XVII

ETWA zu derselben Zeit stand Prinz Edward in der Mitte seines Zimmers, mit einem leichten Reitanzug bekleidet, aber nur mit seinem Schwert bewaffnet. Er blickte erwartungsvoll auf seinen jungen Gesellschafter Thomas de Clare, der soeben eilig eintrat. »Ja, mein Prinz«, sagte er mit vergnügtem Lächeln, »er gibt uns die Erlaubnis. Im Hof warten schon William de Cantelupe, Ingelby und Thomas de Blundel mit drei oder vier anderen auf Euer Kommen.«

»Ist also auch mein Pferd schon bereit?« fragte der Prinz.

»Die närrischen Reitknechte«, versetzte der junge Edelmann, »hatten den Rotschimmel herausgebracht, behauptend, der Graue sei so dürr und sehe gar nicht wie das Pferd eines Prinzen aus. Aber ich befahl, dennoch den Grauen zu nehmen. Ohne Zweifel ist er jetzt schon gesattelt und gezäumt. - Aber Ihr seid blaß, mein Lord; das Fieber hat Euch geschwächt. Tätet Ihr nicht gut, einen Becher Wein zu trinken, ehe Ihr ausreitet?«

Edward schüttelte den Kopf. »O nein!« sagte er. »Wenn ich meinen Sporn in dieses Pferdes Seite setze, wird mir der Gedanke an die Freiheit mehr Kraft und Mut verleihen als der beste Wein. Indessen gebt mir Euern Arm; es ist vielleicht gut, wenn ich ein wenig schwächer scheine, als ich wirklich bin. - Reitet Ihr mit mir, de Clare?«

»Nein, mein Lord. Und die Wahrheit zu gestehen, ich suchte auch diese Ehre nicht; denn ich könnte Euch nur hinderlich sein und muß hier für meine eigene Sicherheit sorgen.«

Beide stiegen nun langsam die Treppe hinab, an deren Fuß sie eine Anzahl Edelleute versammelt fanden. Die Lanzenreiter, von denen de Clare am Abend zuvor gesprochen hatte, ließen sich nicht blicken, da de Montfort der Meinung war, daß sieben bis acht seiner tüchtigsten Anhänger ausreichen würden, um jeden Fluchtversuch des Prinzen zu verhindern. Edward nickte vertraulich den anwesenden Gentlemen zu und ward mit allen Zeichen der Hochachtung empfangen.

»Guten Morgen, Ingelby«, sagte er. »Guten Morgen, Sir William de Cantelupe. Blundel, es freut mich, auch Euch zu sehen. Ihr seid ja ein Kenner von Pferden, und de Clare hat mir eines gegeben, das, wie er behauptet, ein vortreffliches Streitroß abgeben soll. Was haltet Ihr davon?«

»Nein, ohne Spaß, Gentlemen!« rief de Clare, als er das Lächeln der Edelleute sah. »Das ist ein Roß, das, gut gefüttert und wohl gehalten, große Dienste tun kann.«

»Es scheint ruhig zu sein«, bemerkte der Prinz. »Das ist für mich durchaus wichtig; denn ich bin augenblicklich nicht kräftig genug, ein hart gehendes, feuriges Pferd zu reiten. Aber laßt uns aufsteigen und fortreiten, Gentlemen. Lebt wohl, de Clare! Ich will Euer Pferd nicht zuschanden reiten!«

»Ich wünsche Euer Gnaden einen vergnügten Ritt!« antwortete Thomas de Clare, Edward den Bügel haltend, als dieser aufstieg.

Am Tor des Kastells stand der Graf von Leicester selbst, bereit, dem Prinzen Edward, wie er vorbeiritt, seine Achtung zu bezeigen, und nach wenigen Worten kalter Höflichkeit setzte der Zug seinen Weg fort und ließ bald die Stadt Hereford hinter sich.

»Diese frische, freie Luft stärkt und erheitert mich«, sagte Edward, sich zu einem seiner Begleiter umwendend, nachdem sie etwa eine halbe Meile vor die Stadttore hinausgeritten waren.

