GIFT IM ABENDMAHLSKELCH

Auf ihrer Pilgerfahrt in die Ewige Stadt Rom Zeugin von einem Mord zu werden, hatte Schwester Fidelma am wenigsten erwartet. Er geschah in einer ruhigen, kleinen, in einer Seitenstraße gelegenen Kirche.

Jeder Bürger Roms nahm es als selbstverständlich, dass ein verständiger barbarus bei seinem ersten Besuch von der Größe und dem Ausmaß der Stadt gehörig beeindruckt war. Schwester Fidelma entsprach diesen Vorstellungen. Dabei war sie weder eine Hellenin noch eine Römerin, und der Ausdruck Barbarin war der reinste Hohn, wollte man ihn auf die junge Nonne aus Irland anwenden. Ihr Latein war vollendeter als das der meisten Römer, und ihre Kenntnisse der klassischen Schriftsteller waren umfassender als die vieler Gelehrter. Sie hatte ihre Bildung in den besten Hohen Schulen Irlands erhalten, die in ganz Europa so berühmt waren, dass allein in Durrow die Söhne und Töchter von Königen und Fürsten aus nicht weniger als achtzehn Ländern studierten. In Irland ausgebildet zu werden war eine Auszeichnung, auf die sogar die Sprösslinge der angelsächsischen Könige stolz waren.

Fidelma war nach Rom gekommen, um die Regula coenabialis Cill Dara, die Regel der Abtei der heiligen Brigid von Kildare, dem Heiligen Vater im Lateran-Palast zu überreichen, auf dass er ihr seine Genehmigung und seinen Segen erteile. Seit etlichen Tagen wartete sie nun darauf, von einem Amtsträger des päpstlichen Haushalts empfangen zu werden. Um sich die Zeit zu vertreiben, besuchte sie wie Tausende anderer Pilger, die in die Stadt strömten, die antiken Monumente und Grabmäler.

Von der xenodochia, in der sie untergebracht war, der kleinen Herberge für fremdländische Pilger neben der Kapelle der heiligen Praxedis, lief sie jeden Morgen hügelabwärts zum Lateran-Palast, um zu erfahren, ob man sie heute empfangen würde. Die Tage gingen dahin, ohne dass ihr eine Nachricht zukam, und langsam wurde sie ungehalten. Doch sie fasste sich in Geduld, denn es wimmelte von Menschen aus den verschiedensten Ländern, von manchen hatte sie nicht einmal gewusst, dass es sie gab. Sie alle drängten zum Palast und ersuchten um Audienz. So verließ sie Tag um Tag leicht enttäuscht den päpstlichen Hof und machte sich auf, eine weitere Sehenswürdigkeit zu erkunden.

An diesem Morgen hatte sie sich vorgenommen, die kleine, dem heiligen Hippolytus gewidmete ecclesia aufzusuchen, die nur ein paar Schritte von ihrer Herberge entfernt war. Sie tat es, weil sich dort das Grabmal des Hippolytus befand. Ihr Mentor, Abt Laisran von Durrow, bewunderte die Schriften dieses frühen Kirchenvaters, und sie selbst hatte sich durch den Text seiner Philosophoumena quälen müssen, um mit Laisran über die darin enthaltene Widerlegung der gnostischen Lehren zur Gotteserkenntnis zu debattieren. Sie wusste, dass Laisran es ihr hoch anrechnen würde, wenn sie ihm berichten konnte, am Grabmal des Hippolytus gestanden zu haben.

Während Fidelma sich hinten in der winzigen Kirche, die nicht mehr als zwei oder drei Dutzend Gläubige fasste, einen Platz suchte, wurde eine Messe gefeiert. Es waren nur sechs bis sieben Leute anwesend, die mit gesenktem Kopf dastanden und dem Priester lauschten, der die altehrwürdigen Worte psalmodierte.

Angelegentlich betrachtete sie die Kirchgänger. Die Baudenkmale, die Geräusche, die Menschen Roms – alles war ihr neu und nahm ihre Aufmerksamkeit gefangen. Ein junges Mädchen in der kleinen Schar der Betenden fiel ihr zuerst auf. Sie konnte nur ihr Profil sehen, soweit eine Haube das zuließ, die züchtig ihr wohlgeformtes Haupt verhüllte. Es war ein zartes, fein modelliertes, anziehendes Antlitz, das Fidelma in seiner scheuen Schönheit gefiel. Neben ihr stand ein junger Mann im Habit eines Mönchs. Auch auf sein Gesicht hatte sie keinen freien Blick, gewann aber den Eindruck, dass er gutaussehend war und irgendwie eine Ähnlichkeit mit den Zügen des Mädchens aufwies. Des weiteren war da ein schlanker, wettergebräunter junger Bursche. In seiner seemännischen Ausstaffierung erinnerte sie ihn an die Seeleute in Gallien. Sehr glücklich war er nicht, wie seine finstere Miene verriet. Hinter den dreien stand ein untersetzter Herr, angetan in den reichen Gewändern eines höheren Geistlichen. Fidelma waren genügend Äbte und Bischöfe begegnet, so dass sie ihm durchaus einen solchen Rang zubilligte. In einer anderen Ecke stand ein beleibter, dunkelhäutiger Andächtiger. Er wirkte erregt, war gut gekleidet und vermutlich ein wohlhabender Kaufherr. Hinten im Kirchenschiff bemerkte sie das letzte Mitglied dieser Gläubigenschar, einen jungen Mann im Dienstkleid der custodes von Rom, der Hüter von Gesetz und Ordnung. Er war dunkelhaarig und recht hübsch, hatte aber etwas Hochmütiges an sich, das zu seinem militärischen Beruf passte.

Vorne schwang der Diakon eine kleine Glocke, und der zelebrierende Priester hob den Kelch mit dem Wein. »Dies ist der Kelch meines Blutes!«, intonierte er und wandte sich dem Diakon zu, der die Silberschale mit der geweihten Hostie hochhielt.

Die kleine Gemeinde begab sich zum Altar und stellte sich vor dem Priester auf. Als erster erhielt der hübsche junge Mönch die Hostie, legte sie sich in den Mund, verneigte sich vor dem Priester, der den Kelch in Händen hielt, und empfing dann den Wein. Er ging beiseite, und seine junge Begleiterin trat vor, um das Sakrament zu empfangen.

Noch hatte sich der Mönch nicht ganz der Gemeinde zugewandt, da veränderten sich seine Züge, er begann zu husten und zu würgen, der Mund stand ihm offen, die Zunge hing heraus. Mit einer Hand fuhr er sich an die Kehle, das schmerzverzerrte, gerötete Gesicht lief blau an. Die Augen waren aufgerissen und starrten ins Leere. Laute kamen aus seiner Kehle, die Fidelma an das Quieken eines Schweins erinnerten, das abgestochen wird. Vor den entsetzten Blicken der Versammelten sank der junge Mann zu Boden, strampelte noch einige Augenblicke, schlug um sich und blieb reglos liegen.

Es war totenstill, niemand rührte sich. Dann zerriss ein schriller Schrei der jungen Frau die Luft. Sie warf sich über den Gestürzten, kniete dann neben ihm nieder, weinte und kreischte in einer seltsamen Sprache, die bei ihrem Geschluchze gänzlich unverständlich war.

Da niemand in der Lage schien, sich zu rühren, eilte Fidelma nach vorn. »Lass keinen weder den Wein noch das Brot berühren«, warnte sie den Priester, der den Kelch noch in Händen hielt. »Der Mann ist vergiftet worden.«

Sie spürte mehr, als dass sie es sah, wie sich alle Anwesenden ihr zuwandten und sie teils verwirrt, teils überrascht ansahen.

»Wer gibt dir das Recht, hier Anordnungen zu treffen? Wer bist du, Schwester?«, fuhr sie eine grobe Stimme an. Es war der hochmütige custos, der sich nach vorn drängte.

Mit blitzenden Augen schaute sie den argwöhnischen Ordnungshüter an. »Ich habe hier keine Amtsgewalt, wenn du das meinst. Ich bin eine Fremde in dieser Stadt. Doch in meinem Land bin ich eine dálaigh, Anwältin bei den hohen Gerichten, und die Anzeichen eines schnell wirkenden Gifts erkenne ich auf den ersten Blick.«

»Da haben wir es, du selbst gibst zu, du hast hier nichts zu sagen«, schnauzte der custos, der mit seiner Wichtigtuerei seinen Dienstrang herauskehren wollte. »Ich aber …«

»Die Schwester hat vollkommen recht, custos«, unterbrach ihn eine Stimme, die ruhig und gedämpft, doch gebieterisch klang. Der untersetzte Herr hatte sich eingemischt und brachte damit den jungen Wächter aus der Fassung.

»Ich habe hier Amtsgewalt«, erklärte der geistliche Herr Fidelma. »Ich bin Abt Miseno, und diese ecclesia gehört zu meinem Sprengel.«

Seine weiteren Worte galten dem zelebrierenden Priester und dem Diakon. »Tut, was die Schwester sagt, Pater Cornelius. Stellt Wein und Brot beiseite und achtet darauf, dass sie von niemandem angerührt werden.«

Der Priester folgte der Aufforderung augenblicklich, und auch der Diakon setzte den Hostienteller sorgsam auf dem Altar ab.

