Die grünäugige Katze


»Und ein Schluck für den Hund mit der Nase am Grund -«

Drink, Puppy, drink


Es gibt Leute, für die das Frühstück die beste Mahlzeit des Tages ist. Andere, weniger robuste, halten es für die schlechteste, und das schlechteste von allen Frühstücken der Woche ist für sie das Sonntagmorgenfrühstück.

Von denen, die um den Frühstückstisch des Jagdhauses versammelt saßen, fand, nach ihren Gesichtern zu urteilen, keiner Gefallen an diesem Tag, der fälschlicherweise Tag der süßen Erquickung und heiligen Liebe genannt wurde. Der einzige am Tisch, der weder verärgert noch verlegen wirkte, war der Ehrenwerte Freddy Arbuthnot, der sich schweigend bemühte, dem Bückling auf seinem Teller die ganze Gräte auf einmal herauszunehmen. Allein das Vorhandensein eines so gewöhnlichen Fisches auf dem Frühstückstisch der Herzogin ließ auf einen leicht aus den Fugen geratenen Haushalt schließen.

Die Herzogin von Denver schenkte Kaffee ein. Das war eine ihrer ungemütlichen Angewohnheiten. Wer zu spät zum Frühstück erschien, bekam auf diese Weise seine Faulheit schmerzlich unter die Nase gerieben. Die Herzogin war eine Frau mit langem Hals und langem Rücken und hielt ihre Haare ebenso streng in Zucht wie ihre Kinder. Sie geriet nie in Verlegenheit, und das machte ihre Verärgerung, auch wenn sie nie sichtbar wurde, um so fühlbarer.

Oberst Marchbanks und seine Frau saßen nebeneinander. Das einzige Schöne an ihnen war ihre unerschütterliche Zuneigung füreinander. Mrs. Marchbanks war nicht verärgert, aber die Anwesenheit der Herzogin machte sie verlegen, weil sie kein Mitleid mit ihr haben konnte. Wenn ein Mensch einem leid tat, sagte man »armes Ding« oder »armer Kerl« zu ihm. Da man nun aber zur Herzogin nicht gut »armes Ding« sagen konnte, bemitleidete man sie eben auch nicht so, wie es sich gehörte. Das bekümmerte Mrs. Marchbanks. Der Oberst war sowohl verärgert als verlegen - verlegen, weil man, meiner Seel, in einem Haus, wo der Gastgeber wegen Mordes verhaftet worden war, wirklich nicht wußte, was man reden sollte; verärgert war er ohne bestimmten Grund, mehr wie ein gereiztes Tier, weil solche Dinge nun einmal nicht mitten in der Jagdsaison zu passieren hatten.

Mrs. Pettigrew-Robinson war nicht nur verärgert, sie war empört. Als junges Mädchen hatte sie sich bereits das Motto auf dem Schreibpapier ihrer Schule zu eigen gemacht: Quaecunque honesta. Sie hatte es schon immer als unschicklich empfunden, sich an Dingen aufzuhalten, die nicht wirklich schön waren. Und nun, in der Lebensmitte, ignorierte sie immer noch geflissentlich solche Zeitungsmeldungen, die Überschriften wie Angriff auf lehrer in cricklewood, tod IM BIERGLAS, 75 £ FÜR EINEN KUSS oder SIE NANNTE IHN knubbelchen trugen. Sie sagte, sie sehe nicht, wozu es gut sei, so etwas zu wissen. Jetzt bedauerte sie, daß sie dem Besuch in Riddlesdale Lodge in Abwesenheit der Herzogin zugestimmt hatte. Lady Mary hatte sie noch nie leiden können; sie war in ihren Augen ein höchst unerfreuliches Exemplar der modernen, unabhängigen jungen Frau; außerdem hatte es doch da so eine unwürdige Geschichte mit einem Bolschewisten gegeben, als Lady Mary sich während des Krieges in London als Krankenschwester betätigt hatte. Auch für Hauptmann Cathcart hatte Mrs. Pettigrew-Robinson nie viel übriggehabt. Sie mochte so auffallend gut aussehende Männer nicht. Aber Mr. Pettigrew-Robinson hatte unbedingt nach Riddlesdale kommen wollen, und da war ihr Platz natürlich an seiner Seite. Den unerfreulichen Ausgang konnte man ihr jedenfalls nicht vorhalten.

Mr. Pettigrew-Robinson war einfach deshalb verärgert, weil dieser Kriminalbeamte von Scotland Yard seine Hilfe bei der Spurensuche im Haus und Garten nicht angenommen hatte. Als älterer Herr mit einiger Erfahrung in diesen Dingen (Mr. Pettigrew-Robinson war Friedensrichter) hatte er sich wahrhaftig tief herabgelassen, als er sich dem jungen Mann zur Verfügung stellte. Der aber war ihm nicht nur über den Mund gefahren, er hatte ihn sogar barsch aus dem Wintergarten gewiesen, wo er (Mr. Pettigrew-Robinson) den Vorfall aus Lady Marys Sichtwinkel hatte rekonstruieren wollen.

Alle diese Peinlichkeiten und Ärgernisse hätten nun der Jagdgesellschaft weniger Kummer bereitet, wären sie nicht noch verschlimmert worden durch die ständige Anwesenheit dieses Kriminalbeamten, eines stillen jungen Mannes im Tweedanzug, der am einen Ende des Tisches neben Mr. Murbles, dem Rechtsbeistand der Familie, saß und Curry aß. Der Mann war am Freitag aus London gekommen, hatte der hiesigen Polizei dreingeredet und sich entschieden von Inspektor Craikes' Ansichten distanziert. Vor Gericht hatte er Informationen zurückgehalten, die, wenn er sie preisgegeben hätte, vielleicht die Verhaftung des Herzogs hätten verhindern können. Dann hatte er die unglückliche Jagdgesellschaft amtlich mit der Begründung hier festgehalten, er wolle sich jeden noch einmal einzeln vornehmen, wodurch sie gezwungen waren, einen ganzen gräßlichen Sonntag in drangvoller Enge miteinander zu verbringen; und all diesen Missetaten hatte er dann noch die Krone aufgesetzt, indem er sich als enger Freund Lord Peter Wimseys entpuppte, dem man infolgedessen auch noch ein Bett im Haus des Wildhüters und Frühstück im Jagdhaus anbieten mußte.

Mr. Murbles, ein älterer Herr mit empfindlichem Magen, war am Donnerstagabend eilends hergekommen. Er fand die gerichtliche Voruntersuchung unzulänglich geleitet und seinen Mandanten ganz und gar unmöglich. Die ganze Zeit hatte er verzweifelt versucht, Sir Impey Biggs zu erreichen, aber der Kronanwalt war übers Wochenende verreist und hatte keine Adresse hinterlassen. Mr. Murbles knabberte ein wenig trockenen Toast und war nicht abgeneigt, den Kriminalbeamten, der ihn respektvoll mit »Sir« anredete und ihm die Butter reichte, sympathisch zu finden.

»Möchte jemand in die Kirche gehen?« fragte die Herzogin.

»Theodore und ich würden gern hinfahren«, sagte Mrs. Pettigrew-Robinson, »wenn es nicht zu viele Umstände macht; wir könnten aber auch zu Fuß gehen. So sehr weit ist es ja auch nicht.«

»Gute zweieinhalb Meilen«, warf Oberst Marchbanks ein.

Mr. Pettigrew-Robinson schenkte ihm einen dankbaren Blick.

