10. Kapitel Ein furchtbares Geständnis

Ich setzte meine Krankenbesuche fort, bekam jedoch nicht aus dem Kopf, was ich gesehen und gehört hatte. Während der Widerwille gegen de Faverne bestehenblieb, begann ich doch aber jenes körperliche Mitleid, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu spüren, das der für die Leiden anderer empfängliche Mensch empfindet, wenn einer seiner Mitmenschen leidet.

Ich speiste auswärts, und da ein Teil meines Abends Besuchen gewidmet war, kehrte ich erst nach Mitternacht nach Hause zurück.

Man sagte mir, ein junger Mann, der mich konsultieren wolle, erwarte mich seit einer Stunde in meinem Kabinett. Ich fragte nach seinem Namen, er hatte ihn nicht nennen wollen.

Ich trat ein und erkannte Herrn de Faverne.

Er war bleich und ebenso aufgeregt wie am Morgen; ein Buch, das er zu lesen versucht hatte, lag offen auf dem Schreibtisch.

»Nun«, fragte ich, »es geht Ihnen schlechter?«

»Ja«, antwortete er, »sehr schlecht; es ist mir ein furchtbares Ereignis, ein gräßliches Abenteuer begegnet, und ich bin hierhergelaufen, um es Ihnen zu erzählen.

Hören Sie, Doktor, seitdem ich mich in Paris aufhalte, seit ich das Leben führe, das Sie kennen, sind Sie der einzige Mensch, der mir volles Vertrauen eingeflößt hat; ich komme auch, wie Sie sehen, nicht um von Ihnen ein Mittel dagegen zu verlangen; Sie haben mir gesagt, es gebe keines, und während ich Sie rufen ließ, wußte ich wohl, daß es keines gibt, sondern ich wünschte einen Rat von Ihnen zu erhalten.«

»Ein Rat ist viel schwieriger zu geben als eine Verordnung, mein Herr, und ich gestehe Ihnen, daß ich nur sehr selten einen erteile.

Einmal verlangt man im allgemeinen nur einen Rat, um sich selbst in dem Entschluß zu bestärken, den man schon gefaßt hat, oder wenn man, noch unentschieden über das, was man tun soll, den gegebenen Rat befolgt, so tut man es, damit man eines Tages das Recht hat, zum Ratgeber zu sagen: Daran sind Sie schuld.«

»Es ist etwas Wahres an Ihrer Bemerkung, Doktor; doch wie ich glaube, daß ein Arzt nicht berechtigt ist, eine Verordnung zu verweigern, glaube ich ebenso nicht, daß ein Mensch befugt ist, einen Rat zu verweigern.«

»Sie haben recht, ich weigere mich auch nicht, Ihnen einen Rat zu geben, Sie werden mir nur das Vergnügen machen, ihn nicht zu befolgen.«

Ich setzte mich nun zu ihm, doch statt mir zu antworten, ließ er den Kopf sinken und stützte ihn auf die Hände. Wie vernichtet saß er da.

»Nun?« fragte ich nach einem Augenblick Stillschweigen.

»Nun«, erwiderte er, »am klarsten bei dem allem ist mir, daß ich verloren bin.«

Es lag in diesen Worten ein solcher Ausdruck der Überzeugung, daß ich bebte.

»Verloren, Sie? Und wie das?« fragte ich.

»Ich bin sicher, sie wird mich verfolgen, sie wird jedem sagen, wer ich bin, sie wird meinen wahren Namen in allen Straßen ausschreien.«

»Wer wird Sie verfolgen?«

»Sie, bei Gott!«

»Sie? Wer sie?«

»Marie!« »Wer ist Marie?«

»Ach ja, das können Sie nicht wissen; eine kleine Närrin, eine leichtfertige Dirne, mit der mich abzugeben ich die Güte hatte, mit der ein Kind zu zeugen ich so albern war.«

»Nun, wenn es eine von den Frauen ist, bei denen man sich mit Geld abfindet - sind Sie reich genug.«

»Ja«, entgegnete er, mich unterbrechend, »zu diesen Frauen zählt Marie leider nicht; sie ist ein Dorfmädchen, ein armes Mädchen, ein frommes Mädchen.«

