8. Kapitel

Ihr Blick fiel in ein dunkles, schmales Treppenhaus, das nach unten ins Kellergewölbe führte. Kater Brown wurde nach ein paar steilen Stufen von der Dunkelheit verschluckt, und Alexandra suchte vergeblich nach einem Lichtschalter. Kurz entschlossen griff sie nach ihrem Handy, schaltete die Taschenlampe ein und richtete den Lichtstrahl auf die Steinstufen der engen Wendeltreppe. Da es kein Geländer gab, an dem sie sich hätte festhalten können, stützte sie sich mit der rechten Hand an der Außenwand ab.

»Der Kater wird dich ganz bestimmt nicht zu einer zweiten Leiche führen«, wisperte Tobias. »Ich sage, der ist nur auf der Suche nach einer Maus, sonst nichts.«

»Du kannst ja gern da oben warten, wenn du Angst hast, dich in einem dunklen Keller umzuschauen.« Sie war schon so viele Stufen hinuntergestiegen, dass sie Tobias nicht mehr sehen konnte, und spürte nun, wie eine nervöse Erwartung sie ergriff.

Die Treppe beschrieb noch eine Wendung und dann eine weitere, bis Alexandra das Gefühl dafür verloren hatte, wie weit sie inzwischen nach unten vorgedrungen war. Offenbar handelte es sich um ein Kellergewölbe mit sehr hohen Decken, denn sonst hätte sie das Ende der Treppe sicher längst erreicht.

Auf einmal nahm sie Stimmen wahr, zuerst zu leise, um etwas zu verstehen, aber mit jedem Schritt wurden sie deutlicher. Schließlich erkannte Alexandra eine der Stimmen wieder. Kein Zweifel, sie gehörte zu einem der Mönche, mit dem sie seit ihrer Ankunft im Kloster gesprochen hatte! Aber auf Anhieb wollte ihr nicht einfallen, um welchen der Männer es sich handelte.

»Wenn das einer merkt …«, sagte die vertraute Stimme, die nun deutlich aufgebracht klang.

»Ach, wer soll denn das merken?«, gab ein anderer gedehnt zurück, als hätte er die Frage schon ein Dutzend Mal gestellt, wäre dabei aber immer nur auf taube Ohren gestoßen. »Solange wir kein Wort darüber verlieren, wird es auch keinem auffallen!«

Alexandra lauschte angespannt.

»Bruder Johannes wird uns dafür einen Kopf kürzer machen!«, zischte der erste Mann, den sie jetzt noch besser vernehmen konnte, da das Ende der Wendeltreppe in Sichtweite gekommen war. Schnell schaltete Alexandra die Taschenlampe aus und steckte das Handy ein. Diffuses Licht fiel aus dem Kellerraum ins Treppenhaus.

»Unsinn. Bruder Johannes wird uns dankbar sein, wenn wir es ihm sagen!«

»Dankbar? Wenn du das glaubst, kannst du ja sofort zu ihm gehen und ein Geständnis ablegen!«

Das war Bruder Dietmar, dem sie bei ihrem ersten Rundgang durch das Kloster an der Bibliothek begegnet war! Alexandra spürte, wie ihr Herz schneller klopfte. Was hatten diese Männer zu verbergen?

»Ich werde …« Der andere Redner verstummte, dann rief er: »Hallo, ist da jemand?«

Hastig überlegte Alexandra, ob sie kehrtmachen sollte, aber im Gegensatz zu ihr kannten die Mönche das Kloster in-und auswendig. Wahrscheinlich würden sie sie bald einholen, wenn sie versuchte, nach oben zu flüchten. Schon auf dem Weg in den Keller hinunter hatte sie gemerkt, dass die Treppenstufen unterschiedlich hoch waren. Bestimmt würde sie auf ihrer Flucht in Richtung Erdgeschoss stolpern, wenn nicht sogar stürzen.

Aber warum sollte sie auch fliehen?

Sie legte also die letzten vier Stufen zurück und durchschritt die Türöffnung. Überrascht sah sie sich in dem riesigen, gewölbeartigen Kellerraum um. An zwei Wänden fanden sich Türen in angrenzende Räumlichkeiten. Vor einer dieser Türen standen Bruder Dietmar und ein anderer, stark beleibter Mönch.