»Natürlich fahren Sie im Wagen mit«, sagte die Herzogin. »Ich gehe ja selbst.«

»Was, das wollen Sie wirklich?« fragte der Ehrenwerte Freddy. »Ich meine, wird man Sie da nicht ein bißchen anstarren und so?«

»Bitte, Freddy«, antwortete die Herzogin, »spielt das denn eine Rolle?«

»Nun«, sagte der Ehrenwerte Freddy, »ich meine ja nur, das sind hier doch lauter Sozialisten und Methodisten ...«

»Wenn sie Methodisten sind«, erklärte Mrs. Pettigrew-Robinson, »werden sie nicht in der Kirche sein.«

»Wirklich nicht?« entgegnete der Ehrenwerte Freddy. »Verlassen Sie sich darauf, daß sie da sind, wenn es was zu sehen gibt. Das ist für die doch schöner als ein Begräbnis.«

»Auf jeden Fall«, stellte Mrs. Pettigrew-Robinson fest, »hat man in diesen Dingen eine Pflicht und darf auf seine persönlichen Gefühle keine Rücksicht nehmen - besonders heutzutage, wo die Leute so furchtbar lasch sind.«

Dabei sah sie den Ehrenwerten Freddy an.

»Oh, kümmern Sie sich nicht um mich«, entgegnete dieser junge Mann liebenswürdig. »Ich will ja nur sagen, wenn diese Tölpel Ihnen dumm kommen, machen Sie mir keine Vorwürfe.«

»Wer spricht denn davon, Ihnen Vorwürfe zu machen, Freddy?« meinte die Herzogin.

»Nur so eine Redensart«, sagte der Ehrenwerte Freddy.

»Was meinen Sie dazu, Mr. Murbles?« erkundigte sich die Herzogin.

»Ich meine«, sagte der Anwalt, indem er bedächtig seinen Kaffee umrührte, »daß Ihre Absicht durchaus bewundernswert ist und Ihnen sehr zur Ehre gereicht, liebe gnädige Frau, aber Mr. Arbuthnot hat auch recht, wenn er sagt, daß Sie sich der Gefahr eines - äh - unerfreulichen Aufsehens aussetzen. Ich -äh - bin immer ein aufrichtiger Christ gewesen, aber ich kann nicht glauben, daß unsere Religion von uns verlangt, uns unter so - äh - überaus peinlichen Umständen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu begeben.«

Mr. Parker fühlte sich an einen Ausspruch von Lord Melbourne erinnert.

»Nun, aber immerhin«, sagte Mrs. Marchbanks, »wie Helen ganz richtig sagt, was spielt es für eine Rolle? Es braucht sich ja niemand wirklich wegen irgend etwas zu schämen. Natürlich wurde ein dummer Fehler begangen, aber ich sehe nicht ein, warum man deshalb nicht in die Kirche gehen sollte, wenn man möchte.«

»Gewiß nicht, ganz gewiß nicht, meine Liebe«, sagte der Oberst herzlich. »Wir könnten sogar selbst hingehen, was? Einen Spaziergang in die Richtung machen, meine ich, und kurz vor der Predigt hineingehen. Ich glaube, das wäre gut. Würde jedenfalls zeigen, daß wir dem guten Denver nichts Unrechtes zutrauen.«

»Du vergißt, Lieber«, antwortete seine Frau, »daß ich der armen Mary versprochen habe, bei ihr zu bleiben.«

»Natürlich, natürlich - dumm von mir«, sagte der Oberst. »Wie geht's ihr denn?«

»Sie hat die ganze Nacht kein Auge zugetan, die Ärmste«, sagte die Herzogin, »vielleicht findet sie heute morgen ein wenig Schlaf. Es war ja so ein Schock für sie.«

»Der sich noch als Glück im Unglück entpuppen könnte«, meinte Mrs. Pettigrew-Robinson.

»Ich darf doch bitten!« sagte ihr Gatte.

»Möchte wissen, wann wir endlich von Sir Impey hören«, warf Oberst Marchbanks rasch ein.

»Ja, wirklich«, stöhnte Mr. Murbles. »Ich setze große Hoffnung in seinen Einfluß auf den Herzog.«

»Natürlich«, sagte Mrs. Pettigrew-Robinson, »er muß reden - zum Besten aller. Er muß sagen, was er um diese Zeit draußen getan hat. Oder wenn er es nicht sagt, muß man es anders herausbekommen. Meine Güte, dafür sind Detektive doch da, oder nicht?«

»Das gehört zu ihren undankbaren Aufgaben«, sagte Mr. Parker plötzlich. Er hatte so lange nichts gesagt, daß jetzt alles zusammenzuckte.

»Aha«, sagte Mrs. Marchbanks, »und ich erwarte, daß Sie den Fall im Handumdrehen aufklären werden, Mr. Parker. Vielleicht haben Sie den wirklichen Mör- ... den Missetäter schon die ganze Zeit in der Hinterhand.«

»Nicht ganz«, antwortete Mr. Parker, »aber ich will mir alle Mühe geben, ihn zu erwischen. Außerdem«, fuhr er grinsend fort, »werde ich wahrscheinlich bald Hilfe bekommen.«

»Von wem?« erkundigte sich Mr. Pettigrew-Robinson.

»Vom Schwager der gnädigen Frau.«

»Peter?« fragte die Herzogin. »Mr. Parker muß sich über den Amateurdetektiv der Familie nicht wenig amüsieren«, fügte sie hinzu.

»Ganz und gar nicht«, sagte Parker. »Wimsey könnte einer der besten Detektive Englands sein, wenn er nicht so bequem wäre. Wir können ihn zur Zeit nur nicht finden.«

»Ich habe nach Ajaccio telegrafiert - postlagernd«, sagte Mr. Murbles, »aber ich weiß nicht, wann er sich dort melden wird. Er hat niemandem gesagt, wann er wieder nach England zurückkommen will.«

»So ein alter Herumtreiber«, ließ der Ehrenwerte Freddy sich taktlos vernehmen. »Sollte jetzt aber lieber hier sein, wie? Ich meine, wenn dem alten Denver was passiert, nicht wahr, dann ist er doch das Oberhaupt der Familie - bis Denver junior volljährig ist.«

Mitten in die betretene Stille hinein, die auf diese Bemerkung folgte, hörte man draußen einen Spazierstock laut klappernd in den Schirmständer fallen.

»Wer mag das sein?« fragte die Herzogin.

Die Tür schwang auf.

