Das Alibi


»Wenn man erst wirklich im Rücken eines großen, gefräßigen wilden Tieres steckt, ist die Frage, wie wünschenswert der Verlust eines Körpergliedes sei, nicht mehr Gegenstand längerer Betrachtungen.«

The Wallet of Kai-Lung


»Ich bin mitten hineingetreten«, sagte Wimseys Stimme ruhig aus der Dunkelheit. »Man sinkt sehr schnell. Kommen Sie lieber nicht näher, sonst versinken Sie mit. Wir wollen ein bißchen schreien. Ich glaube nicht, daß wir noch weit von Grider's Hole sind.«

»Wenn Eure Lordschaft weiter schreien möchten«, entgegnete Mr. Bunter, »glaube ich - ich kann - zu Ihnen kommen«, keuchte er, indem er mit den Zähnen den harten Knoten einer Rolle Schnur öffnete.

»Heda!« rief Lord Peter gehorsam. »Hilfe! Hallo! Hallo!«

Mr. Bunter tastete sich auf die Stimme zu, wobei er mit seinem Spazierstock gewissenhaft den Boden vor sich untersuchte.

»Sie sollten lieber wegbleiben, Bunter«, sagte Lord Peter verstockt. »Was nützt es, wenn wir alle beide -?« Wieder versuchte er zu strampeln und zu rudern.

»Tun Sie das nicht, Mylord«, rief sein Diener beschwörend. »Sie sinken nur noch tiefer ein.«

»Jetzt bin ich bis zu den Oberschenkeln drin«, sagte Lord Peter.

»Ich komme«, sagte Bunter. »Schreien Sie weiter. Ah, hier fängt es an weich zu werden.«

Er stocherte sorgsam im Boden herum, entschied sich für ein Grasbüschel, das ihm einigermaßen fest zu sein schien, und stieß seinen Stock tief hinein.

»Heda! Hallo! Hilfe!« schrie Lord Peter aus voller Brust.

Mr. Bunter band das eine Ende der Schnur an den Spazierstock, schnürte den Regenmantel fest um sich, legte sich vorsichtig auf den Bauch und schob sich, die Schnur in der Hand, voran wie ein sehr gotischer Theseus einer späten und degenerierten Schule.

Das Moor hob und senkte sich bedrohlich unter ihm, während er darüberkroch, und schlammiges Wasser schwappte ihm ins Gesicht. Er tastete mit den Händen nach Grasbüscheln und stützte sich darauf ab, wann immer er konnte.

»Rufen Sie noch einmal, Mylord!«

»Hier!« Die Stimme klang schwächer und kam von rechts. Bunter hatte beim Herumtasten ein wenig die Richtung verloren. »Ich kann es nicht wagen, schneller zu kommen«, erklärte er. Ihm war, als krieche er schon seit Jahren.

»Gehen Sie raus hier, solange noch Zeit ist«, sagte Peter. »Ich bin jetzt bis zur Hüfte drin. Mein Gott, das ist wirklich keine schöne Art, abzutreten!«

»Sie werden nicht abtreten«, knurrte Bunter. Seine Stimme war plötzlich ganz nah. »Jetzt Ihre Hände.«

Ein paar quälende Minuten lang suchten zwei Paar Hände auf dem unsichtbaren Schlamm herum. Dann:

»Halten Sie die Ihren still«, sagte Bunter. Er machte langsame, kreisende Bewegungen. Es war nicht einfach, das Gesicht aus dem Schlamm zu halten. Seine Hände glitten über die glitschige Fläche - und bekamen plötzlich einen Arm zu fassen.

»Gott sei Dank!« sagte Bunter. »Halten Sie sich daran fest, Mylord.«

Er tastete sich weiter vor. Die Arme waren schon gefährlich dicht über dem gefräßigen Schlamm. Lord Peters Hände krochen an seinen Armen empor und blieben auf seinen Schultern liegen. Er packte Wimsey unter den Achseln und zog. Dabei sanken seine eigenen Knie tief in den Morast. Hastig streckte er sich wieder flach aus. Ohne die Knie zu benutzen hatte er keine Kraft, aber sie zu benutzen bedeutete den sicheren Tod. Sie konnten hier nur verzweifelt ausharren, bis Hilfe kam - oder bis die Anstrengung zu groß wurde. Er konnte nicht einmal schreien; es ging schon fast über seine Kräfte, den Mund über Wasser zu halten. Die Muskelanspannung an seinen Schultern wurde unerträglich, und schon das bloße Atemholen verursachte ihm quälende Schmerzen im Nacken.

»Sie müssen weiter schreien, Mylord.«

Wimsey schrie. Seine Stimme war brüchig und schwach geworden.

»Bunter, alter Freund«, sagte Lord Peter, »es tut mir so entsetzlich leid, daß ich Sie da mit hineingezogen habe.«

»Keine Ursache, Mylord«, sagte Bunter, den Mund im Morast. Da fiel ihm plötzlich etwas ein.

»Wo ist Ihr Stock geblieben, Mylord?«

»Fallen gelassen. Er müßte ganz in der Nähe liegen, wenn er nicht versunken ist.«

Bunter ließ behutsam mit der linken Hand los und begann zu suchen.