»Frau Berger?«, rief Bruder Dietmar. »Was machen Sie denn hier unten?«

»Ich möchte nur Kater Brown zurückholen, der mir ins Treppenhaus entwischt ist«, erklärte sie lachend und zeigte auf den Kater, der sich vor der anderen Tür hingesetzt hatte. Sein Blick war starr auf Alexandra gerichtet; sein Schwanz zuckte nervös hin und her. Es mochte Einbildung sein, doch ihr kam es so vor, als wartete er nur darauf, dass sie zu ihm kam. Wollte er ihr eine neue Entdeckung zeigen? Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf.

»Es ist zwar nett von Ihnen, doch Kater Brown braucht kein Kindermädchen«, sagte Bruder Dietmar und zwinkerte ihr zu, vielleicht um seiner Bemerkung die Schärfe zu nehmen. »Wenn er mitbekommt, dass sich einer von uns hier unten aufhält, kann er gar nicht schnell genug in den Keller kommen. Durch die Tür, vor der er da hockt, gelangt man in die Vorratskammer für unsere Küche. Der Pfiffikus hofft immer darauf, dass sie offen steht und er es unbemerkt ins Schlaraffenland schafft.«

»Aha.« Alexandra und zwang sich zu einem kleinen Lachen. »Sagen Sie, kann ich mich denn da mal umsehen? Ohne den Kater natürlich.«

»Es tut mir leid, aber die Kellerräume dürfen nur von den Klosterangehörigen betreten werden«, merkte der andere Mönch mit Nachdruck an. »Ich bin übrigens Bruder Siegmund.«

»Schön, Sie kennenzulernen. Seien Sie nicht böse, doch ich möchte mich dennoch da umsehen, und ich habe auch von Bruder Johannes die Erlaubnis dazu erhalten. Natürlich können Sie mich gern begleiten, wenn Sie mögen.«

Die beiden Männer schienen nach wie vor entschlossen zu sein, ihr den Zutritt zu verwehren.

»Sie müssen wissen, dass ich zusammen mit meinem Kollegen den rätselhaften Tod von Herrn Wilden … ja, näher untersuche. Bruder Johannes ist wie wir der Meinung, dass es möglicherweise kein Unfall war.«

Die beiden Mönche benötigten einige Sekunden, ehe das Gesagte zu ihnen durchdrang.

»Wollen Sie etwa andeuten, Herr Wilden wurde …« Bruder Dietmar brach entsetzt ab. Offenbar brachte er das entscheidende Wort nicht über die Lippen.

»Es ist zumindest denkbar«, antwortete sie. Die beiden würden durch Bruder Johannes ohnehin in Kürze davon erfahren. »Und aus dem Grund möchte ich mich überall umsehen.«

Die Mönche sahen sich bestürzt an, dann erwiderte Bruder Siegmund zögerlich: »Verstehen Sie das nicht falsch, Frau Berger, aber … Nun, wir müssen trotz allem mit Bruder Johannes erst Rücksprache halten. Es ist nicht persönlich gemeint. Allerdings haben wir mit Herrn Wilden und seinen eigenmächtigen Erkundungen schlechte Erfahrungen gemacht und sind vorsichtig geworden.«

»Sagen Sie, ich habe eben auf der Treppe einen Teil Ihrer Unterhaltung mitbekommen. Worum ging es denn da?«

Schweigen antwortete Alexandra.

Mit einem Schulterzucken fügte sie an: »Wenn Sie’s mir nicht sagen wollen, kann ich ja immer noch Bruder Johannes bitten, Sie beide danach zu fragen.«

Bruder Dietmar schüttelte hastig den Kopf. »Nein, das ist nicht nötig. Es ist nur so, wir haben …«

»Uns ist bei der Zuteilung der Bettwäsche ein Fehler unterlaufen. Wir haben die Betten der Gäste mit der billigen Wäsche bezogen, die eigentlich für uns gedacht ist, und im Gegenzug haben wir irrtümlich einigen von unseren Brüdern die gute, seidig weiche Bettwäsche gegeben.«

»Das ist alles? Das klang eben aber viel dramatischer …«

»Es ist dramatisch! Bruder Johannes duldet solche Schlampereien nämlich nicht. Wir werden wirklich etwas zu hören bekommen, wenn er davon erfährt.«

Alexandra grinste. Sie glaubte kein Wort von dieser Geschichte! »Dann hätte ich die letzte Nacht nicht in dieser steinharten Bettwäsche verbringen müssen?«

