15

Am Vorabend des Triumphzugs ging es im Lager der Erstgeborenen alles andere als ruhig zu. Gaius saß an einem der Lagerfeuer und schärfte einen Dolch, der seinem Vater gehört hatte. Um ihn herum prasselten die Feuer, und die Geräusche der siebentausend Soldaten und der Lagerhuren machten die Dunkelheit lebendig und fröhlich. Sie lagerten im offenen Gelände, weniger als fünf Meilen von den Toren der Stadt entfernt. Die ganze letzte Woche über waren Waffen poliert, Leder gewichst und Risse im Stoff geflickt worden. Die Pferde hatte man gestriegelt, bis sie wie Kastanien glänzten. Übungen in Marschordnung waren zu nervenaufreibenden Angelegenheiten geworden. Fehler wurden nicht hingenommen, und niemand wollte zurückgelassen werden, wenn sie nach Rom marschierten.

Die Männer waren alle stolz auf Marius und sich selbst. Es herrschte keine falsche Bescheidenheit im Lager: Sie wussten, dass er und sie sich diese Ehre verdient hatten.

Als Marcus in den Lichtschein des Feuers trat und sich auf eine Bank setzte, hörte Gaius mit dem Schärfen auf. Er starrte in die Flammen und lächelte nicht.

»Wie sieht’s aus?«, fragte er wütend, ohne den Kopf zu wenden.

»Ich reise morgen früh ab«, antwortete Marcus. Auch er starrte ins Feuer und fuhr fort: »Es ist am besten so. Marius hat einen Brief für mich geschrieben, den ich zu meiner neuen Zenturie mitnehmen soll. Möchtest du ihn mal sehen?«

Gaius nickte, und Marcus reichte ihm eine Schriftrolle hinüber. Er las:

Carac, ich empfehle dir diesen jungen Mann. In ein paar Jahren wird er ein erstklassiger Soldat sein. Er hat eine rasche Auffassungsgabe und ausgezeichnete Reflexe. Er wurde von Renius ausgebildet, der ihn zu deinem Lager begleiten wird. Übertrage ihm Verantwortung, sobald er bewiesen hat, dass er sie tragen kann. Er ist ein Freund meines Hauses. Marius. Primigenia. »Hübsche Worte. Ich wünsche dir viel Glück«, sagte Gaius verbittert, als er zu Ende gelesen hatte und Marcus die Schriftrolle zurückgab.

Der Freund lachte auf. »Das sind mehr als nur hübsche Worte! Dein Onkel hat mir Zugang zu einer anderen Legion verschafft. Du verstehst nicht, was das für mich bedeutet. Natürlich würde ich gerne bei dir bleiben, aber du erlernst jetzt bald im Senat die große Politik und übernimmst dann einen hohen Posten in der Armee oder in den Tempeln. Ich besitze nichts außer meinen Fähigkeiten, meinem Kopf und der Ausrüstung, die mir Marius geschenkt hat. Ohne seine Hilfe hätte ich schon Schwierigkeiten, einen Posten als Tempelwache zu bekommen! Aber so habe ich die Chance, etwas aus mir zu machen. Gönnst du mir das nicht?«

Gaius hob den Blick. Sein wütender Gesichtsausdruck überraschte Marcus.

»Ich weiß, dass du das tun musst. Ich habe nur nicht damit gerechnet, mir Rom allein erobern zu müssen. Ich habe immer gedacht, du bleibst bei mir. Das bedeutet Freundschaft nun einmal.« Marcus packte seinen Arm.

»Du wirst immer mein bester Freund sein. Wenn du mich brauchst, dann rufe, und ich werde kommen. Erinnerst du dich noch an den Pakt, den wir geschlossen haben, ehe wir in die Stadt gekommen sind? Wir passen aufeinander auf, und wir können uns gegenseitig vollkommen vertrauen. Das ist mein Schwur, und ich habe ihn nie gebrochen.«

Gaius sah ihn nicht an, und Marcus nahm seine Hand wieder fort.

»Du kannst Alexandria haben«, versuchte Marcus es mit einer noblen Geste.

Gaius schnappte nach Luft. »Ein Abschiedsgeschenk? Was für ein großzügiger Freund du doch bist! Du bist ihr viel zu hässlich, das hat sie mir gestern erzählt. Sie mag dich nur, weil du einen guten Kontrast bietest. Neben deinem Affengesicht sieht sie noch viel schöner aus.«

Marcus nickte fröhlich. »Mich will sie anscheinend nur als Bettgespielen haben. Vielleicht kannst du ihr ja Gedichte vorlesen, während ich sie mir in allen Stellungen vornehme.«

Gaius zog empört die Luft ein, doch dann legte sich langsam ein Lächeln über sein Gesicht. »Sobald du weg bist, bin ich derjenige, der ihr die Stellungen zeigt.« Er lachte leise bei diesen Worten und verbarg seine Gedanken. Was denn für Stellungen? Ihm fielen nur zwei ein.

