Am späten Nachmittag kehrten sie wohlbehalten ins Städtchen zurück. Der Herr Polizeioberwachtmeister Alois Dimpfelmoser radelte mit gestrenger Amtsmiene vorneweg. Großmutter saß auf dem Gepäckträger, ließ die Beine vergnügt auf die linke Seite baumeln und winkte den Leuten am Straßenrand mit der einen Hand zu, während sie in der anderen einen langen Strick hielt, an dessen Ende der Räuber Hotzenplotz festgebunden war.
„Kommen Sie, kommen Sie! Nur nicht müde werden!" Hotzenplotz ließ den Kopf hängen. Seine Nase wurde mit jeder Minute länger, er knirschte vor Wut mit den Zähnen. „So was muss mir passieren!", knurrte er. „So was – mir!" Kasperl und Seppel marschierten am Ende des Zuges. Sie trugen Herrn Dimpfelmosers gestohlene und nun glorreich wiedergewonnene Uniform. Stolz hatte Seppel den Polizeihelm über den Hut gestülpt und den Säbel geschultert. Kasperl war in den blauen Rock mit den silbernen Knöpfen geschlüpft, der ihm viel zu groß war.
Die Blechkanne mit dem Lösegeld trugen sie abwechselnd. Jetzt war gerade Seppel dran, Kasperl durfte einstweilen Wasti führen.
„Waff-waff!", bellte Wasti – und wehe, wenn Hotzenplotz ihm zu langsam lief! Gleich schnappte er unerbittlich nach seinen Waden.
Sie brachten den Räuber zum Polizeibüro. Hotzenplotz wurde im Besenschrank eingesperrt. Kasperl, Seppel und Wasti bewachten ihn; Großmutter eilte heim, um das Abend-
essen zu richten; und Oberwachtmeister Dimpfelmoser führte ein dienstliches Telefongespräch mit der Kreisstadt.
„Jawohl, Herr Inspektor, Sie haben ganz recht verstanden: Es handelt sich um den berüchtigten Räuber Hotzenplotz ... Wo wir ihn haben? Vorläufig steht er im Besenschrank. – Ja, er ist gut bewacht. Sie können ihn bei mir abholen ... Wie bitte? Abholen, sagte ich, Herr Inspektor – ab-ho-len!"
Kurz nach sechs fuhr ein Auto mit sieben schwer bewaffneten Polizisten vor, die Hotzenplotz in die Kreisstadt mitnahmen. Kasperl, Seppel, Herr Dimpfelmoser und Wasti blickten dem Auto nach, bis es um die Rathausecke verschwunden war.
„Was geschieht nun mit ihm?", wollte Kasperl wissen.
Herr Dimpfelmoser zwirbelte seinen Schnurrbart.
„Sie sperren ihn ins Gefängnis und werden ihm den Prozess machen.
„Hm", meinte Seppel. „Und wenn er dort wieder ausreißt?"
„Unmöglich!", sagte Herr Dimpfelmoser. „Ein Kreisgefängnis ist schließlich kein Spritzenhaus. Dort hilft ihm auch eine Blinddarmverrenkung nichts."
Er schloss das Büro ab. Dann gingen sie miteinander nach Hause, wo sie von Großmutter schon mit dem Abendessen erwartet wurden. Als sie eintraten, merkten sie gleich, dass das Häuschen von einem unbeschreiblich herrlichen Duft erfüllt war.
„Großmutter!", staunte Kasperl. „Ist heute nicht Sonntag? Wo hast du denn plötzlich die Würste her?"
„Nun ja", meinte Großmutter augenzwinkernd. „Man hat eben seine Beziehungen ..."
In der Wohnstube war schon gedeckt. Für Herrn Oberwachtmeister Dimpfelmoser stand ein Krug Bier bereit und für Wasti ein flacher Teller im Ofenwinkel. Großmutter trug das Sauerkraut und die Bratwürste auf, das Festmahl begann. Prost!", rief Herr Dimpfelmoser und schwenkte den Bierkrug. „Auf alle, die mir geholfen haben den Räuber Hotzenplotz wieder einzufangen – übrigens auch auf Frau Schlotterbeck!"
Großmutter nickte. Sie hatte daran gedacht, Frau Schlotterbeck heute Abend mit einzuladen.
„Aber wie sollte ich sie verständigen, wo sie doch so weit draußen wohnt?"
Einen Augenblick später schellte es an der Haustür. Kasperl lief öffnen – und glaubte nicht recht zu sehen: Frau Schlotterbeck kam hereingewabbelt!
„Sie?!", fragte Großmutter überrascht. „Woher wussten Sie ... ?"
„Kunststück!" Frau Schlotterbeck klemmte sich das Monokel ins rechte Auge. „Bei meinem Beruf!"
Wasti begrüßte sie stürmisch. Es fehlte nicht viel und er hätte sie umgerissen vor lauter Freude.
„Guter Hund, braver Hund!" Frau Schlotterbeck tätschelte ihm die Schnauze. „Frauchen ist stolz auf dich!"
„Und mit gutem Recht!", rief Herr Oberwachtmeister Dimpfelmoser. „Es gibt auf der ganzen Welt keinen besseren Polizeihund als ihn!"
Frau Schlotterbeck seufzte gerührt.
„Und trotzdem", sagte sie traurig, „trotzdem wollte ich, dass er wieder ein Dackel wäre: ein ganz gewöhnlicher kleiner Dackel."
Kasperl tröstete sie und versprach ihr, er werde sich etwas einfallen lassen, um Wasti wieder zu seinem richtigen Aussehen zu verhelfen.
„Irgendwie muss das doch möglich sein", meinte er. „Machst du mit, Seppel?"
„Klar!", sagte Seppel. „Gleich morgen wollen wir damit anfangen, uns den Kopf zu zerbrechen ..."
Es wurde ein schöner und langer Abend, an den sie noch lange denken sollten.
Großmutter musste der Witwe Schlotterbeck und Herrn Dimpfelmoser genau erzählen, wie sie von Hotzenplotz auf dem Fahrrad entführt worden war und Herr Dimpfelmoser prostete ihr bei jeder Gelegenheit zu.
„Respekt!", rief er, immer wieder: „Respekt!"
Kasperl und Seppel sorgten dafür, dass Wasti stets ausreichend Wursti-Wursti auf dem Teller hatte.
Sie selbst aßen Bratwurst mit Sauerkraut, bis sie Bauchweh bekamen und waren so glücklich, dass sie mit keinem Menschen getauscht hätten – nicht einmal um den Preis einer Dauerfreikarte auf der Achterbahn.