Kapitel 18

Die Halle von Becc, dem Fürsten der Cinel na Äeda, war so voll, daß die Honoratioren gerade noch Platz fanden. Es hatten sich so viele zu der Beweisführung der berühmten dalaigh aus Cashel eingefunden, daß Beccs Wachmänner die Menge an der Tür zurückhalten mußten. Becc thronte auf seinem Amtssessel, der, wie bei solchen Anlässen üblich, auf einem hölzernen Podest am Ende der Halle stand. Fidelma saß zu seiner Rechten ebenfalls auf dem Podest. Hinter ihr befand sich Eadulfs Stuhl. Accobran, der Tanist, stand links hinter dem Fürsten. Links neben dem Fürsten saß Abt Brogan als höchster Kirchenmann der Cinel na Äeda, neben ihm sein Verwalter, Bruder Solam.

Ihnen gegenüber hatte in der ersten Reihe eine kleine Gruppe von niederen Stammesfürsten und Mönchen Platz genommen. Auf Fidelmas Bitten hin saßen auch die drei Aksumiter dort. Hinter ihnen erblickte man den großen, dunkelgesichtigen Kriegsfürsten der Ui Fidgente, Conri den Wolfskönig, und zwei seiner Krieger. Sie waren am Vormittag mit der Parlamentärflagge in die Festung eingeritten, wußten sie doch, daß sie unter Fidelmas Schutz standen und nicht um Leib und Leben fürchten mußten. Fidelma hatte Adag befohlen, dafür zu sorgen, daß Accobran und seine Krieger auf Abstand gehalten wurden. Dennoch betrachtete jeder die Ui Fidgente mit mißtrauischen, drohenden Blicken, und sie wirkten etwas verunsichert.

Als Fidelma sich umschaute, stellte sie fest, daß alle, die sie dazu aufgefordert hatte, auch wirklich anwesend waren. Sogar Liag war erschienen, nachdem Menma ihn dazu überredet hatte. Menma und Sua-nach saßen neben ihm. Mit mürrischer Miene wie immer war auch Gobnuid anwesend. Er hatte sich neben Seachlann, dem Müller, niedergelassen. Seach-lanns Bruder Brocc war aus seiner Zelle geholt worden und stand nun, von zwei Kriegern bewacht, seitlich an einer Wand. Auch Goll und seine Familie waren gekommen. Tomma und Creoda, die beiden Gerbergehilfen, sah man mit dem Koch Sirin in einer Ek-ke. Ganz Rath Raithlen hatte sich auf den Weg gemacht, um an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen.

Nun trat Adag, der Verwalter, nach vorn und bat um Aufmerksamkeit und Ruhe, was sich eigentlich erübrigte. Er schaute zu seinem Fürsten, der nun Fidelma zunickte. Sie erhob sich und ließ ihre Blicke nachdenklich über die Versammelten schweifen. Dann begann sie langsam zu sprechen. Bedächtig wählte sie ihre Worte.

»Ich wurde in das Land der Cinel na Äeda gerufen und bin hier auf das Böse gestoßen. Was ist das Bö-se?« Sie machte eine Pause, als erwartete sie eine Antwort. »Schon seit vielen Generationen streiten sich die Philosophen über Begriff und Inhalt des Bösen. Das Böse liegt darin, anderen Menschen Schaden, körperliche oder seelische Gewalt, Qualen oder Schmerzen zuzufügen oder es zu beabsichtigen. Es ist die Antithese zu Gott. Und doch hat mein Mentor Brehon Morann einmal gesagt, wenn wir versuchen würden, das Böse ganz aus der Welt zu schaffen, so könnten wir nur wenig über die Natur unseres Seins erfahren. Jene, die Böses tun, sind häufig davon überzeugt daß das ehrenhaft und notwendig ist. Wir können das Böse nicht genau beschreiben, solange wir nicht unser aller Tun an den gleichen moralischen Grundsätzen ausrichten. Und so müssen wir akzeptieren, daß das Böse ein natürlicher Bestandteil unserer Welt ist.«

Unruhe kam unter den Anwesenden auf. Sie scharrten mit den Füßen, denn die meisten begriffen nicht, was die dalaigh sagen wollte.

