Seit die Brücke über den Moosbach hinter ihnen lag, hatten Kasperl und Seppel das Gefühl, als ob ihre Füße mit jedem Schritt ein halbes Pfund schwerer würden. Am liebsten wären sie jetzt noch umgekehrt.
Um sich Mut zu machen, spielten sie Wörterverdrehen. Das war eines ihrer Lieblingsspiele, Kasperl begann damit.
„Hast du Angst vor dem Räuber Plotzenrotz?", fragte er.
„Ich?", meinte Seppel und tippte sich an den Hut. „Der Kerl hat ja Stieselheine im Kirn!"
„Oder Klaumenpfnödel!"
„Fragt sich, was besser ist. Jedenfalls ist er ein alter Kummdopf!"
„Ein Vindrieh, wie es im Stuch beht!"
„Ein Krohstopf!"
„Ein Aumenpflaugust!"
Je länger sie das Spiel fortsetzten und je mehr Schimpfnamen sie für Hotzenplotz fanden und aussprachen, desto leichter wurde ihnen ums Herz.
Als sie beim alten Steinkreuz ankamen, waren sie fast schon wieder ein bisschen übermütig.
„Halt! Stehenbleiben!"
Die Pfefferpistole im Anschlag, brach Hotzenplotz aus den Sträuchern hinter dem Steinkreuz hervor, diesmal wieder in seinem Räubergewand mit dem schwarzen Hut und der krummen Feder.
„Seid ihr allein?"
„Das sehen Sie ja", sagte Kasperl; und Seppel beteuerte eifrig: „Hei Dringer aufs Ferz!"
„Oha!", rief Hotzenplotz. „Machst du dich über mich lustig, Bürschlein? Was soll der Blödsinn?"
„Oh –, Entschuldigung!" Seppel bekam einen roten Kopf. „Ich wollte natürlich sagen: Drei Finger aufs Herz – wir sind wirklich allein gekommen!"
„Schön", brummte Hotzenplotz. „Und das Geld?"
„Das Geld ist hier drin", sagte Kasperl und schepperte mit der Blechkanne. „Fünfhundertfünfundfünfzig Mark fünfundfünfzig in Münzen."
„Vorzählen!"
„Wie Sie wünschen. Wir haben es zwar schon fünfmal gezählt – aber bitte sehr!"
Seppel nahm den Hut vom Kopf und Kasperl schüttete alles Geld hinein. Dann zählten sie Münze für Münze einzeln in die Kanne zurück. Hotzenplotz sah ihnen scharf auf die Finger und zählte mit, bis sie fertig waren.
„Und nun", sagte Kasperl, „nun geben Sie Großmutter bitte wieder heraus!"
„Großmutter?" Hotzenplotz tat verwundert. „Wieso denn?"
„Weil Sie uns das versprochen haben." Kasperl zog aus der Hosentasche den Eilbrief hervor. „Hier haben wir's rot auf weiß!"
„Dass ich Großmutter freilasse?" Hotzenplotz nahm ihm den Brief aus der Hand. „Ihr könnt wohl nicht richtig lesen, wie? Von Freilassen steht hier kein Wort! Ich habe euch nur versprochen, dass ihr sie lebend wiederseht, wenn ihr das Geld bringt..."
„Eben!", rief Kasperl. „Und was man verspricht, muss man halten – auch wenn man ein Räuber ist!"
„Findest du?"
Hotzenplotz grinste. Dann kniff er das linke Auge zu, spannte den Hahn der Pfefferpistole und sagte:
„Natürlich werdet ihr Großmutter wiedersehen – aber als meine Gefangenen!"
Nun ging alles sehr schnell. Er hob die Pistole, er brüllte: „Umdrehen! Arme nach hinten! Rasch – oder muss ich nachhelfen?"
Kasperl und Seppel waren so verdattert, dass sie alles mit sich geschehen ließen. Hotzenplotz fesselte ihnen die Hände auf den Rücken und band sie an einen Kälberstrick.
„Vorwärts marsch!"
Die Blechkanne mit dem Lösegeld in der einen Hand und den Kälberstrick in der anderen, führte er Kasperl und Seppel davon, in den finsteren Wald hinein.