»Nach mir wirst du wie ein Ochse wirken, bei all der Übung, die ich hatte. Marius ist ein sehr freigiebiger Mann.«

Gaius blickte seinen Freund an und versuchte einzuschätzen, wie viel von seiner Angeberei tatsächlich nichts weiter als Angeberei war. Er wusste, dass sich Marcus als Liebling der Sklavenmädchen in Marius’ Haus erwiesen und dass man ihn nach Einbruch der Dunkelheit nur selten in seinem eigenen Zimmer angetroffen hatte. Er selbst wusste dagegen nicht, was er fühlte. Manchmal war das Verlangen nach Alexandria so stark, dass es ihn schmerzte; dann wieder wollte er die Mädchen durch die Korridore jagen, so wie es Marcus tat. Er wusste, wenn er sie jemals als Sklavin dazu zwingen würde, würde er alles verlieren, was ihm kostbar war. Der Gedanke, dass Marcus womöglich schon genossen haben könnte, wonach er trachtete, ließ sein Herz vor Ärger schneller schlagen.

Marcus unterbrach seine Gedanken mit leiser Stimme. »Du wirst Freunde brauchen, wenn du älter bist, Männer, denen du vertrauen kannst. Wir haben beide gesehen, welche Macht dein Onkel besitzt, und ich glaube, wir würden wohl beide gerne einmal davon kosten.«

Gaius nickte.

»Was könnte ich dir dann als mittelloser Sohn einer Stadthure nützen? Ich kann mir in meiner neuen Legion einen Namen und mein Glück machen. Erst dann können wir richtige Zukunftspläne schmieden.«

»Ich verstehe. Ich erinnere mich an unseren Schwur, und ich werde mich daran halten.« Gaius schwieg einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf, um die Gedanken an Alexandria daraus zu vertreiben. »Wo wirst du stationiert sein?«

»Ich gehöre zur Vierten Mazedonischen, deshalb reisen Renius und ich nach Griechenland. Die Wiege der Zivilisation, wie es immer heißt. Ich freue mich schon darauf, fremde Länder zu sehen. Ich habe gehört, dass die Frauen dort unbekleidet um die Wette rennen, weißt du. Das heizt die Fantasie an. Und nicht nur die.« Er lachte und Gaius lächelte matt, weil er immer noch an Alexandria dachte. Hatte sie sich ihm hingegeben?

»Ich bin froh, dass Renius dich begleitet. Es wird ihm gut tun, eine Weile von seinen Problemen abgelenkt zu werden.«

Marcus verzog das Gesicht. »Das stimmt, aber er wird nicht gerade der angenehmste Reisegefährte sein. Irgendwie ist er ziemlich schlecht gelaunt, seit er betrunken bei deinem Onkel aufgetaucht ist, aber ich kann auch verstehen, warum.«

»Wenn die Sklaven mein Haus niedergebrannt hätten, wäre ich auch ein bisschen durcheinander. Sogar seine Ersparnisse sind gestohlen worden. Er hatte sie unter dem Fußboden versteckt, sagte er, aber die Plünderer müssen sie gefunden haben. Das war kein sehr strahlendes Kapitel in unserer Geschichte, als die Sklaven einem alten Mann sein Erspartes raubten. Obwohl er ja eigentlich kein richtiger alter Mann mehr ist, oder?«

Marcus sah ihn von der Seite an. Sie hatten nie darüber geredet, aber Gaius schien ohnehin Bescheid zu wissen.

»Cabera?«, fragte Gaius und sah ihm ins Gesicht.

Marcus nickte.

»Das dachte ich mir; mit mir hat er etwas Ähnliches gemacht, als ich verwundet war. Er ist auf jeden Fall ein nützlicher Mann, den man immer um sich haben sollte.«

»Ich bin froh, dass er bei dir bleibt. Er glaubt an deine Zukunft. Er dürfte es wohl schaffen, dich am Leben zu erhalten, bis ich zurückkehre, ruhmbedeckt und von wunderschönen Frauen umgeben, die allesamt Siegerinnen bei Wettläufen waren.«

»Vielleicht erkenne ich dich ja dann unter all dem Ruhm und den Frauen gar nicht wieder.«

»Ich werde noch der Gleiche sein. Ich bedauere es sehr, morgen an dem Triumphzug nicht teilnehmen zu können. Das wird etwas ganz Besonderes. Wusstest du, dass Marius Silbermünzen mit seinem Gesicht drauf hat prägen lassen? Er will sie in die Menge werfen.«

Gaius lachte. »Typisch mein Onkel. Er wird gerne wiedererkannt. Er genießt den Ruhm mehr, als er es genießt, Schlachten zu gewinnen, glaube ich. Er bezahlte die Männer jetzt schon mit diesen Münzen, damit sie sich noch schneller in Rom verbreiten. Zumindest Sulla wird er damit verärgern, und wahrscheinlich will er genau das damit erreichen.«

Cabera und Renius traten aus der Dunkelheit und setzten sich mit auf Marcus’ Bank.

»Da bist du ja!«, sagte Renius. »Ich dachte schon, ich würde dich nicht mehr finden, um dir Lebewohl zu sagen.«

Erneut fiel Gaius die frische Stärke des Mannes auf. Er sah nicht älter aus als vierzig, oder gut erhaltene fünfundvierzig. Gaius ergriff seine ausgestreckte Hand und spürte den Händedruck des Alten, kräftig wie eine Schlagfalle.

»Wir werden uns alle wiedersehen«, sagte Cabera.

Sie sahen ihn an.

