26

Cornelius Sulla saß bei gekühltem Wein im Schatten seines Zeltes und ließ den Blick über das Lager seiner Legion wandern. Es war die letzte Nacht, die er außerhalb seines geliebten Roms würde zubringen müssen. Er fröstelte ein wenig im Wind, und vielleicht auch im Vorgefühl der Auseinandersetzung, die unmittelbar bevorstand. Kannte er jeden Aspekt von Marius’ Plänen oder hielt der alte Fuchs eine Überraschung für ihn bereit? Nachrichten mit offiziellen Willkommensgrüßen lagen vor ihm auf dem Tisch, doch er sah in ihnen nichts anderes als Formalitäten und beachtete sie nicht.

Padacus kam herbeigeritten, parierte sein Pferd schneidig aus vollem Lauf durch, sodass es beim Wenden mit den Hinterläufen einknickte. Sulla lächelte ihn an. Wie jung Padacus noch war, und was für ein ansehnlicher Mann, dachte Sulla bei sich.

»Das Lager ist gesichert, Legat«, rief Padacus noch beim Absteigen. Jeder Riemen seiner Rüstung war poliert und glänzte im Sonnenlicht, das Leder war weich und dunkel vom Öl. Ein junger Herkules, dachte Sulla, als er den Gruß entgegennahm und ihn erwiderte. Dabei treu bis in den Tod, wie ein verhätschelter Jagdhund.

»Morgen Abend ziehen wir in die Stadt ein. Heute ist die letzte Nacht, die wir wie Barbaren auf dem blanken Erdboden verbringen müssen«, sagte Sulla, der dem einfachen Bild den Vorzug vor der Wirklichkeit weicher Betten und erlesenen Leinens zumindest im Legatszelt gab. Sein Herz war bei den Männern, doch die Entbehrungen des Legionärslebens waren dem Konsul noch nie sonderlich verlockend erschienen.

»Weihst du uns in deine Pläne ein, Cornelius? Die anderen sind gespannt, wie du mit Marius verfahren willst.«

Padacus war in seinem Enthusiasmus ein Stück zu weit vorgeprescht, und Sulla hob abwehrend die Hand.

»Morgen, mein Freund. Morgen ist noch Zeit genug für Vorbereitungen. Ich ziehe mich heute Abend früh zurück, nachdem ich noch ein wenig Wein zu mir genommen habe.«

»Hast du Bedarf an ... Gesellschaft?«, erkundigte sich Padacus leise.

»Nein. Warte. Schick mir ein paar der besser aussehenden Huren. Ich kann ebenso gut mal sehen, ob ich noch etwas Neues zu lernen habe.«

Padacus ließ den Kopf sinken, als hätte man ihn geschlagen. Er ging zurück zu seinem Pferd und trabte davon.

Sulla sah zu, wie er sich steif entfernte, seufzte, und goss den verbliebenen Wein aus seinem Becher auf den schwarzen Boden. Der junge Mann hatte sich schon zum dritten Mal angeboten, und Sulla musste sich der Tatsache stellen, dass er allmählich zu einem Problem wurde. Die Grenze zwischen Bewunderung und Verstimmung war bei dem jungen Padacus sehr schmal. Es war wohl besser, ihn zu einer anderen Legion zu schicken, bevor er Schwierigkeiten machte, über die niemand mehr hinwegsehen konnte. Er seufzte erneut, ging ins Zelt und zog die Lederplane des Eingangs hinter sich zu.

Die Lampen waren von Sklaven angezündet worden, der Boden war mit Teppichen und Decken ausgelegt. Süßlich riechendes Öl brannte in einem kleinen Napf, eine seltene Mixtur, die ihm sehr gefiel. Sulla holte tief Luft und nahm aus dem Augenwinkel eine schnelle Bewegung wahr, die von rechts auf ihn zukam. Sofort ließ er sich nach hinten aus der Angriffslinie fallen und spürte, wie etwas über ihm durch die Luft sauste. Sulla trat kräftig aus und riss den Angreifer von den Beinen. Während der Attentäter noch am Boden zappelte, packte Sulla seine Messerhand mit einem unerbittlichen Griff. Dann zog er sich so nach oben, dass sein Gewicht auf dem Brustkorb des anderen Mannes lag, und lächelte, als er sah, wie sich der Ausdruck des Mannes von Wut in Angst und von Überraschung in Verzweiflung verwandelte.