»Schönen guten Morgen allerseits«, rief der Neuankömmling gutgelaunt. »Wie geht's, wie steht's? Hallo, Helen! Oberst, Sie schulden mir seit vorletztem September noch eine halbe Krone. Morgen, Mrs. Marchbanks, Morgen Mrs. P. Nun, Mr. Murbles, wie gefällt Ihnen dieses Dre- ... scheußliche Wetter? Bleib ruhig sitzen, Freddy; möchte dir um Himmels willen keine Umstände machen. Parker, alter Junge, du bist doch die Zuverlässigkeit in Person; stets griffbereit, wie diese patentierten Nasentropfen. Sagt mal, seid ihr etwa schon alle fertig? Ich hatte ja früher aufstehen wollen, aber dann hab ich so geschnarcht, daß Bunter sich nicht getraut hat, mich zu wecken. Beinahe wäre ich ja heute nacht noch hereingeschneit, aber wir sind erst um zwei Uhr früh hier eingetroffen; da wäre euer Empfang sicher nicht sehr begeistert ausgefallen. Wie bitte, Oberst? Ach so - Flugzeug. Victoria von Paris nach London - dann North Eastern bis Northallerton - scheußlich schlechte Straße von da an, und kurz vor Riddlesdale noch eine Reifenpanne. Jämmerlich schlechtes Bett im Gasthaus. Hatte gehofft, hier mit ein bißchen Glück noch das letzte Würstchen zu erwischen. Was? Sonntagmorgen in einer englischen Familie und keine Würstchen? Weiß der Himmel, was soll aus der Welt nur werden, nicht wahr, Oberst? Ich sage dir, Helen, diesmal war Gerald es wirklich. Du hättest den Burschen nicht allein lassen sollen; immer muß er was Dummes anstellen. Was ist das? Curry? Danke, mein Lieber. Hört mal, ihr braucht gar nicht so knickrig zu sein; ich war drei Tage an einem Stück unterwegs. Reich mir mal den Toast, Freddy. Wie meinen Sie, Mrs. Marchbanks? Ach so, ja, ziemlich; Korsika war hinreißend - lauter so schwarzäugige Gesellen mit Messern im Gürtel, und diese bezaubernd hübschen Mädchen! In einem Ort hat Bunter sogar ein regelrechtes Abenteuer mit der Wirtstochter gehabt. Man traut dem alten Knaben gar nicht zu, daß er für so was empfänglich ist. Mein Gott, hab ich einen Hunger! Weißt du, Helen, eigentlich hatte ich dir ja aus Paris ein paar schicke Seidenhöschen mitbringen wollen, aber als ich sah, daß Parker mir hier bei den Blutflecken zuvorkommen wollte, haben wir schleunigst unsere Siebensachen gepackt und sind abgeschwirrt.«

Mrs. Pettigrew-Robinson erhob sich.

»Theodore«, sagte sie, »ich glaube, wir sollten uns für die Kirche fertigmachen.«

»Ich lasse den Wagen vorfahren«, sagte die Herzogin. »Peter, ich freue mich natürlich außerordentlich, daß du da bist. Es war etwas unglücklich, daß du keine Adresse hinterlassen hattest. Du brauchst nur zu läuten, wenn du etwas wünschst. Schade, daß du nicht rechtzeitig hier warst, um noch mit Gerald zu sprechen.«

»Och, das macht nichts«, meinte Lord Peter fröhlich. »Ich werde ihn im Kittchen besuchen. Weißt du, es hat etwas für sich, seine Verbrechen in der Familie zu lassen; da hat man viel mehr Möglichkeiten. Aber die arme Polly tut mir leid. Wie geht's ihr?«

»Mary sollte heute nicht gestört werden«, stellte die Herzogin mit Nachdruck fest.

»Nicht doch«, sagte Lord Peter, »sie soll ihre Ruhe haben. Heute amüsieren Parker und ich uns allein. Er zeigt mir seine Blutspurensammlung - ist ja schon gut, Helen; ich weiß, das ist nicht zum Scherzen. Hoffentlich hat der Regen sie nicht schon alle weggewaschen?«

»Nein«, sagte Parker, »ich habe die meisten mit Blumentöpfen zugedeckt.«

»Dann gib mir mal das Brot und die Marmelade«, sagte Lord Peter, »und erzähl mir mehr.«

Der Auszug der Kirchgänger hatte eine menschlichere Atmosphäre hinterlassen. Mrs. Marchbanks ging nach oben, um Mary zu sagen, daß Peter gekommen sei, und der Oberst zündete sich eine dicke Zigarre an. Der Ehrenwerte Freddy stand auf, streckte sich, zog einen Sessel ans Feuer und ließ sich darin nieder, die Füße auf der Messingstange, während Parker um den Tisch ging und sich noch eine Tasse Kaffee nahm.

»Die Zeitungen wirst du ja gelesen haben«, meinte er.

»O ja, ich habe den Bericht über die Voruntersuchung gelesen«, sagte Lord Peter. »Nehmt mir's nicht übel, aber ich glaube, die habt ihr alle miteinander ganz schön verpfuscht.«

»Es war eine Schande«, sagte Mr. Murbles, »einfach eine Schande. Dieser Untersuchungsrichter hat sich sehr ungebührlich benommen. Er hatte keine solche Zusammenfassung zu geben. Was war da schon von einem Geschworenengericht zu erwarten, das aus lauter Bauerntölpeln besteht? Und was für Einzelheiten da alle auf den Tisch kamen! Wenn ich nur früher hätte hiersein können -«

»Ich fürchte, Wimsey, das war zum Teil meine Schuld«, sagte Parker zerknirscht. »Craikes kann mich nicht leiden. Der Polizeipräsident von Stapley hat uns über seinen Kopf hinweg eingeschaltet, und als die Geschichte bei uns ankam, bin ich sofort zum Chef gerannt und habe ihn um diesen Auftrag gebeten, weil ich dachte, wenn es irgendwelche Mißverständnisse oder Schwierigkeiten gibt, ist es dir vielleicht lieber, wenn ich das in die Hand nehme. Ich mußte aber zuerst noch etwas wegen einer Fälscherbande regeln, mit der ich zu tun hatte, und so kam eins zum andern, so daß ich erst mit dem Nachtexpreß von London weggekommen bin. Als ich am Freitag hier ankam, waren Craikes und der Untersuchungsrichter schon ein Herz und eine Seele und hatten die Voruntersuchung noch auf denselben Morgen angesetzt -was geradezu lächerlich war. Sie hatten schon genau abgesprochen, wie sie ihre kostbaren Beweise so dramatisch wie möglich auftischen könnten. Ich hatte gerade noch Zeit, mir die Spuren auf dem Gelände kurz anzusehen (leider schon ziemlich unkenntlich gemacht von Craikes und seinen Trampeltieren), und dadurch stand ich mit leeren Händen vor den Geschworenen.«

»Kopf hoch«, meinte Wimsey. »Ich mache dir keinen Vorwurf. Außerdem kommt dadurch ein bißchen Leben in die Jagd.«

»Es ist nur so«, warf der Ehrenwerte Freddy ein, »daß wir bei ehrbaren Untersuchungsrichtern nicht beliebt sind. Überspannte Aristokraten und unmoralische Franzosen! Übrigens schade, Peter, daß dir Miss Lydia Cathcart entgangen ist. Die hätte dir gefallen. Sie ist wieder nach Golders Green zurück und hat die Leiche mitgenommen.«

»Na ja«, meinte Wimsey. »An der Leiche wird wohl nichts Ungewöhnliches drangewesen sein.«

»Nein«, sagte Parker, »das ärztliche Gutachten war soweit in Ordnung. Lungendurchschuß, sonst nichts.«

»Allerdings«, sagte der Ehrenwerte Freddy, »selbst erschossen hat er sich nicht. Ich hab ja nichts davon gesagt, um dem alten Denver seine Geschichte nicht kaputtzumachen, aber daß er so aufgebracht und sauer gewesen sein soll, das war Käse.«

»Woher weißt du das?« fragte Peter.