»Richtig, und das ist unverzeihlich.«

Sie winkte ab. »Hat sich deswegen irgendein Gast beschwert?«

»Zumindest nicht uns gegenüber.«

»Dann gibt es doch überhaupt kein Problem.« Alexandra wechselte das Thema. »Was meine ›Besichtigung‹ der Räume dort angeht«, sie wies mit dem Kopf auf die Tür, vor der Kater Brown sich nun putzte, »halten Sie erst mit Bruder Johannes Rücksprache. Die Sache hat bis heute Nachmittag Zeit.« Sie drehte sich um und rief eigentlich mehr im Spaß: »Kater Brown, komm her, wir gehen wieder nach oben.«

Alexandra wollte ihren Augen nicht trauen, als der Kater sich prompt erhob und quer durch den weitläufigen Kellerraum schnurstracks auf sie zugetrottet kam. Er legte kein besonders hohes Tempo an den Tag, aber seine Zielstrebigkeit erinnerte durchaus an einen gut erzogenen Hund.

Dann lief er jedoch mit einem flüchtigen Seitenblick zu den beiden Mönchen zur Wendeltreppe und entschwand im Treppenhaus. Nach einer halben Kehre gab er ein ungehalten klingendes »Miau« von sich, als wollte er Alexandra ermahnen, nicht so zu trödeln.

»Das war wohl für mich bestimmt. Na dann, auf Wiedersehen, die Herren«, meinte sie. Um bei ihrem Aufstieg nicht zu stolpern, schaltete sie wieder die Taschenlampe an ihrem Handy ein.

Als Alexandra das Treppenhaus im Erdgeschoss verließ, stieß sich Tobias von einer der Fensterbänke ab, an der er gelehnt hatte.

»Und?«, fragte er amüsiert. »Hat der kleine Geistliche noch ein paar Leichen im Keller entdeckt?«

»Gleich«, sagte sie nur und winkte ihn zu sich, dann gingen sie mit Kater Brown im Schlepptau ins Foyer. Bruder Andreas stand hinter dem Empfangstresen über einige Unterlagen gebeugt. Bei ihrem Anblick wedelte er mit den Papieren durch die Luft.

»Frau Berger, Herr Rombach«, rief er. »Ich habe hier etwas für Sie.«

Alexandra schaute ihn irritiert an.

»Ich habe mit der Liste angefangen, die Bruder Johannes von uns allen für Sie zusammenstellen lässt. Ich notiere gerade jeden, den ich gestern Abend und heute Nacht gesehen oder gehört habe, mit Uhrzeit und Ort. Ich gebe mir alle Mühe, so genau wie möglich zu sein, aber ich kann nicht dafür garantieren, dass ich nicht irgendwo etwas verwechsle. Wissen Sie, ich war gestern eigentlich überall im Haus unterwegs, da weiß ich nicht mehr hundertprozentig, ob ich einen Gast vor Zimmer siebzehn oder vor Zimmer zwanzig gesehen habe. Ich hoffe nicht, dass ich dadurch jemanden in Schwierigkeiten bringe.«

»Machen Sie sich deshalb keine Sorgen!«, beruhigte sie ihn. »Wenn es zu Widersprüchen kommen sollte, werde ich Sie einfach nochmals fragen.«

Der Mönch nickte erleichtert. »Bruder Johannes hat mir zwar vorhin Bescheid gesagt und mir aufgetragen, das als Liste zusammenzustellen, aber ich habe überlegt, dass es praktischer wäre, am Computer eine Serie von Grafiken zu erstellen, auf denen beispielsweise im Abstand von fünf Minuten der Standort jeder Person eingetragen ist.«

»Das können Sie?«

»Oh ja, ich war früher Programmierer, bis ich genug von dem Trubel hatte und im Kloster mein Seelenheil gefunden habe«, erklärte er. »Technisch ist das kein Problem, es stellt nur eine Fleißaufgabe dar, weil die Personen den verschiedenen Zeitpunkten und Standorten zugewiesen werden müssen.«

Alexandra war beeindruckt.

»Ich könnte mich mit einem meiner Brüder zusammensetzen und danach die Angaben auf eine Skizze des Klosters übertragen. Wenn Sie sich dann auf der Zeitlinie vorwärtsbewegen, die ich am unteren Bildrand einbaue, können Sie nachvollziehen, wer sich wann wo aufgehalten hat.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Jedenfalls auf der Grundlage dessen, was an Beobachtungen genannt wird.«

»Das ist sehr nett von Ihnen, vielen Dank!« Alexandra meinte jedes Wort ernst.