»Eben noch nannten Sie diese Marie eine leichtfertige Dirne.«

»Ich hatte unrecht, mein lieber Doktor, ich hatte unrecht, es war der Zorn, der mich so sprechen ließ, oder vielmehr - nein, nein, es war die Furcht.«

»Diese Frau ist also imstande, Ihr Schicksal zu beeinflussen?«

»Sie kann meine Heirat mit Fräulein de Macartie verhindern.«

»Wie das?«

»Wenn sie meinen Namen nennt und verrät, wer ich bin.«

»Sie heißen also nicht de Faverne?«

»Nein.«

»Sie sind also kein Vicomte?«

»Nein.«

»Sie sind also nicht auf Guadeloupe geboren?«

»Nein. Sehen Sie, dies alles ist eine erfundene Geschichte.«

»Olivier hatte also recht?«

»Ja.«

»Aber wie konnte Herr de Malpas, der Gouverneur von Guadeloupe, beurkunden ...?«

»Still«, sagte de Faverne, indem er heftig meine Hand drückte, »das ist mein anderes Geheimnis, Sie wissen, das Geheimnis, das mich umbringt.«

Wir blieben einen kurzen Augenblick lang alle beide stumm.

»Diese Frau, diese Marie - Sie haben sie wiedergesehen?«

»Heute, Herr Doktor, heute am Abend; sie hat ihr Dorf verlassen, ist nach Paris gekommen und hat mich hier gefunden. Und heute abend ist sie mit ihrem Kind zu mir gekommen.«

»Was haben Sie getan?«

»Ich habe gesagt«, versetzte Herr de Faverne mit düsterem Ton, »ich habe gesagt ich kenne sie nicht, und ließ sie von meinen Leuten vor die Tür werfen.«

Ich wich unwillkürlich zurück.

»Das haben Sie getan, Sie haben Ihr Kind verleugnet und seine Mutter durch Ihre Lakaien wegjagen lassen?«

»Was hätte ich denn sonst tun sollen?«

»Das ist abscheulich.«

»Ich weiß es wohl.«

Und wir versanken beide wieder in Stillschweigen. Nach einem Augenblick erhob ich mich.

»Und was habe ich mit alledem zu schaffen?« fragte ich aufgeregt.

»Sehen Sie nicht, daß mich Gewissensbisse peinigen?«

»Ich bemerke, daß sie Furcht haben.«

»Doktor . Ich wünschte, Sie würden diese Frau sehen.«

»Ich?«

»Ja, Sie, tun Sie mir den Gefallen, sie zu sehen.«

»Wo werde ich sie finden?«

»Einen Augenblick, nachdem ich sie weggejagt hatte, schob ich den Vorhang meines Fensters zurück und gewahrte sie mit ihrem Kind auf einem Prellstein.«

»Und Sie glauben, daß sie noch dort ist?«

»Ja.«

»Sie sind also wieder mit ihr zusammengetroffen?«

»Nein, ich bin durch eine Hintertür hinausgegangen und zu Ihnen gelaufen.«

»Warum sind Sie nicht ganz einfach durch die Vordertür hinaus und in Ihrem Wagen gefahren?« »Ich befürchtete, sie würde sich meinen Pferden unter die Füße werfen.«

Ich erschauerte.

»Was soll ich denn da tun? Wie kann ich Ihnen nützen?«

»Doktor, tun Sie mir einen Gefallen: Sprechen Sie mit ihr, sie soll mit ihrem Kind nach Trouville zurückkehren; ich gebe ihr, was sie will, zehntausend Franc, zwanzigtausend Franc, fünfzigtausend Franc.«

»Und wenn sie das alles ausschlägt?«

»Wenn sie es ausschlägt, wenn sie es ausschlägt . Nun, wir werden sehen.«

Der Vicomte sprach diese letzten Worte mit einem so finsteren Ton, daß ich für die arme Frau zitterte.