Abt Miseno schaute auf das schluchzende Mädchen. »Wer war dieser Mann, meine Tochter?«, erkundigte er sich mitfühlend, beugte sich hinunter und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Sie hob das tränenüberströmte Gesicht. »Ist er …?«

Miseno bückte sich noch tiefer und tastete nach der Halsschlagader des Mannes. Eigentlich erübrigte sich das. Ein einziger Blick auf das verkrampfte, erstarrte Gesicht genügte, um festzustellen, dass dem jungen Mönch nicht mehr zu helfen war. Vielleicht wollte er dem Mädchen mit seiner Geste auch nur die Gewissheit geben, dass das Schicksal unabwendbar war. Der Abt schüttelte den Kopf. »Er ist tot, meine Tochter«, bestätigte er. »Wer war er?«

Das Mädchen weinte hemmungslos und war nicht in der Lage zu antworten.

»Er hieß Docco und stammte aus Pouancé in Gallien«, antwortete für sie der junge Seemann, der mit dem Klosterbruder und dem Mädchen vorn gestanden hatte.

»Und wer bist du?«, fragte Abt Miseno.

»Ich heiße Enodoc. Ich war Doccos Freund und komme auch aus Gallien. Das Mädchen ist Egeria, Doccos Schwester.«

Abt Miseno stand kurz mit gesenktem Kopf da und überlegte. Dann schaute er auf und bat Schwester Fidelma: »Würdest du einen Augenblick mitkommen, Schwester?«

Er ging voran in eine Ecke der Kirche, wo die anderen sie nicht hören konnten. Fidelma folgte ihm gespannt.

»Ich habe in Bobbio studiert, das vor fünfzig Jahren von Columban und seinen irischen Gelehrten gegründet wurde«, eröffnete er ihr mit gedämpfter Stimme. »Dort habe ich viel über dein Land gelernt, auch über euer Rechtssystem und mit welchen Aufgaben eine dálaigh betraut wird. Bist du wirklich auf dem Gebiet bewandert?«

»Ich bin Anwältin und befugt, an den Gerichten meines Landes zu wirken«, erklärte Fidelma schlicht, ohne sich in den Vordergrund zu spielen, und fragte sich, worauf er hinauswollte.

»Dein Latein ist bemerkenswert.«

Fidelma wartete geduldig.

»Ganz offensichtlich wurde dieser Mönch vergiftet«, fuhr Miseno nach kurzem Überlegen fort. »War es ein Missgeschick, oder wurde er absichtlich getötet? Ich denke, wir sind gehalten, das so schnell wie möglich herauszufinden. Wenn sich die Kunde von diesem Vorfall verbreitet, bedarf es keiner großen Phantasie, sich auszumalen, wie er ausgelegt werden würde. Es könnte sogar die Gläubigen abhalten, fürderhin das heilige Sakrament zu empfangen. Ich wäre dir dankbar, Schwester, wenn du mit deinen Kenntnissen den Dingen hier auf den Grund gingest, noch ehe wir der Obrigkeit Meldung erstatten müssen.«

»Das dürfte dem jungen custos wenig gefallen«, meinte Fidelma und wies flüchtig auf den ungeduldig wartenden Wächter. »Er ist gewiss der Ansicht, diese Aufgabe stünde ihm zu.«

»Er hat hier keine Befugnisse. Die habe ich. Entsprichst du meiner Bitte?«

»Ich will gern alle hier befragen, doch kann ich nicht versprechen, ob das zu einem Ergebnis führt«, erwiderte Fidelma.

Der Abt machte eine unglückliche Miene und hob hilflos die Hände. »Der Schuldige muss jemand in der kleinen Schar hier sein. Du bist geübt, dergleichen zu ergründen. Wirst du es versuchen …?«

»Also gut. Nur gehöre ich auch zu der kleinen Schar. Woher willst du wissen, dass ich schuldlos bin?«

Abt Miseno war verblüfft, doch dann überzog ein breites Lächeln sein Gesicht. »Du bist ja erst gegen Ende des Gottesdienstes hereingekommen und hast ganz hinten gestanden. Wie hättest du Gift in Brot oder Wein tun können, während beides vor aller Augen auf dem Altartisch stand?«

»Das stimmt natürlich. Doch wie sieht es mit den anderen aus? Waren alle während der ganzen Messe hier?«

»Doch, ich denke schon.«

»Du selbst auch?«

Der rundliche Abt lächelte gezwungen. »Du darfst mich zu deinen Tatverdächtigen zählen, bis du genügend Erkenntnisse hast, die das Gegenteil bezeugen.«

»Also gut. Zuallererst müssen wir wissen, wie das Gift verabreicht wurde.«

»Ich werde unseren Stadtwächter ermahnen, dir mit Respekt zu begegnen und deinen Anweisungen zu folgen.«

Sie gingen zu der Gruppe hinüber, die beklommen um den toten Gallier herum stand. Seine wehklagende Schwester hielt noch immer die Arme um seinen Kopf geschlungen.

Der Abt räusperte sich. »Ich habe die Ordensschwester gebeten, wegen dieses Todesfalls eine Befragung durchzuführen«, begann er. »Sie ist hervorragend geeignet dafür. Ich vertraue darauf, dass ihr sie alle«, er ließ seinen Blick auf dem hochmütigen Stadtwächter ruhen, »dabei unterstützt. Sie hat meinen Segen und meine kirchliche Vollmacht.«

Alle schwiegen, und manche blickten ratlos zu ihr hin.

Fidelma trat vor. »Ich möchte, dass ihr euch alle an die Plätze begebt, an denen ihr gestanden habt, bevor das hier geschah.« Teilnahmsvoll lächelte sie dem jungen Mädchen zu. »Du musst das nicht, wenn du es nicht möchtest, doch für deinen Bruder kannst du nichts Besseres tun, als wahrheitsgemäß die Fragen zu beantworten, die ich dir stellen werde.«

Enodoc beugte sich zu ihr herab, um ihr hochzuhelfen und sie sanft vom Leichnam ihres Bruders zu lösen. Dann geleitete er sie an ihren Platz. Zögerlich kamen alle Mitglieder der Gemeinde Fidelmas Aufforderung nach.

Sie ging zum Altartisch, nahm eine Hostie von der Silberplatte und schnüffelte argwöhnisch daran. Vorsichtig untersuchte sie auch die übrigen Bröckchen, doch die schienen ganz in Ordnung. Danach roch sie an dem Kelch mit dem Abendmahlswein, konnte aber den merkwürdigen Geruch nicht recht zuordnen. Er wirkte bitter, und allein schon die Ausdünstung spürte sie in der Kehle, sie hatte Mühe, Luft zu holen, und musste heftig husten.

»Wie ich mir dachte, der Wein ist vergiftet«, ließ sie alle wissen. »Welcher Art das Gift ist, kann ich nicht sagen, doch allein seine Dünste sprechen für sich. Seine unmittelbare Wirkung habt ihr alle erlebt, ich muss euch nicht zur Vorsicht mahnen.«

Sie winkte dem jungen Stadtwächter. »Nimm zwei Schemel und stelle sie« – sie blickte umher und fand eine abgeschirmte Ecke im Kirchlein – »… und stelle sie dort hin. Dann bezieh bitte Posten an der Tür und lass niemand hinein oder heraus, bis ich dich rufe.«

Der junge Krieger wollte schon aufbrausen und schaute zum Abt. Doch der machte nur eine knappe Bewegung mit der Hand, und der Bursche fügte sich.

»Zuerst möchte ich mit dir reden, Diakon«, sagte Fidelma und ging zu den Schemeln. Sie setzten sich, und Fidelma hatte Gelegenheit, den Diakon näher in Augenschein zu nehmen. Er war kaum zwanzig Jahre alt, hatte dunkles Haar und ein unschönes Gesicht. Die Augen standen eng beieinander, darüber wölbten sich buschige Brauen. Er war schlecht rasiert, und die Haut unter den Bartstoppeln schimmerte unangenehm blau.

»Wie heißt du?«

»Tullius.«

»Wie lange versiehst du schon dein Amt hier?«

»Seit sechs Monaten.«

»Als Diakon gehört es zu deinen Obliegenheiten, Wein und Brot für die Segnung bereitzustellen. So ist es doch, nicht wahr?«

»Ja.«

»Hast du das auch heute getan?«

»Ja.«

»Reden wir über den Wein.«

Der Diakon schien verunsichert. »Wie meinst du das?«

»Sprich über den Wein im Kelch. Wo kam der her, wie wurde er eingefüllt, war er zu irgendeinem Zeitpunkt unbeaufsichtigt?«

»Der Wein wird in der Stadt gekauft. Wir haben immer einen Vorrat von einigen Amphoren in den Gewölben unter der ecclesia. Heute früh bin ich nach unten gegangen und habe einen Krug gefüllt. Ich habe gezählt, wie viele Gläubige gekommen waren, und habe die entsprechende Menge Wein in den Kelch gegossen. Das wird immer so gemacht. Mit dem Brot verfahren wir genauso. Wenn Brot und Wein gesegnet sind und die Transsubstantiation erfolgt ist, darf keine der Hostien und erst recht kein Tropfen des Blutes Christi vergeudet werden. Alles muss bis aufs Letzte aufgebraucht werden.«

In den Kirchen Irlands galt das Empfangen von Brot und Wein lediglich als eine symbolische Geste in Erinnerung an Christus. Rom jedoch hatte damit begonnen, die Ansicht zu verfechten, dass bei der Segnung die irdische Materie sich buchstäblich in Fleisch und Blut Christi verwandele. Fidelmas skeptisches Lächeln war nicht als Geringschätzung gegenüber der neuen Lehre zu verstehen, sondern galt mehr der Vorstellung, wie der vergiftete Wein als das leibliche Blut des Heilands begriffen werden könnte. Wer, fragte sie sich, würde es jetzt noch auf sich nehmen, davon zu trinken?