Er beugte sich zu ihr vor. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein«, sagte er leise, als fürchtete er, jemand könnte ihn belauschen. »Wir alle wollen diese Sache aufgeklärt sehen. Wenn es ein Unfall war, dann ist das schlimm genug für das Kloster, aber wenn es kein Unfall war, dann … dann muss der Täter gefunden werden, damit er mit seinem Verbrechen nicht Schande über dieses Haus bringen kann. Wir haben alles gegeben, um das Kloster zu retten, und das tun wir jetzt immer noch, und keiner von uns wird zulassen, dass jemand herkommt und unser Werk zerstört.«

»Können Sie uns vielleicht eine Liste Ihrer Gäste geben?«, mischte sich auf einmal Tobias ein und erntete einen ärgerlichen Blick von Alexandra. »Wir haben nämlich derzeit keine Ahnung, wer sich überhaupt im Haus aufhält.«

Bruder Andreas wandte sich ihm zu. »Ja, natürlich. Einen Augenblick, ich muss nur kurz ins Büro, dann bekommen Sie einen Ausdruck.«

Wenig später kam er zurück. »Hier ist die aktuelle Liste. Ich habe Sie beide jetzt mal weggelassen, denn das wäre ja irgendwie widersinnig.«

»Das sind ja nur … gut zehn Namen«, stellte Tobias fest, als er die Übersicht sah. »Was ist denn mit dem Bus, der gestern Nachmittag noch auf dem Parkplatz stand?«

»Diese Gruppe ist gestern am frühen Abend abgereist. Sie hat an einem fünftägigen Besinnungsworkshop teilgenommen. ›Bewusst leben in fünf Stufen‹. Ein sehr interessanter Kurs.«

»Hm, wann wurde Herr Wilden gestern eigentlich zum letzten Mal gesehen? Bevor der Bus abgefahren war oder auch noch danach?«

»Von der Reisegruppe kann niemand etwas mit Herrn Wildens Tod zu tun haben«, erklärte der Mönch. »Ich habe ihn noch danach ins Haus kommen sehen, so etwa um kurz nach acht. Der Bus ist um … ja, ich glaube, es war Viertel nach sieben abgefahren.«

»Und Sie haben Wilden danach noch gesehen?«, vergewisserte sich Alexandra. »Ganz sicher?«

Bruder Andreas lächelte kurz. »Hätten Sie Herrn Wilden mit irgendwem verwechseln können?«

Alexandra schüttelte den Kopf.

»Als er ins Foyer kam, rechnete ich schon damit, wieder irgendwelche Beschwerden zu hören zu bekommen, aber er marschierte wortlos an mir vorbei in Richtung der Gästezimmer. Obwohl … wortlos stimmt nicht so ganz. Er hat irgendetwas vor sich hin gemurmelt. Um was es ging, habe ich jedoch nicht verstanden.«

»Und werden heute noch neue Gäste erwartet?«, wollte Tobias wissen.

»Tja, die Reisegruppe, die aus Goch herkommen sollte, wurde bei Aachen von der Autobahnpolizei angehalten. Offenbar war sie in einem nicht mehr verkehrstüchtigen Bus unterwegs, der stillgelegt wurde. Die Leute sind jetzt irgendwo bei Aachen einquartiert, und es sieht nicht danach aus, dass heute noch ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt werden kann.«

»Dann sind also außer uns nur noch Wildens Mitarbeiter hier?«

»Ähm … nein, Frau Berger«, antwortete Bruder Andreas. »Außer Ihnen ist momentan kein Gast im Hause …«

»Was?«, rief sie aufgebracht. Das durfte doch nicht wahr sein! »Die haben sich alle aus dem Staub gemacht? Wie sollen wir dann noch dahinterkommen, wer …« Sie verstummte schnell wieder, als sie sah, dass der Mönch eine beschwichtigende Handbewegung machte.

»Die Gruppe ist nicht abgereist, sondern nimmt die gebuchten Programme wahr«, erklärte er.