»He! Holla! Hilfe!«

Bunters Hand fand den Stock, der wie durch ein Wunder auf einem halbwegs festen Grasbüschel gelandet war. Er zog ihn zu sich und legte ihn sich über die Arme, so daß er sein Kinn darauf stützen konnte. Die momentane Erleichterung für seine Nackenmuskeln war so groß, daß er wieder Mut faßte. Er glaubte jetzt auf ewig durchhalten zu können.

»Hilfe!«

Minuten vergingen wie Stunden.

»Da! Haben Sie das gesehen?«

Ein schwaches, flackerndes Leuchten irgendwo rechts. Beide schrien zugleich mit der Kraft der Verzweiflung.

»Hilfe! Hilfe! Heda! Hallo! Hilfe!«

Ein Schrei zur Antwort. Das Licht schwankte - kam näher -ein größer werdender Schimmer im Nebel.

»Wir müssen weitermachen«, keuchte Wimsey. Sie riefen wieder.

»Wo seid ihr?«

»Hier!«

»Hallo!« Pause. Dann:

»Hier ist 'n Stock«, sagte eine Stimme plötzlich ganz nah.

»Folgt der Schnur!« schrie Bunter. Sie hörten zwei Stimmen, die offenbar diskutierten. Dann wurde an der Schnur gezogen.

»Hier! Hier! Wir sind zu zweit! Beeilt euch!«

Weitere Beratungen.

»Könnt ihr euch noch halten?«

»Ja, wenn ihr euch beeilt.«

»Wir müssen 'ne Hürde holen. Zwei seid ihr?«

»Ja.«

»Tief drin?«

»Einer.«

»Ist gut. Da kommt Jim.«

Ein Platschen verkündete die Ankunft Jims mit einer Hürde. Dann folgte ein endloses Warten. Noch eine Hürde, ein Ruck an der Schnur, und das verschwommene Licht bewegte sich heftig hin und her. Eine dritte Hürde wurde abgeworfen, und plötzlich tauchte die Laterne aus dem Nebel auf. Eine Hand packte Bunter am Fußgelenk.

»Wo ist der andere?«

»Hier - fast bis zum Hals drin. Habt ihr ein Seil?«

»Klar. Jim! Das Seil!«

Das Seil kam durch den Nebel gezischt. Bunter packte es und schlang es seinem Gebieter um die Brust.

»Jetzt - komm du da raus und zieh mit.«

Bunter schob sich vorsichtig rückwärts auf die Hürde. Alle drei packten das Seil. Es war, als müßten sie die Erde aus ihrer Bahn ziehen.

»Ich glaube, ich bin an Australien festgewachsen«, keuchte Peter in entschuldigendem Ton. Bunter schwitzte und schluchzte.

»Gut so - jetzt kommt er!«

Langsam, Zentimeter für Zentimeter, gab das Moor nach. Ihre Muskeln waren zum Zerreißen gespannt.

Plötzlich, mit einem lauten Plop, ließ das Moor sein Opfer los. Die drei am Seil flogen längelang auf die Hürden. Etwas Unkenntliches, Morastiges lag hilflos auf der Hürde und versuchte sich zu erheben. Sie zogen fast verzweifelt weiter an ihm, als fürchteten sie, er könne ihnen wieder vor der Nase weggeschnappt werden. Übler Moorgestank stieg ringsum hoch. Sie brachten die erste Hürde hinter sich - die zweite -die dritte - und richteten sich schwankend auf festem Boden auf.

»Ekelhafte Stelle hier«, sagte Lord Peter schwach, »'tschuldigung, dumm von mir, das zu vergessen - wie heißt ihr?«

»Na, das war aber 'n Glück«, sagte einer seiner Retter. »Wir ham gedacht, da schreit einer. Aus dem Peter's Pott kommen wenige wieder raus, glaub ich - tot oder lebendig.«

»Diesmal war Peter wirklich fast im Pott«, sagte Seine Lordschaft und fiel in Ohnmacht.

Lord Peters Einzug ins Bauernhaus von Grider's Hole an diesem Abend sollte in seiner Erinnerung immer etwas Alptraumhaftes haben. Nebelschwaden begleiteten sie, als sie die Tür öffneten, und dazwischen dampfte der Feuerschein.

Eine Hängelampe sorgte für trübes Licht. Mrs. Grimethorpes Medusenhaupt, erschreckend weiß zwischen ihrem schwarzen Haar, sah ihn von oben bis unten an. Eine haarige Pranke packte sie bei der Schulter und riß sie zur Seite.

»Schamlos! Ein Mann - irgendein Mann - was anders hast du nicht im Kopf. Warte gefälligst, bis du gerufen wirst. Was ist hier los?«

Stimmen - Stimmen - und so viele wild starrende Gesichter auf allen Seiten.