»Das freut mich zu hören, mein Lord«, versetzte der angeredete Gentleman. »Ich hoffe, es wird Euch recht gut tun.«

»Wenn ich öfter Erlaubnis zu solchen Ritten bekäme«, fuhr Edward fort, »so würde ich sicher gesund werden. Seht, wie stolz Blundel auf sein Pferd ist! Und doch wollte ich einen silbernen Krug gegen eine Zinnkanne wetten, daß das Pferd Cantelupes oder auch Ingelbys das seinige auf eine Entfernung von einer halben Meile besiegen würde.«

Ingelby, der in der Nähe ritt, lächelte selbstgefällig, und der, zu dem Edward gesprochen hatte, rief aus: »Hört Ihr, was der Prinz sagt, Blundel? Cantelupes Pferd würde das Eurige auf einer halben Meile besiegen!«

»Cantelupe würde nicht einmal den Versuch wagen«, antwortete Blundel. »Sollte ich denken.«

»Doch, doch!« rief Cantelupe. »Dem Prinzen zu Gefallen will ich es gern versuchen. Laßt uns anfangen.«

»Nein, nein«, versetzte Edward. »Warten wir, bis wir auf den Rasen dort auf der Höhe kommen. Dort können wir das Wettrennen arrangieren, und ich will einen goldenen Trinkbecher als Preis aussetzen für das Pferd, das alle übrigen besiegt. Ihr sollt je zwei miteinander reiten, und die Gentlemen, die bei mir zurückbleiben, sollen die Richter bei jedem Lauf sein.«

»Einverstanden, einverstanden!« schrie die ganze Gesellschaft.

»Ich werde den Becher gewinnen!« sagte Blundel überzeugt.

»Ihr gewiß nicht!« brüllte Ingelby mit seiner lauten, heiseren Stimme. »Das Spiel ist jedoch für mich kaum gleich; denn ich bin viel schwerer.«

»Aber Ihr habt ein stärkeres Pferd«, versetzte Edward, während sie langsam die Anhöhe hinanritten. Oben angekommen, befanden sie sich auf einem schönen, trockenen Rasenplatz.




Sobald sie eine offene Bahn vor sich hatten, setzten Blundel und Cantelupe ihre Pferde in einen raschen Schritt und galoppierten drauflos; das Ziel war ein Baum, der in der Entfernung von etwa einer halben Meile einzeln dastand. Cantelupe war leichter als der andre und ritt gut, aber Blundels Pferd war entschieden vorzüglicher, und er war schon über den Baum hinaus, als Cantelupe noch zwei oder drei Pferdelängen zurück war. Der Prinz schien große Freude an der Übung zu haben und ermunterte Männer und Pferde mit Stimme und Hand. Noch zwei weitere Preisbewerber folgten, aber Blundel blieb stets sicherer Sieger. Immer weiter war die Gesellschaft auf dem wilden Rasenboden dahingeritten, da und dort einen Platz zu ihrer lustigen Kurzweil sich wählend.

»Jetzt, Ingelby«, sagte endlich der Prinz, »müßt Ihr es gegen Blundel versuchen. Wenn Ihr auch der Schwerere seid, so habt Ihr doch den Vorteil, daß sein Pferd schon etwas ermüdet ist. Wir wollen Euch auch eine ganze Meile zum Rennen geben, so daß Eures Tieres Stärke mehr in Betracht kommt. Dort, nach jenem Tor, mit der kleinen Dorfkirche dahinter. Wenn Ihr ihn besiegt, will ich den Becher mit Silberstücken füllen. Er ist so stolz auf sein Tier, daß es kaum mit anzusehen ist.«

Blundel klopfte mit selbstgefälligem Lächeln seinem Pferd den gebogenen Hals, und auf das Zeichen ließ er ihm die Zügel schießen. Dahin flogen die zwei besten Pferde der ganzen Gesellschaft und durchrannten die lange Bahn mit ziemlich gleicher Schnelligkeit; anfangs war Blundels Roß voraus, aber nachher gewann Ingelbys stärkeres Tier ihm nahezu den Vorsprung ab. Jedoch erreichte Blundel zuerst das Tor, und Ingelby forderte ihn heraus, sein Glück noch einmal auf dem Rückweg zu versuchen. Diesmal lag Ingelby klar vorn, bis etwa hundert Schritt von dem Prinzen entfernt sein Roß strauchelte und stürzte. Reiter und Roß waren zwar im Augenblick wieder auf den Beinen, aber das Tier war am Knie verletzt und hinkte, als es den Rest der Bahn zurücklegte.

