24. Dezember

Es war keine Nacht, in der man irgendwann wissen wollte, wie spät es war. Aber knapp vor vier Uhr früh dürfte er eingeschlafen sein. Katrins Kopf hob und senkte sich gleichmäßig. Zartes Grollen kribbelte in ihrem Ohr. Darüber zog und pfiff es einen ziemlich befreiten Atemweg hinauf und hinunter. Angenehm, dass Max nicht schnarchte. Aber auch das wäre kein Trennungsgrund gewesen. Es gab keinen Trennungsgrund mehr.

Katrin war übrigens soeben dreißig Jahre alt geworden, wenn wer danach fragte. Es war vermutlich ihr erster Geburtstag, an dem sie sich freute, dass er gerade begonnen hatte, und nicht erst froh war, wenn er endlich vorbei war. - »Sich freute« war eine schamlose Untertreibung und eine Geringschätzung ihres seelischen Ausnahmezustandes. Katrin fühlte sich so gut, dass sie einen Weihnachtsbaum ausreißen, mehr noch: einen bereits abgeschnittenen kaufen, mit nach Hause nehmen und mit Lebku- chenengerln hätte schmücken können. Warum eigentlich nicht? Im Glück war kein Klischee verboten.

Ihr Kopfpolster lebte, war hart und behaart und roch nach Max: sein Brustkorb. Man sollte ein Parfüm daraus machen, dachte sie, nicht aus dem Brustkorb, aus dem Geruch. »Max« war ein guter Name für ein Parfüm. Max war überhaupt ein guter Name. Sie liebte ihn. Nein, man durfte kein Parfüm daraus machen. Der Geruch gehörte jetzt ihr allein. Sie hielt ihn umklammert (den Brustkorb) und hatte auf der Unterseite, also hinter seinem Rücken, die Finger beider Hände ineinander verkeilt. Das war eine geeignete Stellung zum Nie-mehr-Los-lassen, wenn auch keine zum Einschlafen. Katrin brauchte keine Stellung zum Einschlafen. Sie musste nicht mehr schlafen. Sie wollte nicht mehr müde werden. Die Nacht war ihr zu wertvoll, um Wachsein und Bewusstsein zu vergeuden.

Um vier Uhr schlug die Wanduhr im Wohnzimmer vier Mal. Das löste eine Kurzserie von ferneren Gedanken aus: Sie hatte endgültig auf Vaters Waidmannsheil-Uhr vergessen. Sie hatte auf die Eltern insgesamt vergessen, vermutlich absichtlich. Waren sie noch böse? Hatten sie Aurelius adoptiert? Sollte sie sie einladen? Warum nicht heute? Warum nicht hierher? - Okay, wegen Max nicht hierher! Und vor allem wegen Kurt nicht hierher! - Kurt? Wo war eigentlich Kurt? Warum ließ er nichts von sich hören? Wohnte er nicht hier? Schlief er nicht hier?

Katrin brauchte etwa zehn Minuten, um ihre Hände von Max loszukriegen. Sie hatte plötzlich den Verdacht ihres Lebens (was Scharfsinn und Kombinationseingebung betraf) und ging ihm auf Zehenspitzen nach. Sie tastete sich die Wände entlang bis in die hintere Ecke des Wohnzimmers, wo das immer lauter werdende Ticken in die griechische Wanduhr überging. Dort drehte sie sich um. Und ihr Blick fiel auf ... Ü-ber-ra-schung! Das musste Max selbst erleben. Katrin war mit sich zufrieden. Innerhalb weniger Stunden hatten sich für sie zwei existentielle Rätsel von selbst gelöst, ein Kuss- und ein Schlafrätsel.


»Katrin, ich muss dir die Sache mit dem Foto erklären«, flüsterte Max irgendwann am Morgen. Es war kein Morgen, an dem man wissen wollte, wann irgendwann war. »Wann geht dein Flug?«, erwiderte Katrin. Das war ihr viel wichtiger. »Wie lange kannst du bleiben?«, fragte Max. Das war ihm viel wichtiger. »Ich habe heute Geburtstag«, erwiderte Katrin. »Wirklich?«, fragte er. »Dreißig«, erwiderte sie rund. »Das gibt's nicht! Das müssen wir feiern«, sagte er. »Was wünschst du dir?« - »Dich«, erwiderte sie. »Nicht lieber etwas, was du noch nicht hast?«, fragte er. Sie lagen jetzt wie Zwiebelringe ineinander. Er war der äußere, sie der innere Zwiebelring.