»Na hör mal. Cathcart und ich sind noch zusammen nach oben gegangen. Ich war ziemlich sauer, weil ein paar Aktien von mir sehr gefallen waren; außerdem hatte ich am Morgen immer danebengeschossen und dann noch eine Wette mit dem Oberst verloren, wie viele Zehen die Hauskatze hat; und wie ich nun zu Cathcart etwas von blöder Welt oder so sage, da meint er: >Im Gegenteil, die Welt ist wunderschön. Morgen lege ich mit Mary den Hochzeitstermin fest, und dann ziehen wir nach Paris, wo man noch etwas von der Liebe versteht« Ich hab daraufhin nur was Ausweichendes geantwortet, und er ist pfeifend weitergegangen.«

Parker machte eine ernste Miene. Oberst Marchbanks räusperte sich.

»Nun«, meinte er, »bei einem Mann wie Cathcart weiß man nie, wie man dran ist. In Frankreich aufgewachsen, Sie wissen ja. Das ist nicht wie bei einem aufrechten Engländer. Immer rauf und runter, rauf und runter! Traurige Sache, armer Kerl! Na ja, Peter, ich hoffe, Sie und Mr. Parker werden schon noch etwas finden. Es geht doch nicht, daß der arme Denver einfach so im Kittchen sitzt. Furchtbar unangenehm, armer Kerl, und wo dieses Jahr die Vögel so gut sind! Also, Sie werden sich jetzt sicher überall umschauen wollen, Mr. Parker, nicht? Freddy, wie wär's mit einer Partie Billard?«

»Recht haben Sie«, meinte der Ehrenwerte Freddy, »aber Sie müssen mir hundert vorgeben, Oberst.«

»Unsinn, Unsinn«, erwiderte der Veteran gutgelaunt. »Sie spielen doch ausgezeichnet.«

Nachdem auch Mr. Murbles sich zurückgezogen hatte, saßen Wimsey und Parker einander allein am abgegessenen Frühstückstisch gegenüber.

»Peter«, sagte der Kriminalbeamte, »ich weiß nicht, ob es richtig von mir war, hierherzukommen. Wenn du meinst -«

»Hör mal her, alter Freund«, unterbrach ihn Wimsey ernst, »wir wollen hier alle Fragen des Zartgefühls beiseite lassen. Wir bearbeiten diesen Fall wie jeden anderen. Und wenn dabei etwas Unerfreuliches ans Tageslicht kommt, sollst lieber du es zu sehen bekommen als irgendwer sonst. Übrigens ein ganz besonders hübscher Fall, auf seine Art, und ich gedenke mein Bestes zu tun.«

»Also, wenn du wirklich meinst -«

»Lieber Charles, wenn du nicht schon hier wärst, würde ich dich rufen. Und jetzt an die Arbeit. Ich gehe natürlich davon aus, daß Gerald es nicht war.«

»Davon bin ich ebenso fest überzeugt«, pflichtete Parker ihm bei.

»Nicht doch, nicht doch«, widersprach Wimsey, »das ist nicht deine Art. Nie überstürzt - nie vertrauensselig. Deine Aufgabe ist es, meine Hoffnungen mit kaltem Wasser zu übergießen und alle meine Schlüsse anzuzweifeln.«

»Abgemacht!« sagte Parker. »Wo möchtest du anfangen?«

Peter überlegte. »Ich denke, wir gehen von Cathcarts Zimmer aus«, meinte er.

Das Zimmer war von bescheidener Größe und hatte nur ein Fenster über der Haupteingangstür. Das Bett stand rechts, die Kommode vor dem Fenster. Links war der Kamin mit einem Sessel davor, dazu ein kleiner Schreibtisch.

»Alles noch so, wie es war«, sagte Parker. »Soviel Verstand hatte Craikes wenigstens.«

»Ja«, sagte Lord Peter. »Also gut. Gerald hat gesagt, Cathcart sei aufgesprungen, als er ihn einen Lumpen nannte, wobei er fast den Tisch umgeworfen habe. Das muß der Schreibtisch gewesen sein, also hat Cathcart im Sessel gesessen. Ja, hat er - und dann hat er ihn so heftig zurückgestoßen, daß er den Teppich dabei verschoben hat. Hier kannst du's sehen! Soweit, so gut. Nun, und was hat er am Schreibtisch gemacht? Gelesen hat er nicht, sonst müßte hier ein Buch herumliegen, denn wir wissen ja, daß er hinausgerannt und nicht mehr wiedergekommen ist. Hat er geschrieben? Nein, das Löschblatt ist jungfräulich -«

»Er könnte mit Bleistift geschrieben haben«, warf Parker ein.

»Stimmt auch wieder, alter Spaßverderber. Gut, aber dann muß er das Blatt in die Tasche gesteckt haben, als Gerald hereinkam, denn hier liegt es nicht; das hat er aber auch nicht, denn bei seiner Leiche wurde es nicht gefunden; folglich hat er nicht geschrieben.«

»Oder er hat das Blatt woanders weggeworfen«, sagte Parker. »Ich habe nämlich noch nicht das ganze Gelände abgesucht, und selbst wenn wir ganz knapp rechnen - indem wir nämlich davon ausgehen, daß der Schuß, den Hardraw um zehn vor zwölf gehört hat, der Schuß war -, haben wir eineinhalb Stunden, über die wir nichts wissen.«

»Nun gut. Sagen wir also, nichts weist hier darauf hin, daß er geschrieben hat. Recht so? Gut, dann -«

Lord Peter nahm eine Lupe aus der Tasche und untersuchte sorgfältig die ganze Sitzfläche des Sessels, bevor er sich hinsetzte.

»Hier ist auch nichts, was uns weiterhilft«, sagte er. »Um weiterzukommen: Cathcart hat also hier gesessen, wo ich jetzt sitze. Geschrieben hat er nicht; er - sag mal, bist du sicher, daß in dem Zimmer nichts angerührt wurde?«

»Ganz sicher.«

»Dann hat er auch nicht geraucht.«

»Wieso nicht? Er könnte den Zigarren- oder Zigarettenstummel ins Feuer geworfen haben, als Denver hereinkam.«

»Keine Zigarette«, sagte Peter, »sonst müßten wir irgendwo Spuren finden - auf dem Fußboden oder im Kamin. Diese leichte Asche fliegt ja nur so herum. Aber eine Zigarre - ja, die könnte er vielleicht geraucht haben, ohne Spuren zu hinterlassen. Ich will's aber nicht hoffen.«

»Wieso?«

»Weil ich es lieber sähe, wenn Geralds Behauptungen einen kleinen Wahrheitsgehalt hätten. Ein aufgeregter Mensch setzt sich nicht gemütlich hin, um vor dem Zubettgehen noch eine Zigarre zu genießen, und geht dabei auch noch so liebevoll sorgsam mit der Asche um. Wenn andrerseits aber Freddy recht hat und Cathcart ausgesprochen gutgelaunt und mit sich und der Welt zufrieden war, hat er wahrscheinlich genau das getan.«

»Glaubst du etwa, daß Mr. Arbuthnot das alles erfunden hat?« fragte Parker nachdenklich. »Den Eindruck macht er eigentlich nicht auf mich. Um so etwas zu erfinden, brauchte er eine gehörige Portion Phantasie und Bosheit, und beides traue ich ihm nicht zu.«

»Ich weiß«, sagte Lord Peter. »Ich kenne Freddy mein Leben lang und weiß, daß er keiner Fliege was zuleide tun könnte. Außerdem hat er gar nicht soviel Grips, um sich jemals etwas auszudenken. Mich beunruhigt nur, daß Gerald eben auch nicht den Grips hat, um diese Komödie zwischen ihm und Cathcart zu erfinden.«

