33

Cornelius Sulla saß müßig auf einem goldenen Thron, der auf einem Mosaik aus einer Million schwarzer und weißer Kacheln stand. Sein Anwesen unweit der Stadtmitte war unversehrt geblieben, und er genoss es, wieder daheim zu sein und die Macht in Händen zu halten.

Die Legion des Marius hatte fast bis zum letzten Mann gekämpft, so wie er es vorausgesagt hatte. Nur wenige hatten am Ende versucht zu fliehen; Sulla hatte sie verfolgen und gnadenlos niedermachen lassen. Vor den Stadtmauern brannten gewaltige Feuergräben. Man hatte ihm gesagt, dass die abertausend Leichen tage-, wenn nicht gar wochenlang brennen würden, bis die Asche endlich kalt war. Er zweifelte nicht daran, dass die Götter ein solches Opfer zur Rettung ihrer auserwählten Stadt anerkannten.

Sobald die Brände in der Stadt gelöscht waren, musste Rom gesäubert werden. Kaum eine Hauswand, die nicht mit der öligen Asche befleckt war, die über die Mauern hereintrieb und den Menschen in den Augen brannte.

Er hatte die Primigenia zu Verrätern erklärt, deren Ländereien und sämtlicher anderer Besitz an den Senat fielen. Ganze Familien waren von ihren Nachbarn, die neidisch auf deren Hab und Gut waren, auf die Straße gezerrt, Hunderte weitere hingerichtet worden, und noch immer war die Arbeit nicht beendet. Es würde ein bitteres Kapitel in der glorreichen Geschichte der sieben Hügel sein, doch was blieb ihm anderes übrig?

Sulla war tief in Gedanken versunken, als sich ein Sklavenmädchen mit einem Becher eiskalten Fruchtsaftes näherte. Es war noch zu früh am Tag für Wein, noch so viele Leute zu empfangen und zu verurteilen. Er wusste, dass Rom in all seiner Herrlichkeit wieder auferstehen würde, aber damit das geschehen konnte, mussten auch die letzten Parteigänger des Marius - die letzten Feinde Sullas - mit Stumpf und Stiel ausgemerzt werden.

Er zuckte zusammen, als er an dem Goldbecher nippte und fuhr sich mit dem Finger über die geschwollenen Augen und die Wülste einer violetten Schnittwunde quer über der rechten Wange. Es war der schwerste Kampf seines Lebens gewesen; der Feldzug gegen Mithridates verblasste nachgerade dagegen.

Wieder musste er, wie so oft in den letzten Tagen, an Marius’ Tod denken. Eindrucksvoll. Seine Leiche war dem Feuer vorenthalten worden. Sulla überlegte, ob er dem Mann nicht eine Statue auf den Hügeln errichten sollte. Die Fähigkeit, die Toten zu ehren, würde seine eigene Größe umso mehr herausstellen. Ebenso gut hätte er den Leichnam zu den anderen in die Grube werfen können. Es spielte keine Rolle.

Das Zimmer, in dem er saß, war fast leer. Die Kuppeldecke zierte ein Bild der Aphrodite im griechischen Stil. Sie blickte liebevoll auf ihn herab, eine schöne, nackte Frau, die sich in ihr langes Haar hüllte. Er wollte, dass diejenigen, die bei ihm vorsprachen, wussten, dass die Götter ihn liebten. Das Sklavenmädchen stand mit seinem Krug nur ein paar Schritte entfernt, bereit, den Becher auf einen Wink hin nachzufüllen. Der einzige andere Anwesende war sein Folterer, der in einigem Abstand neben einem kleinen Kohlebecken stand und die Instrumente seines grausigen Gewerbes vor sich auf einem Tisch ausgebreitet hatte. Seine Lederschürze war von der vormittäglichen Arbeit bereits bespritzt, und es gab an diesem Tag noch einiges zu tun. Bronzetüren, beinahe so groß wie die im Senat, dröhnten, als von außen mit einem gepanzerten Handschuh dagegen geschlagen wurde. Als sie sich öffneten, wurden zwei seiner Legionäre sichtbar, die einen stämmigen, an Händen und Füßen gefesselten Soldaten hereinschleppten. Sie zerrten ihn über das glänzende Mosaik bis vor Sulla, der sah, dass das Gesicht des Mannes bereits zerschlagen und seine Nase gebrochen war. Nach den Soldaten trat ein Schreiber mit einem Blatt Pergament ein, auf dem die Einzelheiten vermerkt waren.