»Peter's Pott? Und was hattet ihr nachts um die Zeit im Moor zu suchen?«

Einer der Männer, ein Landarbeiter mit verwachsenen Schultern und schmalem, boshaftem Gesicht, stimmte plötzlich ein unmelodisches Lied an:

»Ich wollt ein Mädchen freien gehen imIlkley-Moor ohn'Hut.«

»Halt die Schnauze!« schrie Grimethorpe in höchster Wut. »Du willst wohl, daß ich dir jeden Knochen im Leib einzeln breche, was?« Er wandte sich an Bunter. »Haut bloß hier ab, ihr beide, sag ich. Ihr seid auf nichts Gutes aus.«

»Aber William -« begann seine Frau. Er fuhr zu ihr herum wie ein bissiger Hund, und sie wich ängstlich zurück.

»Nun mal langsam, langsam«, sagte ein Mann, den Wimsey undeutlich als den erkannte, mit dem er sich bei seinem ersten Besuch hier angefreundet hatte, »du mußt sie für die Nacht aufnehmen, glaub ich, sonst kriegst du 'n Haufen Ärger mit denen im Jagdhaus, und von der Polizei red ich erst gar nicht. Wenn der Mann hier was Unrechtes wollte, hat er sich selbst am meisten geschadet. Heute nacht tut der jedenfalls nichts mehr - guck ihn dir doch an. Bring ihn ans Feuer, Mann«, fuhr er, an Bunter gewandt, fort und sprach dann wieder auf den Bauern ein. »Ins Kittchen kommst du, wenn der uns hier an Lungenentzündung oder Rheumatismus stirbt.«

Dieses Argument schien Grimethorpe teils einzuleuchten. Er gab brummend den Weg frei, und die beiden durchgefrorenen und erschöpften Männer wurden ans Feuer geführt. Jemand brachte ihnen zwei große, dampfende Becher Grog. Wimseys Kopf schien klar zu werden, dann verschwamm ihm alles wieder schläfrig und trunken vor den Augen.

Wenig später fühlte er sich eine Treppe hinaufgetragen und in ein Bett gelegt. Es war ein großes, altmodisches Zimmer mit einem Feuer im Kamin und einem großen, düsteren Himmelbett. Bunter half ihm aus den durchnäßten Kleidern und rieb ihn ab. Von Zeit zu Zeit erschien noch ein anderer Mann, um ihm zu helfen. Von unten ertönte Grimethorpes gotteslästerliches Gebrüll. Dann wieder der rauhe, blecherne Gesang des buckligen Mannes:

»Dann fressen dich die Würmer auf Im Ilkley-Moor ohn' Hut...

Dann fressen die Enten die Würmer auf Im Ilkley-Moor ohn' Hut...«

Lord Peter rollte ins Bett.

»Bunter - wo - wie geht's Ihnen überhaupt? Hab mich gar nicht bei Ihnen bedankt - weiß nicht mehr, was ich tue - nur noch schlafen - was?«

Er versank schnell ins Reich der Träume. Von unten drang höhnisch dieses alte Lied herauf und durchwob seinen Schlaf mit schaurigen Bildern:

Dann essen wir die Enten auf

Im Ilkley-Moor ohn' Hut...

Als Wimsey als nächstes wieder die Augen aufschlug, zwängte sich eine blasse Novembersonne durchs Fenster herein. Der Nebel hatte sich offenbar nach erfüllter Mission zurückgezogen. Eine Zeitlang lag Wimsey da und wußte nicht genau, wie er dahingekommen war, wo er sich befand; dann traten die Umrisse der Erinnerungen deutlicher hervor, die schemenhaften Vorposten seiner Träume wurden zurückgerufen, die Bürde seiner eigentlichen Aufgabe legte sich auf ihn wie gewöhnlich. Er fühlte eine unerhörte körperliche Mattigkeit und einen ziehenden Schmerz in seinen überanstrengten Schultermuskeln. Er untersuchte sich flüchtig und entdeckte die Quetschungen und Hautabschürfungen, die das rettende Seil unter seinen Achselhöhlen und ringförmig um Brust und Rücken hinterlassen hatte. Jede Bewegung tat ihm weh, und so legte er sich wieder zurück und schloß die Augen.

Bald ging die Tür auf, und herein kam Bunter, korrekt angezogen und ein Tablett auf der Hand, von dem ein herrlicher Duft nach Schinken und Ei ausging.

»Hallo, Bunter!«

»Guten Morgen, Mylord! Ich hoffe, Eure Lordschaft haben wohl geruht.«

»Danke, ich fühle mich munter wie ein Fisch - wieso eigentlich Fisch? -, nur daß ich mir ganz allgemein so vorkomme, als hätte mich einer mit eisernen Fingern und knubbligen Gelenken massiert. Und wie geht's Ihnen?«

»Danke, Mylord, meine Arme sind ein wenig ermüdet, aber sonst kann ich zu meiner Freude sagen, daß ich keinerlei Nachwirkungen unseres Mißgeschicks verspüre. Gestatten, Mylord.« Er setzte das Tablett behutsam auf Lord Peters hochgezogene Knie.