»Wenn wir eine Predigt gewollt hätten, Schwester, wären wir in die Kirche gegangen«, rief Brocc, der trotz seiner Fesseln und der beiden Wachmänner aggressiv und ungestüm wie immer wirkte. Da traf ihn der Hieb eines seiner Bewacher in die Seite, und er schwieg.

Fidelma fühlte sich unverstanden, dennoch fuhr sie fort: »Selbst die Kirche ist nicht der alleinige Hüter des Guten. Dort stößt man ebenso auf das Böse wie unter jenen, die nicht dem neuen Glauben folgen.«

Abt Brogan öffnete den Mund, als wolle er etwas entgegnen, schwieg dann aber. Auf Liags Gesicht zeigte sich ein zynisches Lächeln.

»Ich bin hierhergekommen und habe Mißgunst entdeckt«, setzte Fidelma ihre Rede mit Nachdruck fort.

»Das wissen wir schon!« rief Seachlann. »Sind uns nicht unsere Töchter genommen worden? Schluß mit deiner Predigt, erklär uns lieber, wer an ihrem Tod die Schuld trägt.«

»Dazu komme ich noch«, versprach Fidelma geduldig.

»Alles zu seiner Zeit. Unsere Kultur und unsere Gesetze bilden die Meßlatte, an der sich das Böse beurteilen läßt. Das ist die Voraussetzung, um jene zu finden, die für alles Unheil verantwortlich sind. Seneca schrieb einmal, das schlimmste Übel ist jenes, vor dem Bösen zurückzuschrecken und vor ihm zu kapitulieren. Wir müssen uns dem Bösen jederzeit widersetzen und alles Leid auf uns nehmen, bevor wir uns ihm ergeben.«

Becc beugte sich vor und nickte. »Das ist wohl wahr, Fidelma, doch zeig uns, wo sich das Böse bei uns verbirgt.«

»Drei Verbrechen haben hier stattgefunden«, fuhr Fidelma fort. »Mord, Betrug und Diebstahl, dazu kommt noch ein Verstoß gegen die Regeln der Gastfreundschaft. Aus all diesen bösen Taten folgten weitere kleine Übertretungen unseres Gesetzes.«

Auf einmal herrschte erwartungsvolle Stille in der Halle. Fidelma sah in die auf sie gerichteten Gesichter. Die unterschiedlichsten Gefühle spiegelten sich darin wider: Erregung, die Jagdlust der Meute, die gleich von der Leine gelassen wird, Entsetzen, langsames Begreifen und manchmal auch Furcht.

»Ich will mit dem Verstoß gegen die Regeln der Gastfreundschaft anfangen. Das ist das geringste Vergehen, das gegen die Cinel na Äeda verübt wurde. Dennoch halten wir es nicht für unerheblich.«

Sie drehte sich zur Seite und blickte Bruder Dangila und seine Gefährten an, dann sah sie zu Bruder Solam hinüber. »Da ich die Beweisführung verständlicherweise in meiner Muttersprache antrete, beauftrage ich dich, Bruder Solam, meine Worte für die drei Mönche aus Aksum ins Griechische zu übersetzen.«

Der Klosterverwalter ging zu den drei Aksumitern hinüber und teilte ihnen den Wunsch der Richterin mit. Mit ernster Miene nickte Bruder Dangila zu Fidelma hinüber.

»Die drei Mönche aus dem fernen Land Aksum haben die Gastfreundschaft der Abtei mißbraucht ...«

»Ich hatte also recht!« warf Brocc mit heiserer Stimme ein. »Das sind die Mörder. Das habe ich schon immer gesagt, ich fordere also .«

Fidelma sah ihn aufgebracht an. »Du wirst hier gar nichts fordern. Wenn du dich nicht still verhältst, werde ich dich wieder in die Zelle bringen lassen.«

Brocc schwieg schließlich.

»Die drei Mönche aus Aksum, als Fremde in unser Land gekommen, sind hier möglicherweise selbst fehlgeleitet worden und werden dieses Argument zu ihrer Verteidigung anführen«, fuhr Fidelma fort.

»Wir verstehen deinen Vorwurf nicht, Schwester. Bitte erklär ihn uns«, sagte nun Bruder Dangila, und Bruder Solam übersetzte es für die Leute in der Halle.