»Es ist gut, mein Herr«, antwortete ich, »ich will sie sehen.«

»Und Sie werden sie dahin bringen, daß sie abreist?«

»Dafür kann ich mich nicht verbürgen; aber ich werde alles tun, die Sprache der Vernunft mit ihr zu sprechen, ihr den Abstand zu zeigen, der zwischen Ihnen beiden liegt.«

»Den Abstand?«

»Ja.«

»Sie vergessen, daß ich Ihnen gestanden habe, ich sei kein Vicomte, ich bin ein Bauer, mein Herr, ein einfacher Bauer und habe mich durch meinen Verstand über meine natürliche Stellung erhoben; nur bitte ich Sie um Stillschweigen. Sie begreifen, daß Herr de Macartie mir seine Tochter nicht geben würde, wenn er wüßte, daß ich ein Bauer bin.«

»Es liegt Ihnen also ungeheuer viel an dieser Heirat?«

»Ich habe Ihnen gesagt, es ist für mich das einzige Mittel, gewagte Spekulationen, die ich zu unternehmen genötigt bin, aufgeben zu können.«

»Ich werde das Mädchen sehen.«

»Heute abend?«

»Heute abend. Wo werde ich sie finden?« »Da, wo ich sie gesehen habe.«

»Auf dem Prellstein?«

»Ja.«

»Sie glauben, sie ist noch dort?«

»Ich bin dessen sicher.«

»Vorwärts.«

Er stand rasch auf und stürzte zur Tür; ich folgte ihm.

Wir gingen hinaus.

Ich wohnte kaum fünfhundert Schritt von ihm. Als wir an die Ecke der Rue Taitbout und der Rue du Helder kamen, blieb er stehen, deutete mit dem Finger auf etwas Gestaltloses, das man kaum im Schatten unterschied, und sagte: »Dort, dort! - Ich kehre durch die Rue du Helder zurück. Das Haus hat, wie Sie wissen, einen Hintereingang ... Gehen Sie zu ihr.«

»Ich gehe.«

»Warten Sie. Ich muß Sie um einen letzten Dienst bitten. Mir scheint, ich bin auf dem Weg, ein Narr zu werden; mir wird schwindelig; alles dreht sich um mich . Ihren Arm, Doktor, führen Sie mich bis zu der kleinen Tür.«

»Gern.«

Ich nahm seinen Arm; er wankte in der Tat wie ein Betrunkener. Ich führte ihn bis zur Tür.

»Ich danke, Doktor, ich danke; ich schwöre, ich bin Ihnen sehr erkenntlich; und wenn Sie einer von den Menschen wären, die sich ihre Dienste bezahlen lassen, so würde ich Ihnen dafür bezahlen, was Sie wollen. Gut, wir sind nun an Ort und Stelle; nicht wahr, Sie kommen morgen und geben mir Antwort? Ich würde mich wohl zu Ihnen bemühen, aber bei Tage wage ich es nicht, ich müßte befürchten, ihr zu begegnen.«

»Ich werde kommen.«

»Adieu, Doktor.«

Er läutete, man öffnete.

»Einen Augenblick«, sagte ich, indem ich ihn zurückhielt. »Der Name dieser Frau?«

»Marie Granger.«

»Gut; auf Wiedersehen.«

Er trat in sein Haus, und ich ging wieder die Rue du Helder hinauf, um in die Rue Taitbout zurückzukehren.

Als ich an die Ecke der zwei Straßen gelangte, da, wo ich die Frau erblickt hatte, hörte ich Lärm und sah eine ziemlich beträchtliche Gruppe, die sich im Schatten bewegte.

Ich lief darauf zu.

Eine vorüberziehende Patrouille hatte die Unglückliche bemerkt, und da sie, befragt, was sie um zwei Uhr morgens hier machte, nicht hatte antworten wollen, führte sie diese Patrouille zur Wache.

Die arme Frau marschierte mitten unter den Nationalgarden und trug ihr weinendes Kind auf dem Arm; doch sie vergoß keine Träne, sie stieß keine Klage aus.

Ich näherte mich sogleich dem Anführer der Patrouille.

»Verzeihen Sie, mein Herr«, begann ich, »ich kenne diese Frau.«

Sie hob rasch den Kopf und schaute mich an.

»Er ist es nicht«, sagte sie und ließ ihr Haupt wieder sinken.

»Sie kennen diese Frau, mein Herr?« erwiderte der Korporal.