»Du hast also den Wein aus dem Krug in den Kelch gefüllt, nachdem du dich vergewissert hattest, wie viele Leute die Messe besuchen?«

»Ja, so war das.«

»Wo ist der Krug jetzt?«

»In der Sakristei.«

»Gehen wir dort hin. Ich möchte ihn sehen.«

Der Diakon stand auf und führte sie durch eine Tür hinter dem Altar in einen Nebenraum der ecclesia. Dort wurden die Kultgeräte und die Messgewänder des Priesters aufbewahrt. Fidelma schaute sich in der schmalen Kammer um, sie war nicht mehr als sechs Fuß breit und zwölf Fuß lang. Gleich neben der Tür, die sich zum Kirchenschiff öffnete, gab es einen Zugang zu den Steinstufen hinunter in die düstere Krypta. Am anderen Ende der Sakristei befand sich eine dritte Tür mit einem kleinen rautenförmigen Fenster in der Mitte, das einen Blick nach draußen erlaubte. An Wandhaken hingen mehrere Kleidungsstücke, auf Regalen standen Heiligenfiguren und etliche Bücher. Ferner gab es eine Bank mit einigen Brotlaiben und dem Weinkrug. Fidelma beugte sich über den Krug und schnupperte. Nichts von einem ätzenden Geruch. Sie tauchte den Zeigefinger in den Wein, roch und leckte vorsichtig daran. Kein Anzeichen eines bitteren Geschmacks. So viel stand fest, das Gift konnte erst in den Wein gelangt sein, nachdem er in den Kelch gegossen worden war.

»Ist der Kelch, der heute benutzt wurde, der Kelch, der bei jeder Messe benutzt wird?«

Der Diakon nickte.

»Und der Kelch hat hier in der Sakristei gestanden, während du den Wein aus dem Gewölbe geholt hast?«

»Ja. Auf meinem Weg zur Kirche habe ich wie immer das Brot gekauft und da abgelegt, um es in kleine Scheiben zu schneiden. Dann bin ich in die Krypta gestiegen, hab den Wein in den Krug gefüllt und ihn neben den Kelch gestellt. Abt Miseno kam herein und ging, soweit ich mich erinnere, ohne sich aufzuhalten durch die Sakristei in den Kirchenraum zur Gemeinde. Wie ich feststellte, waren nur wenige zum Gottesdienst gekommen, und entsprechend wenig Wein goss ich in den Kelch.«

Fidelma überlegte. »Abt Miseno ist hier zur Kirche durchgegangen, noch bevor du den Wein in den Kelch gegossen hattest?«

»Ja.«

»Und wie du sagst, hast du die Sakristei überhaupt nicht verlassen, nachdem du den Krug mit dem Wein hochgebracht und den Kelch gefüllt hattest?«

»Während ich noch in der Tür stand und überschlug, wie groß die Gemeinde war, erschien Pater Cornelius in der Sakristei. Er ist eigentlich gleich nach dem Abt gekommen.«

»Pater Cornelius ist der Priester, der die Messe zelebrierte?«

»Ja. Er kleidete sich für den Gottesdienst an, und ich habe den Wein in den Kelch gefüllt. Dann bin ich wieder zur Tür gegangen und habe nachgesehen, ob noch mehr Kirchgänger eingetroffen waren.«

»In dem Augenblick standest du aber mit dem Rücken zum Kelch. Er war also nicht ständig in deinem Blickfeld.«

»Aber es war doch sonst niemand in der Sakristei außer …«

»Außer Pater Cornelius?«

Der Diakon biss sich auf die Lippen und nickte mürrisch.

»Lass es mich ganz klarstellen: Pater Cornelius legte die Messgewänder an, und du standest an der Tür und hast beobachtet, wer in die Kirche kam.«

»Ja. Ich erinnere mich, ich habe ihm gesteckt, dass Abt Miseno zum Gottesdienst dageblieben ist.«

»Ihm gesteckt, wieso?«, hakte Fidelma bei dem Wort sofort ein.

»Dem Abt untersteht diese ecclesia wie auch einige andere in der Umgebung. Er und Pater Cornelius sind jedoch … Wie soll ich sagen? … Sie stimmen in ihren Ansichten nicht überein. Abt Miseno ist bemüht, Pater Cornelius aus dieser Kirche zu drängen. Das ist kein Geheimnis.«

»Weißt du, warum?«

»Darüber zu reden kommt mir nicht zu. Richte die Frage lieber an Abt Miseno und Pater Cornelius.«

»Auch gut. Wie ging es weiter?«

»Pater Cornelius war verärgert. Ich glaube sogar, er war ziemlich wütend. Jedenfalls schob er mich zur Seite und ging geradenwegs auf Abt Miseno zu. Sie redeten miteinander, und soweit ich sehen konnte, verlief ihr Gespräch nicht eben freundschaftlich. Die für den Gottesdienst festgelegte Stunde kam heran, und ich läutete die Glocke wie auch sonst immer. Pater Cornelius begab sich zum Altar und begann mit der Messfeier.«

Fidelma beugte sich vor und wiederholte eindringlich: »Du sagst, du hast den Wein in den Kelch gegossen, während Pater Cornelius die Messgewänder anlegte. Dann bist du zur Tür gegangen und hast mit dem Rücken zum Kelch gestanden. War das so?«

»Ja. Ich glaube schon.«

»Du glaubst? Bist du dir nicht sicher?«

»Tja …« Der Diakon zuckte die Achseln. »Beschwören kann ich das nicht. Vielleicht habe ich auch den Kelch gefüllt, als er die Sakristei schon verlassen hatte.«

»Also nicht vorher?«

»Ich bin mir nicht sicher. Der Vorfall hat mich so erschüttert, dass ich ein bisschen durcheinander bin, was den genauen Ablauf der Dinge betrifft.«

»Du bist dir aber sicher, dass nichts im Kelch war, als du den Wein hineingegossen hast?«

»Der Kelch war völlig rein«, sagte der Diakon mit fester Stimme.

»Da war nichts an den Wänden, auch keine klare Flüssigkeit am Boden, die du beim Eingießen möglicherweise übersehen hast?«

»Bestimmt nicht. Der Kelch war rein und trocken.«

»Wie kannst du dessen so sicher sein, wenn du zugibst, du bist verwirrt hinsichtlich anderer Dinge?«

»Jeder Diakon, der mit dem Amt betraut ist, befolgt ein bestimmtes Ritual. Er nimmt ein weißes Leinentuch und wischt damit das Innere des Kelchs gründlich aus. Dann erst wird der Wein eingegossen.«

Fidelma kam so nicht weiter. Man hatte den Wein vergiftet. Er war im Kelch vergiftet worden und nicht vorher. Nach Aussage des Diakons war der Kelch nur in dem Moment nicht in seinem Blickfeld, als Pater Cornelius die Sakristei betrat. Das wäre die einzige Gelegenheit gewesen, Gift in den Kelch zu tun. Doch der Diakon war sich nicht sicher, wann genau er den Wein eingegossen hatte, ob schon bevor der Priester in die Sakristei gekommen war oder erst, als er sie verlassen hatte.

»Was war deine nächste Aufgabe?«

»Die Messe sollte beginnen. Ich nahm die Schale mit dem Brot und trug sie zum Altar. Dann holte ich den Kelch …«

Fidelmas Augen funkelten erregt. »Der Kelch stand also noch hier, während du das Brot auf den Altartisch gestellt hast?«

Der Diakon winkte ab. »Das waren doch nur wenige Sekunden, und ich hatte die Tür zwischen Altar und Sakristei offen gelassen.«

»Dennoch, für kurze Zeit war das Gefäß unbeaufsichtigt. Während dessen hätte jemand durch die Außentür kommen, den Wein vergiften und wieder verschwinden können, ehe du zurück warst.«

»Möglich wäre das gewesen«, gab der Diakon zu. »Aber derjenige hätte verdammt schnell sein müssen.«

»Als Nächstes hast du den Wein zum Altar gebracht, nicht wahr?«

»Ja. Dann begann die Messe. Der Kelch stand während des ganzen Gottesdienstes für jeden sichtbar dort, bis Pater Cornelius ihn segnete und der gallische Mönch vortrat, um die Kommunion zu empfangen.«

»Gut, das genügt erst einmal.«

Fidelma ging voran in den Kirchenraum, wo die kleine Gemeinde sie schweigend erwartete. Sie spürte misstrauische und feindselige Blicke. Sie entließ den Diakon und winkte dem Priester, sich zu ihr zu setzen.

»Du bist Pater Cornelius, nehme ich an?«

»Der bin ich.« Der Priester sah angegriffen und sichtlich niedergeschlagen aus.

»Wie lange bist du hier schon der Gemeindepfarrer?«

»Seit drei Jahren.«

»Hast du eine Vorstellung, wie das Gift in den Wein für das Abendmahl geraten ist?«

»Nein, überhaupt nicht. Für meine Begriffe ist es völlig unmöglich.«

»Unmöglich?«

»Es ist völlig unmöglich, dass es jemand wagt, den Frevel zu begehen, die Eucharistie zu schänden.«

Fidelma atmete tief durch. »Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass es geschehen ist. Wenn einer entschlossen ist, einen Mord zu begehen, dann ist eine kirchenschänderische Handlung eine Geringfügigkeit, verglichen mit dem Verstoß gegen ein von Gott erlassenes Gebot«, bemerkte sie trocken. »Als Tullius, der Diakon, den Wein aus der Sakristei brachte, hat er ihn auf den Altar gestellt?«

»Ja.«

»Er stand also vor aller Augen dort, und niemand näherte sich ihm, bis du den Kelch gesegnet und erhoben hast und dem ersten Kommunikanten das Sakrament ausgeteilt hast?«

»Niemand ist dem Kelch nahe gekommen«, bestätigte der Geistliche.