»Andrerseits«, wandte Parker ein, »wenn wir für einen Augenblick unterstellen, daß er Cathcart doch erschossen hat, wäre das ein starker Ansporn für ihn gewesen, sie zu erfinden. Er würde alles daransetzen, seinen Kopf aus der - ich meine, wenn etwas Wichtiges auf dem Spiel steht, kann man sich oft nur wundern, wie sehr das die Sinne schärft. Und daß die Geschichte so weit hergeholt ist, spricht für einen ungeübten Märchenerzähler.«

»Wie wahr, mein König! Nun, bisher hast du mir einen Strich durch alle meine Erkenntnisse gemacht. Tut aber nichts. Mein Haupt ist blutig, doch ungebeugt. Cathcart hat also hier gesessen -«

»Das sagt dein Bruder.«

»Hol dich der Kuckuck, ich sage, er hat hier gesessen; irgendwer hat hier jedenfalls gesessen; er hat seine vier Buchstaben deutlich ins Kissen gedrückt.«

»Das könnte schon tagsüber gewesen sein.«

»Ach was. Am Tag waren sie alle draußen. Du brauchst dein Sadduzäertum auch wieder nicht zu übertreiben, Charles. Ich sage, Cathcart hat hier gesessen und - hallo, hallo!«

Er bückte sich und starrte in den Kamin.

»Das ist ja verbranntes Papier, Charles.«

»Ich weiß. Das hat mich gestern auch schon sehr interessiert, bis ich merkte, daß es in ein paar anderen Zimmern genauso war. Man läßt hier oft das Feuer in den Zimmern ausgehen, wenn tagsüber alle draußen sind, und zündet es dann eine Stunde vor dem Abendessen wieder an. Hier sind nämlich an Personal nur die Köchin, das Hausmädchen und Fleming, und die haben bei so einer großen Gesellschaft allerhand zu tun.«

Lord Peter klaubte die verkohlten Reste zusammen.

»Ich finde nichts, was deiner Vermutung widerspricht«, meinte er traurig, »und dieses Stückchen Morning Post hier bestätigt sie sogar eher. Dann können wir also nur annehmen, daß Cathcart hier gedankenverloren gesessen und gar nichts getan hat. Ich fürchte, das bringt uns nicht viel weiter.« Er stand auf und ging zur Kommode.

»Diese Schildpattgarnitur gefällt mir«, sagte er, »und das Parfüm - Baiser du soir - auch ganz nett. Kannte ich noch nicht. Muß Bunter mal darauf aufmerksam machen. Ein bezauberndes Maniküretui, nicht? Weißt du, ich liebe es ja auch, sauber und adrett zu sein und so, aber Cathcart gehörte zu denen, die einem immer ein bißchen zu gepflegt vorkamen. Armer Teufel! Und jetzt wird er in Golders Green begraben. Ich hab ihn eigentlich nur ein-, zweimal gesehen. Auf mich hat er immer gewirkt wie einer, der schon alles kennt. Ich hab mich ziemlich gewundert, daß Mary etwas an ihm fand, aber ich kenne meine Schwester ja wirklich furchtbar wenig. Sie ist fünf Jahre jünger als ich. Als der Krieg ausbrach, war sie gerade aus der Schule gekommen und nach Paris gegangen. Ich ging zum Militär, und sie kam wieder nach Hause und machte sich in der Krankenpflege und Sozialarbeit nützlich. Dadurch habe ich sie nur hin und wieder mal gesehen. Damals war sie auch ganz besessen von neuen Ideen, die Welt zu verbessern, und hatte nichts mit mir zu reden. Und schließlich ist sie noch an so einen Pazifisten geraten, der wohl ein ziemlich falscher Fuffziger war. Ich selbst wurde krank, wie du weißt, und nachdem mir auch noch Barbara den Laufpaß gegeben hatte, waren die Herzensangelegenheiten meiner Mitmenschen mir ziemlich schnuppe. Dann habe ich bei der Aufklärung des Attenbury-Diamanten-Diebstahls mitgemischt - und das Ergebnis ist, daß ich meine eigene Schwester kaum kenne. Aber ihr Geschmack in bezug auf Männer scheint sich geändert zu haben. Meine Mutter sagte, Cathcart habe Charme; das heißt, daß er auf Frauen wirkte. Als Mann kann man das ja von einem anderen nie sagen, aber Mutter hat meist recht. Was ist aus seinen Papieren geworden?«

»Er hatte hier kaum welche«, antwortete Parker. »Ein Scheckheft von der Cox-Filiale am Charing Cross, aber verhältnismäßig neu und nicht sehr aufschlußreich. Anscheinend hatte er dort nur ein kleines Konto für seine Englandaufenthalte. Die meisten Schecks sind auf ihn selbst ausgestellt, und dann und wann hat er eine Hotel- oder Schneiderrechnung bezahlt.«

»Hatte er kein Bankbuch?«

»Ich glaube, seine wichtigen Papiere sind alle in Paris. Er hat dort eine Wohnung, irgendwo unweit der Seine. Wir stehen mit der Pariser Polizei in Verbindung. Dann hatte er noch ein Zimmer in Albany. Ich habe angeordnet, daß es versiegelt wird, bis ich hinkomme. Morgen wollte ich hinfahren.«

»Das wird am besten sein. Brieftasche?«

»Ja, hier. Etwa dreißig Pfund in verschiedenen Scheinen, die Karte eines Weinhändlers und eine Rechnung für eine Reithose.«

»Keine Korrespondenz?«

»Nicht eine Zeile.«

»Nein«, meinte Wimsey, »ich glaube, er war so einer, der keine Briefe aufhob. Viel zu ausgeprägter Selb sterhaltungstrieb.«

»Stimmt. Ich habe sogar schon die Dienstboten nach seiner Korrespondenz gefragt. Sie sagen, er hat ziemlich viele Briefe bekommen, aber nie einen herumliegen lassen. Was er an Briefen geschrieben hat, konnten sie mir nicht sagen, weil alle ausgehende Post in den Postsack geworfen wird, der so, wie er ist, zur Post gebracht und erst dort geöffnet wird, oder man gibt ihn dem Briefträger mit, wenn er sich mal hier sehen läßt. Im allgemeinen bestand der Eindruck, daß er nicht viel schrieb. Das Hausmädchen sagt, sie hat in seinem Papierkorb nie etwas gefunden, was der Rede wert war.«

»Na, das hilft uns ja ungemein weiter. Moment mal. Hier ist sein Füllfederhalter. Sehr hübsch - Onoto mit komplettem Goldgehäuse. Ach Gott, vollkommen leer! Na ja, ich wüßte nicht, was man daraus genau schließen könnte. Einen Bleistift sehe ich auch nirgends. Langsam glaube ich, daß deine Vermutung, er habe Briefe geschrieben, falsch war.«

»Ich habe nichts dergleichen vermutet«, antwortete Parker nachsichtig. »Aber ich glaube, du hast recht.«

Lord Peter wandte sich von der Kommode ab, sah kurz den Inhalt des Kleiderschranks durch und nahm sich die paar Bücher vor, die auf dem Regal neben dem Bett standen.