»Ihr seid hierhergekommen, um die Schriften in der Abtei des heiligen Finnbarr zu studieren, wie ihr uns gesagt habt. Stimmt das?«

»Das stimmt.«

»Abt Brogan hat euch einzig und allein in seiner Abtei Gastfreundschaft gewährt, damit ihr dort euren Studien nachgehen könnt. Doch ihr hattet außerdem einen anderen Grund, hier zu erscheinen, nicht wahr?«

Bruder Dangilas Augen wurden ein wenig schmaler, er erwiderte nichts.

»Ehe du Mönch wurdest, hast du in den Goldminen deiner Heimat gearbeitet, wie du mir selbst berichtet hast, Dangila. Das waren die Minen von Adu-lis, aus denen Gold in die ganze Welt geliefert wird. Schon dein Vater hat dort Gold geschürft, nicht wahr?«

Langsam nickte Bruder Dangila. »Das streite ich nicht ab. Ich habe tatsächlich in den Minen im Schatten des Ras Dashen gearbeitet, ehe ich der Bruderschaft beitrat.«

»Du hast mir erzählt, daß du dort mehr gelernt hast, als nur Gold- oder Kupferadern aufzuspüren«, fuhr Fidelma fort. »Du warst ein wahrer Meister auf deinem Gebiet, wußtest alles über die verschiedenen Bergbautechniken.«

Gleichgültig zuckte der Aksumiter mit den Schultern und schwieg.

»Uns ist bekannt, daß ihr von einem auf Grund gelaufenen Schiff vor unserer Küste gerettet und ins Kloster Molaga gebracht wurdet. Dort seid ihr eine Weile geblieben. Weißt du noch, wie du mir erklärtest, wieso ihr euch entschlossen habt, in die Abtei des heiligen Finnbarr umzuziehen?«

»So kurz ist mein Erinnerungsvermögen nicht«, erwiderte Bruder Dangila. »Doch ich verstehe immer noch nicht .«

»Nur Geduld. Du hast mir gesagt, daß ihr hier die Schriften von Aibhistin über den Mond und sein Wirken studieren wolltet .«

Unter den Versammelten kam Gemurmel auf.

»Das war aber nicht die ganze Wahrheit, oder?« meinte Fidelma vorwurfsvoll.

Bruder Dangila erwiderte nichts. Seine beiden Gefährten Bruder Nakfa und Bruder Gambela tauschten Blicke. Das entging Fidelma nicht.

»Vielleicht hast du nicht einmal deinen Begleitern die ganze Wahrheit über euren Besuch im Land der Cinel na Äeda verraten«, führte sie weiter mit sicherer Stimme aus. Sie hoffte, daß sie deren überraschte Mienen richtig deutete.

Bruder Dangila schwieg weiterhin.

»Accobran hat euch vorgeschlagen, hier in die Abtei zu kommen, wenn ich recht informiert bin«, verkündete Fidelma kühn und setzte alles auf eine Karte.

Der junge Tanist, der die ganze Zeit über mit einem zynischen Lächeln zugehört hatte, fuhr hoch und trat vor.

»Was willst du damit sagen?« rief er. Becc streckte eine Hand vor und gebot ihm zu schweigen.

Fidelma überging den Zwischenfall.

»Was hat dir Accobran als Lohn dafür geboten, daß du in dem alten Stollen Goldadern aufspürst?«

»Das ist unerhört!« rief Accobran aufgebracht und trat wieder vor, doch diesmal versperrte ihm Eadulf den Weg. »Wie kannst du es wagen ...?«

Schwester Fidelma lächelte. »Kraft meines Amtes als dalaigh. Da Bruder Dangila es vorzieht zu schweigen, erzählst du mir vielleicht, was du ihm dafür geboten hast, daß er mit dir in den stillgelegten Stollen ging und die Arbeiten dort beaufsichtigte?«

Becc blickte seinen Neffen voller Empörung an. »Ein Tanist hat die Pflicht, so eine Sache nicht nur mit mir, sondern mit dem Rat der Cinel na Äeda zu besprechen. Er darf nicht eigenmächtig handeln.«

Fidelma schaute Accobran herausfordernd an und sagte zu Becc: »Dein Tanist hatte gar nicht die Absicht, den entdeckten Reichtum mit dir oder den Cinel na Äeda zu teilen. Das führt mich zu dem zweiten Vergehen, mit dem wir uns beschäftigen müssen -dem Vertrauensbruch durch deinen Tanist, den Mann, der zu deinem Nachfolger bestimmt wurde.«

Accobran hatte sein Schwert gepackt und wollte es zücken, doch da hatte Eadulf schon das Kurzschwert eines Kriegers ergriffen und drückte Accobran die Spitze gegen die Magengrube. Dabei grinste er entschuldigend.