»Ihre Arme müssen sich doch anfühlen wie ausgerissen«, sagte Seine Lordschaft, »nachdem sie mich so entsetzlich lange haben halten müssen. Ich stehe schon so unverschämt tief in Ihrer Schuld, Bunter, daß jeder Versuch, sie zurückzuzahlen, von vornherein sinnlos wäre. Aber daß ich es Ihnen nie vergessen werde, wissen Sie ja, oder? Schon gut, ich will Sie nicht verlegen machen - jedenfalls tausend Dank. Das wär's. Wie? Hat man Ihnen auch einen anständigen Platz zum Schlafen gegeben? Ich habe wohl gestern abend überhaupt nichts mehr mitgekriegt.«

»Ich habe ausgezeichnet geschlafen, danke, Mylord.« Mr. Bunter zeigte auf eine Art Rollbett in einer Ecke des Zimmers. »Man hätte mir auch ein anderes Zimmer angewiesen, Mylord, aber unter den gegebenen Umständen habe ich es vorgezogen, in der Nähe Eurer Lordschaft zu bleiben, und hoffe, daß Sie mir diese Freiheit nicht übelnehmen. Ich habe den Leuten gesagt, daß ich ungünstige Auswirkungen des langen Aufenthalts im Moor auf Eurer Lordschaft Gesundheit befürchtete. Außerdem waren mir Mr. Grimethorpes Absichten nicht geheuer. Ich fürchtete, er sei vielleicht nicht allzu gastfreundlich aufgelegt und möchte sich womöglich zu einer übereilten Tat hinreißen lassen, wenn wir nicht zusammen wären.«

»Würde mich nicht wundern. So ein mordlüsternes Gesicht habe ich noch nie gesehen. Ich werde heute früh mal mit ihm reden müssen - oder mit Mrs. Grimethorpe. Möchte schwören, daß sie uns etwas erzählen kann, wie?«

»Ich würde sagen, daran dürfte kein Zweifel bestehen, Mylord.«

»Die Schwierigkeit ist nur«, sagte Seine Lordschaft mit einem Mund voll Ei, »daß ich nicht weiß, wie ich an sie herankommen soll. Ihr fideler Ehemann scheint jeden in Hosen, der sich in diese Gegend verläuft, aufs Übelste zu verdächtigen. Wenn er herauskriegte, daß wir sozusagen unter vier Augen mit ihr gesprochen hätten, würde er sich vielleicht, wie Sie es ausdrücken, von seinen Gefühlen zu einer sehr bedauerlichen Handlung hinreißen lassen.«

»So ist es, Mylord.«

»Aber irgendwann muß der Kerl sich ja auch mal um seine blöde Wirtschaft kümmern, und dann können wir sie uns vielleicht vorknöpfen. Merkwürdige Sorte von Frau -irgendwie Klasse, wie? Möchte wissen, was sie von Cathcart gehalten hat«, fügte er nachdenklich hinzu.

Mr. Bunter enthielt sich einer Stellungnahme zu diesem heiklen Thema.

»Nun, Bunter, ich glaube, ich werde jetzt mal aufstehen. Ich habe das Gefühl, daß wir hier nicht so ganz willkommen sind. Die Blicke unseres Gastgebers gestern abend haben mir nicht gefallen.«

»Mir auch nicht, Mylord. Und er hat sich sehr dagegen gesträubt, daß Eure Lordschaft dieses Zimmer hier bekommen sollten.«

»Warum? Wessen Zimmer ist das denn?«

»Seines und Mrs. Grimethorpes, Mylord. Es erschien am geeignetsten, da es eine Heizmöglichkeit hatte und das Bett bereits gemacht war. Mrs. Grimethorpe war sehr freundlich, Mylord, und der Knecht namens Jake hat Mr. Grimethorpe darauf hingewiesen, daß es sicherlich zu seinem finanziellen Vorteil wäre, Eure Lordschaft zuvorkommend zu behandeln.«

»Hm. Ein einnehmendes Wesen, wie? Na ja, wir machen uns jedenfalls davon. Mein Gott, bin ich steif! Sagen Sie, Bunter, hab ich überhaupt etwas zum Anziehen?«

»Ich habe Ihre Kleidung getrocknet und ausgebürstet, so gut es ging, Mylord. Sie ist nicht so geworden, wie ich es mir gewünscht hätte, Mylord, aber ich glaube, Eure Lordschaft können sie bis Riddlesdale tragen.«

»Nun, die Straßen werden ja nicht gerade von Menschen wimmeln«, entgegnete Seine Lordschaft. »Aber was gäbe ich um ein heißes Bad! Wie steht's mit Rasierwasser?«

