8. Kapitel Eine Banknote für 500 Franc

Sobald ich wieder draußen war, atmete ich freier: Dieser Mensch flößte mir seltsamerweise einen Widerwillen ein, und es drängte mich, ihn außer Gefahr zu sehen, um jede Verbindung mit ihm aufgeben zu dürfen.

Am anderen Tage kam ich, wie ich ihm versprochen hatte; die Heilung ging gut voran.

Das eigentümliche bei Verwundungen durch Degenstiche ist, daß sie entweder unmittelbar töten oder rasch heilen.

Die Wunde Herrn de Favernes verhieß schnelle Heilung.

Acht Tage später war er ausgefahren.

Nach dem Versprechen, das ich mir geleistet, kündigte ich ihm an, meine Besuche, die nunmehr unnötig geworden waren, vom nächsten Tag an einzustellen.

Er drang in mich wiederzukommen, doch mein Entschluß war gefaßt, und ich blieb fest.

»In jedem Fall«, sprach der Wiedergenesene, »in jedem Fall werden Sie sich nicht weigern, mir das Portefeuille zurückzubringen, das ich Ihnen gegeben habe. Es ist von zu großem Wert, als daß man es einem Bedienten anvertrauen könnte, und ich zähle auf diesen letzten Akt Ihrer Gefälligkeit.«

Ich versprach ihm das.

Am anderen Tag brachte ich ihm das Portefeuille; Herr de Faverne bat mich, auf seinem Bett Platz zu nehmen.

Halb damit spielend, öffnete er das Portefeuille. Es mochte ungefähr sechzig Banknoten, meistens i ooo Franc-Scheine, enthalten; der Baron zog zwei oder drei heraus und belustigte sich damit, sie zu zerknittern.

Ich stand auf.

»Doktor«, sagte er, »wundern Sie sich nicht über eines?«

»Worüber?« fragte ich.

»Daß man den Mut hat, eine falsche Banknote zu machen.«

»Das wundert mich, weil es eine feige und ehrlose Handlung ist.«

»Ehrlos vielleicht - aber feige? Wissen Sie, daß man eine feste Hand braucht, um die zwei kleinen Zeilen zu schreiben: >Das Gesetz bestraft den Fälscher mit dem Tod.

»Ja, allerdings, doch das Verbrechen, besitzt einen eigenen Mut. Derjenige, welcher einen Menschen am Waldrand erwartet, um ihn zu ermorden, hat beinahe ebensoviel Mut wie ein Soldat, der Sturm läuft oder eine Batterie nimmt; dessenungeachtet dekoriert man den einen, und den anderen schickt man auf das Schafott.«

»Auf das Schafott ...! Ich begreife, daß man einen Mörder auf das Schafott schickt; doch finden Sie nicht, Doktor, daß es sehr grausam ist, einen Menschen zu guillotinieren, weil er Banknoten nachgemacht hat?«

Der Vicomte sagte diese Worte mit so bebender Stimme und einer

so sichtbaren Veränderung seiner Züge, daß es mir auffiel.

»Sie haben recht«, erwiderte ich. »Ich weiß auch aus sicherer Quelle, daß man diese Strafe in nächster Zeit mildern und auf die Galeere beschränken wird.«

»Sie wissen das, Doktor?« rief der Kranke lebhaft. »Sie wissen das . Sind Sie Ihrer Sache sicher?«

»Ich habe es den sagen hören, von dem der Vorschlag ausgehen wird.« »Vom König. In der Tat, es ist wahr, Sie sind Vierteljahresarzt des Königs. Ah, der König hat es gesagt. Und wann soll der Antrag gestellt werden?«

»Ich weiß es nicht.«

»Ich bitte Sie, Doktor, erkundigen Sie sich, das interessiert mich.«

»Es interessiert Sie?« fragte ich erstaunt.

»Ganz gewiß. Interessiert es nicht jeden Freund der Menschheit, zu erfahren, ob ein zu strenges Gesetz aufgehoben wird?«

»Es wird nicht aufgehoben, mein Herr, die Galeeren werden nur den Tod ersetzen; erscheint Ihnen das als eine große Erleichterung des Schicksals dieser Unglücklichen?«

»Nein, gewiß nicht!« erwiderte der Vicomte verlegen. »Man könnte sogar sagen, das wäre noch schlimmer; doch es bleibt wenigstens das Leben, es bleibt die Hoffnung; das Bagno ist ein Gefängnis, und es gibt keins, aus dem man nicht entweichen kann.«

Ich wurde des Geredes überdrüssig und machte eine Bewegung, mich zu entfernen.

»Doktor, Sie verlassen mich schon?« sagte der Vicomte, während er mit einer gewissen Verlegenheit ein paar Banknoten zusammenrollte, wohl mit der Absicht, sie mir in die Hand zu schieben.