»Aequo animo«, sagte er leise und befahl dem Ta-nist damit, Gleichmut zu bewahren und sich nicht zu rühren. »»Aequam servare mentem.«

»Diese Beleidigung kann ich nicht auf mir sitzen lassen«, brauste Accobran mürrisch auf, doch er rührte sich nicht.

Becc blickte verwirrt umher. »Bloße Beschuldigungen reichen nicht aus, Fidelma.«

»Warte ab. Ich bin mir nicht sicher, wie lange Ac-cobran, Gobnuid und Bruder Dangila schon in dem alten Stollen im Eberdickicht am Werke waren.«

Gobnuid stöhnte und verbarg seinen Kopf zwischen den Händen.

»Kannst du das beweisen?« fragte Becc.

»Ich habe für alles, was ich sage, Zeugen. Als ich selbst die Mine erkunden ging, stieß ich auf ein Stück von Bruder Dangilas Halskette, das er dort verloren hatte. Als ich ihn deswegen bei anderer Gelegenheit zur Rede stellte, erklärte er mir, er hätte die Kette im Dormitorium liegengelassen. Doch ich habe das Kettenstück in der Mine gefunden. Außerdem wird Bruder Solam bezeugen, daß er Accobran und Dangila auf einem Wagen zur Mine fahren sah. Menma und Bruder Eadulf haben Dangila vor dem Höhleneingang erspäht und auch Gobnuid. Und ich habe sie mit Eadulf zusammen ebenfalls beobachtet.«

Mit fragenden Blicken wandte Fidelma sich wieder Bruder Dangila zu. Der große Aksumiter schien auf seinem Stuhl zusammengesackt zu sein. Da meldete sich Becc erneut zu Wort.

»Beschuldigst du wirklich Accobran und diesen Fremden, der kaum unsere Sprache spricht, gemeinsame Sache gemacht zu haben? Wie sollen sie sich verständigt haben?«

»Becc, weißt du denn nicht, daß Accobran ein wenig Griechisch spricht? Er hat einige Jahre im Kloster Molaga studiert und dabei Grundkenntnisse dieser Sprache erworben. Ich habe das bereits am zweiten Tag meines Aufenthaltes hier herausgefunden, denn da zitierte dein Tanist ein paar Zeilen griechischer Poesie. So, was hat Bruder Dangila nun zu diesen Vorwürfen zu sagen?«

Der Aksumiter schaute zu ihr auf. »Während unseres Gesprächs in Molaga erfuhr Accobran von mir, daß ich früher in meiner Heimat die Arbeiten in den Goldminen beaufsichtigt hatte. Er erzählte mir, daß er in seinem Gebiet womöglich Gold entdeckt hatte, an einem Ort, an dem es vor einiger Zeit ergiebige Vorkommen gegeben hatte. Er meinte, daß er nicht in der Lage sei, zu erkennen, ob es wirklich Gold sei .«

»Das kann ich nur bestätigen«, sagte Fidelma leicht ironisch. »In Bebhails Hütte entdeckte ich einen Goldklumpen und zeigte ihn Accobran. Er schien sich immerhin so weit damit auszukennen, daß er mir versicherte, daß es sich um Katzengold handelte und nicht um Gold. Das schien ihn sehr zu erleichtern.«

»Aber er wußte nicht, wie man einer kleinen Ader folgt und das Gold aus dem Felsen herausholt«, erklärte Bruder Dangila weiter. »Er bat mich darum, festzustellen, ob die Ader mehr Gold versprach oder bald erschöpft sein würde. Dafür bot er mir ein Viertel des Gewinns an. Ich ging davon aus, daß ihm der Stollen gehört.«

Fidelma hob die Hände und versuchte so, die Menge zur Ruhe zu bringen, die nun laut durcheinanderredete.

»Gobnuid, hiergeblieben!« rief sie dem Schmied zu, der gerade aufgestanden war und auf den Ausgang zueilte. »Dir sollte sicher auch ein Viertel Gewinns gehören, nicht wahr?«

Die Wachmänner ergriffen Gobnuid und stießen ihn nach vorn vor die Richterin.