»Ich kann welches aus der Küche besorgen, Mylord.«

Bunter trollte sich, und Lord Peter trat, nachdem er sich unter Ächzen und Stöhnen mit Hemd und Hose bekleidet hatte, ans Fenster. Wie bei abgehärteten Landbewohnern üblich, war es fest verschlossen, und der Schiebeteil war mit einem dicken Papierkeil festgeklemmt, damit er nicht klapperte. Peter zog den Keil heraus und schob das Fenster hoch. Der Wind kam hereingetollt und brachte torfige Moorgerüche mit. Er sog sie dankbar ein. Es war schön, nach allem die gute alte Sonne wiederzusehen - er wäre nicht gern einen ekligen Tod im Peter's Pott gestorben. Ein paar Minuten blieb er so stehen und dankte still für die Vorzüge des Daseins. Dann zog er sich zurück, um sich fertig anzuziehen. Den Papierkeil hatte er noch in der Hand und schickte sich gerade an, ihn ins Feuer zu werfen, als ihm ein Wort ins Auge fiel. Er faltete das Papier auseinander. Während er las, zogen sich seine Augenbrauen hoch, und sein Mund spitzte sich zu einem unbeschreiblichen Ausdruck wunderlicher Erleuchtung. Bunter, der eben mit dem Wasser wiederkam, traf seinen Herrn wie verzaubert an, das Blatt Papier in der einen Hand, die Socken in der anderen und eine schwierige Passage von Bach auf tonlos pfeifenden Lippen.

»Bunter«, sagte Seine Lordschaft, »ich bin, ohne Ausnahme, der größte Esel des Abendlandes. Wenn ich etwas unmittelbar vor der Nase habe, sehe ich es nicht. Ich nehme mir ein Teleskop und suche die Erklärung in Stapley. Man sollte mich mit dem Kopf nach unten ans Kreuz schlagen, um mich von meiner Gehirnanämie zu heilen. Jerry, Jerry! Aber klar doch, natürlich, du Obertrottel, liegt es denn nicht auf der Hand? So ein Dummkopf! Warum konnte er das denn nicht Murbles oder mir sagen?«

Mr. Bunter trat näher, ein Bild respektvoller Neugier.

»Sehen Sie sich das an - sehen Sie sich das an!« sagte Wimsey unter hysterischem Lachen. »Mein Gott, mein Gott! Klemmt ihn in den Fensterrahmen, damit ihn jeder finden kann! Echt Jerry. Setzt in mannsgroßen Buchstaben seinen Namen unter die Geschichte, läßt das Ganze sichtbar herumliegen, geht weg und hüllt sich galant in Schweigen.«

Mr. Bunter stellte den Wasserkrug auf den Waschständer, damit es kein Unglück damit gab, und nahm das Blatt.

Es war der verschwundene Brief von Tommy Freeborn.

Kein Zweifel. Da war er - der Beweis, der Denvers Aussage bestätigte. Mehr noch - er war zugleich sein Alibi für die Nacht vom 13. Juni.

Nicht Cathcart - Denver!

Denver hatte die Jagdgesellschaft im Oktober erneut nach Riddlesdale gebeten, wo sie im August die Saison eröffnet hatten. Denver hatte sich in einer Nacht, als Bauer Grimethorpe zum Maschinenkauf in Stapley war, um halb zwölf eilig aus dem Haus geschlichen und war zweieinhalb Meilen weit durch die Felder gewandert. Denver hatte in einer stürmischen Nacht ein klapperndes Fenster achtlos mit einem wichtigen Brief festgeklemmt, auf dem für jeden deutlich sein voller Titel stand. Denver war dann um drei Uhr morgens wie ein Kater wieder nach Hause getrottet und vor der Wintergartentür über die Leiche seines Gastes gestolpert. Denver mit seinen wohlgemeinten, dummen englisch-aristokratischen Ehrbegriffen war lieber eigensinnig ins Gefängnis gegangen, als seinem Anwalt zu sagen, wo er gewesen war. Denver hatte sie allesamt zu den abenteuerlichsten Spekulationen über die Lösung eines Rätsels veranlaßt, das jetzt so klar war wie sieben Sonnen. Denvers Stimme war es, die diese Frau an jenem denkwürdigen Tag zu erkennen geglaubt hatte, als sie sich in die Arme seines Bruders warf. Denver hatte in aller Seelenruhe die große, schwerfällige Maschinerie eines Verfahrens vor seinen noblen Standesgenossen in Gang gesetzt, um den Ruf einer Frau zu schützen.

Wahrscheinlich tagte eben heute ein Ausschuß von Oberhausmitgliedern, um »die Journale dieses hohen Hauses nach früheren Gerichtsverfahren gegen Mitglieder desselben zu sichten, damit die Verhandlung gegen den Herzog von Denver zügig vonstatten gehen und dem hohen Hause ein Bericht über die für geeignet gehaltenen Maßnahmen vorgelegt werden kann«. Da saßen sie nun wohl und beschlossen, Seiner Majestät durch die Lords mit weißen Stäben eine Botschaft zu übersenden, in der Seine Majestät vom vorgesehenen Prozeßdatum in Kenntnis gesetzt werden solle; organisierten die Herrichtung der Königlichen Galerie in Westminster; baten untertänigst um die Gestellung ausreichender Polizeikräfte zum Schutz der Oberhauseingänge; ersuchten Seine Majestät, gnädigst einen Großhofmeister zu ernennen; verfügten in schafsgleicher Berufung auf Präzedenzfälle, daß alle Lords aufzufordern seien, in ihren Roben zu erscheinen; daß jeder Lord sein Urteil auf Ehre und Gewissen zu fällen und dies durch Auflegen der rechten Hand aufs Herz zu bekräftigen habe; daß der Zeremonienmeister im Hause zugegen sein solle, um im Namen des Königs um Ruhe zu bitten - und so weiter und so fort, ohne Ende. Und hier im Fensterrahmen steckte dieses angeschmutzte Stück Papier, das bei früherer Entdeckung die ganze pompöse Zeremonie überflüssig gemacht hätte.