»Hast du gewusst, wer der erste Kommunikant sein würde?«

Pater Cornelius krauste die Stirn. »Ich bin kein Prophet. Die Gläubigen kommen, um das Sakrament zu empfangen, wie und wann sie wollen. In welcher Reihenfolge sie das tun, ist völlig zufällig.«

»Worin bestehen deine Meinungsverschiedenheiten mit Abt Miseno?«

Der Pater blinzelte verdutzt. »Was meinst du damit?«, fragte er mit einer Stimme, die Unbehagen verriet.

»Mein Latein ist doch wohl verständlich genug«, erwiderte Fidelma seelenruhig.

Pater Cornelius zögerte ein wenig und erklärte dann achselzuckend: »Abt Miseno möchte mein Amt jemand anderem übertragen.«

»Und warum?«

»Ich kann mich mit den Lehren des Augustinus von Hippo nicht einverstanden erklären, dass alles vorherbestimmt ist. Das ist jetzt eine Doktrin unserer Kirche geworden. Ich glaube, Männer und Frauen müssen die grundlegenden Schritte zu ihrem Seelenheil selbst tun, durch eigenes Bemühen. Wenn die Menschen nicht selbst verantwortlich sind für ihre guten oder bösen Taten, dann gibt es doch nichts, das sie daran hindert, sich zügellos der Sünde anheimzugeben. Wenn man so argumentiert, wie Augustinus es getan hat, dass es völlig gleichgültig ist, was wir im Leben tun, weil Gott alles vorherbestimmt hat und bereits entschieden ist, ob unser Lohn Himmel oder Hölle ist, dann gefährdet das doch unser gesamtes moralisches Gesetz. Wegen seiner Meinung nach ketzerischen Ansichten möchte mich der Abt von dieser Kirchenstelle entfernen.«

Es war ein mit Inbrunst vorgebrachtes Bekenntnis. »Würdest du dich als Anhänger des Pelagius bezeichnen?«, fragte Fidelma.«

Pater Cornelius blieb sich treu. »Pelagius hat einen moralischen Grundsatz verkündet. Männer und Frauen haben die Wahl, Gutes zu tun oder Böses. Nichts ist vorherbestimmt. Entscheidend ist, wie wir unser Leben gestalten, nur das entscheidet, ob unser Lohn Himmel oder Hölle ist.«

»Doch Papst Innocentius hat Pelagius zum Ketzer erklärt«, warf Fidelma ein.

»Und der nächste Papst Zosimus hat ihn in Schutz genommen.«

»Um später seine Entscheidung zu widerrufen«, meinte Fidelma milde lächelnd. »Doch mir ist das gleich. In den Lehren der Kirche meines Landes hat Pelagius seinen festen Platz, denn er war unseres Blutes und unseres Glaubens. Für uns ist jetzt von Belang, dass sich Abt Miseno auf die Lehren des Augustinus von Hippo beruft. Das hast du doch gesagt, nicht wahr?«

»Ja. Und er will mir diese Stelle hier entziehen, weil ich nicht so denke wie er.«

»Hat der Abt die Befugnis, als Pfarrer dieser Kirche einzusetzen, wen er für geeignet hält?«

»Ja, die hat er.«

»Vermutlich hat er auch die Befugnis, dich ohne Begründung zu entlassen?«

»Nicht ohne triftigen Grund. Er muss seine Entscheidung dem Bischof gegenüber rechtfertigen.«

»Ah ja, so ist das hier. In Rom stehen die Bischöfe über den Äbten. In Irland ist das anders. Ist das Bekenntnis zu Pelagius, der als Ketzer gilt – ob zu Recht oder nicht, sei dahingestellt –, Grund genug, dir die Gemeinde hier zu entziehen?«

»Ich predige weder die Lehren des Pelagius noch die des Augustinus. Beide beschäftigen lediglich mein Gewissen. Den Pflichten, die ich meiner Gemeinde gegenüber habe, bin ich stets nachgekommen, niemand hat meine seelsorgerischen Bemühungen beanstandet.«

»Du hast also dem Abt keinen Anlass geboten, dich zu entlassen?

»Nein, keinen.«

»Dennoch drängt Abt Miseno darauf, dass du dein Amt hier aufgibst?«

»Ja, so ist es.«

»Und du widersetzt dich dem?«

»Das tue ich, ja.«

»Hast du den Gallier gekannt, der gestorben ist?«

Wieder wunderte sich Cornelius über den raschen Wechsel ihrer Fragestellungen.

»Ich habe ihn hier mehrere Male gesehen.«

»Mehrere Male?«

»Ihn und seine Schwester. Ich nehme an, sie sind Pilger und haben Unterkunft in der xenodochia ganz in der Nähe gefunden. Sie haben hier jeden Tag die Messe besucht.«

»Und der andere Gallier, der sich so hingebungsvoll um das Mädchen bemüht?«

»Den habe ich gestern zum ersten Mal gesehen. Wahrscheinlich ist er eben erst in Rom eingetroffen.«

»Hm.«

»Schwester, ich stehe vor einem mir unbegreiflichen Rätsel. Warum sollte jemand den Wein vergiftet haben? Das hätte doch den Tod aller heute in der Kirche zum Abendmahl Versammelten nach sich ziehen können?«

Fidelma sah ihn nachdenklich an. »Glaubst du, es war beabsichtigt, dass alle, die am Abendmahl teilnahmen, von dem Wein tranken?«

»Was denn sonst? Es war damit zu rechnen, dass jeder Besucher der Messe herantreten und Brot und Wein empfangen würde, wie es der Brauch ist.«

»Aber dazu ist es nicht gekommen. Das Gift war derart beschaffen, dass mit Sicherheit nur der Erste, der davon trank, sterben würde, und sein Tod würde allen anderen eine Warnung sein, nicht davon zu trinken. Und genau das ist geschehen.«

»Wenn der Wein nur für den Gallier bestimmt war, wie konnte derjenige, der den Wein vergiftet hat, wissen, dass er als Erster vortreten und das Abendmahl empfangen würde?«

»Gut geschlussfolgert. Wenn der Gallier hier zum Gottesdienst kam, hat er da jedes Mal die Kommunion erhalten?«

»Ja.«

»Hat er immer am selben Fleck in der Kirche gestanden?«

»Ich glaube, ja, das war so.«

»Wann ist er jeweils vorgetreten, um Wein und Brot zu empfangen?«

Cornelius zog die Augenbrauen hoch und überlegte. »Er war stets der Erste. Nach ihm kam seine Schwester. Sie standen immer an derselben Stelle vor dem Altar.«

»Hmhm. Eins noch, bist du durch die Sakristei in die Kirche gegangen?«

»Ja.«

»War Diakon Tullius schon vor dir da?«

»Ja. Er stand an der Tür und verschaffte sich den Überblick, wie viele Gläubige kamen.«

»Hatte er den Wein bereits in den Kelch gegossen?«

»Das weiß ich nicht«, gestand Pater Cornelius. »Tullius machte mich darauf aufmerksam, dass Miseno in der Kirche geblieben war, und ich bin sofort auf ihn zugegangen. Ich glaube, als ich die Sakristei verließ, hatte Tullius den Krug in der Hand.«

Nachdenklich rieb sich Fidelma das Kinn. »Das wäre erst einmal alles, Pater. Sag bitte Abt Miseno, er möchte zu mir kommen.«

Der Abt kam, lächelte und setzte sich. »Nun, wie steht es? Bist du schon einen Schritt weiter?«

Fidelma überging sein Lächeln und fragte unvermittelt: »Wie ich höre, möchtest du Pater Cornelius aus seinem Amt entfernen?«

Abt Miseno verzog das Gesicht und musste erst mit sich selbst zu Rate gehen. »Ich hätte die Befugnis dazu. Doch was hat das mit dem vorliegenden Fall zu tun?«

Anstatt ihm zu antworten, erkundigte sich Fidelma: »Hat Pater Cornelius bei der Erfüllung seiner Pflichten versagt?«

»Ich bin nicht zufrieden mit ihm.«

»Ah so. Die Gründe, weswegen du ihn seines Amtes entheben willst, haben also nichts mit seinen theologischen Ansichten zu tun?«

Der Abt kniff die Augen zusammen. »Du bist eine geschickt vorgehende Ermittlerin, Fidelma von Kildare.«

»Du hast selbst gesagt, du hättest gelernt, wie eine dálaigh, eine Anwältin bei den Gerichten meines Landes, vorgeht. Es ist meine Aufgabe, Fragen zu stellen und aus den Antworten Schlüsse zu ziehen. Deshalb frage ich noch einmal, hat eine mögliche Amtsenthebung von Cornelius etwas mit seinen religiösen Auffassungen zu tun?«

»Ich verhalte mich in solchen Dingen wahrhaftig unvoreingenommen«, erwiderte der Abt. »Cornelius wird dir das natürlich anders darstellen.«

»Welchen Grund hast du also, ihn zu entlassen?«

»Cornelius ist seit drei Jahren hier. Ich glaube nicht, dass er seine kirchlichen Aufgaben mit gebührendem Eifer erfüllt. Es gibt Gerüchte, dass er eine Geliebte hat und dass er sich über mehr als eine Doktrin der Kirche hinwegsetzt. Sein Diakon, eine treue, zuverlässige Seele, hält die Gemeinde trotz des Verhaltens von Pater Cornelius beisammen. Und nun hat Christus Höchstselbst dargetan, dass Cornelius der Priesterschaft unwürdig ist.«

»Wie denn das?«, entfuhr es Fidelma, die Abt Misenos Logik nicht folgen konnte.

