XXVII

AM TAGE DARAUF kam Hugh de Monthermer mit glücklichen Nachrichten nach Lindwell-Castle und erzählte Lucy, daß ihr Vater heute, vor seinem Besuch beim König, eine Stunde lang mit ihm zusammen gewesen sei und seine endgültige Einwilligung zur Heirat gegeben habe. Er hätte zwar einige Zweifel blicken lassen, welche Ansicht wohl ihr Bruder Alured von der Sache haben dürfte, habe aber versprochen, es auf sich zu nehmen, seinen Sohn zur Vernunft zu bringen. Es war gewiß, daß der Graf von Ashby fest entschlossen war, die Hand seiner Tochter in möglichst kurzer Frist Hugh de Monthermer zu geben. Und das nicht aus einer plötzlichen Laune heraus, sondern er war immer dem jungen Ritter gewogen gewesen, selbst als in früheren Tagen die Häuser Ashby und Monthermer einander feindlich gegenüberstanden. Verschiedene Umstände hatten ihn inzwischen zwar schwanken gemacht; aber als er nach der Schlacht von Evesham Hugh in hoher Gunst bei dem ritterlichen Prinzen stehen sah, der soeben seines Vaters Thron gerettet hatte, erkannte er, daß im ganzen Land keine bessere Partie für seine Tochter zu finden war.

So hatte er selbst im Verlauf dieses Morgens ein Gespräch eingeleitet, das damit endete, daß er Hugh de Monthermer die Hand Lucys zusagte, und es war verabredet worden, in zwei Tagen die öffentliche Erklärung der bevorstehenden Vermählung zu geben.

Dies waren die glücklichen Nachrichten, die Hugh selbst Lucy überbrachte, und nun standen sie fröhlich plaudernd an einem Fenster des Zimmers und schauten auf die schöne Landschaft hinab. Alles in ihnen war Glück und Freude.

Über die grünen Anhöhen von Nottingham kam jetzt ein langer, prächtiger Reiterzug, der die Heimkehr des Grafen verkündete. Die Liebenden traten auf den steinernen Balkon, um die Rückkehrenden willkommen zu heißen, aber der Graf tat, als sähe er sie nicht, und Hugh bemerkte, daß mit ihm verschiedene Personen ritten, die nicht zu seinem Gefolge gehörten.

Kurze Zeit darauf hörten sie Schritte die Treppe heraufkommen, und da es viele waren, begab sich Lucy durch eine kleine Tür über eine andere Treppe in ihre Wohnung.

Sie hatte kaum das Zimmer verlassen, als Hugh de Monthermer die Stimme des Grafen von Ashby vernahm, der mit seinen Begleitern vor der Tür sprach.

»Bleibt Ihr hier, Gentlemen«, sagte er. »Er wird mit Euch zum König zurückgehen, ich will für ihn bürgen. Laßt mich aber zuerst mit ihm sprechen.« Im nächsten Augenblick trat der Graf in den Saal, die Augen finster auf den Boden geheftet.

Obgleich Hugh sich vollkommener Unschuld bewußt war und von keiner Gefahr eine Ahnung hatte, die ihn bedrohen könnte, war ihm doch schwer ums Herz geworden bei diesen Worten. So trat er denn rasch auf den Grafen zu und fragte in seiner gewohnten offenen Art: »Was gibt es, mein edler Lord? Ihr seht traurig und niedergeschlagen aus und wart doch diesen Morgen so munter und fröhlich?«

»Alles hat sich geändert seit heute morgen, Sir«, antwortete der Graf steif. »Der König verbietet Eure Heirat mit meiner Tochter. Und da meine Einwilligung nur bedingt war...«

»Das ist im höchsten Grade ungerecht und tyrannisch«, versetzte Hugh entrüstet. »Aber ich glaube, jemand hat den König gegen mich aufgebracht. Prinz Edward ist jetzt abwesend, und ein Schurke hat dies benützt, das Ohr des Monarchen mit Lügen zu mißbrauchen.«