»Ich habe ein Problem mit dem Küssen«, sagte Max. »Macht nichts«, erwiderte Katrin. »Küssen ist ohnehin langweilig, immer das Gleiche.« - »Mein Flug geht erst, wenn du weggegangen bist«, antwortete er. »Wann gehe ich weg?«, fragte sie. »Wann du willst«, erwiderte er. »Dann nie«, sagte sie. »Dann geht der Flug nie«, erwiderte er. »Heißt das . ?«, fragte sie. »Urlaube sind ohnehin langweilig, immer das Gleiche«, erwiderte Max. Dann schälte sich die innere Zwiebelschale von der äußeren, drehte sich um und schmiegte sich wieder an. Nun klebten sie Innenseite an Innenseite und ließen dabei ein paar Stunden vergehen.


Wenn man verliebt ist, macht man die irrsten Sachen. Man lässt zum Beispiel eine Flugreise auf die Malediven verfallen und kauft stattdessen einen Christbaum.

Es war ihre erste gemeinsame Anschaffung und sie freuten sich wie über ein schnellgeborenes Wunschkind. Kurt wählte. Die Bäume, die er markierte, schieden aus. Eine dänische Fichte blieb übrig. Kurt hatte übrigens wieder zu seiner Grundbefindlichkeit, zum gefestigten Halbschlaf, zurückgefunden. Katrin wusste, warum.

Dieser 24. Dezember war schon immer wieder ein sonderbarer Tag. Menschen, die das ganze Jahr über keinen Mund hatten, lachten plötzlich. Die keine Stimme hatten, wünschten »Frohe Weihnachten«. Die keine Hände hatten, schüttelten einander welche. Die keine Augen hatten, zwinkerten einander gütig zu. Die keine Ohren hatten, zogen sich aus dem nächstbesten Warenhaus-Lautsprecher »Last Christmas« hinein. Die das Haus nie verließen, weil ihnen die Umwelt zu eng und der Gestank zu groß war, standen verklärten Gemütes im dichten Gedränge übervölkerter Festtagsabteilungen, zogen glitschige Kabeljaufilets von muffigen Vitrinen an Land und liebten ihre Nächsten, die genauso taten wie sie.

Max stellte daheim den Baum auf und bewarf ihn mit Lametta. Katrin telefonierte inzwischen. Es waren wichtige, dringliche, geheime Telefonate. Sie schien etwas zu planen. Danach setzten sie sich auf die orangerote Ledercouch. Danach legten sie sich auf die orangerote Ledercouch. Danach kippten sie von der orangeroten Ledercouch auf den Parkettboden. Danach übersiedelten sie ins Bett. Es gab keinen Kuss. Es gab auch keine Nachfrage nach einem Kuss. Max war ein bisschen irritiert. So konnte die Geschichte nicht ausgehen. So kuss- und wortlos leider nicht.

Am Nachmittag waren die SchulmeisterHofmeisters zu Besuch geladen. Das kam für alle Beteiligten überraschend (außer für Kurt). Katrin wollte ihre Eltern spontan für immer glücklich machen. Max hatte Lust auf die Illusion von Schwiegersohn. Er hatte für die Glaubwürdigkeit dieser Rolle einen Birnenweihnachtsgeburtstagskuchen zubereitet und mit dreißig Kerzen ausgestattet. Kurt lag unter seinem Sessel und schlief. Sie nahmen ihn an den Beinen und trugen ihn unter den Weihnachtsbaum. Dort schlief er weiter. Das wirkte feierlich.