»Das Gift im Abendmahlswein bezeugt es.«

»Beschuldigst du Pater Cornelius, der Giftmischer zu sein?« Sie war erstaunt über eine derart unverhohlene Anschuldigung.

»Nein, das nicht. Aber wenn er ein dem Glauben treu ergebener Priester wäre, dann hätte die Transsubstantiation stattgefunden und der Wein wäre nicht länger vergiftet gewesen. Obwohl er Gift enthielt, hätte er sich in Christi Blut verwandelt, denn die Konsekration hätte ihn gereinigt.«

Dieser Gedankengang verwirrte Fidelma vollends. »Dann hätte sich ja tatsächlich ein Wunder ereignet.«

Abt Miseno war verstimmt. »Ist nicht die Transsubstantiation ein Wunder, das sich Tag für Tag in allen Kirchen der Christenheit vollzieht?«

»Ich bin kein Theologe. Mich hat man gelehrt, diese Wandlung sei ein symbolischer Vorgang, kein realer.«

»Dann bist du schlecht unterrichtet worden. Brot und Wein wandeln sich wahrhaftig in Blut und Leib Unseres Heilands, wenn sie von einem treu ergebenen Priester reinen Herzens gesegnet werden.«

»Fürwahr, das ist Glaubenssache«, bemerkte Fidelma zurückhaltend. Sie wies auf den fülligen, prächtig gekleideten Mann, der sich abseits hielt. »Sag bitte dem Kirchenbesucher dort, er möchte zu mir kommen.«

Der Abt zögerte. »Weitere Fragen hast du nicht?«

»Im Augenblick nicht.«

Der Abt erhob sich und brummelte ungehalten, weil man ihn so sang- und klanglos verabschiedete. Doch ging er zu dem stattlichen Herrn und wechselte ein paar Worte mit ihm. Der stand auf und begab sich ohne jede Eile zu ihr.

»Ich habe mit dem Vorfall überhaupt nichts zu tun«, tat er ungefragt kund.

»Wirklich nicht?« Fidelma schaute dem Mann ins runde Gesicht. »Dein Name ist …?«

»Talos. Ich bin Kaufmann und seit vielen Jahren Mitglied dieser Gemeinde.«

»Dann bist du genau der Richtige, um meine Fragen zu beantworten«, versicherte ihm Fidelma.

»Wie kommst du darauf?«

»Kennst du Pater Cornelius?«

»Ja. Ich habe den Gottesdienst stets hier besucht, schon lange, bevor er Pfarrer der Gemeinde wurde.«

»Ist er ein guter Priester?«

Der griechische Handelsherr stutzte. »Ich denke, du befragst uns wegen des Gifts im Wein.«

Fidelma lächelte ihn gewinnend an. »Dennoch, tu mir den Gefallen und sag, ist er ein guter Priester?«

»Ja.«

»Weißt du, ob Beschwerden gegen ihn vorliegen? Ob er sich in irgendeiner Weise verhält, wie es sich für sein Amt nicht geziemt?«

Unangenehm berührt schaute Talos auf seine Fußspitzen. Fidelmas Augen blitzten wachsam.

»Mir persönlich ist dergleichen nie aufgefallen.«

»Aber vielleicht sind Gerüchte im Umlauf?«

»Tullius hat mir erzählt, es gäbe Beanstandungen. Von meiner Seite jedenfalls nicht, ich bin der Ansicht, Pater Cornelius ist ein gewissenhafter Priester.«

»Tullius meint, Leute beschweren sich? Hat er auch selbst etwas an Cornelius auszusetzen?«

»Nein, Derartiges habe ich nicht bemerkt. Aber ich denke mal, es ist seine Aufgabe, dem Abt Beschwerden zu hinterbringen, sowie ihm welche zu Ohren kommen. Auch er muss sein Amt gewissenhaft versehen. Er hat schließlich allen Grund dazu.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Tullius ist zum Priester ausgebildet worden, übermorgen soll seine Ordination stattfinden«, erklärte Talos unumwunden. »Er ist hier aufgewachsen und stammt aus kleinen Verhältnissen. Doch er hat es geschafft, sich hochzuarbeiten. Leider haben ihm die Götter der Liebe einen üblen Streich gespielt.«

»Was willst du damit sagen?«

Talos schaute sie belustigt an und lächelte selbstgefällig. »Man kennt sich doch aus im Leben.«

»Du meinst, er zieht den Umgang mit seinem eigenen Geschlecht vor?«

»Genauso ist es.« Voller Missbehagen streifte sein Blick den jungen custos am anderen Ende des Kirchenraums.

Sie ging mit einem Achselzucken darüber hinweg. Im Rechtsverständnis der Brehons gab es keine Gesetze gegen Homosexualität.

»Wird ihm eine eigene Gemeinde zugesprochen, wenn er ordiniert ist?«, fragte sie weiter.

»In solchen Dingen kenne ich mich nicht aus. Ich vermute es aber. Nur kann diese Kirche keine zwei Pfarrer unterhalten. Du siehst selbst, wie klein sie ist, und die Gemeindemitglieder kennen sich fast alle.«

»Vergiss nicht die Gallier, die sind Fremde.«

»Stimmt. Der tote Mönch und seine Schwester wohnten in einer Herberge schräg gegenüber, sie haben die ganze Woche über den Gottesdienst regelmäßig besucht. Der andere Gallier war bisher nur einmal hier. Die einzig völlig Fremde bei der Messe heute warst du.«

»Das Gespräch mit dir war sehr aufschlussreich, Talos. Würdest du Enodoc, den Gallier, zu mir bitten?«

Talos stand rasch auf und entledigte sich seiner Aufgabe im Vorübergehen.

Der Gallier war um das Mädchen bemüht. Er hatte sich zu ihr gebeugt und streichelte der im Kummer Versunkenen den Arm. Sie schluchzte nicht mehr und hatte den Kopf erschöpft auf die Brust sinken lassen.

»Über die Stellung der Anwälte nach den Gesetzen der Brehons weiß ich Bescheid«, erklärte der junge Mann als Erstes offenherzig und setzte sich. »Wir in Gallien und ihr in Irland blicken auf gemeinsame Vorfahren zurück und haben eine ähnliche Rechtsauffassung.«

Fidelma ging auf seinen lockeren Ton nicht ein. »Ich möchte etwas über dich erfahren«, forderte sie ihn kühl auf.

»Ich heiße …«

»Wie du heißt, weiß ich. Auch, woher du kommst. Erzähl mir lieber, was dich nach Rom geführt hat.«

Der junge Mann lächelte weiterhin fröhlich und freundlich.

»Ich bin Kapitän eines Handelsschiffs. Wir sind aus dem Hafen der Veneter in Armorica hierhergesegelt. Ich halte mich als Handelsmann in Rom auf.«

»Und Docco, den Mönch, hast du gekannt?«

»Wir stammen aus demselben Dorf.«

»Und mit dem Mädchen Egeria bist du verlobt?«

Enodoc zuckte leicht und runzelte die Stirn. »Was bringt dich dazu, diese Frage zu stellen?«

»So, wie du dich um sie bemühst, benimmt sich nur ein besorgter Liebhaber, kein Fremder und auch nicht ein bloßer Freund.«

»Du bist eine aufmerksame Beobachterin, Schwester.«

»Stimmt es, oder stimmt es nicht?«

»Ich möchte sie heiraten.«

»Und wer hindert dich daran?«

Wieder zog er die Brauen zusammen. »Woraus schließt du, dass mich jemand daran hindert?«

»Aus der Art, wie zurückhaltend du deine Sätze formulierst.«

»Also gut. Es stimmt, ich habe Egeria heiraten wollen. Es stimmt auch, dass Docco, der das Familienoberhaupt ist, nicht wollte, dass sie mich heiratet. Wir sind im selben Dorf aufgewachsen, doch wir sind uns nicht länger freundlich gesinnt.«

»Dennoch bist du hier in Rom und stehst mit Docco und Egeria vor ein und demselben Altar«, merkte Fidelma an.