»Davon weiß ich nichts«, antwortete der Graf mit verletzender Kälte. »Aber in jedem Fall hat er die Heirat verboten. Demgemäß verlange ich von Euch, daß Ihr mir mein Wort zurückgebt.«

»Nimmermehr!« rief Hugh de Monthermer heftig. »Ihr könnt, mein Lord, wenn Ihr es wollt - aber ich glaube nicht einmal, daß Ihr es wollt -, Eure Zusage brechen. Aber Eure Handlung soll es dann sein, nicht die meinige. Ich stehe hier so redlich und unschuldig vor Euch wie nur je ein Mann. Wenn diesen Morgen kein Grund vorlag, mir Eurer Tochter Hand zu verweigern, so ist auch jetzt keiner vorhanden.«

»Ja, es ist einer vorhanden!« rief der Graf starrsinnig. »Des Königs ausdrücklicher Befehl!«

»Gegeben auf irgendeine erlogene Einflüsterung! Ich will augenblicklich zu ihm gehen und meinen Verleumdern ihre Lügenhaftigkeit nachweisen. Ich bitte Euch, mein Lord, sagt mir, wessen sie mich anschuldigen, damit ich mich rechtfertigen kann.«

»Ich weiß es selbst nicht so genau, Hugh«, versetzte der Graf unsicher. »Ich habe jedoch gehört, Ihr sollt konspiriert haben mit den Feinden des Staates, die im Norden und auf den Grenzen von Wales rebelliert haben.«

»Und Ihr laßt Euch derart beschwatzen?« schrie Hugh. Aber sofort wieder ruhiger werdend, ergriff er die Hand des alten Grafen und sagte: »Verzeiht mir, mein lieber Lord, wenn ich Euch in der Hitze beleidigt habe. Aber versprecht mir zwei Dinge.«

»Was ist es?« fragte der Graf. »Ich will es tun, wenn Eure Bitten billig und vernünftig sind.«

»Sie sind billig und vernünftig, mein Lord, sonst würde ich sie nicht an Euch richten. Versprecht mir erstens, daß Ihr, sobald ich fort bin, einen Brief an Prinz Edward schreiben und ihm melden wollt, daß sein Freund Hugh de Monthermer des Hochverrats angeklagt ist. Bittet ihn, aufs schleunigste zurückzukehren, um zu sorgen, daß das Recht gewahrt werde, und schickt die Nachricht durch einen zuverlässigen Boten nach Derby, wo der Prinz sich jetzt befindet.«

»Das soll binnen einer Stunde geschehen«, antwortete der Graf. »Aber was weiter, Hugh - was weiter?«

»Dies, mein teurer Lord«, versetzte der junge Ritter: »Euer Bote wird Derby heute nacht erreichen. Und wenn ich Prinz Edward recht kenne, wird er morgen in Nottingham sein, ehe die Sonne um eine Stunde die Mittagslinie überschritten hat. Ich will den König bitten, diese Stunde abzuwarten, um meine Verteidigimg anzuhören. Von Euch erbitte ich, daß Ihr dann zugegen seid und - falls Ihr mich nicht schuldig glaubt - Eure Zusage, mir die Hand Lucys zu geben, erneuert, ja gegebenenfalls mit mir in den König dringt, damit er seine Einwilligung gibt.«

Der alte Lord zögerte einige Sekunden, aber endlich antwortete er: »Wohl!«

»Dann bis morgen, mein Lord«, sagte Hugh de Monthermer rasch. »Ich darf nicht bleiben, bis Eure Tochter kommt.« Damit preßte er des alten Mannes Hand und schritt der Tür zu. Aber sich noch einmal umwendend, ehe er das Zimmer verließ, sah er, daß der Graf mit zögernder, zweifelnder Haltung mitten im Saale stehengeblieben war. Mit lauter Stimme sagte er deshalb noch einmal: »Ihr werdet nicht ausbleiben, mein Lord?«

»Nein, nein«, erwiderte der Graf. »Ich will mich zu der genannten Stunde einfinden.«