Er hielt die Handflächen hoch und lächelte. »Das ist keine Prophezeiung, aber ich habe so ein Gefühl. Unser Pfad ist noch nicht zu Ende.«

»Ich bin froh, dass wenigstens du bleibst. Jetzt, wo Tubruk wieder auf dem Gut ist und die beiden hier nach Griechenland verschwinden, wäre ich in Rom sonst ganz allein«, sagte Gaius und lächelte ein wenig schüchtern.

»Pass auf ihn auf, du alter Schurke«, brummte Renius. »Ich habe mir nicht all die Mühe gemacht, ihn auszubilden, nur um dann zu hören, er sei von einem Pferd getreten worden. Halte ihn von verkommenen Weibern und zu viel Wein fern.« Dann wandte er sich an Gaius und hob den Finger. »Jeden Tag üben. Dein Vater hat sich nie gehen lassen, und das solltest du auch nicht tun, wenn du unserer Stadt nützlich sein willst.«

»Das werde ich. Was hast du vor, nachdem du Marcus abgeliefert hast?«

Renius’ Gesicht verfinsterte sich einen Augenblick.

»Ich weiß es nicht. Mir fehlen die Mittel, um mich zur Ruhe zu setzen, also werden wir sehen ... Es liegt in den Händen der Götter, wie immer.«

Ein paar Sekunden lang machten alle traurige Gesichter. Nichts blieb je so, wie es war.

»Kommt jetzt«, sagte Renius schroff. »Zeit zum Schlafen. In ein paar Stunden wird es hell, und wir haben alle einen langen Tag vor uns.«

Ein letztes Mal reichten sie sich schweigend die Hände und kehrten in ihre Zelte zurück.

Als Gaius am nächsten Morgen erwachte, waren Marcus und Renius schon fort.

Neben ihm lag, ordentlich zusammengefaltet, die Toga virilis, das Gewand des erwachsenen Mannes. Er sah sie lange an und versuchte sich daran zu erinnern, was ihm Tubruk über das richtige Anlegen dieses Kleidungsstücks beigebracht hatte. Die Tunika eines Jungen war viel einfacher anzuziehen, und der tiefe Saum der Toga würde schnell schmutzig werden. Die Botschaft dahinter war einfach und unmissverständlich: Ein Mann kletterte nicht auf Bäume und stapfte nicht durch schlammige Flüsse. Die Tollheiten des Halbwüchsigen musste er jetzt hinter sich lassen.

Bei Tageslicht konnte man sehen, wie sich die großen Zehnmannzelte bis weit in die Ferne erstreckten. Die ordentlichen Reihen zeigten die Disziplin der Männer und ihres Legaten. Marius hatte fast einen ganzen Monat damit zugebracht, eine sechs Meilen lange Route durch die Stadt auszuarbeiten, die vor den Stufen des Senats endete. Aller Unrat war vom Pflaster der Straßen gewaschen worden, doch es war trotzdem eine enge und gewundene Strecke, auf der nur sechs Legionäre oder drei Pferde nebeneinander Platz hatten. Damit ergaben sich fast elfhundert Reihen von Männern, Pferden und Ausrüstung. Nach einem langen Streit mit seinen Pionieren hatte Marius zugestimmt, die Belagerungsmaschinen im Lager zu lassen - man hätte sie einfach nicht um die schmalen Ecken herumbekommen. Schätzungen zufolge würde der Marsch drei Stunden dauern, und das nur, falls es nirgendwo Staus oder sonstige Verzögerungen gab.

Als Gaius gewaschen und angezogen war und etwas gegessen hatte, war die Sonne bereits über den Horizont gestiegen. Die gewaltige, glänzende Menge der Soldaten hatte ihre Positionen eingenommen und war fast abmarschbereit. Gaius hatte die Anweisung erhalten, sich eine vollständige Toga und Sandalen anzuziehen und seine Waffen im Lager zu lassen. Nachdem er so lange das Rüstzeug eines Legionärs mit sich herumgetragen hatte, fühlte er sich so ganz ohne Ausrüstung etwas wehrlos, aber er gehorchte. Marius selbst würde auf einem Thron sitzen, der auf einer offenen flachen Kutsche stand, die von sechs Pferden gezogen wurde. Er wollte eine purpurne Toga tragen, eine Farbe, die nur einem Legaten während eines Triumphzuges zustand. Der Farbstoff war unglaublich teuer, weil er aus seltenen Muscheln gewonnen und destilliert wurde. Diese Toga war ein Kleidungsstück, das man nur ein einziges Mal trug, zudem war Purpur die Farbe der alten Könige von Rom.

Wenn er durch das Tor der Stadt fuhr, würde ein Sklave einen vergoldeten Lorbeerkranz über seinen Kopf recken und ihn dort während der restlichen Fahrt halten. Vier Worte mussten während des Triumphzuges geflüstert werden, die Marius fröhlich ignorieren würde: »Bedenke, du bist sterblich.«

Die Kutsche war von den Pionieren der Legion so gebaut worden, dass sie genau zwischen die Trittsteine der Straßen passte. Die schweren Holzräder waren mit einem Eisenband beschlagen und die Achsen frisch gefettet worden. Der Oberbau war vergoldet und glänzte in der Morgensonne, als wäre er aus massivem Gold.