Katrins Eltern kamen pünktlich um drei. Hugo Boss junior war diesmal nicht dabei. Vermutlich fehlte ihm das passende Sakko. In Ernestine Schulmeisters Nasenlöchern steckte ein süßsaures Lächeln, als sie sich von Max die Hand überreichen ließ. »Das ist mein neuer Freund«, dolmetschte Katrin. - Das Säuerliche wich nun rasch aus Schulmeisters Nasenlöchern, ihre Tränensäcke vibrierten und ihre Stimmbänder erzitterten ein huldigendes »Goldschatz!« Vermutlich dachte sie an die bevorstehende Neujahrshochzeit und an fünf Enkelkinder, die der »neue Freund« schon so gut wie gezeugt haben musste.

Rudolf Hofmeister steuerte mit einem warmen »So- und-jetzt-reden-wir-beide-einmal-über-Sportautos«- Blick auf Max zu und klopfte eine seiner Schultern weich. »Ich muss mich für das Benehmen meines Hundes vor einigen Tagen bei Ihnen entschuldigen«, sagte Max im bemühten Oxford-Englisch mit deutschen Untertiteln. »Wissen Sie, normalerweise schläft er.« Zum Beweis deutete er auf das regungslose Drahthaarbündel unter dem Christbaum. Herr Hofmeister hielt sich sicherheitshalber die Hand vor die Augen.

Der Kuchen kam gut an. »Die Birnen haben einen sehr ... erfrischenden Geschmack«, meinte Katrins Mutter. »Ich finde, sie schmecken nach gar nichts«, meinte Katrin. »Ein Birnenkuchen soll ja auch nicht nach Birnen, sondern nach Kuchen schmecken, denn wer Obst essen will, der soll Obst essen, der braucht keinen Kuchen dazu«, verriet Max seine Philosophie. Alle gaben ihm Recht. »Der Mann macht Nägel mit Köpfen«, lobte Katrins Vater.

Danach gab es ein paar Geschenke. Der Vater wurde jagduhrenmäßig auf Jänner vertröstet. Max war noch nicht ins Programm aufgenommen worden. Mutter bekam das mittelrosa Nachthemd. »Goldschatz, ich hab doch schon zwei rosa Nachthemden«, sagte sie in Form einer kleinen Fußnote zu ihrer prächtig inszenierten Freude. »Nachthemden kann man gar nicht genug haben«, meinte der Vater.

Katrin bekam von ihren Eltern eine komplette Theaterausrüstung, bestehend aus Theaterhandtasche (umtauschen), Theaterhandschuhen (behalten), Theaterbluse (weiterschenken), Theaterkleid (spenden), Theaterschuhen (umtauschen) und Theater-inder-Josefstadt-Abonnement. Es waren die teuersten Plätze für die zehn besten Vorstellungen des kommenden Jahres. »Soll ich dort alleine hingehen?«, fragte Katrin. »Nein, Goldschatz, Aurelius hat die Plätze neben dir.« Es entstand eine unangenehme Sprechpause. »Vielleicht kann ihm der Herr Max die Karten abkaufen«, schlug der Vater vor. Max nickte.

»Ich will nicht unhöflich sein«, sagte Katrin. - Aber die Eltern mussten gehen, und zwar sofort. Sie flüsterte ihnen den Grund dafür ins Ohr. Max schrieb der Mutter das Rezept für den Birnenkuchen auf. Dafür hätte er von nun an vermutlich Mama zu ihr sagen dürfen. Vater Hofmeister, auch bereits zum Papa gereift, nahm ihn an beiden Schultern, rüttelte ihn kräftig durch und warf ihn einen abschließenden »Aber-das-nächste-Mal-reden-wir-beide-verlässlich- über-Sportautos«-Blick zu.


Zwei Überraschungen fehlten noch. Katrin bat Max, für zehn Minuten die Wohnung zu verlassen. Er durfte nicht fragen, warum. Und er sollte danach auf keinen Fall etwas Besonderes erwarten, hieß es. Kurt schloss sich ihm an, nicht, weil ihm langweilig war, sondern weil er musste. Sie machten das Beste daraus und gingen Gassi.

Als sie zurückkehrten, durfte sich Kurt wieder mit sich beschäftigen. Er durfte sich unter seinen Sessel legen. Es war ein guter Sessel. Er akupunktierte seinen Rücken nicht mit dänischen Fichtennadeln, wenn sie einander berührten.