»Allerdings«, antwortete ich, indem ich abermals einen Schritt rückwärts machte. »Sind Sie nicht geheilt, mein Herr? Womit sollte ich Ihnen jetzt noch dienen können?«

»Rechnen Sie denn das Vergnügen Ihrer Gesellschaft so gering?«

»Leider haben wir Ärzte nur wenig Zeit für dieses Vergnügen, so gern wir sie dafür erübrigen würden. Unsere Gesellschaft ist die Krankheit, und sobald wir sie aus einem Haus vertrieben haben, müssen wir hinter ihr hinausgehen und sie in einem anderen weiterverfolgen. Erlauben Sie mir also, Herr Vicomte, daß ich mich von Ihnen verabschiede.«

»Werde ich nicht mehr das Vergnügen haben, Sie zu sehen?«

»Ich bezweifle es, mein Herr. Sie treiben sich in der Gesellschaft herum, und ich besuche sie nur selten; meine Stunden sind gezählt, und jede von ihnen gilt den Kranken.«

»Wenn ich aber wieder krank würde?«

»Das ist etwas anderes, mein Herr.«

»In diesem Fall dürfte ich also auf Sie zählen.«

»Gewiß.«

»Doktor, Ihr Wort.«

»Ich brauche es Ihnen nicht zu geben, da ich nur eine Pflicht erfüllen werde.«

»Gleichviel, geben Sie es mir immerhin!«

»Nun wohl, mein Herr, ich gebe es Ihnen.«

Der Vicomte reichte mir abermals die Hand, doch da ich vermutete, diese Hand enthalte immer noch die fraglichen Banknoten, stellte ich mich, als gewahrte ich die freundschaftliche Gebärde nicht, mit der er von mir Abschied nehmen wollte, und ging hinaus.

Am anderen Tag erhielt ich zusammen mit der Karte des Herrn Vicomte Henri de Faverne eine Banknote von i ooo Franc und eine von joo.

Ich antwortete ihm sogleich:

»Mein Herr Vicomte,

würden Sie gewartet haben, bis ich Ihnen meine Rechnung geschickt hätte, so wäre es Ihnen klargeworden, daß ich mein Verdienst nicht so hoch anschlage, wie Sie das zu tun belieben.

Ich habe die Gewohnheit, den Preis meiner Besuche selbst zu bestimmen, und um Ihren Edelmut zu beruhigen, sage ich Ihnen, daß ich sie bei Ihnen zum höchsten Preise berechne, das heißt zu 2o Franc.

Ich hatte die Ehre, mich zehnmal zu Ihnen zu begeben, Sie sind mir also nur 2oo Franc schuldig. Sie haben i joo Franc geschickt, ich schicke Ihnen i 3oo zurück.

Genehmigen Sie die Versicherung usw. usw.

Fabien«

Ich behielt in der Tat die Banknote von joo Franc und schickte dem Baron de Faverne die von i ooo Franc mit 3oo Franc in Silber zurück; dann steckte ich den joo-Franc-Schein in ein Portefeuille, worin sich schon ein Dutzend anderer Scheine von derselben Summe befanden.

Am nächsten Tag hatte ich einige Einkäufe bei einem Juwelier zu machen. Diese Einkäufe beliefen sich auf 2 ooo Franc. Ich bezahlte mit vier Banknoten, jede von joo Franc.

Acht Tage danach erschien der Juwelier, begleitet von zwei Polizisten, in meiner Wohnung.

Einer von den vier Scheinen, die ich ihm gegeben, war an der Bank, wo der Juwelier eine Zahlung zu leisten hatte, als falsch erkannt worden.

Man hatte ihn gefragt, von wem er diese Scheine hätte, er hatte mich genannt, und man kam zu mir, dem Ursprung des Falschgeldes nachzuforschen.

Da ich diese vier Scheine aus einem Portefeuille genommen hatte, worin, wie gesagt, ein Dutzend andere waren, die ich aus verschiedenen Quellen erhalten hatte, war es mir unmöglich, der Polizei irgendeine Auskunft zu geben.

Doch ich kannte meinen Juwelier als einen völlig ehrlichen Mann und erklärte, ich wäre bereit, die joo Franc zu ersetzen, wenn man mir das Falschgeld zurückgeben würde; aber man antwortete, dies wäre nicht üblich, denn die Bank bezahle alle Scheine, die man ihr präsentiere, auch wenn sie als falsch erkannt werden sollten.

Der Juwelier verließ mich, von dem Verdacht befreit, wissentlich eine falsche Banknote ausgegeben zu haben. Nach einigen weiteren Fragen entfernten sich auch die Polizisten, und ich hörte nichts mehr von dieser Sache.

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