Als Gaius näher kam, war der Legat gerade dabei, mit ernstem Gesicht seine Truppen zu inspizieren. Er sprach mit vielen seiner Männer, die ihm auch antworteten, dabei jedoch die Augen trotzdem streng geradeaus gerichtet hielten.

Endlich schien der Legat zufrieden zu sein und bestieg die Kutsche.

»Die Bewohner unserer Stadt werden diesen Tag niemals vergessen. Euer Anblick wird die Kinder dazu bringen, der Armee beizutreten, die uns alle beschützt. Auswärtige Botschafter werden uns beobachten und in ihren Beziehungen zu Rom noch vorsichtiger handeln, das Bild unserer Reihen stets im Hinterkopf. Kaufleute werden uns sehen und erkennen, dass es auf der Welt noch etwas anderes gibt als Geldverdienen. Frauen werden uns betrachten und ihre kleinen Männer mit den Besten Roms vergleichen! Seht euer Spiegelbild in ihren Augen, wenn wir vorbeiziehen. Ihr gebt den Menschen heute mehr als Brot und Münzen! Ihr zeigt ihnen, was Ruhm bedeutet!«

Die Männer jubelten bei den letzten Worten, und Gaius merkte, dass auch er einstimmte. Er ging zu der Kutsche mit dem Thron hinüber, und Marius erblickte ihn.

»Wo ist mein Platz, Onkel?«, fragte er.

»Hier oben, mein Junge. Stell dich auf meine rechte Seite, damit alle dich als Liebling meines Hauses kennen lernen.«

Gaius grinste, kletterte hinauf und nahm seine Position ein. Von seinem neuen erhöhten Standpunkt aus konnte er in die Ferne blicken, und ein Schauer der Erwartung durchfuhr ihn. Marius ließ den Arm fallen. Die Trompeten hallten entlang der langen Reihen. Die Legionäre machten ihren ersten Schritt auf der harten Erde.

Zu beiden Seiten des großen, goldenen Gefährts erkannte Gaius Gesichter von ihrem ersten blutigen Ausflug zum Senat wieder. Selbst an diesem Tag der Freude hatte Marius seine handverlesenen Männer um sich geschart. Nur ein Narr würde es riskieren, ein Messer zu werfen, während die Legion auf den Straßen war; sie würden die Stadt in einer grausamen Raserei zerstören. Trotzdem hatte Marius sie gewarnt, dass es immer wieder Narren gäbe, und seine Männer lächelten nicht.

»Einen solchen Tag erleben zu dürfen ist ein kostbares Geschenk der Götter«, verkündete Marius mit tönender Stimme.

Gaius nickte und ließ die Hand auf dem Thron ruhen.

»In der Stadt leben sechshunderttausend Menschen, und keiner von ihnen wird heute seinen Geschäften nachgehen. Schon jetzt fangen sie an, in den Straßen Spaliere zu bilden und sich Plätze an den Fenstern zu kaufen, um uns unterwegs zuzujubeln. Die Straßen sind mit frischen Binsen bestreut, einem Teppich, auf dem wir jeden Schritt der sechs Meilen gehen werden. Nur das Forum wird freigehalten, damit dort die gesamten fünftausend Mann Aufstellung nehmen können. Ich werde Jupiter einen Stier und Minerva einen Eber opfern, und dann, Gaius, werden du und ich, werden wir beide den Senat betreten, wo du deiner ersten Abstimmung beiwohnen wirst.«

»Um was geht es denn bei der Abstimmung?«, erkundigte sich Gaius.

Marius lachte. »Bloß um die Kleinigkeit, dich offiziell in den Rang der Nobilitas und der Erwachsenen aufzunehmen. In Wirklichkeit ist es nur eine Formalität. Das Recht steht dir durch deinen Vater zu, sonst würde auch meine Patenschaft reichen. Denk daran, diese Stadt ist auf Talent gebaut und wird durch Talent weitergeführt. Es gibt die alten Häuser, die Reinblütigen: Sulla selbst entstammt einem solchen Haus. Andere Männer sind dort, weil sie sich selbst an die Macht gebracht haben, so wie ich. Wir respektieren Macht und Stärke und schätzen alles, was gut für die Stadt ist, ungeachtet der Abstammung.«

»Gehören deine Anhänger zu den neuen Männern?«, fragte Gaius.

»Seltsamerweise nein. Die hüten sich oft davor, mit einem der ihren gesehen zu werden. Viele von ihnen unterstützen Sulla, aber von denen, die mir folgen, sind genauso viele von hoher Geburt wie zu den neuen Wölfen gehören. Die Volkstribune machen immer viel Aufhebens darum, dass sie nur nach ihrem Gewissen entscheiden und bei jeder Abstimmung unabhängig stimmen, dabei kann man sich stets darauf verlassen, dass sie für billigeres Getreide oder mehr Rechte für die Sklaven stimmen werden. Wegen ihrem Veto darf man sie nicht ignorieren.« »Könnten sie dann meine Aufnahme verhindern?«

Marius lachte. »Mach nicht so ein besorgtes Gesicht. Sie stimmen bei internen Angelegenheiten nicht mit ab, etwa bei neuen Mitgliedern, sondern nur in der Stadtpolitik. Und selbst wenn sie es täten, würde es viel Mut erfordern, gegen mich zu stimmen, wenn meine Legion mit Tausenden von Männern draußen auf dem Forum steht. Sulla und ich sind Konsuln - die Oberkommandierenden der Militärmacht Roms. Wir führen den Senat, nicht andersherum.« Er lächelte selbstzufrieden und rief nach Wein, worauf ihm ein voller Becher gereicht wurde.