»Ja, sie heißt Marie Granger und stammt aus dem Dorf Trouville.«

»Das ist mein Name, und es ist der meines Dorfes. Wer sind Sie, mein Herr? Im Namen des Himmels, wer sind Sie?«

»Ich bin Doktor Fabien und komme im Auftrag von ihm.«

»Im Auftrag von Gabriel?«

»Ja.«

»Dann, meine Herren, lassen Sie mich gehen. Ich flehe Sie an, lassen Sie mich mit ihm gehen.«

»Sie sind wirklich der Doktor Fabien?« fragte mich der Anführer der Patrouille.

»Hier ist meine Karte, mein Herr.« »Und Sie bürgen für diese Frau?«

»Ich bürge für sie.«

»Dann können Sie sie mitnehmen.«

»Ich danke.«

Ich bot der Unglücklichen den Arm; doch sie zeigte mir mit einer Gebärde ihr Kind, das sie zu tragen genötigt war, und sagte: »Ich werde Ihnen folgen, mein Herr. Wohin gehen wir?«

»Zu mir.«

Zehn Minuten später war sie in meinem Kabinett und saß an demselben Platz, wo eine halbe Stunde zuvor der angebliche Vicomte de Faverne gesessen hatte.

Das Kind schlief in einem Lehnstuhl im Nebenzimmer.

Einige Zeit herrschte Stillschweigen, das sie zuerst unterbrach.

»Nun, mein Herr«, sagte sie, »was soll ich Ihnen erzählen?«

»Was Sie glauben, das ich wissen müßte. Bemerken Sie bitte, daß ich nicht frage, sondern warte, bis Sie sprechen.«

»Ach, was ich Ihnen zu sagen habe, ist sehr traurig, und dennoch hat es kein Interesse für Sie.«

»Jeder körperliche oder seelische Schmerz gehört in meinen Wirkungskreis, fürchten Sie sich also nicht, mir den Ihren anzuvertrauen, wenn Sie glauben, ich könnte ihn erleichtern.«

»Ach, nur er kann ihn erleichtern«, sagte die arme Frau.

»Nun, da er mich beauftragt hat, Sie aufzusuchen, ist noch nicht jede Hoffnung verloren.«

»So hören Sie mich; aber bedenken Sie, daß ich nur eine arme Bäuerin bin.«

»Sie sagen es mir, und ich glaube Ihnen; aus Ihren Worten sollte man jedoch schließen, Sie gehören einem höheren Stand an.«

»Ich bin die Tochter des Schulmeisters, das wird Ihnen alles erklären. Ich habe einen Schein von Erziehung erhalten und kann besser lesen und schreiben, als es die anderen Bäuerinnen tun.«

»Sie haben also dieselbe Heimat wie Gabriel?«

»Ja, nur bin ich vier oder fünf Jahre jünger als er. Ich sehe ihn auch, solange ich mich erinnern kann, mit etwa zwanzig anderen Burschen vom Dorf, die mein Vater versammelte, am Ende einer langen Tafel sitzen, bedeckt von Namen und Zeichnungen, die die Schüler mit ihren Federmessern eingeschnitten haben; mein Vater hat sie Lesen, Schreiben und Rechnen gelehrt. Gabriel war der Sohn eines braven Meiers, der allgemein im Ruf der Ehrlichkeit stand.«

»Lebt sein Vater noch?«

»Ja, mein Herr.«

»Aber er trifft mit seinem Sohn nicht mehr zusammen?«

»Er weiß nicht, wo er ist, und glaubt, er sei nach Guadeloupe abgereist. Doch warten Sie, jeder einzelne Umstand wird der Reihe nach kommen. Entschuldigen Sie, wenn ich sehr ausführlich spreche; aber ich muß Ihnen die Dinge im einzelnen erzählen, damit Sie uns beide beurteilen können.

Obgleich groß für sein Alter, war Gabriel doch schwach und kränklich; er wurde auch beständig bedroht, und zwar sogar von Kindern, die viel jünger waren als er. Ich erinnere mich, daß er nicht mehr den Mut hatte, mit den anderen zusammen die Schule zu verlassen, und daß ihn mein Vater beinahe immer auf der Treppe fand, wohin er sich aus Furcht geschlagen zu werden, geflüchtet hatte und wo man es nicht wagte, ihn zu holen.