»Ich habe nicht gewusst, dass die beiden in Rom sind. Zufällig habe ich sie vor ein paar Tagen getroffen, und da habe ich gedacht, bevor ich mein Schiff besteige und nach Gallien zurücksegele, sollte ich das Gespräch mit Docco suchen, vielleicht komme ich diesmal meinem Ziel etwas näher.«

»Und vor allem deshalb bist du hier in der Kirche?«

Enodoc hob die Schultern. »Eigentlich schon. Ich liege ja in der Nähe vor Anker.«

»Entschuldige bitte, aber Ostia, Roms nächstgelegener Hafen, ist ein ziemliches Stück von hier entfernt. Du willst mir doch nicht erzählen, dass du als Kapitän deines Schiffs nach Ostia gekommen bist, dort zufällig gehört hast, Docco und Egeria seien in Rom, und dass du dich daraufhin auf den langen Weg gemacht hast, um sie hier zu treffen?«

»Nein, ganz so war es nicht. Ich hatte in Rom Geschäfte abzuwickeln und ließ mein Schiff in Ostia. Ich musste mit einem Kaufherrn über eine Ladung verhandeln, die ich mitnehmen sollte. Dass ich auf Egeria und Docco durch Zufall gestoßen bin, ist die reine Wahrheit.«

»Ich habe gehört, du bist heute nicht zum ersten Mal in dieser ecclesia

»Das ist richtig, ich war auch schon gestern hier. Ich hatte gänzlich unerwartet Egeria und Docco gesehen und bin ihnen hierher gefolgt.«

»Ein merkwürdiger Zufall.«

»Zufälle ereignen sich häufiger, als wir es wahrhaben wollen. Wir haben gestern gemeinsam am Gottesdienst teilgenommen.«

»Hattest du Erfolg mit deinem Anliegen?«

Enodoc zögerte. »Nein, Docco war gegen meine Heirat mit Egeria wie eh und je.«

»Und doch hattest du es darauf angelegt, den beiden heute wieder zu begegnen.«

»Ich muss heute zurück nach Ostia, da wollte ich noch einmal versuchen, Docco umzustimmen. Ich liebe Egeria.«

»Und liebt sie dich?«

»Das wirst du sie selber fragen müssen.«

»Das habe ich auch vor. Wo hast du sie heute früh getroffen? Bist du mit ihnen zusammen zur Kirche gegangen, oder seid ihr getrennt gekommen?«

»Zuerst hatte ich mit meinem Geschäftspartner zu tun, dann habe ich sie in ihrer Herberge gesucht. Sie waren schon unterwegs zur Kirche, und da bin ich ihnen nachgegangen.«

»Wann bist du hier angekommen?«

»Kurz bevor der Gottesdienst begann.«

»Und du bist geradenwegs hereingekommen und hast dich zu ihnen gesetzt?«

»Ja.«

»Na schön. Bitte Egeria, zu mir zu kommen.«

Recht niedergeschlagen stand Enodoc auf und ging hinüber zu dem Mädchen. Er sprach mit ihr, erhielt aber keine Antwort. Sachte schob er eine Hand unter ihren Arm, zog sie langsam hoch und geleitete sie zu Fidelma. Sie wehrte sich nicht, war aber deutlich benommen.

»Danke«, sagte Fidelma und reichte dem Mädchen die Hand. »Ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist; du hast einen schmerzlichen Verlust erlitten. Und doch muss ich dir ein paar Fragen stellen. Bitte, setz dich.« Sie schaute zu Enodoc hoch. »Du kannst uns jetzt allein lassen.«

Nur ungern kehrte der gallische Seemann in das Kirchenschiff zurück.

Das Mädchen hockte sich auf den Schemel und hielt den Kopf gesenkt.

»Du heißt Egeria, nicht wahr?«

Das Mädchen nickte.

»Ich heiße Fidelma und muss dir ein paar Fragen stellen«, wiederholte sie. »Wir müssen herausbekommen, wer die schreckliche Tat begangen hat.«

Mit tränenverschleierten Augen blickte das Mädchen zu Fidelma auf.

»Docco wird mir dadurch nicht wiedergegeben. Aber ich will dir antworten, so gut ich kann.«

»Du hast deinen Bruder sehr gern gehabt, nehme ich an?«

»Er war mein Ein und Alles. Wir beide waren Waisenkinder.«

»Und er hat dich immer beschützt?«

»Ich bin … war jünger als er, und er hat mich aufgezogen. Unsere Eltern wurden bei einem Raubzug der Franken getötet, und seitdem war er das Oberhaupt der Familie.«

»Weshalb seid ihr nach Rom gereist?«

»Es war eine Pilgerfahrt, die wir uns schon lange vorgenommen hatten.«

»Hast du erwartet, Enodoc hier zu begegnen?«

Das Mädchen schüttelte den Kopf.

»Liebst du Enodoc?«

Egeria schaute sie an, schwieg einige Augenblicke und schüttelte erneut langsam den Kopf.

»Enodoc ist aus unserem Dorf. Als Kinder waren wir gute Freunde. Als Freund gefiel er mir, aber mehr war da nicht. Dann ist er zur See gefahren, wurde Kapitän eines Handelsschiffs. Ich sehe ihn nur sehr selten. Doch wenn, dann meint er jedes Mal, ich gehöre zu ihm.«

»Er beteuert, dich zu lieben.«

»Ich weiß. Er hat es mir des Öftern gesagt.«

»Aber du liebst ihn nicht?«

»Nein.«

»Hast du ihm das auseinandergesetzt? Ihn deutlich darauf hingewiesen?«

»Mehrfach schon. Aber er ist ein sturer Kopf und redet sich ein, nur Docco sei gegen ihn. Docco sei derjenige, der meine Entschlüsse für mich fasst.«

»Du meinst also, er bildet sich ein, Docco sei das Hindernis, das eurer Heirat entgegensteht?«

Das Mädchen nickte, und dabei wurden ihre Augen größer. »Du denkst doch nicht etwa …?«

»Ich stelle nur Fragen, Egeria. Wann bist du Enodoc heute begegnet?«

»Als er zum Gottesdienst kam.«

»Da warst du und dein Bruder bereits in der Kirche, vermute ich?«

Sie bestätigte es nickend.

»Und ihr hattet wie immer in der ersten Reihe Platz genommen?«

»Ja.«

»Hat sich dein Bruder stets ganz vorn hingesetzt?«

Egeria schluchzte und wischte sich eine Träne ab. »Er wollte immer als Erster das Abendmahl empfangen und hat sich daher immer in die Nähe des Priesters gesetzt. Das hatte er sich zur Gewohnheit gemacht, auch zu Hause schon.«

»An welcher Stelle in der Messe hat sich Enodoc zu euch gesellt?«

»Wenige Augenblicke nach Beginn der Andacht. Ich hatte schon gehofft, er hätte sich mit der Situation abgefunden, aber dann kam er doch, atemlos und erregt, als wäre er in großer Eile. Fast glaubte ich, der Priester, Pater Cornelius, würde ihn rügen, denn er hielt im Staffelgebet inne, als sich Enodoc setzte.«

»Warum sollte er ihn rügen? Ich bin selber zu spät gekommen, und Pater Cornelius hat deshalb nicht die Messfeier unterbrochen.«

»Weil Enodoc von hinter dem Altar hereinkam, den Raum vor dem Priester überquerte und sich zu uns begab.«

Das verschlug Fidelma geradezu die Sprache. »Meinst du im Ernst, Enodoc hat die Kirche durch die Sakristei betreten?«

Egeria zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, woher. Jedenfalls ist er durch die Tür da gekommen.« Sie wandte sich um und zeigte auf die Tür zur Sakristei.

Fidelma schwieg eine Weile. »Du kannst auf deinen Platz zurückgehen, Egeria. Bitte schick Enodoc zu mir her. Es wird nicht lange dauern.«

Enodoc gab sich aufgeräumt wie zuvor.

»Mit deinen Auskünften bist du sehr sparsam gewesen«, begann Fidelma das Gespräch.

Der junge Mann runzelte die Stirn. »In welcher Hinsicht?«

»Docco war nicht der Einzige, der deiner Heirat mit Egeria im Wege stand.«

»Wer denn sonst noch?«

»Egeria selbst.«

»Das hat sie dir erzählt?« Er wurde rot.

»Ja.«

»Das meint sie nicht im Ernst. Sie sagt das zwar, aber sie ist nur das Sprachrohr von Docco. Das wird sich jetzt ändern.«

»Glaubst du das wirklich?«

»Sie ist völlig durcheinander. Wenn sie zur Ruhe kommt, wird sie sich auf ihre wahren Gefühle besinnen.« Seine Stimme klang selbstsicher.

»Na, vielleicht. Du hast nicht erwähnt, dass du die ecclesia durch die Sakristei betreten hast.«

»Du hast mich nicht danach gefragt. Ist das so wichtig?«

»Weshalb hast du diesen ungewöhnlichen Weg gewählt?«

»Da steckt nichts Geheimnisvolles dahinter. Ich habe dir gesagt, dass ich morgens einen Kaufherrn aufgesucht hatte. Nachdem ich alles mit ihm besprochen hatte, bin ich in die Kirche geeilt. Ich war noch auf der anderen Seite des Bauwerks, da hörte ich schon die Glocke, die den Beginn der Messe einläutet. Um das ganze Gebäude herumzugehen hätte ziemlich lange gedauert, denn eine Mauer versperrt die Straße und zwingt zu einem gehörigen Umweg. Ich habe den Eingang zur Sakristei gesehen und bin da hinein.«

»Du bist zuvor nur ein einziges Mal in dieser Kirche gewesen. Du musst dich genau umgeschaut und ein gutes Gedächtnis haben.«

»Ein besonders gutes Gedächtnis braucht man eigentlich nicht, wenn man sich an etwas erinnert, was nur einen Tag zurückliegt.«

»Wer war in der Sakristei, als du hineinkamst?«

»Niemand.«

»Und was hast du dort gemacht?«

»Nichts weiter. Ich bin einfach durchgegangen, wollte ja nur in die Kirche.«

»Ist dir in der Sakristei der Kelch aufgefallen?«

Enodoc schüttelte den Kopf, riss aber die Augen auf, als er begriff, worauf die Frage abzielte. Er presste die Lippen zusammen, schwieg einen Moment, und Zornesröte stieg ihm ins gebräunte Gesicht, doch er beherrschte sich.

»Ich bin sicher, dass der Kelch bereits auf dem Altar stand, denn als ich hereinkam, sprach der Priester schon die ersten Gebete.«

Fidelma betrachtete ihn nachdenklich. »Du kannst auf deinen Platz gehen.«

Sie überlegte kurz, was sie bislang erfahren hatte, stand auf und ging hinüber zum Portal, an dem der junge custos Wache hielt. Der empfing sie mit argwöhnischem Blick.