Es war von dem Absatz der Treppe bis zur Saaltür ein ziemlich großer Raum, und Hugh de Monthermer fand ihn angefüllt von Gentlemen, die zu Heinrichs Hof gehörten. Sobald er erschien, trat Sir Guy de Margan auf ihn zu und sagte: »Lord Hugh de Monthermer, ich bin beauftragt vom König...«

Aber Hugh, ihn mit einem finsteren Blick messend, unterbrach ihn:

»Mich vor Seiner Majestät Angesicht zu fordern! Ich bin bereits im Begriff, dorthin zu eilen, Sir, und das ist genug! - Nehmt Euch in acht, Sir Guy de Margan«, fügte er hinzu, als dieser trotzdem näher trat. »Bedenkt, ich hebe Eine allzugroße Nähe nicht!« Und er faßte den Griff seines langen Schwertes mit seiner rechten Hand und schritt dabei zugleich auf die Treppe zu, während die Höflinge, die den freien Platz dort einnahmen, ihm zu beiden Seiten auswichen. Guy de Margan biß sich vor Zorn in die Lippen, wagte aber doch nicht, ihm allzunahe zu kommen.

Das Pferd des jungen Ritters und die Diener, die ihn begleitet hatten, standen im Hof bereit. In den Sattel springend, ohne denen, die ihm folgten, die mindeste Aufmerksamkeit zu bezeigen, schüttelte Hugh de Monthermer die Zügel und galoppierte Nottingham zu. Die anderen sprengten ihm eilig nach, und beide Parteien erreichten fast gleichzeitig die Stadt und ritten durch die Schloßtore ein. Vom Pferde gestiegen, begab sich Hugh sofort in die königlichen Gemächer, an verschiedenen ihm begegnenden Pagen und Dienern vorbeigehend, ohne eine Frage an sie zu richten. Im Vorzimmer des Audienzsaales traf er William de Valence, den Grafen von Pembroke. Ihn fragte er: »Kann ich mit Seiner Majestät sprechen, mein Lord von Pembroke? Ich erfahre, daß ich fälschlich angeklagt bin, und muß mich von diesem Verdacht reinigen.«

»Seine Gnaden erwarten Euer Lordschaft«, antwortete der Graf mit eiskalter Miene. »Aber er erwartet, Euch unter Bedeckung einer Wache zu sehen.«

»Es war nicht nötig, Sir«, antwortete Hugh. »Ich fürchte mich nicht, dem König unter die Augen zu treten, und nie bedarf es der Gewalt, um mich zu vermögen, meinen Feinden entgegenzutreten. Wollt Ihr mich vor den König führen - das ist alles, was ich verlange.«

»So folgt mir denn«, sagte der Graf. Die Tür öffnend, meldete er die Ankunft des jungen Ritters, und der König befahl, ihn unverzüglich hereinzuführen.

Heinrich III. saß an einem Tisch, und Lord Mortimer stand bei ihm. Sie spaßten, wie es schien, gerade über irgend etwas; denn beide lächelten, als Hugh de Monthermer eintrat. Aber in demselben Augenblick, wo des schwachen und tyrannischen Fürsten Auge auf ihn fiel, kam ein Ausdruck zornigen Grollens in sein Gesicht.

»So, Sir«, sagte er spitz. »Ihr kommt freiwillig, um den Lohn Eurer hohen Verdienste zu empfangen!«

»Ich komme, Euer Gnaden«, versetzte Hugh, sich tief verbeugend, »um in Eurer Gegenwart meine Ankläger zu empfangen und ihnen die Lüge in die Zähne zu werfen, wenn sie sich erfrechen, mich einer Handlung zu zeihen, die meiner Pflicht zuwiderliefe.«

»Was?« sagte der König. »War es nicht Eurer Pflicht zuwider, es mit de Montfort zu halten und bei Evesham zu fechten?«

»Oh, gnädiger Herr«, antwortete Hugh, »wenn die Anklage so weit zurückgreift, kann ich nichts darauf entgegnen.«

»Aber jetzt lautet die Hauptanklage gegen Euch auf Hochverrat!« rief der König.