Mein Vater fragte ihn sodann, was er hier mache, und der arme Gabriel antwortete weinend, er habe Furcht geschlagen zu werden.

Sogleich rief mich mein Vater und trug mir auf, den armen Jungen nach Hause zu begleiten; denn vor mir, der Tochter des Schulmeisters, wagte es niemand, ihn zu berühren.

Die Folge davon war, daß sich Gabriel mir sehr eng anschloß und daß es uns zur Gewohnheit wurde, beständig zusammen zu sein; nur war von seiner Seite diese Zuneigung Selbstsucht, aber sie mochte durch die Roheit der Kameraden begründet gewesen sein, denn er war bestimmt ein guter Junge, das können Sie mir glauben.

Gabriel lernte sehr schwer lesen und rechnen; doch schreiben lernte er äußerst leicht; er besaß nicht nur eine ausgezeichnete Handschrift, sondern er hatte auch die Fähigkeit, die Schrift von allen seinen Kameraden nachzuahmen, und zwar in einem Grad, daß die Nachahmung nicht vom Original unterschieden werden konnte.

Die Kinder lachten über dieses seltsame Talent und belustigten sich damit; doch mein Vater schüttelte traurig den Kopf und sagte oft: >Glaube mir, Gabriel, mach nicht solche Dinge, das wird eine schlimme Wendung nehmen.<

>Bah, wie soll das eine schlimme Wendung nehmen, Herr Granger?< erwiderte Gabriel. >Ich werde ganz einfach Schreibmeister, statt Ackerknecht zu sein.<

>Schreibmeister ist kein Beruf in einem Dorf<, versetzte mein Vater.

>Dann gehe ich nach Paris und treibe dort dieses Geschäft<, antwortete Gabriel.

Mich meinerseits, die ich nicht einsah, was aus der Nachahmung der Schrift anderer Schlimmes hervorgehen konnte, belustigte das Talent ungemein, das jeden Tag bei Gabriel Fortschritte machte. Denn Gabriel beschränkte sich nicht mehr darauf, allein die Handschrift nachzuahmen, er ahmte alles nach.

Ein Kupferstich war ihm in die Hände gefallen, und mit einer wunderbaren Geduld kopierte Gabriel Linie für Linie so genau, daß es, abgesehen von der Größe des Papiers und der Farbe der Tinte, schwer gewesen wäre, das Original von der Kopie zu unterscheiden. Der arme Vater, der in dieser Kopie das sah, was sie wirklich war, nämlich ein Meisterwerk, ließ sie vom Glaser des Dorfes einrahmen und zeigte sie jedermann.

Der Bürgermeister und sein Gehilfe kamen, um sie anzuschauen, und der Bürgermeister sagte zu seinem Begleiter, als sie wieder gingen: >Dieser Junge hat ein Vermögen in seinen Fingerspitzen.<

Gabriel hörte diese Worte. Sie müssen einen ungeheuren Eindruck auf ihn gemacht haben. Er hatte ja oft genug gehört, wie der oder jener plötzlich reich geworden war und in der eigenen Kutsche spazierenfuhr.

Mein Vater hatte ihn alles gelehrt, was er ihn lehren konnte, und Gabriel kehrte in seine Meierei zurück.

Da er das ältere von den beiden Kindern und da Thomas nicht reich war, mußte er zu arbeiten anfangen.

Doch die Arbeit mit dem Pflug war ihm unerträglich, er träumte oft von dem Vermögen, das in seinen Fingerspitzen wohnen sollte.

Ganz im Gegensatz zu den Bauern wäre Gabriel gern spät zu Bett gegangen und spät aufgestanden; sein größtes Glück war, bis um Mitternacht zu wachen, um mit seiner Feder alle Arten von verzierten Buchstaben, Zeichnungen und Nachahmungen anzufertigen; der Winter war auch seine selige Zeit, und die Nachtwachen bildeten seine Feststunden.

Andererseits brachte der Widerwille gegen die Feldarbeiten den Vater zur Verzweiflung. Thomas Lambert war nicht reich genug, einen unnützen Mund zu füttern. Er hatte geglaubt, die Anwesenheit von Gabriel würde ihm einen Ackerknecht ersparen, doch zu seinem großen Erstaunen sah er, daß er sich getäuscht hatte.«

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