»Ich weiß nicht, wem hier der Preis gehört«, sagte der Prinz, »denn wäre nicht dieser Zufall eingetreten...«

»Er ist mein, nach Recht und Billigkeit!« schrie Blundel.

»Ja, mein Lord, ich denke, er hat ihn gewonnen«, sagten mehrere Stimmen im Kreise.

»Ich habe ihn gewonnen!« wiederholte Blundel, fügte aber lachend hinzu: »Wenn nicht anders Seine Gnaden selbst auf seinem grauen Streitroß einen Wettlauf mit mir bestehen will.«

»Es müßte ein kurzer sein, Blundel«, versetzte Edward, so gelassen er nur konnte. »Aber ich habe nichts dagegen, auf eine Strecke von ein paar hundert Schritten Knochen und Feuer des Tieres zu probieren. Was sagt Ihr zu dem kleinen Baum dort?«

»Mir ist's recht«, antwortete Blundel.

»Drauf denn!« schrie der Prinz und ließ in demselben Augenblick die Zügel schießen, an denen sein Pferd seit der letzten halben Stunde ungeduldig gezerrt hatte. Er setzte dem Tier die Sporen in die Seiten, und wie ein Pfeil vom Bogen schoß das magere, knochige Tier dahin, eine gewaltige Strecke Bodens mit jedem Sprung überfliegend und Blundel und sein gepriesenes Pferd bald weit hinter sich lassend. Mit aller Macht sein Tier spornend, folgte der um den Sieg betrogene Ritter Edwards Fährte. Obgleich die Entfernung bis zu dem Baum gewiß nicht mehr als fünfhundert Schritt betrug, war doch der Prinz volle fünfzig voraus, als er ihn erreichte.

Da Blundel nun sah, daß er vergebens weitere Anstrengungen machen würde, mäßigte er die Schnelligkeit seines Pferdes, aber zu seinem Erstaunen galoppierte der Prinz immer weiter und gewann ihm mit jeder Sekunde einen größeren Vorsprung ab. Als Edward, etwa siebzig bis achtzig Schritt voraus, die ungeheure Schnelligkeit seines Rosses erkannte, kehrte er sich im Sattel um, schwenkte fröhlich seine Hand und rief mit lauter Stimme: »Die höflichsten Empfehlungen meinem Vetter de Montfort! Sagt ihm, er wird bald von mir hören!«

Die Gesellschaft, die langsam folgte, hatte mit angesehen, was vorgegangen war, aber noch nichts begriffen. Ihre Pferde in Galopp setzend, befanden sie sich bald auf der Stelle, wo Blundel sein Pferd angehalten hatte.

»Er ist fort!« schrie Blundel. »Bei St. Johannes, dem Evangelisten, er ist fort!«

»Was sollen wir tun?« rief ein anderer.

»Ihn auf alle Fälle verfolgen!« brüllte Ingelby, der mit seinem lahmenden Pferd erst jetzt herankam, heiser. Nun spornten sie ihre Rösser zur raschesten Eile. Aber es war zu spät. Der ärmlich aussehende Graue, den alle verachtet hatten, zeigte jetzt seine wirkliche Kraft. Jeder Augenblick schien seine Schnelligkeit zu steigern, mit jedem Sprung schien er weiter auszugreifen.


Eine gehörige Strecke weit hatte sich der Prinz nicht nach seinen Verfolgern umgesehen, überzeugt, daß sie weit zurückgebheben sein mußten. Endlich aber, nachdem er wieder eine kleine Anhöhe erreicht hatte, hielt er einen Augenblick sein Pferd an, um es verschnaufen zu lassen, und schaute zurück über den grasbedeckten Boden, den er jetzt bis an den Fluß sich ausdehnen sah. In einer Entfernung von etwa einer Meile erblickte er die acht ihm zur Bewachung mitgegebenen Edelleute. Aber sie folgten nicht mehr seiner Fährte, sondern nahmen ihren Weg in größter Eile nach Hereford zurück; denn sie hatten die Hoffnung aufgegeben, den Flüchtling einzuholen.