Wimseys Abenteuer im Moor hatte seine Nerven angegriffen. Er setzte sich aufs Bett und lachte, während ihm die Tränen übers Gesicht strömten.

Mr. Bunter war sprachlos. Sprachlos holte er ein Rasiermesser hervor - und bis ans Ende seiner Tage hat Wimsey nie erfahren, wie oder von wem er es sich so schnell besorgt hatte - und begann es nachdenklich auf seinem Handteller abzustreichen.

Nach einer Weile nahm Wimsey sich zusammen und wankte zum Fenster, um sich von der Moorluft ein wenig ab kühlen zu lassen. In diesem Augenblick schlug ein fürchterlicher Lärm an seine Ohren, und er erblickte unten im Hof Bauer Grimethorpe, der zwischen seinen Hunden auf und ab ging; wenn sie heulten, schlug er mit der Peitsche nach ihnen, und dann heulten sie von neuem. Plötzlich sah er zum Fenster empor, und ein solch unverhohlener Haß stand in seinem Gesicht, daß Wimsey, wie von einem Schlag getroffen, rasch einen Schritt zurückwich.

Während Bunter ihn rasierte, schwieg er.

Die Unterredung, die Lord Peter auf sich zukommen sah, war heikler Natur; die Situation, wie immer man sie sah, war unerquicklich. Er war seiner Gastgeberin sehr zu Dank verpflichtet; auf der anderen Seite ließ Denvers Lage solche Rücksichten in den Hintergrund treten. Dennoch war sich Seine Lordschaft noch nie im Leben so schäbig vorgekommen wie jetzt, als er in Grider's Hole die Treppe hinunterging.

In der großen Küche stand eine dicke Magd und rührte in einem Kessel mit Eintopf. Er fragte nach Mr. Grimethorpe und erhielt die Auskunft, daß er fortgegangen sei.

»Könnte ich dann wohl mit Mrs. Grimethorpe sprechen?«

Die Frau sah ihn skeptisch an, dann wischte sie sich die Hände an der Schürze ab, ging in die Spülküche und rief: »Mrs. Grimethorpe!« Von irgendwoher draußen antwortete eine Stimme.

»Der Herr will Sie sprechen.«

»Wo ist denn Mrs. Grimethorpe?« fragte Peter rasch.

»In der Käserei, glaub ich.«

»Ich gehe zu ihr hinaus«, sagte Wimsey und war schon draußen. Er ging durch die gekachelte Spülküche und dann über einen Hof, gerade als Mrs. Grimethorpe gegenüber aus einem dunklen Eingang trat.

Wie sie da im Türrahmen stand, kaum daß die kalte Sonne ihr starres, totenbleiches Gesicht und das füllige dunkle Haar berührte, war sie schöner denn je. In den großen dunklen Augen und den geschwungenen Lippen war nicht die Spur von Yorkshire-Blut zu entdecken. Die Form der Nase und Wangenknochen sprach von einer unendlich fernen Herkunft; wie sie dort aus der Dunkelheit kam, hätte sie soeben ihrem Grabmal bei den Pyramiden entstiegen sein und sich die vertrockneten, balsamierten Mumientücher von den Händen gestreift haben können.

Lord Peter riß sich zusammen.

»Fremdländisch«, sagte er ruhig bei sich. »Leichter jüdischer - oder spanischer? - Einschlag. Bemerkenswerter Typ. Kann es Jerry nicht verdenken. Würde es ja selbst nicht bei Helen aushalten. Und jetzt los.«

Er trat schnell auf sie zu.

»Guten Morgen«, sagte sie. »Geht es Ihnen jetzt besser?«

»Danke, ausgezeichnet - dank Ihrer Güte, von der ich nicht weiß, wie ich sie Ihnen vergelten soll.«

»Sie vergelten mir jede Güte am besten, indem Sie sofort gehen«, antwortete sie mit ihrer wie abwesend klingenden Stimme. »Mein Mann mag keine Fremden, und Ihre erste Begegnung ist sehr unglücklich verlaufen.«

»Ich gehe auch gleich. Aber zuerst muß ich Sie um ein kurzes Wort bitten.« Er sah an ihr vorbei in die Düsternis der Käserei. »Vielleicht da drinnen?«

»Was wollen Sie von mir?«

Trotzdem trat sie zurück und gestattete ihm, ihr zu folgen.

»Mrs. Grimethorpe, ich befinde mich in einer äußerst peinlichen Lage. Sie wissen, daß mein Bruder, der Herzog von Denver, im Gefängnis sitzt und wegen eines Mordes angeklagt werden soll, der in der Nacht des 13. Oktober geschehen ist?«

Ihr Gesicht zeigte keine Regung. »Ich weiß davon.«

»Er weigert sich auf das entschiedenste, zu sagen, wo er in der betreffenden Nacht zwischen elf und drei Uhr war. Seine Weigerung bringt ihn in große Lebensgefahr.«

Sie sah ihn fest an.