»Was geschieht, wenn du anderer Meinung bist als der Senat oder als Sulla?«, fragte Gaius. Marius prustete in seinen Weinbecher.

»Das passiert ständig. Die Menschen wählen den Senat, damit er Gesetze verabschiedet und durchsetzt und das Imperium weiter ausbaut. Sie wählen auch andere, ranghöhere Ämter: Ädilen, Prätoren und Konsuln. Sulla und ich sind hier, weil das Volk uns gewählt hat; das vergisst der Senat nicht. Wenn wir anderer Meinung sind, kann jeder der Konsuln eine neue Gesetzesinitiative unterdrücken und die Beratung darüber sofort beenden. Sulla oder ich brauchen nur >Veto< - ich verbiete es - zu sagen, sobald die Debatte beginnt, und damit ist die Sache für dieses Jahr erledigt. Wir können uns auf diese Weise auch gegenseitig blockieren, aber das passiert nicht sehr oft.«

»Aber wie kontrolliert der Senat die Konsuln?«, drängte Gaius interessiert weiter.

»Sie könnten gegen mich stimmen, mich theoretisch sogar aus dem Amt entfernen, aber in der Praxis würden meine Anhänger und die von mir Abhängigen eine solche Abstimmung verhindern, deshalb ist ein Konsul für ein Jahr in seiner Macht beinahe unangreifbar.«

»Du hast gesagt, ein Konsul würde nur für ein Jahr gewählt und müsse dann zurücktreten«, sagte Gaius.

»Das Gesetz beugt sich starken Männern, Gaius. Jedes Jahr schreit der Senat laut nach einer Ausnahme und nach meiner Wiederwahl. Ich bin gut für Rom, verstehst du? Das wissen sie nur zu genau.«

Gaius freute sich über die leise Unterhaltung, zumindest so leise, wie es dem Legaten möglich war. Er verstand, warum sein Vater ihn mit Argwohn betrachtet hatte. Marius war wie ein Sommergewitter, man wusste nie, wo er als Nächstes einschlagen würde, im Augenblick jedoch hatte er die Stadt fest in der Hand, und Gaius hatte gemerkt, dass es auch ihn genau dort hinzog: ins Zentrum der Macht.

Schon weit vor den Toren konnten sie Rom toben hören. Das Geräusch war wie das Meer, eine formlose, krachende Welle, die sie verschlang, als sie am Wachtturm der Stadtmauer Halt machten. Die Stadtwachen näherten sich der goldenen Kutsche, und Marius stand auf, um sie zu empfangen. Auch sie glänzten und blitzten, waren dem Anlass entsprechend herausgeputzt und trugen gewichtige Mienen zur Schau.

»Nenne deinen Namen und dein Anliegen«, sagte einer von ihnen.

»Marius, Legat der Erstgeborenen. Ich bin hier. Ich werde im Triumphzug durch die Straßen Roms ziehen.«

Der Mann lief ein wenig rot an, und Marius grinste.

»Du darfst die Stadt betreten«, sagte die Wache, trat beiseite und gab das Zeichen zum Öffnen der Torflügel.

Marius setzte sich wieder und beugte sich zu Gaius hinüber. »Das Protokoll besagt, dass ich um Erlaubnis fragen muss, aber heute ist ein zu schöner Tag, um nett zu Wachen zu sein, die es nicht bis in die Legion geschafft haben. Führt uns hinein!« Er gab ein Zeichen, und wieder erklangen die Trompeten entlang der Kolonne. Die Tore öffneten sich und die Menge gaffte und brüllte vor Begeisterung. Der Lärm brandete über die Legion hinweg, und Marius’ Kutscher musste kräftig mit den Zügeln schnalzen, damit die Pferde sich in Bewegung setzten.

Die Erstgeborenen zogen in Rom ein.

»Wenn du rechtzeitig fertig sein willst, um dir den Triumphzug anzusehen, musst du jetzt aufstehen! Alle sagen, er wird ungewöhnlich prächtig. Dein Vater und deine Mutter sind schon angezogen und bei ihren Dienern, während du hier noch herumliegst und döst!«

Cornelia schlug die Augen auf und räkelte sich. Es war ihr egal, dass die Bettdecke von ihrer goldenen Haut rutschte. Ihre Amme Clodia machte sich an den Vorhängen zu schaffen und zog sie auf, um frische Luft und Sonnenschein hineinzulassen.

»Sieh nur, die Sonne steht schon hoch am Himmel, und du bist noch nicht einmal angezogen. Es ist schamlos, hier noch immer unbekleidet herumzuliegen. Wenn ich jetzt ein Mann oder dein Vater gewesen wäre?«

»Er hätte sich nicht hereingewagt. Er weiß, dass ich kein Nachthemd trage, wenn es so heiß ist.« Immer noch gähnend erhob sich Cornelia aus dem Bett und streckte sich wie eine Katze,

krümmte den Rücken und streckte die Fäuste in die Luft.