Max musste im Vorraum die Augen schließen. Nein, das genügte nicht. Er musste sich die Augen mit einem Tuch verbinden lassen. Es gab einen guten Grund, warum er es tat, ohne nach dem Sinn zu fragen: Katrin. Wenn sie es gewünscht hätte, wäre er auch auf allen vieren durch den Esterhazypark gekrochen, ohne nach dem Sinn zu fragen. Katrin war für ihn Sinn genug.

Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn ins Wohnzimmer, wo Mozart sein Konzert vom Vorabend wiederholte, allerdings mit etwas größerer Lautstärke. In der Mitte des Raumes blieben sie stehen. »Was jetzt?«, fragte er. »Küss mich, Max«, sagte sie. »Muss das sein?«, fragte er. Lieber wäre er auf allen vieren durch den Esterhazypark gekrochen. »Ich weiß, dass es dir schwer fällt, aber ich wünsche es mir so sehr«, sagte sie. »Versuch es doch wenigstens.« - »Wozu die Augenbinde?«, fragte er. »Bitte küss mich!«, erwiderte sie. Das klang nach letzten Worten vor dem Verdursten. Er musste es rasch tun.

Er spürte ihre Hände um seine Hüften. Er spürte einen warmen Luftzug von unten. Er beugte sich zu ihr. Er griff nach ihren Wangen, fühlte ihre Lippen an seinen, spürte ihre Zunge in seinem Mund. Sie war zart und wendig und schmeckte nach Birnenkuchen. Birnenkuchen schmeckte nach nichts, das war erfreulich. Und eine schönere Frau hatte er noch nie geküsst und würde er nie wieder küssen. Das war ein zusätzlicher Trost. Er war bis in die Kuppen der beiden kleinsten Zehen in sie verliebt. Das brach seinen letzten Widerstand.

Es war ein langer Kuss, der ein paar Mal abrupt unterbrochen wurde. Zunächst hatte Max eher harmlose Übelkeitsanfälle. Die fette Sissi tauchte sporadisch auf, hielt sich aber zum Glück recht verschwommen im Hintergrund. Sie konnte sich vom schärferen Bild der erwachsenen Lisbeth kaum noch abheben. Dazu zeichnete Max in Gedanken die Fotolippen nach. Dabei schoss ihm die Blamage des Erwischtwordenseins in den Sinn. Warum hatte Katrin noch nicht danach gefragt? Warum wusste sie überhaupt, dass es ihm schwer fiel zu küssen? Warum hatte sie so lange auf den Kuss gewartet? Mit solchen Überlegungen ließ sich kostbare Zeit gewinnen.

Anfangs gab es Phasen, da ihm der Kuss gefiel. Er spürte dabei Katrins Körper, inhalierte ihre Gerüche, erinnerte sich an die letzte Nacht, freute sich auf die nächste und auf die übernächste und auf jede weitere. Irgendwann nahm sie seine Hände von ihrem Hals. Und auch ihr Körper berührte an keinem Punkt mehr seinen. Sie waren nur noch durch den Kuss verbunden, aber auch ihre Zunge begann sich von seiner zu lösen.

Plötzlich schien sich Katrin vollständig von ihm zurückgezogen zu haben. Er spürte und roch sie nicht mehr. Er hörte sie auch nicht, dazu klopfte Mozart zu dominant in die Tasten des Interpreten. Der Kuss hinterließ die Leere des Entzugs und wirkte übel nach. Max hatte Probleme, die Konturen der hämisch grinsenden fetten Sissi zu verwischen. »Katrin?«, fragte er und begann nach ihr zu tasten. »Ich bin bei dir«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Sie musste neben ihm gestanden sein.

Die Lippen, die er nun wieder an seinen spürte, erlösten ihn vom einsetzenden Kindheitstrauma. Katrin küsste jetzt mit vollerem Mund. Ihre Zunge war breiter und raumgreifender. Der Geruch war ein anderer, ein süßlicherer, und der Geschmack - der kam ihm auf seltsame Weise fremd und doch bekannt vor. Katrins Finger waren jetzt dicker und kühler und krochen von seinen Wangen behäbig die Schläfen hinauf, schlüpften unter die Augenbinde und schoben diese langsam zum Kopf Scheitel empor.