»Das hier ist Orso Ferito, Herr«, verkündete der Schreiber. »Wir haben ihn unter einem Haufen von Marius’ Männern gefunden. Er wurde von zwei Zeugen identifiziert. Er hat einige der Verräter zum Widerstand aufgestachelt.«

Sulla erhob sich geschmeidig, ging auf den Mann zu und gab den Wachen ein Zeichen, ihn fallen zu lassen. Er war bei Bewusstsein, aber ein Knebel aus einem verdreckten Stück Tuch hinderte ihn daran, etwas anderes als dumpfe Grunzlaute von sich zu geben.

»Schneidet den Knebel weg. Ich will ihn verhören«, befahl Sulla, und sein Befehl wurde rasch und rücksichtslos ausgeführt. Der Schnitt einer scharfen Klinge entlockte dem kraftlos daliegenden Mann frisches Blut und ein Stöhnen.

»Du hast einen der Angriffe geführt, richtig? Warst du das? Meine Männer sagen, du hast nach Marius den Befehl übernommen. Bist du dieser Mann?«

Orso Ferito sah mit hasserfülltem Funkeln in den Augen auf. Sein Blick fiel auf den Schnitt und die Schwellung auf Sullas Gesicht, und er lächelte, wobei blutige, abgebrochene Zähne sichtbar wurden. Die krächzende Stimme hörte sich an, als spräche sie aus einem tiefen Brunnen zu Sulla. »Ich würde es jederzeit wieder tun«, sagte er.

»Ja. Ich auch«, erwiderte Sulla. »Brennt ihm die Augen aus, und hängt ihn dann auf.« Er nickte dem Folterknecht zu, der ein schmales, spitzes, glühend heißes Eisen aus dem Kohlebecken zog, wobei er das dunklere Ende mit einer dicken Zange anfasste. Orso wand sich, als seine Arme mit Lederriemen gefesselt wurden. Der Folterknecht führte das Metall ungerührt so nahe an die Augen, bis die Wimpern verschmorten, dann drückte er es hinein und wurde mit einem dumpf grunzenden, tierischen Laut belohnt.

Sulla trank seinen Becher aus, ohne den Saft zu schmecken. Er schaute ohne Vergnügen zu und gratulierte sich zu seiner Gefühllosigkeit. Er wusste, dass er kein Ungeheuer war, aber die Menschen wollten einen starken Anführer, und genau den würden sie bekommen. Sobald der Senat wieder einberufen werden konnte, würde er sich zum Diktator erklären und die Macht der alten Könige für sich beanspruchen. Dann würde Rom einer neuen Ära entgegensehen.

Der bewusstlose Ferito wurde zu seiner Hinrichtung weggeschleppt, und Sulla hatte nur wenige Minuten für sich, bevor wieder dröhnend an die Tür geschlagen wurde und neue Soldaten eintraten, gefolgt von dem kleinen Schreiberling. Diesmal kannte er den jungen Mann, der zwischen ihnen hereingestolpert kam.

»Julius Cäsar«, sagte er. »Vermutlich mitten im Getümmel festgenommen, habe ich Recht? -Lasst ihn los, meine Herren. Das ist kein gewöhnlicher Mann. Und nehmt ihm den Knebel ab. Aber vorsichtig.«

Er betrachtete den jungen Burschen und war zufrieden, als er sah, wie sich dessen Körper straffte. Sein Gesicht wies ein paar Blutergüsse auf, aber Sulla wusste, dass seine Männer darauf achteten, sich nicht das Missfallen ihres Legaten zuzuziehen, indem sie schon vor der Verurteilung allzu viel Schaden anrichteten. Julius war groß, ungefähr einsachtzig; sein Körper war muskulös und von der Sonne gebräunt. Blaue Augen starrten aus seinem Gesicht, und Sulla spürte die Kraft, die von ihm ausging und den ganzen Raum auszufüllen schien, bis es nur noch sie beide gab, und die Soldaten, der Folterknecht, der Schreiber und die Sklavin vergessen waren.

Sulla legte den Kopf ein wenig zurück, und sein Mund verzog sich zu einem äußerst zufriedenen Ausdruck.