Clodia ging zur Schlafzimmertür und legte den Riegel vor, damit niemand hereinkommen konnte.

»Ich vermute, du willst noch kurz ins Bad eintauchen, ehe du dich anziehst«, sagte Clodia, und ihre Zuneigung machte dem Versuch, streng zu klingen, einen Strich durch die Rechnung. Cornelia nickte und tappte hinüber ins Badezimmer. Das dampfende Wasser erinnerte sie daran, dass der restliche Haushalt schon seit Tagesanbruch wach und bei der Arbeit gewesen war. Sie verspürte ein leichtes Schuldgefühl, doch das löste sich in der angenehmen Wärme in Nichts auf, nachdem sie erst ein Bein in die Wanne streckte und dann wohlig seufzend hineinstieg. Es war ein Luxus, den sie genoss, nicht bis zur offiziellen Badestunde später am Tag warten zu müssen. Clodia folgte ihr geschäftig, die Arme voller angewärmter Handtücher. Die Frau war so voller Energie, dass sie keine Sekunde still stand. Ein Fremder hätte weder an ihrer Kleidung noch an ihrem Auftreten merken können, dass sie eine Sklavin war. Selbst die Juwelen, die sie trug, waren echt, und sie konnte ihre Kleider aus einer reichhaltigen Garderobe aussuchen.

»Beeil dich! Trockne dich damit ab und zieh diesesMamillare an.«

Cornelia stöhnte. »Es schnürt zu sehr ein, um es an heißen Tagen anzuziehen.«

»Es wird aber verhindern, dass deine Brüste in ein paar Jahren wie leere Säcke herunterhängen.« Clodia schnaubte. »Dann wirst du froh sein, dass du es getragen hast. Steh auf! Raus aus dem Wasser, du Faulpelz. Am Rand steht ein Glas Wasser, damit du dir den Mund spülen kannst.« Während Cornelia ihren Körper abtrocknete, legte Clodia ihr die Gewänder bereit und öffnete eine Reihe kleiner silberner Kästchen mit Farben und Ölen.

»Zieh das an«, sagte sie und legte eine lange, weiße Tunika über Cornelias ausgestreckte Arme. Das Mädchen schlüpfte hinein, setzte sich an den Tisch und stellte einen bronzenen Spiegel vor sich auf, um sich zu betrachten.

»Ich hätte gerne Locken«, sagte sie wehmütig und hielt eine Strähne ihres Haars zwischen den Fingern. Es hatte einen dunkelgoldenen Ton, war aber glatt, wenn auch sehr dicht.

»Das würde dir nicht stehen, Lia. Und heute haben wir keine Zeit dafür. Ich denke, deine Mutter ist mit ihrer Ornatrix schon fertig und wartet bereits auf uns. Heute kommt es auf einfache, zurückhaltende Schönheit an.«

»Dann nur ein bisschen Ocker auf die Lippen und Wagen, falls du mich nicht wieder mit diesem stinkenden weißen Blei anmalen willst.«

Clodia stieß gereizt die Luft durch die Lippen.

»Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis du deinen Teint verbergen musst. Wie alt bist du jetzt, siebzehn?«

»Du weißt doch, wie alt ich bin. Schließlich hast du dich bei der Geburtstagsfeier ordentlich betrunken«, erwiderte Cornelia mit einem Lächeln und hielt still, während die Farbe aufgetragen wurde.

»Ich war fröhlich, meine Liebe, so wie alle anderen auch. Es ist nichts Falsches daran, wenn man hin und wieder in Maßen trinkt, das habe ich immer schon gesagt.« Clodia nickte vor sich hin, während sie die Farben aufrieb.

»Jetzt noch ein bisschen Antimonpulver um die Augen herum, damit die Männer sie für dunkel und geheimnisvoll halten, dann können wir mit den Haaren anfangen. Nicht anfassen! Denk dran, die Hände schön unten lassen, damit nichts verschmiert.«

Schnell und geschickt scheitelte Clodia das dunkelgoldene Haar und zog es am Hinterkopf zu einem Knoten zusammen, wodurch Cornelias langer, schlanker Hals zum Vorschein kam. Sie musterte das Gesicht im Spiegel und lächelte erfreut über die Wirkung.

»Warum dein Vater immer noch keinen Mann für dich gefunden hat, werde ich nie verstehen. Reizvoll genug bist du auf jeden Fall.« »Er sagte, er würde die Wahl mir überlassen, und ich habe noch niemanden gefunden, der mir gefällt«, erwiderte Cornelia und berührte die Nadeln in ihrem Haar.

Clodia stieß einen verächtlichen Laut aus. »Dein Vater ist ein guter Mann, aber die Tradition ist wichtig. Er sollte einen Mann mit guten Aussichten für dich suchen, damit du einen eigenen Haushalt bekommst, den du führen kannst. Ich glaube sogar, das würde dir gefallen.«

»Wenn es so weit ist, nehme ich dich mit. Du würdest mir sonst fehlen, so wie ... ein Kleid, das ein bisschen alt und aus der Mode ist, aber immer noch gemütlich, verstehst du?«

»Wie schön du deine Zuneigung zu mir in Worte zu kleiden verstehst, meine Liebe«, erwiderte Clodia und gab ihr mit der Hand einen Klaps auf den Hinterkopf, während sie sich umdrehte, um das Gewand aufzunehmen.