Max verspürte ein Gefühl des Unbehagens. Es war nicht die physische Übelkeit, die er kannte, aber es hatte den gleichen Ursprung. Es begleitete ihn zu seinen schlimmsten Albträumen zurück, erinnerte ihn an das ständig wiederkehrende grauenhafte Erlebnis. So nah wie jetzt war er ihm noch nie gekommen. Der Brechreiz war ausgeblieben, zu viele stärkere Eindrücke blockierten sein Gehirn.

Seine Augen waren jetzt frei. Eine schlimme Vorahnung ließ ihn sie noch eine Weile geschlossen halten. Dann öffnete er sie einen Spalt und sah . Das waren keine mandelförmigen Augen. Katrin hatte doch mandelförmige Augen, oder? Sie hatte keine blond gemeschten Haare, kein breites Gesicht, keine gedrungene Nase.

Die Frau war nicht Katrin. Sie war eine andere, eine fremde. Sie drückte ihn fest an sich und küsste gierig und stürmisch. Max war zu geschockt, um sich sofort von ihr abzustoßen. Katrin stand neben ihm. Sie legte ihm ihre Hand auf die Schulter. Und dahinter, die Medizinfrau, das war Paula. Ihre Augen leuchteten. Sie hatte Regie geführt, das wusste Max sofort. Was war das für ein Spiel? Machten sie sich einen Spaß mit ihm? Nein, dazu trugen sie zu ernste Mienen.

Der Kuss ging mit einem Schnalzgeräusch aus ihrem Mund zu Ende. Max war zu verblüfft, um Ekel zu verspüren. Die Frau war nicht fremd. Er hatte sie schon einmal gesehen. Sie hatte ... diese Lippen, die gleichen Lippen. Es waren die Lippen zu dem Foto. Das Foto zu ... Er hatte sie schon einmal geküsst.

»Lisbeth Willinger, sehr erfreut«, sagte sie und wischte sich, wie nach beendeter Mahlzeit, den Mund mit dem Handrücken ab. »Bravo Max«, rief Paula kühl wie die Chefchirurgin nach einem gelungenen Eingriff und klatschte in die Hände. Katrin umarmte ihn. Sie nahm seinen Kopf wie eine Mutter, dessen Kind sich eine schlimme Beule geholt hatte.

»Sehen Sie, er hat's gar nicht gemerkt!«, jubilierte Lisbeth Willinger. »Und damit habe ich mir tatsächlich den Flug verdient?«, fragte sie. »Das finde ich großartig, so etwas ist mir noch nie passiert. Dabei hat es mir Spaß gemacht, ehrlich! Was glauben Sie, wenn das mein Mann erfährt! Wo sind die Malediven? Wie viele Stunden habe ich noch? Wenn Sie wieder einmal jemanden brauchen ...« - Paula brachte sie zur Tür.


Kurt lag unter seinem Sessel und tat so, als würde er schlafen. Es war spät genug, um ans Wachsein zu denken. Er wartete, bis die Lichter ausgingen. Er wartete, bis Max im Bett lag. Er wartete - und das war neu -, bis Max und Katrin im Bett lagen. Er musste - und das war neu - länger warten als sonst. Es war - und das war neu - nicht sofort ruhig im Bett. Aber die Geräusche störten ihn nicht. Sie hinderten ihn nicht zu tun, was zu tun war. Sie würden irgendwann verstummen. Dann hatte er den Rest der Dunkelheit für sich, wie immer.

Er tat es vermutlich, seit es ihn gab. Er hatte die Nächte nicht gezählt, die er durchgemacht hatte, die er »davor« verbracht hatte. Langweilig? Niemals. Einschläfernd? Keinesfalls. Es war eine Spannung, die nicht nachließ. Ein Warten, das stets belohnt wurde, regelmäßig, pünktlich auf die Minute. Wer wollte Kurt erzählen, wie lange eine Stunde dauerte? Niemand auf der Welt konnte besser als er wissen, wann sie sich anschickte zu schlagen.

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