»Und wer immer sie erhebt«, versetzte Hugh de Monthermer, »ist ein meineidiger Verräter, und ich will es ihm beweisen, entweder durch Untersuchung und Beweisführung von Eurer Majestät oder durch die Entscheidung der Waffen: mein Leib gegen den seinigen - und Gott der Richter!«

»Nein - nein, Sir«, sagte Heinrich, »wir kennen Eure Stärke und Geschicklichkeit in den Waffen recht gut. Das ist kein Fall, wo wir gestatten wollen, daß unsere Rechtsprechung von ihrer Bahn abgelenkt werde durch einen starken Arm und ein kühnes, aber verkehrtes Herz. Wir selbst wollen Euer Ankläger sein, gegen den Ihr nicht die Entscheidung der Waffen anrufen könnt. Diejenigen, die wir auffordern, Euer Verbrechen zu beweisen, sollen bloß Zeugen sein.«

»Gnädiger Herr, das meint Ihr nicht ernst«, antwortete Hugh kühn. »Ihr werdet nimmermehr Richter und Ankläger in einer Person sein wollen.«

»Dann sollt Ihr andre Richter haben!« schrie Heinrich wütend. »Eure Peers (Angehörige des englischen Hochadels) sollen Euch richten! Aber wenn Ihr wirklich unschuldig seid, werdet Ihr keinen Anstand nehmen, sofort auf die gegen Euch erhobenen Anklagen zu antworten.«

»Eben darum komme ich«, erwiderte der junge Ritter. »Unvorbereitet, nicht unterrichtet, was diese Anklagen sind, komme ich, um ihnen entgegenzutreten, wie ich kann. Ich bitte Euch, laßt mich sie hören.«

Inzwischen war eine Anzahl Ritter in dem Audienzsaal erschienen, unter ihnen alle, die dem jungen Edelmann von Lindwell gefolgt waren. Heinrich überflog sie mit den Augen und rief: »Tretet vor, Guy de Margan! Und Ihr, Hugh Fitzhugh! Ihr, Sir William Geary, kommt auch näher. Gebt an, wessen Ihr den Lord Hugh de Monthermer bezichtigt.«

»Wahrhaftig, Sire«, versetzte Sir William Geary mit dem ihm eigenen sarkastischen Grinsen, »ich bezichtigte den edlen Ritter gar nichts. Ich war einmal Zeuge, mein gnädiger Herr, wie er im Turnier die vier besten Lanzen im Feld von den Rossen warf. Nun war ich nie sonderlich stark in den Knien und werde überdies etwas rostig mit den Jahren. So verhüte Gott, daß ich einen Mann anklagen sollte, der von der Entscheidung durch die Waffen spricht. Als ich davon hörte, zitterte ich beinahe so sehr wie Guy de Margan hier.«

»Das ist erlogen! Ich zitterte nicht!« rief de Margan erbost.

»Recht, recht«, antwortete der andere. »Ihr bebtet nur und saht aus, als sei Euch übel.«

»Sir William Geary«, rief der König, »dies ist keine Sache zum Spaßen! Sprecht, was war es, das Ihr gesehen zu haben erklärtet?«