Sulla war kein verweichlichter Mann. Zwar hatte er nicht viel für die extremeren römischen Mutproben übrig, bei denen Verletzungen und Narben für Kühnheit standen, aber er übte sich jeden Tag mit den Waffen und kämpfte bei jeder Schlacht mit. Seine Handgelenke waren wie Metall, sodass er die Klinge ohne Schwierigkeiten nach innen drehen konnte, bis sie auf die Kehle des Mannes zeigte.

»Wie viel hat Marius dir dafür gezahlt?«, fragte er verächtlich. Seine Stimme verriet nur einen Hauch von Anstrengung.

»Nichts. Dich töte ich aus Vergnügen.«

»Ein Amateur der Tat und des Wortes!«, fuhr Sulla fort und drückte die Messerspitze näher an die pulsierende Haut. »Wache! Kommt eurem Konsul zu Hilfe!«, bellte er, und innerhalb weniger Sekunden lag der Mann so auf den Boden gepresst, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Sulla stand auf und klopfte sich den Staub ab.

Der Hauptmann der Wache war mit mehreren anderen Soldaten hereingekommen. Er war blass, schaffte es aber immerhin noch, präzise zu salutieren und Haltung anzunehmen.

»Wie es aussieht, konnte sich ein Attentäter durch das ganze Lager bis zum Zelt des Konsuls von Rom schleichen, ohne dass ihn jemand aufgehalten hätte«, sagte Sulla leise, tauchte dabei die Hände in eine Schüssel mit Duftwasser auf einem Eichentisch und streckte sie von sich, damit sie von einem Sklaven abgetrocknet wurden.

Der Hauptmann der Wache holte tief Luft, um sich zu beruhigen. »Die Folter wird uns die Namen seiner Herren liefern. Ich führe die Befragung selbst durch. Mit deiner Erlaubnis, Legat, trete ich morgen von meinem Posten als Offizier zurück.«

Sulla fuhr fort, als hätte der Mann überhaupt nichts gesagt. »Es gefällt mir überhaupt nicht, in meinem eigenen Zelt überfallen zu werden. Es ist so ein gewöhnlicher, ordinärer Zwischenfall, meine Ruhe auf diese Weise zu stören.«

Er bückte sich und hob den Dolch auf, ohne auf dessen sich windenden Eigentümer zu achten, der von den Soldaten noch immer mit wütender Brutalität zu Boden gedrückt wurde. Dann hielt er die schmale Klinge dem Hauptmann hin.

»Du hast mich ohne Schutz gelassen. Nimm das. Geh in dein Zelt und schneide dir damit die Kehle durch. Ich lasse deinen Leichnam abholen, sagen wir ... in zwei Stunden?«

Der Mann nickte steif und nahm den Dolch. Er salutierte wieder, machte kehrt und verließ das Zelt.

Padacus legte eine warme Hand auf Sullas Arm. »Bist du verletzt?«

Sulla zog den Arm verärgert weg. »Alles in Ordnung. Bei den Göttern, es war ja nur einer.

Marius muss eine ziemlich schlechte Meinung von mir haben.«

»Wir wissen nicht, ob es nur einer war. Ich lasse heute Nacht rings um dein Zelt Wachen aufstellen.«

Sulla schüttelte den Kopf. »Nein. Damit Marius denkt, er hätte mir Angst eingejagt? Ich begnüge mich mit den beiden Huren, die du mir besorgen sollst, und sehe zu, dass eine von ihnen die ganze Nacht über wach ist. Bring sie her und schaff mir alle anderen vom Hals. Ich glaube, mein Appetit auf ein bisschen lasterhafte Unterhaltung ist geweckt.«

Padacus salutierte formvollendet, aber Sulla sah, wie sich seine vollen Lippen schmollend verzogen, als er sich zum Gehen wandte. Der Mann war eindeutig ein Risiko. Er würde es nicht bis nach Rom zurück schaffen. Vielleicht ein kleiner Unfall ... ja, ein Sturz von seinem wundervollen Wallach. Perfekt.

Wenigstens war er jetzt allein. Sulla setzte sich auf ein niedriges Bett und ließ die Hand über das weiche Material gleiten. Von draußen war leises, weibliches Husten zu hören, und Sulla lächelte zufrieden.

Die beiden Mädchen, die auf seinen Ruf hin eintraten, waren sauber, geschmeidig und prächtig gekleidet. Beide waren wunderschön.

