenntnis zu setzen, dürfte keine Wirkung haben. Der Vater scheint so verliebt in Hugh de Monthermer wie die Tochter. Er hat es zugelassen, daß Hugh de Monthermer jeden Tag, seit wir hier sind, nach Lindwell hinübergeritten ist und dort den Vormittag mit der Dame seiner Liebe zugebracht hat.«

»Ich habe das schon gestern abend nach meiner Ankunft gehört«, antwortete Guy de Margan ungeduldig. »Aber ich werde ein Mittel finden, diesen Hugh de Monthermer seinen Übermut bereuen zu machen.«

Sir William Geary schwieg einen Augenblick mit nachdenklichem und etwas bitterem Lächeln. »Wohl, de Margan!« sagte er endlich, ihn beiseite ziehend. »Wenn Ihr Euch zu rächen begehrt, so glaube ich zu wissen, wo der Mann zu finden ist, der Euch behilflich sein wird. Niemand weiß von seiner Anwesenheit in Nottingham; aber ich habe ihn aufgespürt und will Euch zu ihm führen, wenn Ihr Lust habt.«

»Wer ist es?«

»Kein Geringerer als Richard de Ashby, des schönen Fräuleins Vetter«, antwortete Geary. »Er ist von einem gründlichen Haß gegen diese Monthermers besessen und, wie mich dünkt, von einer nicht kleinen Liebe zu seiner schönen Verwandten Lucy.«

»Was?« rief de Margan mit Spott und Verachtung in der Stimme. »Ein mit Armut geschlagener, abhängiger Bettler sollte es wagen, sein Auge zu einer so hoch über ihm stehenden Dame zu erheben?«

»Vielleicht erhebt er sein Auge zu ihrer Mitgift«, sagte Sir William Geary. »Ehrgeiz ist immer ein dreister Freier. Aber, wie dem auch sei, verlaßt Euch darauf, er wird Euch zu Eurer Rache an Monthermer verhelfen.«

»Gut!« versetzte de Margan. »Ich will zu ihm, Geary. Aber laßt uns erst etwas über diesen Mönch erkunden. Dieser Mann ist ein heilloser Rebell, ich sah ihn zuletzt bei Sir William Lemwood und all den übrigen, die damals für die Sache de Montforts eintraten. Ohne Zweifel kommt er jetzt nach Nottingham, um eine neue Verschwörung auszubrüten. Wir müssen ihn deshalb beobachten. Wenn Hugh de Monthermer nur einen falschen Tritt tut, so stehe ich dafür, er soll fallen! - Ich fürchte, es ist keine Aussicht vorhanden, in eines der Vorzimmer zu gelangen und zu lauschen, was vorgeht?«

»Keine, das ist ganz außer aller Frage. Aber mein Zimmer hat die Aussicht auf das Ende der Treppe, so daß wir von dort aus bequem sehen können, wann der Mönch wieder weggeht.«

»Wir wollen ihn abpassen!« rief de Margan. »Schon der Besuch eines solchen Mannes ist verdächtig. - Meint Ihr nicht auch, Geary?«

»Gewiß!« antwortete Sir William mit einem spöttischen Lächeln. »Ganz gewiß für ein argwöhnisches Gemüt.« Mit dieser sarkastischen Bemerkung wandte er sich und ging voran nach seinem Zimmer im Schloß.

Was immer das Anliegen des Mönchs bei Hugh de Monthermer sein mochte, er blieb über eine Stunde in dessen Zimmer, und als er es verließ, folgte ihm bald der junge Edelmann, der einen dunkelfarbigen Mantel über seine prächtige Ritterkleidung geworfen hatte. Er schlug zu Fuß den Weg in die Stadt ein durch dasselbe Tor, durch das sein Besucher sich entfernt hatte.

Guy de Margan und William Geary eilten gleich darauf hinunter in den Hof, verließen das Kastell und folgten dem jungen Edelmann in die Stadt, die zu jener Zeit schon eine ansehnliche Größe hatte. Die steilen Straßen und Felsentreppen, die an dem seltsamen Bergkegel, auf dem das Kastell steht, hinabliefen, machten den Eindruck, als sei es auf einen Bienenkorb gebaut.

Hugh de Monthermer schritt die vom Kastell hinabführende Straße entlang und schlug dann den Weg nach der ersten Reihe von Stufen ein, um in den niedriger gelegenen Teil der Stadt hinunterzusteigen. Da unten zwei Wege waren, die er wählen konnte, trennten sich die Gentlemen, die sich der ehrenhaften Aufgabe unterzogen, ihm nachzuspionieren.

Sie waren gerade wieder in der Nähe des alten Tores zusammengetroffen, als Hugh, den Guy de Margan nicht aus dem Auge verloren hatte, stehenblieb und sich umsah, als wäre er seines Zieles nicht ganz gewiß. Sofort zogen sich seine Verfolger hinter eine in die Straße vorgebaute Bude zurück, aber gleich darauf schritt er weiter und nahm seinen Weg zum Tor hinaus. Nun sprangen auch sie hervor und folgten ihm so rasch, daß sie fast auf ihn gestoßen wären; denn er war direkt hinter dem Tor stehengeblieben. Dort hatte der Mönch, den sie zuvor gesehen, auf ihn gewartet. Er war jedoch nicht mehr zu Fuß, sondern saß auf seinem starken, störrisch aussehenden Maultier und hielt am Zügel ein großes, knochiges Pferd.




Hugh de Monthermer setzte seinen Fuß in den Steigbügel und saß im Nu auf dem Rücken des Tieres.

»Das sieht so aus, als wenn ein Gefangener entfliehen will«, sagte Guy de Margan. »Soll ich die Leute auffordern, ihn anzuhalten?«

»Aber nein«, versetzte Geary, »er will nicht entfliehen, und wenn, so wäre er fort, ehe Ihr etwas tun könntet. Er hat jeden Tag tausend Gelegenheiten zu entfliehen, wenn er will. Es ist ein Pech, daß wir keine Pferde bei uns haben!«

»Er geht unerlaubten Geschäften nach, wenn er diesen Mönch zum Führer hat. Ich will dem Prinzen berichten, was ich gesehen habe.«

»Es taugt nicht für Eure Zwecke, de Margan, dergleichen dem Prinzen zu berichten«, sagte Geary mit einem sarkastischen Zucken der Lippe. »Der Prinz ist ein sehr kluger Mann und durchschaut Euch. Zudem könntet Ihr nicht, wenn Ihr auch wolltet. Edward ist nicht hier; er brach heute morgen mit fünfhundert Mann nach Derby auf. Sagt es doch dem König! Ihn könnt Ihr alles glauben machen, was Ihr wollt. Aber sprecht zuerst Richard de Ashby und braut miteinander Eure Anschläge. Ich will Euch mit ihm allein lassen; denn ich begehre keinen Anteil an Euren Beratungen. Es wird Spaß genug sein, das Ergebnis zu sehen.«

Sie hatten inzwischen ein mit seltsamen Schnitzereien verziertes hölzernes Haus erreicht. Hier begehrte Sir William Geary Einlaß. Aber bevor die Tür geöffnet wurde, ward seine und seines Begleiters Person einer genauen Besichtigung unterworfen von einem Diener, der durch ein kleines rundes Fenster neben der Tür herausschaute. Endlich öffnete er. Nach einigem Hinundherreden wurde Sir Guy de Margan schließlich der Eintritt gestattet, und Sir William Geary verabschiedete sich von ihm.

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