»Ich sah einen fetten Mönch«, versetzte Sir William Geary, »dessen Hang zum Scherzen sich kaum wollte zügeln lassen, einen so lustigen Mönch, als mir nur je einer vor Augen kam. - Und dieser fette Mönch, Sire«, fuhr er ernster fort, als er bemerkte, daß der König ihn unmutig anstarrte, »blieb stehen und fragte mich um den Weg nach den Zimmern des Lords Hugh de Monthermer. Als er gegangen, sagte mir Sir Guy de Margan, der Mönch sei der Bote eines Verräters, ein Unterhändler zwischen Rebellen, ein Mann, den er selbst bei Sir William Lemwood in den Grenzdistrikten von Wales getroffen habe. So lud ich de Margan in mein Zimmer ein, und wir beide warteten miteinander, bis der Mönch wieder aus den Zimmern des Lords käme, was schon nach einer Stunde geschah. Der Mönch erschien dann wieder in dem Hofraum, und bald darauf folgte ihm Hugh de Monthermer; nun ergriff eines jener unwiderstehlichen Gelüste, welches die Beine in Bewegung setzt, mich und diesen guten Sir Guy, und wir verfolgten den Pfad des Ritters und des Mönchs. Vor dem Tor der Stadt fanden wir unsern asketischen Freund auf ein Maultier gestiegen, für seinen ritterlichen Freund ein Pferd haltend, auf das wir den tapferen Lord springen sahen. Dann ritten sie miteinander fort. Das ist alles, was ich zu sagen habe, Sire, und was ich gesagt habe, ist wahr. Aber fern sei es von mir, eine Anklage zu erheben gegen einen Ritter, der ein Pferd zwischen seinen Knien totquetschen kann oder einen Renner in vollem Lauf aufhalten, indem er sich an einem eisernen Ring hält und das Tier mit seinen Schenkeln bändigt und stehen macht.«

»Was habt Ihr zu antworten, Sir?« fragte der König, zu Hugh sich wendend.

»Einfach dies, Sire, daß ich gestern einen Mönch gesprochen habe«, versetzte der junge Edelmann, »und daß er beinahe eine Stunde bei mir blieb, viel von Wildbret schwatzend und auch mitunter von der Jagd. Er mag, nach seinen Reden zu urteilen, wohl das Verbrechen begangen haben, einen fetten Bock sich zuzueignen, auf den er kein Recht hatte. Aber, bei meinem Wort, das ist der einzige Verrat, dessen ich ihn fähig halten kann, und nicht ein Wort sprach er in meiner Gegenwart von Aufständen, Rebellionen oder sonst etwas, das Euer Mißfallen erregen könnte.«

»Was meint Ihr hierzu, Sir Guy de Margan?« fragte der König. »Sagt uns, wer dieser Mönch ist. Ist er ein Rebell oder nicht?«

»Ganz unwidersprechlich ist er es, gnädiger Herr«, versetzte Guy de Margan. »Ich traf ihn bei Lemwood und den andern Verrätern, zu welchen Ihr, Sire, mich geschickt hattet, um mit ihnen zu unterhandeln.«

»Aber das beweist doch nicht«, mischte sich nun Mortimer ein, »daß der Lord Hugh ein hochverräterisches Gespräch mit ihm hatte. Sein Geschäft mit dem edlen Lord kann von sehr harmloser Art gewesen sein.«

Übelwollende Ungerechtigkeit wird höchst gefährlich, wenn sie die Maske der Billigkeit annimmt. Und Mortimer, der wußte, was kommen sollte, nahm nur den Ton des unparteiischen Richters an, damit seine spätere Härte gegen Hugh de Monthermer vom Sinn für Gerechtigkeit eingegeben erscheine.

»Es hätte allerdings so sein können«, versetzte Guy de Margan, »wäre es bloß ein Besuch des Mönchs beim Lord von Monthermer gewesen. Daß sie aber miteinander fortritten, muß doch sonderbar erscheinen, und die Heimlichkeit, die sich darin verriet, daß der Mönch zuerst allein das Kastell verließ, macht die Sache noch sonderbarer. Vielleicht geruht Lord Hugh zu erklären, wohin er mit ihm ging.«

»Mich dünkt«, antwortete Hugh, »die ehrenwerten Spione, die mir vom Schloß bis an das Stadttor nachschlichen, hätten ihre Nachspürungen noch etwas weiter ausdehnen können, wodurch sie sich die Notwendigkeit solcher Fragen hier erspart hätten.«