»Vortrefflich«, seufzte Sulla und klopfte neben sich auf das Bett. Trotz all seiner Fehler besaß Padacus ein gutes Auge für wirklich schöne Frauen - unter diesen Umständen eine wahrlich verschwendete Gabe.

Marius sah seinen Neffen düster an.

»Ich stelle nicht deine Entscheidung zu heiraten in Frage! Cinna wird dir bei deiner Karriere sehr nützlich sein. Die Vermählung mit seiner Tochter wird dir sowohl politisch als auch persönlich sehr gelegen kommen. Was ich dir ankreide, ist deine Zeitplanung. Ausgerechnet jetzt, wo Sullas Legion höchstwahrscheinlich morgen Abend vor den Toren der Stadt aufmarschiert, verlangst du von mir, dass ich in aller Eile eine Hochzeit ausrichte?«

Ein Legionär kam hastig herein und versuchte, mit einem Arm voll Schriftrollen und Dokumenten vor dem Legaten zu salutieren. Marius hob eine Hand, um ihn fern zu halten.

»Du hast doch mit mir über bestimmte Pläne gesprochen, falls morgen nicht alles nach Wunsch läuft«, sagte Gaius mit ruhiger Stimme.

Marius nickte und wandte sich an die Wache. »Warte draußen. Ich rufe dich, wenn ich hier fertig bin.«

Der Mann versuchte einen zweiten Gruß und trollte sich aus der Barackenunterkunft. Sobald er außerhalb der Hörweite war, erhob Gaius abermals die Stimme.

»Wenn etwas für uns schief geht ... und ich aus der Stadt fliehen muss, möchte ich Cornelia nicht unverheiratet zurücklassen.«

»Sie kann nicht mit dir gehen!«, fuhr ihn Marius an.

»Nein, das nicht. Aber ich kann sie nicht ohne den Schutz meines Namens zurücklassen. Es kann gut sein, dass sie schwanger ist.« Er gab das Ausmaß ihrer Beziehung nur ungern preis. Das war etwas, das nur ihn und sie etwas anging, doch nur Marius konnte in der kurzen Zeit, die ihnen blieb, die Opfer und die Priester organisieren, deshalb musste er ihm verständlich machen, worum es ihm ging.

»Verstehe. Weiß ihr Vater von ... eurem innigen Verhältnis?«

Gaius nickte.

»Dann können wir ja von Glück reden, dass er nicht mit einer Pferdepeitsche vor der Tür steht.

Na schön. Ich kümmere mich um die Zeremonie. Aber nur das Allernotwendigste. Morgen bei Tagesanbruch?«

Gaius musste plötzlich lächeln. Der Druck, der immer stärker auf ihm gelastet hatte, war von ihm gewichen.

»So gefällst du mir schon besser«, meinte Marius lachend. »Bei den Göttern, Sulla ist noch nicht einmal in Sicht und weit davon entfernt, mir Rom wegzunehmen. Ich fürchte, du rechnest zu sehr mit dem Schlimmsten. Morgen Abend kommt dir deine Hast wahrscheinlich lächerlich vor, wenn wir Sullas Kopf auf einen Spieß stecken, aber egal. Geh jetzt. Kauf ein Hochzeitsgewand und Geschenke. Die Rechnungen gehen alle an mich.« Er klopfte Gaius auf den Rücken.

»Ach, und bevor du gehst, schau noch mal bei Catia vorbei. Das ist eine schon etwas reifere Dame, die Uniformen für die Männer schneidert. Sie weiß bestimmt, wo man das eine oder andere innerhalb kürzester Zeit besorgen kann. Und jetzt geh!«

Gaius verließ schmunzelnd den Raum.

Sobald er draußen war, rief Marius seinen Adjutanten herein, ließ ihn die Rollen auf dem Tisch ausbreiten und die Ecken mit glatten Bleigewichten beschweren.

»Sehr schön«, sagte er zu dem Soldaten. »Hol die Zenturios zu einer weiteren Besprechung her. Ich möchte alle neuen Ideen hören, wie bizarr sie auch sein mögen. Woran habe ich nicht gedacht? Was könnte Sulla vorhaben?«

»Vielleicht hast du bereits an alles gedacht, Legat.«

»Niemand kann an alles denken. Wir können uns lediglich auf alles vorbereiten.« Damit entließ Marius den Mann mit einer Handbewegung.

Als Gaius Cabera fand, war der Alte gerade mit zweien von Marius’ Legionären beim Würfeln.