»La Rôtisserie de la Reine Pédauque, L'Anneau d'Améthyste, South Wind (unser junger Freund macht seinem Typ alle Ehre), Chronique d'un Cadet de Coutras (na, na, Charles!), Manon Lescaut. Hm. Gibt's hier in diesem Zimmer noch etwas, das ich mir ansehen sollte?«

»Ich glaube nicht. Wo möchtest du jetzt weitermachen?«

»Wir folgen ihnen nach unten. Sekunde! Wer wohnt in den anderen Zimmern? Ah, ja. Hier ist Geralds Zimmer. Helen ist in der Kirche. Nichts wie hinein. Hier ist natürlich abgestaubt und geputzt worden, so daß bestimmt nichts mehr zu finden ist, wie?«

»Ich fürchte ja. Schließlich konnte ich der Herzogin nicht gut ihr eigenes Zimmer verbieten.«

»Richtig. Hier ist das Fenster, aus dem Gerald ihm nachgerufen hat. Hm! Im Kamin ist natürlich auch nichts - das Feuer ist seitdem wieder angemacht worden. Weißt du, ich frage mich, wo Gerald diesen Brief hingetan hat - den von Freeborn, meine ich.«

»Darüber hat bisher niemand ein Wort von ihm herausgekriegt«, sagte Parker. »Mr. Murbles hat schon seine liebe Not mit ihm gehabt. Der Herzog behauptet steif und fest, er habe ihn vernichtet. Mr. Murbles hält das für Unsinn. Ist es auch. Wenn er dem Verlobten seiner Schwester so einen Vorwurf machen wollte, hätte er doch wenigstens einen Beweis dafür erbracht, daß in seinem Wahnsinn Methode steckte, nicht wahr? Oder war er einer von diesen Patriarchen, die nur zu sagen brauchten: >Als Oberhaupt der Familie verbiete ich diese Heirat

»Gerald«, sagte Wimsey, »ist ein guter, ordentlicher, anständiger, wohlerzogener Internatsschüler und ein furchtbarer Esel. Aber für so mittelalterlich halte ich ihn nicht.«

»Aber wenn er den Brief hat, warum zeigt er ihn nicht?«

»Allerdings, warum nicht? Briefe aus Ägypten von früheren Kommilitonen sind im allgemeinen so kompromittierend nicht.«

»Du meinst also nicht«, fuhr Parker zögernd fort, »daß dieser Mr. Freeborn in seinem Brief auf irgendeine alte - äh -Episode angespielt haben könnte, die dein Bruder nicht gern der Herzogin erzählen möchte?«

Lord Peter betrachtete gedankenverloren eine Reihe Schuhe und schwieg.

»Das wäre eine Idee«, meinte er schließlich. »Es hat solche Episoden gegeben - ganz harmlos, aber Helen würde großes Aufheben davon machen.« Er pfiff nachdenklich durch die Zähne. »Aber immerhin, wenn's zum Galgen geht -«

»Glaubst du, daß dein Bruder wirklich mit dem Galgen rechnet, Wimsey?« fragte Parker.

»Murbles wird ihm das schon klargemacht haben«, sagte Lord Peter.

»Schon. Aber kann er es sich wirklich vorstellen - begreift er voll und ganz, daß man einen englischen Peer auf Grund von Indizien wegen Mordes aufhängen kann?«

Darüber mußte Lord Peter erst einmal nachdenken.

»Phantasie war noch nie Geralds Stärke«, räumte er ein. »Ich nehme doch an, daß man auch Peers aufhängt? Sie werden nicht etwa auf dem Tower Hill geköpft?«

»Ich kann mich gern erkundigen«, sagte Parker. »Earl Ferrers ist jedenfalls 1760 gehängt worden.«

»Wirklich?« meinte Lord Peter. »Na ja. Wie sagten schon die alten Heiden vom Evangelium? Es ist lange her, und hoffentlich stimmt es nicht.«

»Es stimmt aber«, sagte Parker. »Und danach haben sie ihn in Stücke geschnitten. Aber diese Sitte ist aus der Mode gekommen.«

»Wir werden es Gerald beibringen«, sagte Lord Peter, »und ihm nahelegen, die Sache ernst zu nehmen. Welche von diesen Stiefeln hat er am Mittwochabend angehabt?«

»Die da«, sagte Parker. »Aber der Dummkopf hat sie saubergemacht.«

»Tja«, machte Lord Peter mißmutig. »Hm! Schöne, schwere Schnürstiefel - die drücken einem das Blut in den Kopf.«

»Gamaschen hatte er auch an«, sagte Parker. »Die hier.«

»Ziemlich aufwendige Vorbereitungen für einen Spaziergang im Garten. Aber wie du gerade ganz richtig sagen wolltest, draußen war es naß. Ich muß Helen mal fragen, ob Gerald öfter an Schlaflosigkeit leidet.«

»Hab ich schon gefragt. Normalerweise nicht, sagt sie, aber manchmal hat er solche Zahnschmerzen, daß er nicht einschlafen kann.«

»Aber damit geht man doch nicht in einer kalten Regennacht aus dem Haus. Na ja, gehen wir mal nach unten.«

Sie gingen durchs Billardzimmer, wo der Oberst gerade eine sensationelle Serie hinlegte, und von da weiter in den angrenzenden kleinen Wintergarten.

Lord Peter betrachtete düster die Chrysanthemen und Zwiebelkästen ringsum.

»Dieses Grünzeug strotzt vor Gesundheit«, meinte er. »Hast du etwa dem Gärtner erlaubt, hier herumzutrampeln, um die Blumen zu gießen?«

»Ja«, sagte Parker begütigend, »aber er hatte strikte Anweisungen, nur auf diese Matten zu treten.«

»Gut«, sagte Lord Peter. »Dann wollen wir die mal wegräumen und uns an die Arbeit machen.«

Mit der Lupe vor dem Auge kroch er aufmerksam über den Boden.

»Wahrscheinlich sind hier alle durchgegangen, wie?«

»Ja«, bestätigte Parker. »Die meisten Abdrücke habe ich schon identifiziert. Die Leute sind hier ein und aus gegangen. Der Abdruck da ist vom Herzog. Er ist von draußen hereingekommen. Hier ist er über die Leiche gestolpert.«

Parker hatte die Tür nach draußen geöffnet und eine Matte hochgehoben, unter der ein aufgewühltes, von Blut verfärbtes Stück Kiesweg zum Vorschein kam. »Er ist neben dem Toten niedergekniet. Hier sind seine Knie und hier die Fußspitzen. Dann ist er durch den Wintergarten ins Haus gegangen und hat uns gleich hinter der Tür einen schönen Abdruck aus schwarzem Lehm und Kies hinterlassen.«

Lord Peter betrachtete aufmerksam die Spuren.

»Ein Glück, daß der Boden hier so weich ist«, meinte er.

