Am anderen Morgen um elf, während Kasperl und Seppel noch wie erschlagen schliefen, suchte Herr Oberwachtmeister Dimpfelmoser Herrn Rübesamen in dessen Büro auf und berichtete ihm, was sich letzte Nacht mit dem Spritzenhaus und dem Feuerwehrauto ereignet hatte.
„Ich hoffe, Sie werden mir das nicht übel nehmen, mein Lieber – nach Lage der Dinge hatte ich keine andere Wahl. Für den bei der Fahndung verbrauchten Treibstoff kommt selbstverständlich die Polizei auf; und was die Rückwand des Spritzenhauses betrifft, so könnte man ja für ihren Wiederaufbau eine öffentliche Sammlung veranstalten: etwa beim nächsten Feuerwehrball."
Herr Rübesamen war mit allem einverstanden und versprach dafür zu sorgen, dass das Feuerwehrauto von einigen seiner Leute in die Stadt zurückgebracht wurde.
„Nur schade", sagte er, „dass Sie den Räuber Hotzenplotz nicht erwischt haben!"
„Tut nichts", meinte Herr Dimpfelmoser. „Der geht uns auf gar keinen Fall durch die Lappen, den kriegen wir schon. Die Fahndung muss nur erst richtig ins Rollen kommen, verstehen Sie ..."
Er verabschiedete sich von Herrn Rübesamen, machte anschließend einen kleinen Rundgang durchs Städtchen, um nachzusehen, ob überall Ruhe und Ordnung herrschte, und nachdem er sich davon überzeugt hatte, kehrte er gegen Mittag zu Kasperl und Seppel zurück. Die beiden hatten noch nicht gefrühstückt und waren in höchster Aufregung.
„Was ist los mit euch?", fragte er.
Kasperl und Seppel redeten beide gleichzeitig auf ihn ein, sehr schnell und sehr lautstark. Herr Dimpfelmoser wurde nicht schlau daraus. Wenn sie Chinesisch mit ihm geredet hätten, wäre es ungefähr auf dasselbe hinausgelaufen.
„Aufhören!", rief er. „Aufhören, man versteht ja kein Wort!"
Als alles Rufen nichts half, steckte er seine Polizeitrillerpfeife in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus, der Kasperl und Seppel sofort verstummen ließ.
„Rrrruhe, zum Donnerwetter! Wenn ihr mir was zu berichten habt, dann tut es gefälligst einzeln und hübsch der Reihe nach! – Also bitte!"
Kasperl und Seppel hatten wahrhaftig alle Veranlassung aus dem Häuschen zu sein. Vor ungefähr einer Viertelstunde hatte sie ein Postbote aus dem Bett geklingelt und ihnen einen Eilbrief überbracht.
„Einen Eilbrief?", fragte Herr Dimpfelmoser. „Von wem?"
„Sie werden es nicht für möglich halten – von Hotzenplotz!"
Kasperl gab ihm den Brief zu lesen. Er war auf die Rückseite eines alten Kalenderblattes geschrieben, mit roter Tinte, in großen, klotzigen Buchstaben:
Herr Dimpfelmoser fand, dieser Brief sei die allerunverschämteste Unverschämtheit, die ihm in seiner langjährigen Dienstzeit untergekommen sei.
„Aber wir werden ihm einen Strich durch die Rechnung machen, diesem gemeinen Erpresser, der nicht einmal seinen eigenen Namen richtig schreiben kann!", rief er zornentbrannt. „Wir verhaften ihn, wenn er morgen zum alten Steinkreuz kommt! Ich telefoniere sofort mit der Kreisstadt und sorge dafür, dass mindestens zwölf Polizeibeamte zu seinem Empfang bereitstehen und ihn hopsnehmen – das verspreche ich euch!"
Kasperl war nicht sehr begeistert von seinem Vorschlag.
„Bloß nicht, Herr Oberwachtmeister!"
„Nein?", fragte Dimpfelmoser. „Wieso denn nicht?"
„Wegen Großmutter", sagte Kasperl. „Wenn Hotzenplotz Lunte riecht, wird es schlimm für sie."
„Hm", brummte Oberwachtmeister Dimpfelmoser. „Dann werdet ihr also zahlen?"
„Was sonst?", meinte Kasperl mit einem Achselzucken. „Großmutter sollte uns fünfhundertfünfundfünfzig Mark wert sein – oder?"
„Fünfhundertfünfundfünfzig Mark fünfundfünfzig!", verbesserte ihn Seppel. „Genau so viel, wie wir vor vierzehn Tagen vom Herrn Bürgermeister als Belohnung bekommen haben – ist das nicht ulkig?"
Herr Dimpfelmoser ließ sich aufs Sofa plumpsen. Dann nahm er den Helm ab und wischte ihn mit dem Taschentuch innen trocken.
„Die Sache gefällt mir nicht", brummte er. „Seid ihr wenigstens damit einverstanden, dass ich euch morgen vorsichtig nachschleiche? So könnte ich aus der Ferne beobachten, was geschieht und im Notfall einschreiten ..."
„Bitte nein!", sagte Kasperl. „Wir wissen doch alle drei, dass mit Hotzenplotz nicht zu spaßen ist. Wenn er verlangt, dass Seppel und ich allein kommen, müssen wir uns dran halten. Er hat uns nun mal in der Hand, da hilft alles nichts."
„Und wenn euch dabei was zustößt?", knurrte Herr Dimpfelmoser. „Wer garantiert mir dafür, dass ihr wohlbehalten zurückkommt?"
Kasperl zögerte einen Augenblick mit der Antwort.
„Wir müssen es abwarten", meinte er dann. „Wir sind keine Hellseher ..."
„Keine – Hellseher?"
Oberwachtmeister Dimpfelmoser sprang auf und packte ihn an der Schulter. „Kasperl", rief er, „ich glaube, du hast mich auf einen Gedanken gebracht! In ungewöhnlicher Lage muss man zu ungewöhnlichen Mitteln greifen – ich wende mich an Frau Schlotterbeck!"