Er war ganz in das Spiel versunken, und Gaius musste seine Ungeduld zügeln, als er noch einen Wurf machte und vor Freude in die welken Hände klatschte. Münzen wechselten ihren Besitzer, und Gaius zog ihn am Arm weg, bevor die nächste Runde anfing.

»Ich habe mit Marius gesprochen. Er arrangiert die Zeremonie für morgen früh, gleich bei Tagesanbruch. Ich brauche heute Hilfe, damit auch wirklich alles klappt.«

Cabera sah ihn aufmerksam an und verstaute seinen Gewinn in seinem zerschlissenen braunen Gewand. Er nickte den Soldaten zu, und einer von ihnen schüttelte ihm ein wenig schwermütig die Hand, bevor er wegging.

»Ich bin gespannt darauf, dieses Mädchen kennen zu lernen, das einen solchen Eindruck auf dich gemacht hat. Ich nehme an, sie ist unglaublich hübsch?«

»Selbstverständlich! Sie ist eine junge Göttin. Honigbraune Augen und goldenes Haar. Sie ist einfach unbeschreiblich, du kannst es dir nicht vorstellen.«

»Nein. Ich bin nie jung gewesen. Ich bin schon als faltiger alter Mann zur Welt gekommen, sehr zur Überraschung meiner Mutter«, antwortete Cabera mit ernster Stimme, was Gaius zum Lachen brachte. Er war vor Aufregung wie betrunken, und über allem ragte der Schatten von Sullas Ankunft immer drohender in seinem Bewusstsein auf.

»Marius hat mir freie Hand gelassen, aber die Läden machen schon so früh zu. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Komm schon!« Gaius zog Cabera am Arm, und der Alte musste über so viel Überschwang vor sich hin kichern.

Als sich der Abend über die Stadt senkte, verließ Marius die Zenturios und ging hinaus, um die Verteidigungsanlagen an den Mauern noch einmal zu kontrollieren. Beim Gehen streckte er sich und hörte und spürte, wie sein Rücken knackte. Nach den vielen Stunden, die er über den Plänen gebeugt war, schmerzte er merklich. Eine innere Stimme warnte ihn davor, wie dumm es sei, nach Einbruch der Dunkelheit allein in der Stadt herumzuspazieren, auch wenn die Ausgangssperre noch immer nicht aufgehoben war. Er tat den Gedanken mit einem Achselzucken ab. Rom würde ihm niemals etwas antun. Er wusste, dass die Stadt ihren Sohn viel zu sehr liebte. Wie als Antwort auf seine Gedanken spürte er einen erfrischenden warmen Wind auf dem Gesicht, der den Schweiß trocknete, der sich in der überfüllten Baracke auf seiner Haut gebildet hatte. Wenn er erst einmal mit Sulla fertig war, würde er einen größeren Palast für die römische Legion errichten lassen. Direkt neben den jetzigen Unterkünften lag ein Elendsviertel, das per Senatsbeschluss abgerissen werden konnte. Er sah es schon genau vor sich und malte sich aus, wie er in den neuen, weitläufigen Hallen fremde Staatsmänner bewirtete. Es waren Träume, doch sie waren erfreulich, als er so durch die stillen Straßen ging, in denen lediglich das Klack-Klack seiner Sandalen die tiefe Stille störte. Gegen den mit Sternen übersäten Nachthimmel sah er die Silhouetten seiner Männer. Einige standen ruhig da, andere machten ihre vorgeschriebenen, einander überschneidenden Runden. Ein kurzer Blick verriet ihm, dass sie wachsam waren. Gute Männer. Wer konnte sagen, was sie erwartete, wenn die nächste Nacht heraufzog? Wieder zuckte er mit den Schultern und war froh, dass ihn in den düsteren Straßen niemand sehen konnte. Sulla würde kommen, und er würde ihn mit Stahl empfangen. Es hatte keinen Sinn, sich darüber

Sorgen zu machen, und Marius holte tief Luft, um die finsteren Gedanken zu vertreiben. Als ihn der erste von vielen Wachtposten anhielt, lächelte er bereits zuversichtlich.

»Guter Junge. Halt den Speer jetzt gut fest. Ein Pilum ist in den richtigen Händen eine Furcht einflößende Waffe. So ist’s gut. Ich dachte, ich schau mir diesen Abschnitt mal genauer an. Die Warterei gefällt mir überhaupt nicht. Dir?«

Der Posten salutierte ernst.