»Er fühlt sich bei seiner Ehre verpflichtet zu schweigen, aber ich weiß, daß er einen Entlastungszeugen beibringen könnte, wenn er spräche.«

»Es scheint ein Mann von Ehre zu sein.« Ihre kalte Stimme schwankte ein wenig, fing sich aber gleich wieder.

»Ja. Zweifellos tut er aus seiner Sicht das Richtige. Sie werden jedoch verstehen, daß ich als sein Bruder natürlich darauf bedacht bin, die Dinge ins rechte Licht zu rücken.«

»Ich weiß nicht, warum Sie mir das sagen. Wenn es etwas Ehrenrühriges ist, will er es wahrscheinlich nicht bekannt werden lassen.«

»So sieht es aus. Aber für uns - seine Frau und seinen kleinen Sohn sowie seine Schwester und mich - stehen sein Leben und seine Sicherheit an erster Stelle.«

»Noch vor seiner Ehre?«

»Das Geheimnis ist zwar auf gewisse Weise entehrend und wird seiner Familie unangenehm sein. Aber es wäre noch unendlich entehrender, wenn er wegen Mordes hingerichtet würde. In diesem Falle würde die Schande auf alle fallen, die seinen Namen tragen. Die Schande der Wahrheit wird, wie ich fürchte, in dieser unserer höchst ungerechten Gesellschaft mehr auf diejenige fallen, die sein Alibi bezeugt, als auf ihn selbst.«

»Können Sie dann von dieser Zeugin erwarten, daß sie sich meldet?«

»Um die Verurteilung eines Unschuldigen zu verhindern? Ja, ich glaube sogar das erwarten zu dürfen.«

»Ich frage noch einmal - warum erzählen Sie das alles mir?«

»Weil Sie, Mrs. Grimethorpe, besser wissen als ich, wie unschuldig mein Bruder an diesem Mord ist. Glauben Sie mir, es schmerzt mich sehr, Ihnen das sagen zu müssen.«

»Ich weiß nichts von Ihrem Bruder.«

»Verzeihung, aber das ist nicht wahr.«

»Ich weiß nichts. Und vor allem sollten Sie, wenn der Herzog nicht reden will, seine Gründe respektieren.«

»Ich bin in keiner Weise gebunden.«

»Ich fürchte, da kann ich Ihnen auch nicht helfen. Sie verschwenden Ihre Zeit. Wenn Sie Ihren fehlenden Zeugen oder die Zeugin nicht aufbieten können, warum versuchen Sie dann nicht, den wirklichen Mörder zu finden? Wenn Sie das tun, brauchen Sie sich um dieses Alibi gewiß nicht zu kümmern. Wo Ihr Bruder war, ist allein seine Sache.«

»Ich wollte«, sagte Wimsey, »Sie würden sich nicht auf diesen Standpunkt stellen. Glauben Sie mir, ich hätte alles in meinen Kräften Stehende getan, um Sie zu schonen. Ich habe mir die allergrößte Mühe gegeben, den wirklichen Mörder zu finden, wie Sie mir raten, aber ohne Erfolg. Der Prozeß wird voraussichtlich Ende dieses Monats stattfinden.«

Ihre Lippen zuckten bei dieser Mitteilung ein wenig, aber sie sagte nichts.

»Ich hatte gehofft, wir könnten uns mit Ihrer Hilfe auf irgendeine Erklärung einigen - es müßte vielleicht nicht die ganze Wahrheit sein, aber immerhin so viel, daß mein Bruder entlastet würde. Nach Lage der Dinge fürchte ich allerdings, daß ich den Beweis, den ich habe, vorlegen muß, und dann wird alles seinen Lauf nehmen.«

Das endlich wirkte. Ihre Wangen liefen dunkelrot an; ihre eine Hand krallte sich um den Griff des Butterfasses.

»Was meinen Sie mit Beweis?«

»Ich kann beweisen, daß mein Bruder in der Nacht des 13. Oktober in dem Zimmer gewesen ist, in dem ich letzte Nacht geschlafen habe«, sagte Wimsey mit wohlberechneter Brutalität.

Sie zuckte zusammen. »Das ist gelogen. Sie können das nicht beweisen. Er wird es abstreiten. Ich werde es abstreiten.«

»Er war also nicht da?«

»Nein.«

»Wie kommt dann das hier in den Rahmen Ihres Schlafzimmerfensters?«

Beim Anblick des Briefes brach sie zusammen und taumelte gegen den Tisch. Ihre starren Gesichtszüge verzerrten sich zu einer Maske blanken Entsetzens.