»Wo ist mein Lord von Leicester?« fragte Ingelby, sobald sie in den Hof des Kastells einritten.

»Er hält geheime Beratung und ist nicht zu sprechen«, antwortete der Offizier, an den er sich gewandt hatte.

»Aber ich muß mit ihm sprechen«, versetzte Ingelby, sich aus dem Sattel schwingend.

»Ihr könnt nicht«, entgegnete der Offizier finster. »Er ist in lebhafter, vertraulicher Beratung mit dem Grafen von Oxford und Lord Ralph Basset.«

»Und wenn der Teufel bei ihm wäre, ich muß ihn sehen!« rief Ingelby. »Aus dem Wege, Freund, ich nehme die Verantwortung auf mich.« Damit drängte er sich an dem Offizier vorbei und pochte laut an die Tür des Beratungszimmers. Ein Page öffnete, und direkt auf de Montfort zuschreitend, der oben am Tisch saß, flüsterte Ingelby:

»Der Prinz ist entflohen, mein Lord!«

De Montfort wandte sich zornig gegen ihn, schlug mit der geballten Faust auf den Tisch und rief: »Entflohen?«

»Ja, mein Lord, entflohen!« antwortete Ingelby. »Und doch konnte keiner von uns ihn einholen.« Er berichtete nun hastig, wie Edward es angefangen hatte, ihnen zu entkommen.


De Montfort gab kein weiteres Zeichen der Aufregung von sich; nur einen Augenblick war seine gewohnte Kaltblütigkeit überwältigt worden. Nachdem er Ingelbys Bericht angehört hatte, wandte er sich zu dem an der Tür stehenden Pagen: »Sage dem Offizier der Wache, er soll den Thomas de Clare aufsuchen, und wenn er ihn findet, soll er ihn wegen Hochverrats verhaften. Auch muß augenblicklich jemand die Lords von Ashby hierherrufen, wegen wichtiger Staatsangelegenheiten. Schnell, Knabe, fort! - Mein Lord von Oxford, ich muß Euch bitten, sofort nach Pevensey zu reiten, wie wir beschlossen hatten. Aber statt meinem Sohne beizustehen, heißt ihn die Belagerung aufheben und sich sofort mit mir vereinigen, mit aller Mannschaft, die er nur immer aufbringen kann. Er soll den Weg über Winchester und Oxford einschlagen. Wir werden bald genug zu tun bekommen und müssen wach und rüstig sein. Was wollten wir doch eben sagen, Sir Adam de Newfort? - Richtig, wie man die Truppen von ehester herbeiziehen kann.« Damit ging er wieder auf den Gegenstand ein, den sie zuvor besprochen hatten, und es schien, als betrachte er die Flucht des Prinzen als eine Sache von keinem Belang.

Nach etwa einer halben Stunde kehrte der Page zurück, den er mit dem Befehl zur Verhaftung des Thomas de Clare abgeschickt hatte.

»Mein Lord«, sagte der Page, »sie sind nicht zu finden.«

»Sie?« rief der Graf.

»Lord Thomas hat mit allen seinen Dienern das Kastell vor einer Stunde verlassen«, versetzte der Page.

»Das hab' ich mir gedacht!« sagte de Montfort. »Ich hätte sollen klüger sein und keinem von der Brut der Gloucester mein Vertrauen schenken.«

»Aber die Ashbys, Knabe, sprich von den Ashbys!« schrie der Lord Ralph Basset. »Ich will niemals mehr den Propheten machen, wenn sie nicht auch ein falsches Spiel mit uns spielen!«

»Sie sind eine halbe Stunde, nachdem sie das Kastell verlassen, weggeritten auf der Straße nach Worcester, geben die Leute in ihrer Herberge an«, versetzte der Knabe. »Binnen einer Stunde folgten ihnen alle ihre Leute, und ihr Vogt bezahlte die Zeche.«

»Laßt sie ziehen!« rief de Montfort. »Ein widerstrebender Arm läßt sich immer leicht missen bei einer guten Sache. Zudem löscht der größere Verlust den kleineren aus. Ein Edward ist einen ganzen Laden von Ashbys wert!« Nach dieser verächtlichen Bemerkung wandte er sich wieder ihrem Beratungsgegenstand zu.


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