Es war ein großes Quadrat aus Goldstoff, das bis zu Clodias Knien herabhing. Um seine volle Wirkung zu entfalten, musste das Gewand sorgsam drapiert werden, aber Clodia hatte viele Jahre Erfahrung und kannte Cornelias Vorlieben, was Schnitt und Stil betraf.

»Es ist wunderschön. Aber schwer«, murrte Cornelia.

»Genau wie die Männer, wie du schon bald feststellen wirst«, antwortete Clodia mit einem Blitzen in den Augen. »Und jetzt lauf zu deinen Eltern. Wir müssen rechtzeitig da sein, wenn wir noch einen guten Platz für den Triumphzug bekommen wollen. Wir gehen in das Haus eines Freundes deines Vaters.«

»Oh, Vater, wenn du das doch noch hättest erleben dürfen«, flüsterte Gaius, als sie in die Straßen eintauchten. Der Weg lag dunkelgrün vor ihnen; jeder Stein war mit Binsen bedeckt worden. Die Menschen trugen ihre besten und buntesten Sachen, eine wogende Menge aus Farben und Geräuschen. Hände wurden ausgestreckt, heiße, neidische Augen beobachteten sie. Sämtliche Läden waren verrammelt worden, so wie Marius es gesagt hatte. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein, um an diesem Festtag den großen Legaten zu sehen. Gaius war überrascht von der Menge der Leute und ihrer Begeisterung. Hatten sie denn schon vergessen, dass sich dieselben Soldaten erst vor vier Wochen mit dem Schwert auf dem Forum Platz verschafft hatten? Marius sagte, sie respektierten nur Stärke, und ihr Jubel, der durch die engen Straßen brandete und hallte, war der Beweis dafür. Gaius schaute nach rechts in ein Fenster hinein und erblickte eine Frau von beachtlicher Schönheit, die ihm Blumen zuwarf. Er fing eine auf, und wieder schrie die Menge jubelnd.

Niemand drängte auf die Straße, obwohl keine Soldaten oder Wachen die Ränder sicherten. Offensichtlich hatten sie ihre Lektion beim letzten Mal gelernt. Es sah aus, als würden sie durch eine unsichtbare Absperrung zurückgehalten. Selbst die hart gesottensten Männer aus Marius’ Leibwache grinsten beim Marschieren.

Marius saß da wie ein Gott. Er hatte seine gewaltigen Hände auf die Armlehnen des goldenen Throns gelegt und lächelte in die Menge. Der Sklave hinter ihm hielt ihm den Kranz aus vergoldetem Lorbeer über das Haupt, der Schatten fiel auf seine Gesichtszüge. Alle Augen folgten ihm auf seinem Weg. Seine Pferde waren für das Schlachtfeld ausgebildet worden und ignorierten die schreienden Menschen, auch dann, als ihnen einige der Wagemutigeren Blumen um die Hälse warfen.

Gaius stand während der Fahrt an der Seite des großen Mannes, und der Stolz, den er verspürte, ließ seine Seele jubilieren. Ob dies seinem Vater gefallen hätte? Die Antwort lautete wahrscheinlich Nein, und Gaius bekümmerte dieser Gedanke ein wenig. Marius hatte Recht: Einen solchen Tag nur miterleben zu dürfen, hieß die Götter zu berühren. Er wusste, er würde ihn nie vergessen, und in den Augen der Menschen konnte er sehen, dass auch sie diese Momente bewahren würden, um sich in den dunklen Wintern der kommenden Jahre daran wärmen zu können.

Nach der Hälfte der Strecke sah Gaius Tubruk an einer Ecke stehen. Als sich ihre Blicke trafen, spürte Gaius ihre gesamte gemeinsame Geschichte. Tubruk hob den Arm zum Gruß, und Gaius erwiderte ihn. Die Männer um Tubruk drehten sich zu ihm um und fragten sich, welche Verbindung er wohl zu ihm hatte. Er nickte, als sie vorbeizogen. Gaius nickte zurück und schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Er war trunken von Gefühlen und musste sich an der Rückenlehne des Thrones festhalten, um in den Wogen des Jubels nicht ins Schwanken zu geraten.

Marius gab zwei seiner Männer ein Zeichen, woraufhin sie mit weichen Lederbeuteln in der Hand auf die Kutsche kletterten. Hände verschwanden in dunklen Tiefen und kamen voller glänzender Silbermünzen wieder hervor. Marius’ Bildnis flog über die Menge hinweg, die seinen Namen brüllte, während sie rings um ihn auf der Erde nach dem Metall suchten. Auch Marius griff hinein. Als seine Hände wieder zum Vorschein kamen, rieselten die Silberstücke zwischen seinen Fingern hindurch, ehe er die Münzen in hohem Bogen wegschleuderte und lachte, als sie auf den Boden prasselten und die Menge sich verbeugte, um die Geschenke aufzuheben. Er lächelte über ihre Freude, und sie priesen ihn.