»Metella ist tot, so Leid es mir tut. Sie hat sich das Leben genommen, bevor meine Männer das Tor aufbrechen und sie retten konnten. Sie hätte ich laufen lassen, aber dich ... du bist ein ganz anderes Problem. Weißt du, dass der alte Mann, der mit dir gefangen genommen wurde, entkommen ist? Er scheint seine Fesseln gelöst und auch den anderen befreit zu haben. Ein höchst ungewöhnlicher Gefährte für einen jungen Herren.« Das Aufblitzen im Gesicht seines Gefangenen entging ihm nicht.

»Natürlich lasse ich nach den beiden Ausschau halten, aber bisher ohne Erfolg. Hätten dich meine Männer bei den beiden festgebunden, wärst du jetzt wohl ebenfalls frei. Das Schicksal ist manchmal eine launische Gebieterin. Nur weil du der Nobilitas angehörst, stehst du jetzt vor mir, während dieser Abschaum aus der Gosse frei herumläuft.«

Julius erwiderte nichts. Er rechnete nicht damit, auch nur noch eine Stunde länger am Leben zu bleiben und erkannte plötzlich, dass nichts, was er sagte, irgendeine Bedeutung oder einen Nutzen haben würde. Sulla zu beschimpfen, würde ihn lediglich amüsieren, ihn anzuflehen, nur seine Grausamkeit anstacheln. Also starrte er ihn stumm an.

»Was wissen wir über ihn, Schreiber?«, fragte Sulla den Mann mit dem Pergament.

»Neffe des Marius, Sohn des Julius. Beide tot. Mutter Aurelia, lebt noch, aber geistesgestört. Besitzt ein kleines Gut ein paar Meilen vor der Stadt. Beträchtliche Schulden bei Privatleuten, genaue Summen nicht bekannt. Ehemann von Cornelia, Tochter des Cinna, die Hochzeit fand am Morgen vor der Schlacht statt.«

»Aah«, unterbrach ihn Sulla. »Der Kern der Sache. Cinna ist kein Freund von mir, obwohl er zu schlau war, um Marius offen zu unterstützen. Er ist reich. Ich verstehe sehr gut, weshalb du die Unterstützung des alten Mannes gesucht hast, aber dein Leben ist bestimmt viel mehr wert.

Ich biete dir eine einfache Entscheidung an. Verstoße diese Cornelia, schwöre mir die Treue, und ich lasse dich am Leben. Wenn nicht, macht mein Folterer seine Instrumente noch einmal heiß. Marius hätte gewollt, dass du lebst, junger Mann, also triff die richtige Entscheidung.«

Julius funkelte ihn wütend an. Nichts, was er über Sulla wusste, half ihm jetzt. Es könnte ebenso gut ein grausamer Trick sein, damit er diejenigen, die er liebte, verriet, bevor er ohnehin hingerichtet wurde.

Als könnte er seine Gedanken erraten, ergriff Sulla noch einmal das Wort.

»Lass dich von Cornelia scheiden, und du bleibst am Leben. Eine so einfache Handlung wird Cinna beschämen, ihn schwächen. Und du kommst frei. Diese Männer hier sind alle meine Zeugen, mein Wort ist das des Regenten von Rom. Wie lautet deine Antwort?«

Julius zeigte keine Regung. Er hasste diesen Mann. Er hatte Marius getötet und die Republik, die sein Vater so geliebt hatte, gelähmt. Ganz egal, was er verlieren würde, seine Antwort war klar, und die Worte mussten ausgesprochen werden.

»Mein Antwort lautet Nein. Bring es zu Ende.«

Sulla blinzelte erstaunt und lachte dann laut.

»Was für eine seltsame Familie! Weißt du, wie viele Männer in den letzten paar Tagen in diesem Raum gestorben sind? Weißt du, wie viele geblendet, kastriert und verunstaltet wurden? Trotzdem verhöhnst du meine Gnade?« Er lachte wieder, ein Geräusch, das sich unter der hallenden Kuppel rau anhörte.

»Wenn ich dich freilasse, wirst du dann versuchen, mich zu töten?«

Julius nickte. »Ich werde die Jahre, die mir noch bleiben, diesem Ziel widmen.«

Sulla grinste ihn mit aufrichtiger Freude an. »Das dachte ich mir. Du kennst keine Angst, der Einzige aus der Nobilitas, der mein Tauschgeschäft ablehnt.« Sulla hielt einen Moment inne und hob die Hand, um dem Folterer, der im Hintergrund bereit stand, ein Zeichen zu geben. Doch dann fiel seine Hand lustlos herab.