»Über einen Punkt wenigstens«, sagte Hugh Fitzhugh, ein großer, vierschrötiger Gentleman, »kann ich Aufschluß geben. Warum er fortritt, kann ich nur raten, aber wohin er ritt, weiß ich ganz gut. Er ritt mit größter Schnelligkeit in den Wald; denn dort habe ich ihn mit dem eben erwähnten Mönch gesehen. Die Wahrheit ist, ich hatte mich verirrt, und wie ich durch einen der Nebenwege des Waldes kam, stieß ich plötzlich auf eine Gesellschaft von vier bis fünf Personen in eifrigem Gespräch. Drei von ihnen hatten Masken vor dem Gesicht, und die zwei Unmaskierten waren Hugh de Monthermer und der Mönch. Mein gnädiger Herr König, wenn er das nicht erklärt, so haben wir gar keine Erklärung. Aber Eure Weisheit wird richten.«

»Erkläre er es, wenn er will«, entschied der König, »oder vielmehr, wenn er kann. Ich bin bereit, ihn anzuhören.«

»Gnädiger Herr«, versetzte Hugh de Monthermer kalt. »Einmal in ihrem Leben haben diese drei Gentlemen hier die Wahrheit geredet. Ich ging aus und dem Priester nach, ich begleitete ihn in den Wald, ich traf dort drei Personen - aber mit keiner schlimmen Absicht. Auch verlautete kein Wort, das irgendein Mensch Verrat nennen könnte.«

»Wer waren die Männer, die zu sprechen Ihr ausrittet?« fragte der König, den jungen Edelmann finster anblickend.

»Ihr müßt mir verzeihen, Sire«, versetzte Hugh, »wenn ich ihre Namen nicht nenne. Meine Ankläger, wenn sie mich eines Verbrechens bezichtigen, müssen dartun, daß ich desselben schuldig geworden bin. Nun ist der Beweis hierfür auch nicht einmal versucht worden. Alles, was sie behaupten, ist, daß ich mit einem Mönch gesprochen, daß ich mit einem Mönch ausgeritten und daß man mich mit drei Unbekannten im Sherwood im Gespräch gesehen habe. Wenn dies als Verrat gelten soll, so schütze Gott die Unschuldigen.«

»Aber, mein guter Lord«, sagte Mortimer, den der König auffordernd ansah. »Es ist erwiesen, daß dieser Mönch, der Euch mitnahm, selbst ein offenkundiger Verräter ist, und Ihr müßt beweisen, daß die andern es nicht auch waren, sonst bleibt auf Euch die Anschuldigung liegen, daß Ihr mit des Königs Feinden verkehrt.«

»Was ein hohes Verbrechen ist, mein Lord«, fügte Heinrich drohend bei.

Hugh de Monthermer schaute einen Augenblick nachdenklich zu Boden; denn er sah sich in eine viel schwierigere und gefährlichere Lage versetzt, als er erwartet hatte. Endlich aber blickte er auf und sagte: »Mein gnädiger Herr und König, ich stehe hier vor Eurem Angesicht ohne Freunde und Ratgeber. Ohne Vorbedacht und Vorbereitungen bin ich gekommen, um auf eine von meinen Feinden schlau angelegte Anklage zu antworten. Ich bitte Euch, gebt mir vierundzwanzig Stunden, um recht zu erwägen, wie ich handeln soll. Ich weiß, daß ich meine Unschuld beweisen kann und jeden Zweifel beseitigen, wenn ich nur Zeit dazu habe.«

»Ihr sollt Zeit und auch einen Ratgeber haben«, versetzte der König. »Aber Ihr sollt in Gewahrsam gehalten werden. Mein Lord von Mortimer, verhaftet ihn in unserem Namen. Laßt ihn in sein Zimmer führen, stellt eine starke Wache vor seine Tür und laßt einen seiner Diener zu ihm, damit es ihm freisteht, zu schicken nach welchem Ratgeber er will. Dieser Anwalt mag ihn besuchen. Und da er vierundzwanzig Stunden Zeit begehrt, bringe man ihn morgen um dieselbe Zeit wieder vor uns.«

Der Graf von Mortimer trat einige Schritte vor, um den des Hochverrats angeklagten jungen Ritter zu verhaften. Hugh de Monthermer verbeugte sich und sagte: »Ich ergebe mich willig, mein Lord, setze mein volles Vertrauen in des Königs Gerechtigkeit und erwarte das Ergebnis von morgen ohne Furcht.«

