17. Kapitel Protokoll

Im Oktober 1842 kam ich wieder durch Toulon.

Ich hatte die seltsame Geschichte von Gabriel Lambert nicht vergessen, und ich war neugierig zu erfahren, ob sich die Dinge wirklich so ereignet hatten, wie es mir mein Korrespondent Rossignol geschrieben. Aus diesem Grund wollte ich dem Hafenkommandanten einen Besuch abstatten. Leider war ein anderer an seine Stelle getreten, ohne daß ich etwas davon wußte.

Sein Nachfolger nahm mich nichtsdestoweniger vortrefflich auf, und als er mich im Verlauf des Gesprächs fragte, ob er mir in irgend etwas dienen könnte, gestand ich ihm, mein Besuch sei nicht ganz uneigennützig, und ich wünsche zu wissen, was aus Sträfling Gabriel Lambert geworden wäre.

Er ließ sogleich seinen Sekretär rufen; es war dies ein junger Mann, den er ein Jahr zuvor nach Toulon mitgebracht hatte.

»Mein lieber Herr Durand«, sagte er zu ihm, »erkundigen Sie sich, ob Gabriel Lambert immer noch hier ist; dann kommen Sie zurück und teilen uns mit, was er macht.«

Der junge Mann entfernte sich und kam nach zehn Minuten mit einem offenen Register zurück.

»Mein Herr«, sagte er zu mir, »wenn Sie sich die Mühe geben wollen, diese paar Zeilen zu lesen, so werden Sie völlig befriedigt sein.«

Ich setzte mich an den Tisch, auf den er das Register gelegt hatte, und las:

»Ich, Laurent Chiverny, Aufseher erster Klasse, erkläre, daß ich heute, am fünften Juni eintausendachthunderteinundvierzig, als ich während der den Verurteilten wegen der großen Hitze bewilligten Ruhestunde auf der Werft meine Runde machte, den zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilten Gabriel Lambert aufgehängt an einem Maulbeerbaum gefunden habe, in dessen Schatten sein Kettengenosse Andre Toulman, genannt Rossignol, schlief oder zu schlafen sich den Anschein gab.

Bei diesem Anblick war meine erste Sorge, den letzteren zu wecken, er gab das größte Erstaunen über dieses Ereignis kund und behauptete, durchaus nicht daran mitschuldig zu sein. Nachdem man den Leichnam niedergelegt hatte, durchsuchte man ihn und fand einen Zettel, der Rossignol völlig entlastete.

Da sich jedoch der Verurteilte kaum ohne die Hilfe seines Gefährten aufgehängt haben kann, insofern er durch eine nur zwei und einen halben Fuß lange Kette an ihn gebunden war, so beantrage ich bei dem Herrn Inspektor, Andre Toulman, genannt Rossignol, auf einen Monat ins Gefängnis zu schicken.

Laurent Chiverny, Aufseher erster Klasse.«

Darunter waren mit einer anderen Handschrift und mit einem Federzug unterzeichnet folgende Zeilen geschrieben:

»Den Gabriel Lambert diesen Abend begraben und den Rossignol sogleich auf vierzehn Tage ins Gefängnis schicken.

V. B.«

Ich nahm eine Abschrift von dem Protokoll und lege es meinen Lesern, ohne ein Wort daran zu verändern, vor; sie werden darin mit der Bestätigung dessen, was mir Rossignol geschrieben, den Schluß der von mir erzählten Geschichte finden.

Dem füge ich nur bei, daß ich den Scharfsinn des ehrenwerten Aufsehers Meister Laurent Chiverny bewundere, der erraten hatte, daß in dem Augenblick, wo man den Leichnam von Gabriel Lambert fand, sein Gefährte Andre Toulman, genannt Rossignol, zwar zu schlafen schien, aber nicht schlief.

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