»Obwohl Wilden tot ist?«

»Ja«, sagte der Mönch. »Es handelt sich zwar um eine betriebliche Veranstaltung, aber jeder der Mitarbeiter hat den Aufenthalt hier aus eigener Tasche bezahlen müssen, und da wir bei Stornierungen nichts zurückerstatten …« Er hob bedauernd die Schultern. »Das war nicht unsere Entscheidung, sondern die der Bank. Es ist eine von verschiedenen Bedingungen, die wir akzeptieren mussten.«

»Das heißt, wir können derzeit mit keinem von Wildens Mitarbeitern reden?«, warf Alexandra ein. »Wo sind sie denn?«

»Sie unternehmen eine Wanderung unter der Führung von Bruder Jonas«, ließ der Mönch sie wissen. »Wir erwarten sie nicht vor sechzehn Uhr zurück.«

»Mist«, schimpfte sie. »Dann sitzen wir ja von jetzt an noch gut vier Stunden hier rum, ehe wir tätig werden können.«

Bruder Andreas sah sie bedauernd an. »Tut mir leid, doch ich kann Bruder Jonas auch nicht anrufen und ihn bitten, früher zurückzukehren. Sein Handy ist abgeschaltet. Die Gruppe unternimmt eine ›stille Wanderung‹, bei der nicht gesprochen und nicht telefoniert wird. Die Teilnehmer sollen sich dabei nur auf sich selbst und den Fußmarsch konzentrieren.«

Alexandra verzog missmutig den Mund. »Dann bleibt uns tatsächlich nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass die Leute von ihrem Ausflug zurückkommen.« Sie sah auf die Uhr an der Wand rechts vom Empfang. »Was ist denn dann mit dem Mittagessen?«

Daraufhin senkte der Mönch betreten den Blick und murmelte: »Das fällt heute aus.«

»Weil nicht genug Gäste im Haus sind?«

»Nein, an den Wochenenden bieten wir nur Frühstück und Abendessen an. Dadurch sollen unsere Gäste erfahren, was es heißt zu verzichten. Eine Mahlzeit am Tag ist nur ein kleines Opfer.«

Alexandra nickte. Die Philosophie dahinter war durchaus begrüßenswert, aber davon hatte sie nichts, war sie doch schon um ihr Frühstück gebracht worden.

Kater Brown sah Alexandra und Tobias nach, wie sie gemeinsam das Foyer verließen und sich in den Korridor begaben. Zuvor hatte Alexandra ihn noch einmal ausgiebig gestreichelt. Sie war nett, fand er. Sehr nett. Nur schade, dass es vorhin nicht geklappt hatte, ihr seine andere Entdeckung zu zeigen. Aber Kater Brown war geduldig. Früher oder später würde es ihm schon gelingen, sie zu dem Fund zu führen.

Die Männer, mit denen er sein Reich teilte, nahmen von ihm nie Notiz. Seit Wochen setzte er sich – wenn der Weg dorthin für ihn offen stand – auf immer den gleichen Platz und wartete darauf, dass einem von ihnen auffiel, worauf er sie aufmerksam machen wollte. Aber manche von ihnen sahen ihn gar nicht, andere sprachen ihn an und kraulten ihn ein paar Minuten lang, oder sie gaben ihm sogar eine Kleinigkeit zu essen. Doch das war auch schon alles. Wenn sie dann diese Räume verließen, nahmen sie ihn von dem Platz hoch, auf dem er sich niedergelassen hatte, und trugen ihn nach draußen. Dann schlossen sie die Tür hinter sich und gingen fort.

Nachdem sich auch der Mann hinter der großen Theke in den Raum dahinter zurückgezogen hatte, drehte sich Kater Brown um und schaute zur Eingangstür. Die Sonne schien auf den Platz rings um den Brunnen, und durch die offene Tür wurde angenehm warme Luft in das kühle Foyer getragen.

Kater Brown schlenderte nach draußen. Nach einer Runde über den Platz hatte er die ideale Stelle gefunden, um sich auf dem warmen Boden auszustrecken. Er blinzelte in die Sonne. Ein Schmetterling flatterte über seinem Kopf umher. Behäbig hob Kater Brown eine Pfote und ließ die Krallen ausfahren, kam aber zu der Einsicht, dass es einfach zu viel Mühe machen würde, dem zitronengelben Etwas nachzujagen. Außerdem hatte er keine Lust, seinen gemütlichen Platz aufzugeben.

Er nahm die Pfote runter, ließ den Kopf auf die Vorderbeine sinken und schloss die Augen, um die Sonnenstrahlen zu genießen. So ein Katzenleben konnte herrlich sein!


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