»Ja. Aber nur diese Stelle. Der Gärtner sagt, daß der Boden hier immer so naß und zertreten ist, weil er hier die Gießkannen aus dem Wassertrog füllt. Der Trog wird aus dem Brunnen aufgefüllt, und von hier tragen sie das Wasser in Kannen weiter. Dieses Jahr ist der Boden besonders strapaziert worden, darum haben sie vor ein paar Wochen frischen Kies aufgetragen.«

»Schade, daß ihr Fleiß nicht gleich dem ganzen Weg zugute gekommen ist, wenn sie schon einmal dabei waren«, knurrte Lord Peter, während er schwankend auf einem kleinen Stück Sackleinen balancierte. »Jedenfalls bestätigt das bisher Geralds Aussage. Hier auf dem Beetrand muß ein Elefant gestanden haben. Wer ist das?«

»Nur einer von den Konstablern. Ich schätze ihn auf gut zwei Zentner. Hat nichts weiter zu bedeuten. Und hier diese Gummisohle mit dem Flicken, das ist Craikes. Den findest du überall. Dieser schwammige Abdruck hier ist Mr. Arbuthnot in Pantoffeln, und die Galoschen da gehören Mr. Pettigrew-Robinson. Die können wir alle links liegenlassen. Aber was hier über die Schwelle kommt, das ist ein Frauenfuß in derben

Schuhen. Ich nehme an, das war Lady Mary. Da ist er wieder, gleich am Brunnenrand. Sie ist herausgekommen, um den Toten anzusehen.«

»Richtig«, sagte Peter. »Und dann ist sie wieder hineingegangen und hat ein paar rote Kieskörner ins Haus geschleppt. Soweit, so gut. Hallo!«

An der Außenwand des Wintergartens befanden sich ein paar Regale für kleinere Pflanzen, und unter diesen fristeten auf einem feuchten, ungepflegten Flecken Erde ein paar magere Kakteen und Farne ihr Dasein. Das Ganze lag versteckt hinter einer Reihe hoher Chrysanthemen in Töpfen.

»Hast du was gefunden?« erkundigte sich Parker, als er seinen Freund neugierig in dieses grüne Versteck spähen sah.

Lord Peter zog seine lange Nase zwischen zwei Blumentöpfen zurück und meinte: »Wer hat da etwas hingestellt und was?«

Parker eilte hin. Zwischen den Kakteen war deutlich der Abdruck von etwas Rechteckigem mit vorstehenden Kanten zu sehen, das vor Blicken geschützt hinter den Blumentöpfen gestanden hatte.

»Wie gut, daß Geralds Gärtner nicht einer von den

übereifrigen ist, die nicht einmal einen Kaktus den Winter über in Ruhe lassen können«, sagte Lord Peter, »sonst hätte er diese kleinen Hängeköpfchen liebevoll wieder aufgerichtet -Himmel verd...! Hol der Geier dieses rosarote Stachelschwein! Miß du das aus.«

Parker nahm Maß.

»Sechsundsiebzig mal fünfzehn«, sagte er. »Und ziemlich schwer, denn es ist tief eingesunken und hat die Pflanzen zerdrückt. Kann das ein Brett gewesen sein oder so was?«

»Glaub ich nicht«, sagte Lord Peter. »Hier auf der einen Seite ist der Abdruck tiefer. Ich vermute, das war etwas Sperriges, das beim Hinstellen verkantet und an die Glaswand gelehnt wurde. Wenn du meine private Meinung hören willst, ich glaube, das war ein Koffer.«

»Ein Koffer!« rief Parker. »Wieso ein Koffer?«

»Ja, wieso wohl? Ich glaube, wir dürfen annehmen, daß er nicht sehr lange hier gestanden hat. Am Tag hätte man ihn gut gesehen. Aber es könnte ihn jemand hier hineingeschoben haben, der damit überrascht wurde - vielleicht um drei Uhr morgens - und nicht gern damit gesehen werden wollte.«

»Wann hätte er ihn dann wieder weggenommen?«

»Ziemlich bald, würde ich sagen. Vor Tagesanbruch jedenfalls, sonst hätte sogar Inspektor Craikes ihn schwerlich übersehen können.«

»Es wird doch nicht die Tasche des Arztes gewesen sein?«

»Nein - sonst wäre der Arzt ein schöner Trottel. Warum eine Tasche so unbequem weit weg auf den feuchten Boden stellen, wenn er sie so vernünftig und praktisch gleich neben der Leiche abstellen konnte? Nein. Wenn nicht Craikes oder der Gärtner das Ding haben herumstehen lassen, dann wurde es Mittwoch nacht entweder von Gerald, Cathcart - oder, wie ich vermute, von Mary dort abgestellt. Sonst wüßte ich niemanden, der dort etwas verstecken sollte.«

»Doch«, sagte Parker, »einen.«

»Und wer soll das sein?«

»Der Unbekannte.«

»Wer ist das?«

Zur Antwort schritt Parker stolz auf eine Reihe hölzerner Rahmen zu, die sorgsam mit Matten abgedeckt waren. Diese zog er fort wie ein Bischof die Hülle vom Denkmal, und darunter kam eine V-förmige Reihe von Fußabdrücken zum Vorschein.

»Die hier«, sagte Parker, »gehören zu niemandem - ich meine, zu niemandem, von dem ich je etwas gesehen oder gehört hätte.«

»Hurra!« sagte Peter.


»Und abwärts von des Berges Grat Sie folgten der kleinen Spur

(allerdings ist sie eher groß).«


»So einfach ist es leider nicht«, meinte Parker. »Sagen wir lieber:


Sie folgten von dem erd'gen Weg

Der Spur im Morgenlicht

Bis auf der Brücke schmalen Steg,

und weiter ging sie nicht.«


»Großer Dichter, dieser Wordsworth«, sagte Lord Peter. »War schon immer meine Meinung. Also, sehen wir mal. Diese Fußabdrücke - von einem Mann, Schuhgröße 45 mit schiefen Absätzen und einem Flicken an der linken Innenseite -kommen vom festen Weg, auf dem keine Spuren zu sehen sind; sie nähern sich der Leiche - hier, wo die Blutlache ist. Sag mal, das ist doch komisch, findest du nicht? Nein? Na ja, vielleicht nicht. Ob keine Spuren unter der Leiche sind? Schwer zu sagen, das ist alles so ein Matsch hier. Also, der Unbekannte kommt bis hierher - hier ist ein sehr tiefer Abdruck. Wollte er Cathcart einfach in den Brunnen werfen? Er hört ein Geräusch, schrickt zusammen, macht kehrt und rennt auf leisen Sohlen -ins Gebüsch, beim Zeus!«

»Eben«, sagte Parker, »und von da führt die Spur zu einem Graspfad im Wald und endet dort.«

»Hm! Na schön, wir gehen ihr später nach. Aber zunächst: Wo kommt sie her?«

Die beiden Freunde folgten gemeinsam dem Weg, der vom Haus wegführte. Der Kiesboden war bis auf den kleinen Flecken vor dem Wintergarten alt und hart und wies kaum Spuren auf, vor allem nachdem es die letzten Tage geregnet hatte. Parker konnte Wimsey jedoch versichern, daß dort deutliche Schleif- und Blutspuren gewesen waren.

»Was für Blutspuren? Tropfen?«

»Nein, verschmiertes Blut. Auf dem ganzen Weg waren auch Furchen in den Kies gekratzt. Und hier kommt nun etwas Merkwürdiges.«

Es war der deutliche Abdruck einer Männerhand, tief in die Erde an der Rasenkante eingedrückt, mit den Fingern zum Haus. Auf dem Kiesweg waren zwei lange Furchen zu erkennen. Das Gras zwischen Weg und Beet war blutverschmiert, und die Kante stark zertreten.

»Das gefällt mir nicht«, sagte Lord Peter.

»Häßlich, wie?« stimmte Parker zu.