»Mir macht das nichts aus, Herr. Du kannst passieren.«

Marius klopfte dem Posten auf die Schulter. »Guter Mann. An dir kommen sie nicht vorbei.« »Nein, Herr.«

Der Legionär sah ihm nach und nickte vor sich hin. Der Alte hatte immer noch Biss.

Marius stieg die Stufen zu der neuen Mauer hinauf, die seine Legion über und um die alten Tore Roms errichtet hatte. Es war eine solide, massive Konstruktion aus schweren, gegeneinander versetzten Steinblöcken, mit einem breiten Laufgang auf der Krone, wo eine kleinere Mauer seine Männer vor feindlichen Pfeilen schützte. Marius stützte die Hände auf den glatten Stein und schaute in die Nacht hinaus. Wenn er Sulla wäre ... wie würde er die Stadt einnehmen wollen? Sullas Legionen verfügten über gewaltige Belagerungsmaschinen: schwere Armbrüste, Steinschleudern und Katapulte. Marius hatte sie selbst schon eingesetzt und fürchtete sie alle. Er wusste, dass Sulla seine Maschinen nicht nur mit großen Steinen zum Zerschmettern der Mauern, sondern auch mit kleinteiligeren Geschossen bestücken konnte, die diejenigen Verteidiger, die sich nicht rechtzeitig duckten, in Fetzen rissen. Er würde Feuer einsetzen, Fässer mit Steinöl über die Mauer schleudern, um die dahinter liegenden Gebäude in Brand zu setzen. Genügend Fässer, damit die Männer auf der Mauer von hinten beleuchtet wurden und den Bogenschützen bessere Ziele boten. Marius hatte einige Holzgebäude hinter der Mauer abreißen lassen; seine Männer hatten die Behausungen rasch und gründlich auseinander genommen. Diejenigen, die er nicht entfernen konnte, waren mit gewaltigen Wasservorräten und gut ausgebildeten Mannschaften ausgestattet, die damit umgehen konnten. Diese Maßnahme war eine neue Idee für Rom, eine Vorstellung, über die er genauer nachdenken musste, sobald die Schlacht vorüber war. Jeden Sommer brannten etliche Häuser aus, und manchmal sprang das Feuer auf andere Häuser über, bevor es von einer breiten Straße oder einer dicken Steinmauer aufgehalten wurde. Eine kleine Gruppe, die zur rechten Zeit mit genügend Wasser bereit stand, könnte .

Er rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen. Er verbrachte zu viel Zeit mit Denken und Planen. Seit Wochen hatte er kaum mehr als ein paar Stunden am Stück geschlafen, und allmählich machte sich die Entbehrung selbst bei seiner Vitalität bemerkbar.

Die Mauer musste mit Leitern erklommen werden. Sie war stark, aber römische Legionen waren geübt darin, Festungen und Burgen einzunehmen. Die dazu erforderlichen Techniken waren inzwischen fast alltäglich geworden. Marius murmelte vor sich hin, in dem Wissen, dass der nächste Posten zu weit entfernt war, um ihn zu hören.

»Sie haben noch nie gegen Römer gekämpft, schon gar nicht gegen Römer, die ihre eigene Stadt verteidigen. Das ist unser wahrer Vorteil. Ich kenne Sulla, aber er kennt mich auch. Die Mobilität ist auf ihrer Seite, aber wir haben das Bollwerk, außerdem ist die Moral auf unserer Seite. Schließlich sind es nicht meine Männer, die unser geliebtes Rom angreifen.«

Von den eigenen Gedanken aufgemuntert, ging Marius hinüber zum nächsten Mauerabschnitt. Er sprach mit jedem Mann und erkundigte sich bei diesem und jenem, zu dem ihm ein Name einfiel, nach dem Befinden, der Karriere und der Familie. Bei keinem, mit dem er redete, konnte er Unmut oder Verzagen feststellen. Sie waren wie Jagdhunde, begierig darauf, für ihn zu töten.

Als er den ganzen Abschnitt abgeschritten hatte und wieder in die dunklen Straßen hinabstieg, fühlte sich Marius von dem einfachen Glauben der Männer an ihn erhoben. Er würde für sie sorgen. Sie würden für ihn sorgen. Auf dem Weg zurück in die Unterkünfte summte er eine Militärmelodie vor sich hin. Jetzt war sein Herz wieder leicht.

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