»Wie heißt du?«, lautete ihre erste Frage.

»Terentius.«

»Besuchst du oft die Messe in dieser Kirche?«

»Ich wohne nicht weit von hier, und als Angehöriger der custodes ist es meine Aufgabe, in dieser Gegend darauf zu achten, dass die öffentliche Ordnung nicht gestört wird.«

»Wie lange schon versiehst du diesen Dienst?«

»Zwei Jahre sind das jetzt.«

»Du kennst also Pater Cornelius, seit du hier bist?«

»Ja, natürlich.«

»Was hältst du von ihm?«

Der Stadtwächter gab sich gelassen. »Als Priester hat er seine Fehler. Warum fragst du danach?«

»Und wie steht es mit Tullius? Du kennst ihn doch, nicht wahr?«

Der junge Mann wurde rot. »Tullius ist in dieser Gegend aufgewachsen. Ich kenne ihn ziemlich gut. Er ist sehr gewissenhaft in der Erfüllung seiner Pflichten und wird bald zum Priester geweiht.« Der custos sagte es mit einem gewissen Stolz.

»Wie ich gehört habe, stammt Tullius aus ärmlichen Verhältnissen. Man hat mir auch zu verstehen gegeben, seine Leute ständen nicht im besten Ruf und sie seien der Stadtwache ein Ärgernis.«

»Tullius hat seit langem ein kühles Verhältnis zu seiner Sippe. Abt Miseno ist das wohlbekannt.«

»War die Messe schon im Gange, als du ankamst?«

»Sie hatte gerade begonnen. Ich war der Letzte, der die Kirche betrat … Abgesehen von dir natürlich.«

»Der Seemann aus Gallien … war der auch schon in der Kirche?«

Der Wächter überlegte. »Nein. Er ist gleich nach mir gekommen, aber durch die Sakristei.«

»Du hast das Hauptportal benutzt?«

»Selbstverständlich.«

»Kannst du zeitlich einordnen, wie viel später du nach allen anderen die Kirche betreten hast?«

»Wenige Minuten danach. Als ich die Straße herunterkam, sah ich Abt Miseno draußen. Er war in einem Wortwechsel mit Pater Cornelius. Beide standen vor der Tür zur Sakristei. Der Abt ging als Erster hinein und nach kurzem Verweilen auch Pater Cornelius.«

»Weißt du, worüber sie sich stritten?«

Der junge Soldat schüttelte den Kopf.

»Gut, du bist also in die Kirche hinein. Wie genau war das mit dem Gallier?«

»Der kam nur wenige Augenblicke später. Pater Cornelius hatte gerade mit der Andacht begonnen. Du selbst bist als Letzte hineingehuscht, da war die Messe schon halb vorbei.«

»Danke, das wär’s erst mal.«

Fidelma dachte scharf nach. Langsam schritt sie auf Abt Miseno zu, der sie schon ungeduldig erwartete.

»Wir können uns nicht länger mit der Sache aufhalten, Schwester Fidelma. Ich dachte immer, ihr Anwälte bei den Gerichten der Brehons seid dafür berühmt, den Dingen rasch auf den Grund zu gehen. Wenn du nicht bald beweisen kannst, wer den fremdländischen Mönch getötet hat, ist der gute Ruf zunichte.«

Mit dem Anflug eines Lächelns entgegnete Fidelma: »Hast du mich so rasch mit der Ermittlung beauftragt, weil du den guten Ruf der Brehons auf die Probe stellen wolltest?«

Abt Miseno war nicht zum Spaßen aufgelegt. »Willst du mir etwa unterschieben …?«

Doch Fidelma wehrte mit der Hand ab. »Vertun wir nicht die Zeit mit Spiegelfechtereien. Worüber hast du draußen vor der Sakristei mit Pater Cornelius gestritten?«

Miseno biss fast hörbar die Zähne zusammen. »Ich habe von ihm verlangt, dass er seinen Rücktritt einreicht.«

»Und er hat sich geweigert, stimmt’s?«

»Jawohl.«

»Du bist durch die Sakristei in die Kirche gegangen? Ist Pater Cornelius dir gefolgt?«

»Ja. Er legte seine Messgewänder an und ist aus der Sakristei geradewegs auf mich zugeeilt und wollte unsere Auseinandersetzung fortführen. Ich hatte ihm draußen eröffnet, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun würde, ihn seines Amtes zu entheben. Glücklicherweise läutete da Tullius zum Beginn des Gottesdienstes.«

»Alles in deiner Macht Stehende?«

Miseno kniff die Augen zusammen. »Was soll die Frage?«

»Wie weit wolltest du gehen, um ihn zum Aufgeben zu zwingen?«

»Darauf zu antworten ist unter meiner Würde.«

»Schweigen ist auch eine Antwort. Woran liegt es, dass du gegen Pater Cornelius derart eingenommen bist?«

»Ein Priester, der gegen die Grundlehren der …«

»Cornelius meint, du tadelst ihn, weil dir missfällt, dass er den Lehren des Pelagius zugetan ist. Das sind übrigens viele von uns. Du jedoch behauptest, es seien rein persönliche Dinge, deretwegen er nicht würdig ist, hier als Pfarrer zu wirken.«

»Wieso richtest du dein Augenmerk auf Pater Cornelius?«, wollte Miseno wissen. »Deine Aufgabe ist, herauszufinden, wer den Mönch aus Gallien vergiftet hat. Du solltest nach den Motiven für diesen Mord forschen.«

»Beantworte meine Frage, Abt Miseno. Vor ein paar Jahren hast du Cornelius in dem Amt als Gemeindepfarrer hier bestätigt.«

Miseno zuckte die Achseln. »Vor drei Jahren hielt ich ihn für einen gewissenhaften Priester und für die Aufgabe geeignet. Das will ich durchaus zugeben. Während der letzten Monate sind mir Berichte zugetragen worden, die mich beunruhigen.«

»Woher kommen diese Berichte?«

»Das kann ich dir nicht sagen. Es wäre ein Vertrauensbruch«, erwiderte er ungehalten.

»Stammen diese Berichte alle aus einer einzigen Quelle?«

Der Gesichtsausdruck des Abts genügte, um den Gedanken zu bestätigen.

Fidelma zog die Mundwinkel hoch. »Ich fürchte, du hast sie alle von Tullius, dem Diakon.«

Miseno trat von einem Fuß auf den anderen, sagte aber nichts.

»Auch gut. Da du meine Vermutung nicht zurückweist, fasse ich das als Bejahung auf.«

»Also, meinetwegen. Ich weiß es von Tullius. Als Diakon hat er ohnehin die Pflicht, mir zu melden, wenn etwas nicht in Ordnung war.«

»Und deine Pflicht ist, dich zu vergewissern, ob Mitteilungen, die dir von Tullius zugehen, begründet sind oder nicht«, bemerkte Fidelma. »Hast du das getan?«

Abt Miseno zog eine Braue hoch. »Mich vergewissern?«

»Ich darf doch wohl annehmen, du hast Tullius nicht einfach aufs Wort geglaubt.«

»Warum hätte ich ihm nicht glauben sollen? Tullius wird in Kürze die Priesterweihe empfangen, und das unter meiner Obhut. Er genießt mein volles Vertrauen.«

»Du vertraust blindlings jemandem, der die Ordination anstrebt? Ein Anwärter auf das Priesteramt würde nicht lügen, meinst du?«

»So ist es. Nie und nimmer würde er lügen.«

»Aber ein Priester, der bereits geweiht ist, würde lügen? Deshalb konntest du Cornelius keinen Glauben schenken? Steckt in dieser Betrachtungsweise nicht ein Widerspruch?«

»So habe ich das nicht gemeint«, verteidigte sich Miseno heftig.

»Aber genau so stellt es sich mir dar. Du hältst Tullius für glaubwürdig, Cornelius hingegen nicht.«

»Cornelius befleckt die Würde der Priesterschaft, weil er sich eine Geliebte hält.«

»Talos hat eine Andeutung gemacht, dass Tullius zu männlichen Liebhabern neigt. Du hast durchblicken lassen, dir sei das bekannt. Daraus ergibt sich, dass du nicht nur dem Wort eines Diakons mehr Glauben schenkst als dem Wort eines Priesters, sondern auch, dass du einen Mann verdammst, weil er sich eine Geliebte oder Mätresse hält, während du einen jungen Mann unter deine Fittiche nimmst, von dem es heißt, er habe einen männlichen Liebhaber. Wieso ist der eine in deinen Augen verdammenswert, der andere aber lobenswert?«

Abt Miseno knirschte mit den Zähnen. »Ich bin nicht der Liebhaber von Tullius, falls du mir das unterstellst. Tullius ist mein Schutzbefohlener. Er ist mein Protegé.«

»Ziehst du deine Aussage zurück, dass Tullius einen Liebhaber seines Geschlechts hat?«

»Du hast mit dem jungen custos gesprochen.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

»Gibst du zu, dass du in deinen Entscheidungen nicht vorurteilsfrei bist?«

»Willst du damit sagen, Tullius hat mich belogen? Welche Beweise hast du dafür?«

»Genauso viele wie du dafür hast, dass er die Wahrheit sagt.«

»Warum sollte er mich belügen?«

»Du wirst ihm die Priesterweihen erteilen. Wahrscheinlich schwebt dir vor, dass er Cornelius auf dieser Pfarrstelle ersetzt?«

Die Miene des Abts verriet, dass sie mit ihrer Vermutung recht hatte. »Was hat das mit dem Tod des Galliers zu tun?«

»Alles hat damit zu tun«, versicherte ihm Fidelma.