»Du kannst gehen. Verlasse meine Stadt vor Sonnenuntergang. Wenn du jemals zurückkommst, solange ich lebe, lasse ich dich ohne Verhandlung und ohne Publikum umbringen. Zerschneidet seine Stricke, meine Herren. Ihr habt einen freien Mann gefesselt.« Er musste kurz schmunzeln, fasste sich jedoch wieder, als die Fesseln in unregelmäßigen Kreisen um Julius’ Füße fielen. Der junge Mann rieb sich die Handgelenke, aber sein Gesichtsausdruck war immer noch starr, wie aus Stein gemeißelt.

Sulla erhob sich von seinem Thron.

»Bringt ihn zum Tor und lasst ihn gehen.« Dann wandte er sich an Julius und sah ihm ins Gesicht. »Wenn dich jemals jemand fragt, warum, sag ihm, es ist geschehen, weil du mich an mich selbst erinnerst, und vielleicht auch, weil ich heute schon genug Männer getötet habe. Das ist alles.«

»Was ist mit meiner Gemahlin?«, rief Julius, als er wieder an den Armen gepackt wurde.

Sulla zuckte die Achseln. »Vielleicht mache ich sie zu meiner Geliebten, wenn sie lernt, mir Freude zu bereiten.«

Julius wehrte sich heftig, kam jedoch nicht aus dem Griff der beiden Wachen frei, die ihn hinauszogen.

Der Schreiber blieb in der Tür stehen.

»Legat? Ist das klug? Schließlich ist er Marius’ Neffe .«

Sulla seufzte und ließ sich von dem Sklavenmädchen noch einen Becher mit kaltem Saft reichen. »Mögen uns die Götter vor kleinen Männern schützen. Ich habe dir meine Gründe genannt. Ich habe alles erreicht, was ich jemals wollte, und jetzt droht mir die Langeweile. Es ist gut, ein paar Gefahren übrig zu lassen, sonst gibt es überhaupt keine Herausforderungen mehr.«

Sein Blick richtete sich in die Ferne.

»Er ist ein eindrucksvoller junger Mann. Ich glaube, in ihm stecken zwei von Marius’ Sorte.«

Die Miene des Schreibers zeigte, dass er nichts davon begriffen hatte.

»Soll ich den Nächsten hereinbringen lassen, Konsul?«

»Nein, heute keinen mehr. Sind die Bäder geheizt? Gut. Heute Abend wollen die Senatsführer mit mir essen, da möchte ich frisch sein.«

Sulla wollte sein Bad immer so heiß, dass er es gerade noch aushielt. Das entspannte ihn wunderbar. Die Einzigen, die ihm dabei Gesellschaft leisteten, waren zwei seiner Haussklavinnen, und er stieg völlig unbefangen vor ihnen aus dem Wasser. Sie waren ebenfalls nackt, bis auf goldene Ringe um Handgelenke und Hals.

Beide waren ihrer üppigen Figur wegen ausgewählt worden, und er genoss es, als sie ihm das Wasser vom Körper rieben. Hübsche Dinge anzuschauen tat dem Menschen gut. Es erhob ihn über die wilden Tiere.

»Das Wasser hat mein Blut in Wallung gebracht, aber ich fühle mich trotzdem schlaff«, murmelte er und ging die paar Schritte zu einer langen Massagebank. Sie war weich, und er spürte, wie er sich völlig entspannte. Er schloss die Augen und lauschte den beiden jungen Frauen, die die dünnen, elastischen Birkenzweige, die noch grün und erst am Morgen geschnitten worden waren, zusammenbanden.

Die beiden Sklavinnen stellten sich über seinen erhitzten Körper. Jede hielt ein langes Bündel der geschnittenen Zweige in der Hand. Sie waren drei Fuß lang und sahen fast aus wie ein Reisigbesen. Zuerst streichelten sie ihn fast mit den Ruten und hinterließen nur flüchtige weiße Spuren auf seiner Haut.

Er stöhnte leise, und sie hielten inne.

»Sollen wir fester schlagen, Herr?«, fragte eine von ihnen scheu. Ihr Mund war von seinen Aufmerksamkeiten der vorangegangenen Nacht noch blutunterlaufen, und ihre Hände zitterten ein wenig.

Ohne die Augen zu öffnen lächelte er und streckte sich wohlig auf der Bank aus. Es war wunderbar belebend.

»Ah, ja«, antwortete er verträumt. »Schlagt zu, Mädchen, schlagt zu.«

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