Von einem niedrigen Fenster aus blickte Cornelia über die aufund abwogende Menschenmenge und war froh, nicht mittendrin zu stecken. Sie spürte, wie sie ein Schauer durchlief, als sich Marius auf seinem Thron näherte und jubelte ihm wie alle anderen zu. Er war ein gut aussehender Legat, und die Stadt liebte Helden.

Neben ihm stand ein junger Mann, zu jung, um Legionär zu sein. Cornelia beugte sich vor, um ihn besser sehen zu können. Er lächelte, und seine blauen Augen blitzten, als er auflachte, offensichtlich über eine von Marius’ Bemerkungen.

Der Umzug erreichte die Stelle, von der aus Cornelia mit ihrer Familie zusah. Sie sah, wie die Münzen durch die Luft flogen und die Menschen sich darauf stürzten, um eine zu erhaschen. Cinna, ihr Vater, konnte darüber nur die Nase rümpfen.

»Was für eine Geldverschwendung. Rom liebt sparsame Generäle«, sagte er giftig.

Cornelia ignorierte ihn und hielt den Blick auf Marius’ Begleiter gerichtet. Er war attraktiv und sah kräftig aus, doch es war noch etwas anderes an ihm, an seiner Haltung. Er strahlte ein inneres Selbstvertrauen aus, und wie Clodia oft sagte, es gab nichts Attraktiveres als Selbstvertrauen. »Sämtliche Mütter Roms werden jetzt hinter diesem jungen Gockel für ihre Töchter her sein«, flüsterte Clodia neben ihr.

Cornelia wurde rot, und Clodias Augenbrauen schossen in freudiger Überraschung in die Höhe. Der Triumphzug zog noch weitere zwei Stunden an ihnen vorbei, für Cornelia jedoch war das alles nur noch Zeitverschwendung.

Farben und Gesichter verschwammen miteinander, die Männer waren mit Blumen bedeckt, und die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht, als sie Einzug auf dem Forum hielten. Marius gab seinem Wagenlenker ein Zeichen, die Kutsche nach ganz vorne zu manövrieren, vor die Stufen des Senats. Der weite Platz hallte von den Hufschlägen auf Stein wider, und langsam ließen sie den Lärm der Straßen hinter sich. Zum ersten Mal bemerkte Gaius Sullas Soldaten, die die Zugänge zum Platz und dahinter die brodelnde Menge der Zuschauer bewachten.

Nach dem farbenprächtigen Tumult während der Fahrt ins Zentrum der Stadt war es hier beinahe friedlich.

»Hier anhalten«, befahl Marius und erhob sich von seinem Thron, um den Einzug seiner Männer zu beobachten. Sie waren hervorragend gedrillt, kamen in exakt gebildeten Reihen anmarschiert und stellten sich eine nach der anderen auf, von der hintersten Ecke bis vor die Stufen des Senats, bis das gesamte Forum mit den schimmernden Reihen seiner Soldaten gefüllt war. Keine menschliche Stimme hätte alle Männer erreichen können, deshalb gab ein Trompetensignal das Kommando, Haltung anzunehmen. Mit einem Donnerhall fuhren die Hacken zusammen. Marius lächelte stolz und legte die Hand auf Gaius’ Schulter.

»Erinnere dich immer daran. Deshalb schleppen wir uns tausend Meilen von der Heimat entfernt über die Schlachtfelder.«

»Den heutigen Tag werde ich nie vergessen«, erwiderte Gaius ehrlich, und Marius’ Griff verstärkte sich einen Augenblick, ehe er losließ.

Marius ging zu einem weißen Bullen hinüber, den vier seiner Männer festhielten. Ein großer schwarzborstiger Eber wurde ebenfalls festgehalten, wehrte sich aber noch verzweifelt gegen seine Fesseln.

Marius bekam eine dünne Wachskerze gereicht und entzündete den Weihrauch in einer goldenen Schale. Seine Männer neigten die Köpfe, als er mit seinem Dolch vortrat und leise vor sich hin sprechend beiden Tieren die Kehle durchschnitt.

»Führe uns durch Krieg und Seuchen sicher zurück nach Hause in unsere Stadt«, sagte er. Er wischte die Klinge am Fell des Bullen ab, während dieser zu Boden sank und vor Angst und Schmerz brüllte. Dann schob er den Dolch in die Scheide zurück, legte einen Arm um Gaius’ Schulter, und gemeinsam stiegen sie die breiten weißen Stufen des Senatsgebäudes hinauf.

Hier war der Sitz der größten Macht der Welt. Säulen, die drei große Männer nicht umspannen konnten, trugen ein zu beiden Seiten schräg abfallendes Dach, auf dem sich wiederum Statuen erhoben. Am oberen Ende der Treppe befanden sich Bronzetüren, die sogar Marius klein erscheinen ließen. Sie waren verschlossen. Aus ineinander greifenden Füllungen hergestellt, wirkten sie, als hätte man sie erbaut, um anstürmende Armeen aufzuhalten, doch als das Paar die Treppe hinaufstieg, wurden die Türen langsam von innen aufgezogen. Marius nickte, und Gaius schluckte seine Ehrfurcht hinunter.

»Komm, mein Junge, lass uns zu unseren Herren gehen. Es schickt sich nicht, den Senat warten zu lassen.«

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