Schwammerlsuppe


Kasperl und Seppel rutschten auf den Knien durch die Räuberhöhle und schrubbten den Fußboden. Während Hotzenplotz Wasser und Seife geholt hatte, hatten sie Großmutter schleunigst in den Geheimplan eingeweiht.

Hotzenplotz saß gemütlich im Armstuhl. Er spielte an seiner Pfefferpistole herum und ahnte nicht, was die drei miteinander besprochen hatten.

„Sind das auch ganz bestimmt lauter echte Rotkappen?", fragte ihn Großmutter überm Schwammerlputzen. „Sie wissen ja, ich bin kurzsichtig und muss jede Verantwortung ablehnen."

„Unsinn!", erwiderte Hotzenplotz. „Wenn ich Ihnen sage, dass diese Pilze in Ordnung sind, sind sie in Ordnung."

„Aber es könnte vielleicht ein Knallpilz darunter sein. Knallpilze sind bekanntlich sehr giftig, man kann sie mit Rotkappen leicht verwechseln ..."

„Ach, hören Sie auf damit! Das ist alles Blödsinn mit Ihren alten Knallpilzen! Nie gehört davon. Dies hier sind Rotkappen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, da können Sie ganz beruhigt sein."

Großmutter trat an den Herd. Wenig später erfüllte ein köstlicher Duft die Räuberhöhle. Hotzenplotz sog ihn gierig ein.

„Ist die Schwammerlsuppe bald fertig?"

„Gleich", sagte Großmutter. „Nur noch Pfeffer und Salz dran – und einen Schuss Essig ... So, bitte sehr!"

Sie rückte den Topf vom Feuer und stellte ihn auf den Tisch.

„Wenn Sie kosten möchten?"

Hotzenplotz legte die Pfefferpistole weg.

„Aufhören!", rief er Kasperl und Seppel zu. „Während ich esse, dürft ihr euch in die Ecke verkriechen und Pause machen."

Er setzte sich an den Tisch, er schnupperte an der Suppe, er wollte den ersten Löffel zum Mund führen, um zu kosten – da hörte er Seppel halblaut zu Kasperl sagen:

„Wie kann man bloß so verrückt sein auf Schwammerlsuppe? Mich könntest du zu den Hottentotten jagen damit!"

„He?", fragte Hotzenplotz prompt. „Was muss ich da hören, Seppel? Du magst keine Schwammerlsuppe?"

„Brrr!", machte Seppel und hielt sich die Nase zu. „Der Geruch allein reicht mir schon!"

Hotzenplotz musterte ihn aus den Augenwinkeln.

„Und wenn man dich zwingen würde?"

„Wozu?"

„Dass du davon isst ..."

„Bitte nicht!", sagte Seppel erschrocken. „Das dürfen Sie mir nicht antun!"

„Ach nein?", meinte Hotzenplotz; und dann tat er genau das, was Kasperl im Stillen erhofft hatte:

„Großmutter!", rief er. „Füllen Sie diesem Bengel mal einen Teller von meiner Suppe ab – und zwar reichlich, verstanden?"

„A-aber, S-sie w-werden d-doch ...", stotterte Seppel. „Sie w-werden doch n-nicht von m-mir verlangen ..."

„Dass du den Teller auslöffelst?" Hotzenplotz fletschte die Zähne. „Ja, das verlange ich! Tu, was ich sage und iss das – oder es soll dir Leid tun, verdammt noch mal!"

Großmutter legte sich für den armen Seppel ins Mittel.

„Wo er doch Schwammerlsuppe nicht ausstehen kann!"

„Eben drum!", sagte Hotzenplotz.

Dabei blieb er und Seppel musste den Teller auslöffeln bis auf den Grund. Das fiel ihm in Wirklichkeit zwar nicht schwer, weil er für Großmutters Schwammerlsuppen seit jeher viel übrig hatte; aber er tat so, als ob es ihn schreckliche Überwindung kostete. Hotzenplotz weidete sich daran und verspottete ihn noch obendrein.

„Iss du nur tüchtig, iss du nur! Junge Leute von heute dürfen nicht zimperlich sein – schon gar nicht bei Schwammerlsuppe, hö-hö-höhöööh!"

Als Seppel den Teller leer gemacht hatte, jagte Hotzenplotz ihn vom Tisch.

„So, nun bin ich dran. Mahlzeit!"

Er ließ sich die Suppe schmecken, man hörte es. Schlürfend und schmatzend löffelte er drauflos.

Kasperl und Seppel hockten mit trauriger Miene in einem Winkel der Räuberhöhle, als ob sie sich von der Arbeit ausruhen müssten. Von Zeit zu Zeit warfen sie einen verstohlenen Blick auf Hotzenplotz. Sie warteten, bis er den Topf mit der Schwammerlsuppe geleert hatte und den Löffel weglegte. Dies war für Seppel das Zeichen. Er kippte vornüber zu Boden und brach in ein dumpfes Gewimmer aus:

„Huuuh! Hu-ahuuuh! Hu-ahuuuh-ahuuuh!"

Hotzenplotz drohte ihm mit der Faust.

„Was soll das Gewinsel? Aufhören! Schluss damit!"

Großmutter eilte, so schnell es die Kette an ihrem Fuß erlaubte, zu Seppel und beugte sich über ihn. Seppel krümmte sich wie in furchtbaren Schmerzen und wimmerte weiter:

„Huuuh! Hu-ahuuuh-ahuuuh! Helft mir doch, heeelft miiir, ahuuuhahuuuh!"

Kasperl versuchte ihn zu beruhigen. Seppel heulte und jammerte nur noch herzzerreißender.

„Was hat er denn?", fragte Hotzenplotz; er stand auf und trat näher heran.

„Was der hat?", meinte Kasperl. „Das sehen Sie doch, er hat Bauchweh."

„Ahuuuh!", heulte Seppel. „Ahuuuh-ahuuuh! Es zerreißt ... Es zerreißt mich gleich!"

Großmutter fasste sich an den Kopf, als sei ihr in diesem Augenblick etwas Grässliches klar geworden.

„Knallpilze!" Sie begann sich das Haar zu raufen. „Es muss eine Knallpilzvergiftung sein! Armer Seppel! Es wird ihn von innen heraus in Stücke reißen, oje, oje! Diese schrecklichen Knallpilze! Und-kein-Arzt-ist-da-und-kein-Arzt-ist-da!"




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