Dann verließ er den König unter dem Geleit Mortimers und ward in das Zimmer geführt, das er seit seiner Ankunft in Nottingham innehatte und neben dem, wie gewöhnlich bei Edelleuten hohen Ranges, ein Schlafgemach und ein Vorzimmer war, vor dessen Eingang ein oder zwei Diener schliefen, um während der Nacht ihren Herrn gegen jeden gefährlichen Besuch zu sichern.

Mortimer hatte unterwegs einigen von des Königs Wachen gewinkt, stellte zwei Soldaten vor die Tür des Vorgemachs und traf Vorkehrungen, daß sie in den gehörigen Fristen regelmäßig abgelöst würden. Dann trat er mit seinem Gefangenen ein, und da sie Thomas Blawket in dem Zimmer trafen, fragte er, ob Monthermer diesen als den ihm gestatteten Diener wählen oder ob er nach einem anderen schicken wolle.




»Ich hätte diesen verlangt, mein Lord, hätte ich ihn nicht hier getroffen«, versetzte Hugh. »Ich danke Euch jedoch für Eure Artigkeit und hoffe, die Zeit wird kommen, wo ich sie erwidern kann.«

»Ich hoffe, Euch bald in Freiheit zu sehen«, erwiderte Mortimer mit einem zweideutigen Lächeln und verließ das Zimmer. Draußen gab er Befehl, noch eine Wache am Fuß der Treppe aufzustellen.

Hugh rief den tüchtigen Yeoman in das innere Zimmer und hieß ihn die Tür verschließen.

»Seid nicht niedergeschlagen, Blawket«, sagte er, da der Mann ihn mit besorgten Blicken ansah. »Dieser Sturm wird bald vorübergehen. Der Verdacht würde schon zerstreut sein, wäre ich nicht gehindert durch einen Umstand, der für Euch eine frohe Nachricht sein wird.«

»Ich weiß, was Ihr sagen wollt, mein Lord«, versetzte Blawket. »Ich habe schon gehört, daß Euer Oheim im Walde lebt. Der Knabe Tangel, der Euch einige Zeit in Hereford diente, sprang eines Tages, als ich durch den Wald ritt, hinter mir auf und erzählte mir alles.«

»Gut denn, Blawket, es ist keine Zeit zu verlieren. Wirf dich in aller Eile auf dein Pferd und reite die östliche Seite des Sherwood entlang, schlage die Straße von Southwell ein, bis du an die Grenzmarke kommst. Dort wende dich in den Wald hinein und blase drei Noten auf deinem Horn. Wer dir dann entgegenkommt, wird dich zu meinem Oheim führen. Sag ihm, ich sei beobachtet worden, und dieser Umstand in Verbindung mit anderen habe einer Anklage des Hochverrats gegen mich einigen Schein der Wahrheit gegeben. Sag ihm, daß ich nicht anzugeben wage, mit wem ich eine Besprechung gehabt, damit nicht der Wald durchsucht und sein Versteck aufgefunden werde. Nach Ablauf von vierundzwanzig Stunden muß ich jedoch sprechen, wenn ich meinen Kopf vor dem Beil retten will. Bitte ihn, sich bis morgen um diese Stunde so viele Meilen wie möglich von Nottingham zu entfernen; denn des Königs Zorn gegen ihn ist noch so heftig wie je. Fort, guter Blawket, fort! Sollte jemand Euch anhalten und fragen, wohin Ihr geht, so sagt, Ihr holt Master Roger More, einen Gelehrten, wohlbewandert in den Gesetzen. Nun verliert keine Zeit!«

»Ich will die Sporen nicht sparen, mein Lord«, versetzte Blawket und ging. Hugh de Monthermer blieb in trüben Betrachtungen zurück, obwohl er sich selbst einzureden suchte, daß ihm keine wirkliche Gefahr drohe.

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