Sie wandte sich um und forderte die kleine Gemeinde auf, sich vor dem Altar zu versammeln.

»Ich bin nun in der Lage, euch zu erklären, warum Docco, ein Besucher dieses Landes und dieser Stadt, starb«, verkündete sie kühl und sachlich.

Mit erwartungsvollen Gesichtern kamen sie heran und drängten sich um sie.

»Schwester Fidelma!«, rief Egeria. »Wir wissen doch, dass nur einer unter uns meinen Bruder lieber tot als lebendig sehen wollte. Für alle anderen war er ein Fremder.«

Enodoc wurde kreidebleich. »Das ist nicht wahr. Niemals würde ich jemandem etwas zuleide tun …«

»Das glaube ich dir nicht!«, schrie Egeria. »Du allein hattest Grund, ihn zu töten, wer denn sonst!«

»Wie aber, wenn Docco einfach nur deshalb gestorben ist, weil er der Erste war, der das Abendmahl empfangen wollte?«, unterbrach sie Fidelma.

Gespannte Stille griff um sich. »Fahre fort«, drängte sie der Abt in eisigem Tonfall.

»Docco war nicht als Opfer ausgewählt. Jeder von uns hätte das Opfer sein können. Hinter dem Verbrechen stand die Absicht, Pater Cornelius in Verruf zu bringen.«

Abt Misenos Augen funkelten Fidelma böse an. »Diese Anschuldigung musst du uns begründen …«

»Dazu bin ich bereit. Eine Bemerkung, die der Abt machte, brachte mich auf das wirkliche Motiv für diese schreckliche Tat. Er sagte, wäre Pater Cornelius ein der Kirche treu ergebener Priester gewesen, dann hätte das Gift unwirksam werden müssen, weil sich bei der Segnung der Wein in das Blut Christi verwandele. Das Tatmotiv bestand also darin, vorzuführen, dass Pater Cornelius unwürdig sei, das Priesteramt auszuüben.«

Pater Cornelius schaute sie überwältigt an.

Fidelma fuhr fort: »Seit einiger Zeit trug Diakon Tullius dem Abt Geschichten über das Fehlverhalten von Cornelius zu, die dieser mit aller Entschiedenheit zurückweist. Doch Abt Miseno glaubte sie vorbehaltlos. Tullius ist sein Schützling und kann in seinen Augen nichts Unrechtes tun. Außerdem beabsichtigte Miseno, den Diakon zu ordinieren, und als Priester würde er eine eigene ecclesia benötigen. Was bot sich da besser an als diese Kirche … Vorausgesetzt, man hatte Cornelius seines Amts enthoben. Doch Cornelius wehrte sich. Eine Anschuldigung wegen würdelosen Betragens und Fehltritts hätte vor dem zuständigen Bischof begründet werden müssen.«

»Wen klagst du nun an?«, rief Cornelius dazwischen. »Miseno oder Tullius?«

»Keinen von beiden.«

Ihre Erwiderung traf auf verständnislose Blicke.

»Wen dann?«

»Terentius, den Stadtwächter!«

Der junge Bursche trat einen Schritt zurück und zog sein kurzes Amtsschwert. »Das geht nun wirklich zu weit, du Barbarin!«, schrie er wütend. »Ich bin ein Römer. Dir wird hier niemand glauben.«

Tullius’ verzweifelter Ausbruch kam unerwartet. »Was hast du getan, Terentius?«, rief er mit sich überschlagender Fistelstimme. »Ich habe dich mehr geliebt als mein Leben, und du hast alles zunichte gemacht.«

Er rannte auf ihn zu, als wollte er ihn umarmen, verharrte aber plötzlich regungslos. Unversehens war er in das Schwert gelaufen, das der custos abwehrend vor sich hielt. Ein gurgelnder Schrei entrang sich seiner Brust, Blut spritzte aus seinem Mund, und er fiel nach vorn. Enodoc griff zu und entriss dem Wächter das Schwert. Der wehrte sich nicht, stand steif da und starrte auf den Leichnam seines Freundes.

»Nur für dich, Tullius, habe ich das getan!«, jammerte er, sank auf die Knie und griff nach der Hand des Toten. »Für dich, nur für dich!«

Kurze Zeit später saßen Fidelma, Pater Cornelius und Abt Miseno beisammen.

»Ich war mir nicht sicher, ob Tullius und Terentius das gemeinsam geplant hatten oder ob sogar du, Abt Miseno, in den Plan mit einbezogen warst«, sagte sie.

Miseno schaute gequält drein. »Ich mag ja ein Narr sein, Schwester, und falsche Entscheidungen treffen, aber ein Mörder bin ich nicht.«

»Wie bist du dahintergekommen, dass Terentius der Mörder war?«, fragte Pater Cornelius. »Das begreife ich nicht.«

»Da war zunächst das Motiv. Die Vermutung, Docco sei mit Vorbedacht umgebracht worden, ließ sich schnell widerlegen. Dafür gab es zu viele Unwägbarkeiten: Man war von zu vielen Zufällen abhängig und konnte nicht sicher sein, dass der Gallier das erste und beabsichtigte Opfer wurde. Ich musste also nach einem anderen Motiv suchen, und so verborgen war das gar nicht. Ich habe ja erläutert, dass die Auslegung, die Abt Miseno dem Mysterium der Transsubstantiation gab, mir ein Fingerzeig war. Das Motiv bestand darin, dich, Pater Cornelius, in Verruf zu bringen. Wem hätte das genutzt? Offenbar Tullius, dem Diakon.«

»Und dennoch hast du Tullius für unschuldig gehalten.«

»Wäre er daran beteiligt gewesen, hätte er sich ein besseres Alibi zurechtgelegt, denn anfänglich schien es ja, dass nur er die Gelegenheit gehabt hätte, den Wein zu vergiften. Dann erfuhr ich, dass Tullius einen Liebhaber hatte. Da wurde mir klar, das Terentius, der custos, der Täter sein musste.«

»Was hat dich so sicher gemacht?«

»Terentius war der Einzige, der die Gelegenheit hatte, das Gift in den Kelch zu tun. Er sagte mir, er hätte die Kirche durchs Hauptportal betreten, kurz bevor der Seemann aus Gallien durch die Sakristei in die Kirche kam. Zum anderen erzählte er jedoch, er wäre die Straße entlanggekommen und hätte gesehen, wie ihr beide euch draußen auf dem Pfad vor der Sakristei gestritten habt.«

»Stimmt, wir haben uns wirklich gestritten«, bestätigte Miseno.

»Das will ich glauben. Aber die Sakristei, vor der ihr standet, hat ihren Zugang von einem Pfad auf der anderen Seite der Kirche, wie ich von Enodoc erfuhr. Man muss einen ziemlichen Umweg machen, um ans Hauptportal zu gelangen. Für den blieb Enodoc keine Zeit, und deswegen ist er durch die Sakristei in die Kirche gestürmt.«

»Dem kann ich nun gar nicht folgen.«

»Wenn Terentius euch beide beim Wortwechsel gesehen hat, und das war auf dem Pfad vor der Sakristei, dann war er folglich auf der anderen Seite der Kirche. Was hatte er da zu suchen? Warum ist er nicht wie Enodoc durch die Sakristei gegangen, wo doch die Messe gleich beginnen sollte? Schließlich hatte er sich mit Tullius oft genug dort getroffen.

Er hat euch miteinander streiten sehen, hat abgewartet, bis ihr hineingegangen wart, hat durchs Fenster der Sakristeitür beobachtet, was drinnen vorging, und als Tullius das Brot in die Kirche brachte, schlüpfte er hinein, tat das Gift in den Wein und verschwand. Danach eilte er um die Kirche herum, betrat das Gebäude durch das Portal und hatte sich so ein Alibi verschafft.«

»Und er hat die schreckliche Tat aus keinem anderen Grund begangen als dem, Tullius zu helfen, hier Pfarrer zu werden?«, fragte Miseno verwundert.

»Ja. Er hatte gedacht, es wäre unerheblich, wen das Gift tötete, es käme nur darauf an, dass du glaubtest, Cornelius könnte nicht länger Priester sein, weil die Transsubstantiation sich nicht ereignet habe. Das würde sicherstellen, dass die Stelle Tullius zufiel. Der Plan wäre beinahe gelungen. Liebe lässt die Menschen unsinnige Dinge tun, Miseno. Heißt es nicht bei Publilius Syrus: amare et sapere vix deo conceditur? Selbst einem Gott fällt es schwer, jemand zu lieben und dennoch weise zu bleiben.«

Miseno nickte. »Amantes sunt amentes«, stimmte er ihr zu. »Liebende sind von Sinnen.«

Fidelma wiegte betrübt den Kopf. »Es war ein beklagenswerter und unnötiger Tod. Wesentlich aber scheint mir eins, Abt Miseno: Wir sollten daraus lernen, einen symbolisch gemeinten Vorgang nicht als wahre Begebenheit zu deuten.«

»Da gehen unsere theologischen Ansichten wohl auseinander, Fidelma«, seufzte der Abt. »Aber unser Glaube ist weitherzig genug, um auch unterschiedliche Auffassungen miteinander zu vereinen. Wenn das nicht so wäre, würden wir eines Tages des Glaubens verlustig gehen.«

»Sol lucet omnibus«, entgegnete Fidelma leise, wenn auch mit leisem Spott. »Die Sonne scheint für jedermann.«

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