»Nein, nein, nein! Das ist nicht wahr! Gott steh mir bei!«

»Still doch!« sagte Wimsey gebieterisch. »Sonst hört Sie noch einer.« Er half ihr auf die Beine. »Sagen Sie die Wahrheit, und wir wollen sehen, ob es nicht einen Ausweg gibt. Es ist wahr - er war in dieser Nacht hier?«

»Sie wissen es doch.«

»Wann ist er gekommen?«

»Viertel vor zwölf.«

»Wer hat ihn ins Haus gelassen?«

»Er hatte die Schlüssel.«

»Wann hat er Sie verlassen?«

»Kurz nach zwei.«

»Ja, das paßt. Eine Dreiviertelstunde für den Hinweg und eine Dreiviertelstunde für den Rückweg. Das hier hat er zwischen die Fenster geklemmt, nehme ich an, damit sie zu klappern aufhörten?«

»Es war so ein starker Wind - ich war nervös. Bei jedem Geräusch habe ich gedacht, das ist mein Mann, der zurückkommt.«

»Wo war Ihr Mann?«

»In Stapley.«

»Hatte er einen Verdacht?«

»Eine Zeitlang ja.«

»Seit mein Bruder im August hiergewesen war?«

»Ja. Aber er konnte nichts beweisen. Wenn er einen Beweis gefunden hätte, er hätte mich umgebracht. Sie haben ihn ja erlebt. Er ist ein Teufel.«

»Mhm.«

Wimsey schwieg. Die Frau sah ihm angstvoll ins Gesicht und schien dort eine gewisse Hoffnung zu lesen, denn sie umklammerte seinen Arm.

»Wenn Sie mich als Zeugin aufrufen«, sagte sie, »dann weiß er es. Dann wird er mich umbringen. Haben Sie doch um Gottes willen Mitleid! Dieser Brief ist mein Todesurteil. Bei der Mutter, die Sie geboren hat, haben Sie Erbarmen mit mir. Mein Leben ist schon die Hölle, und wenn ich sterbe, werde ich zur Hölle fahren für meine Sünde. Finden Sie einen anderen Ausweg - Sie können es - Sie müssen es.«

Wimsey machte sich sanft von ihr los.

»Nicht, Mrs. Grimethorpe. Man könnte uns sehen. Es tut mir außerordentlich leid um Sie, und wenn ich meinen Bruder da herausholen kann, ohne Sie mit hineinzuziehen, verspreche ich Ihnen, das zu tun. Aber Sie sehen, wie schwierig es ist. Warum verlassen Sie diesen Mann nicht einfach? Jeder weiß doch, wie brutal er Sie behandelt.«

Sie lachte.

»Glauben Sie, er würde mich am Leben lassen, bis das Gesetz mich endlich von ihm befreit hätte? Sie kennen ihn doch. Glauben Sie das?«

Wimsey glaubte es wirklich nicht.

»Ich verspreche Ihnen eines, Mrs. Grimethorpe. Ich will mit allen Mitteln zu vermeiden versuchen, daß ich auf Sie als Zeugin zurückgreifen muß. Wenn es aber nicht anders gehen sollte, werde ich dafür sorgen, daß Sie vom Augenblick der Vorladung an unter Polizeischutz stehen.«

»Bis an mein Lebensende?«

»Wenn Sie erst in London sind, werden wir zusehen, daß Sie von diesem Mann freikommen.«

»Nein. Sowie Sie mich hinzuziehen, bin ich verloren. Aber Sie werden einen anderen Weg finden?«

»Ich will es versuchen, aber versprechen kann ich nichts. Ich werde alles tun, was möglich ist, um Sie zu schützen. Wenn Ihnen an meinem Bruder irgend etwas liegt -«

»Das weiß ich nicht. Ich habe so schreckliche Angst. Er war gut und freundlich zu mir. Er war - so anders. Aber ich habe Angst - Angst.«

Wimsey drehte sich um. Ihre entsetzten Augen hatten den Schatten über die Schwelle huschen sehen. Grimethorpe stand in der Tür und funkelte sie beide böse an.

»Ah, Mr. Grimethorpe«, rief Wimsey fröhlich, »da sind Sie ja! Freut mich außerordentlich, Sie noch zu sehen und Ihnen danken zu können, daß Sie mich aufgenommen haben. Das habe ich eben zu Ihrer Frau gesagt und sie gebeten, Ihnen in meinem Namen auf Wiedersehen zu sagen. Ich muß jetzt leider fort. Bunter und ich sind Ihnen beiden überaus dankbar für Ihre Freundlichkeit. Ach ja, und könnten Sie mir diese kräftigen Jungs mal herbringen, die uns gestern nacht aus Ihrem Moorloch herausgezogen haben - falls es Ihres ist? Häßliche Sache, so was vor seiner Haustür zu haben, wie? Ich möchte den Herren danken.«

»Aber gut für unwillkommene Gäste«, entgegnete der Mann wütend. »Und Sie verschwinden hier lieber, bevor ich Sie rausschmeiße.«

»Bin schon weg«, sagte Peter. »Nochmals auf Wiedersehen, Mrs. Grimethorpe, und tausend Dank.«

Er rief Bunter zu sich, entlohnte seine Retter angemessen, nahm liebevollen Abschied von dem tobenden Bauern und ging seines Weges, wund am Körper und zutiefst verwirrt im Herzen.

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