»Der arme Teufel!« meinte Peter. »Er hat verzweifelt versucht, sich hier festzukrallen. Das erklärt auch das Blut an der Wintergartentür. Aber was für ein Ungeheuer schleift eine Leiche durch die Gegend, die noch nicht einmal ganz tot ist?«

Ein paar Schritte weiter mündete der Pfad in den Hauptzufahrtsweg. Rechts und links von diesem standen Bäume, die sich zu einem Dickicht weiteten. An der Stelle, wo die beiden Wege sich trafen, fanden sich weitere undeutliche Spuren, und noch einmal rund zwanzig Schritte weiter schwenkten sie ins Dickicht ab. Irgendwann war hier einmal ein großer Baum umgestürzt und hatte eine kleine Lichtung hinterlassen, in deren Mitte jetzt eine Plane ausgebreitet und am Boden befestigt worden war. Die Luft roch schwer nach Pilzen und gefallenem Laub.

»Der Schauplatz der Tragödie«, sagte Parker kurz und rollte die Plane zurück.

Lord Peter starrte traurig zu Boden. Eingemummt in einen Mantel nebst dickem grauem Schal wirkte er mit seinem langen, schmalen Gesicht wie ein Marabu. Der zappelnde Körper des gestürzten Mannes hatte das modernde Laub aufgewühlt und einen tiefen Eindruck im weichen Boden hinterlassen. An einer Stelle zeigte die dunklere Färbung der Erde, wo eine große Blutlache eingesickert war, und das Rostrot auf den gelben Blättern einer Weißpappel war nicht herbstlich.

»Hier hat man das Taschentuch und den Revolver gefunden«, sagte Parker. »Ich habe nach Fingerspuren gesucht, aber Regen und Matsch hatten schon alles weggespült.«

Wimsey zückte seine Lupe, legte sich auf den Bauch und kroch, von Parker stumm gefolgt, den Ort des Geschehens höchstpersönlich ab.

»Er ist eine Zeitlang auf und ab gegangen«, sagte Lord Peter. »Geraucht hat er nicht. Er muß über etwas nachgedacht oder auf jemanden gewartet haben. Was ist denn das? Aha! Wieder unsere Schuhgröße 45, diesmal von der andern Seite der Lichtung. Keine Kampfspuren. Merkwürdig! Cathcart wurde doch aus nächster Nähe erschossen, oder?«

»Ja, sein Hemd war vorn versengt.«

»Eben. Wieso hat er stillgehalten und sich erschießen lassen?«

»Ich stelle mir vor«, sagte Parker, »daß Schuhgröße 45, falls er sich hier mit ihm treffen wollte, jemand war, den er kannte, der also nah an ihn herankommen konnte, ohne seinen Argwohn zu erregen.«

»Demnach wäre es eine friedliche Begegnung gewesen, wenigstens von Cathcart aus gesehen. Aber das reimt sich nicht mit dem Revolver. Wie kommt Schuhgröße 45 an Geralds Revolver?«

»Die Tür zum Wintergarten war offen«, meinte Parker zweifelnd.

»Das wußten aber nur Gerald und Fleming«, erwiderte Lord Peter. »Außerdem, du wirst mir doch nicht weismachen wollen, daß Schuhgröße 45 da hineingegangen ist, um aus dem Arbeitszimmer den Revolver zu holen, dann wieder hierher zurückgekommen ist und Cathcart erschossen hat? Das käme mir etwas umständlich vor. Wenn er eine Schießerei vorgehabt hätte, wäre er von vornherein bewaffnet gekommen.«

»Ich halte es für wahrscheinlicher, daß Cathcart den Revolver mitgebracht hat«, meinte Parker.

»Warum sind dann keine Kampfspuren zu sehen?«

»Vielleicht hat Cathcart sich selbst erschossen«, sagte Parker.

»Aber warum hätte Schuhgröße 45 ihn dann erst zu einer auffälligen Stelle schleppen sollen, bevor er weglief?«

»Moment«, sagte Parker. »Was hältst du davon? Schuhgröße 45 hat eine Verabredung mit Cathcart - sagen wir, um ihn zu erpressen. Irgendwie gelingt es ihm, Cathcart zwischen Viertel vor und Viertel nach zehn von dieser Absicht in Kenntnis zu setzen. Das würde den Stimmungsumschwung bei Cathcart erklären, und damit könnten sowohl Mr. Arbuthnot als auch der Herzog die Wahrheit gesagt haben. Cathcart rennt nach dem Krach mit deinem Bruder wütend aus dem Haus. Er kommt hierher, um seine Verabredung einzuhalten. Während er auf Schuhgröße 45 wartet, geht er auf und ab. Schuhgröße 45 kommt und verhandelt mit Cathcart. Cathcart bietet ihm Geld an. Schuhgröße 45 will mehr. Cathcart sagt, daß er soviel wirklich nicht hat. Daraufhin sagt Schuhgröße 45, daß er die Bombe platzen lassen will. Cathcart antwortet: >Dann kannst du zum Teufel fahren. Dahin fahre ich nämlich auch.< Cathcart, der sich den Revolver schon vorher beschafft hat, erschießt sich. Schuhgröße 45 wird von Reue gepackt. Er sieht, daß Cathcart noch nicht ganz tot ist, hebt ihn auf und trägt und schleift ihn halb und halb zum Haus. Er ist kleiner als Cathcart und nicht sehr kräftig und muß sich schwer plagen. Gerade sind sie bis zur Tür des Wintergartens gekommen, da erleidet Cathcart einen letzten Blutsturz und gibt seinen Geist auf. Schuhgröße 45 begreift plötzlich, daß er in einer Situation ist - morgens um drei allein mit einer Leiche auf einem fremden Grundstück -, die der Erklärung bedarf. Er läßt Cathcart fallen und sucht das Weite. Es tritt auf der Herzog von Denver und stolpert über die Leiche. Tableau!«

»Das ist gut«, sagte Lord Peter. »Sehr gut sogar. Aber wann soll sich das Ganze nach deiner Theorie abgespielt haben? Gerald hat die Leiche um drei Uhr gefunden; der Doktor kam um halb fünf und behauptete, Cathcart sei schon mehrere Stunden tot. Bitte sehr. Und was ist mit dem Schuß, den meine Schwester um drei Uhr gehört hat?«

»Sieh mal«, meinte Parker, »ich möchte deiner Schwester wirklich nicht zu nahe treten. Sagen wir mal, ich vermute, daß der Schuß um drei Uhr von Wilderern abgegeben wurde.«

»Selbstverständlich waren das Wilderer«, sagte Lord Peter. »Also wirklich, Parker, ich glaube, das hat Hand und Fuß. Machen wir uns diese Erklärung vorerst zu eigen. Dann gilt es jetzt vor allem, Schuhgröße 45 zu finden, weil er bezeugen kann, daß Cathcart Selbstmord begangen hat; und das ist, was meinen Bruder betrifft, überhaupt der springende Punkt. Aber zur Befriedigung meiner eigenen Neugier möchte ich gern noch wissen: Womit hat Schuhgröße 45 Cathcart erpreßt? Wer hat einen Koffer im Wintergarten versteckt? Und was tat Gerald morgens um drei Uhr draußen im Garten?«

»Tja«, sagte Parker, »dann schlage ich vor, wir versuchen als erstes festzustellen, woher Schuhgröße 45 kam.«

»Hoho!« rief Wimsey plötzlich, als sie sich wieder dem Weg zuwandten. »Da liegt ja was - Parker, wir haben einen echten Schatz gefunden!«

Zwischen Lehm und moderndem Laub zog er etwas Kleines, Glitzerndes hervor - es funkelte weiß und grün zwischen seinen Fingerspitzen.

Es war ein kleines Amulett, wie Frauen es gern am Armband tragen - eine winzige Brillantkatze mit Augen aus leuchtenden Smaragden.

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