»Ich habe nichts getan«, sagte er verdrießlich.

»Ganz im Gegenteil. Ich denke, daß du sehr viel getan hast«, hielt ihm Fidelma entgegen. »Dir muß man nicht erzählen, wie reich das Land der Cinel na Äeda einst an Goldvorkommen war und daß noch vor einer Generation in den Goldminen gearbeitet wurde. Da kam ein skrupelloser junger Krieger daher - ein intelligenter Krieger, der sogar ein wenig Theologie studiert hatte. Er stieß im Eberdickicht auf eine Höhle, in der er Gold fand, und ersann einen Plan, wie er ganz allein reich und mächtig werden konnte. Mit seinem Volk wollte er die Entdeckung nicht teilen. Er fand einen Schmied, der für ihn im Stollen arbeitete und das Gold zu den Händlern am Fluß schaffte. Und zufällig begegnete er jemandem, der die Aufsicht führen konnte und ihm sagte, welche Goldader lohnend sei.«

Sie schwieg einen Moment.

»Erst vor kurzem traf ich Gobnuid dabei an, wie er angeblich eine Ladung Felle für Accobran zu den Händlern am unteren Fluß schaffte. Waren das wirklich Felle? Die Räder des Fuhrwerks gruben sich so tief in die Erde ein, daß die Ladung ein enormes Gewicht haben mußte. Bei einem dieser Transporte muß einmal ein Goldklumpen vom Wagen gefallen sein, den der kleine Sioda später in der Nähe des Steinkreises der Wildschweine fand. Ohne Arg brachte er ihn zu Gobnuid, der ihm einredete, daß es sich nur um Katzengold handelte. Doch das war gelogen, oder, Gobnuid?«

Gobnuid ließ den Kopf sinken und lief rot an, womit er ihre Worte bestätigte.

»Eines Tages wagte Accobran zuviel. Er begab sich zum Hafen, um sich dort nach einem Kapitän umzusehen, der das Gold außer Landes schaffte. Das war verhängnisvoll. Accobran beging einen Fehler, als er dem Kapitän eines Handelsschiffes etwas Rohgold für die künftigen Abnehmer mitgab. Diesen Kapitän ereilte im Land der Ui Fidgente plötzlich der Tod, aber er konnte einem Krieger namens Dea, kurz bevor er starb, noch anvertrauen, daß das Gold aus dem Land der Cinel na Äeda und dort aus dem Eberdickicht stammte. Dem Kapitän war zwar nicht bekannt, wo genau sich die Goldmine befand, aber er wußte, daß es in dem Wald einen Jäger namens Menma gab. Dea nahm also an, daß der Jäger es ihm sagen könnte. Der hatte jedoch keine Ahnung. Dieser Dea gehörte später einem Trupp Krieger unter der Führung seines Bruders Conri an, der zum Land der Corco Loigde zu den jährlichen Wettkämpfen unterwegs war.

Dea und seine Krieger überfielen ohne das Wissen und die Erlaubnis von Conri Menmas Hütte. Was dort geschah, ist euch allen bekannt. Sie nahmen Sua-nach als Geisel, weil sie Menma in eine Falle locken wollten. Sie ahnten natürlich nicht, daß die Krieger der Cinel na Äeda, die sie verfolgten, unter der Führung des Mannes standen, der genau Bescheid wußte über das Gold. Accobran vermutete, daß der Kapitän seine Entdeckung den Ui Fidgente verraten hatte. Während er ihnen auf den Fersen war, dachte er nur noch an eins. Er hatte beschlossen, daß keiner der Angreifer am Leben bleiben durfte, denn er hätte den Zweck des Überfalls verraten können. Deshalb hat er alle Ui Fidgente so erbarmungslos getötet.«

Die Menge hielt den Atem an.

»Menma und Suanach werden bezeugen, daß die Krieger der Ui Fidgente keine Möglichkeit hatten, sich zu ergeben.«

Becc lehnte sich zurück. Trauer und Zorn standen in seinem Gesicht. »Ein Tanist legt den Schwur ab, dem Wohl seines Volkes zu dienen. Mir ist mit der Zeit immer klarer geworden, wie fragwürdig sich Ac-cobran verhält, doch ich habe alles damit entschuldigt, daß er noch jung und unerfahren ist. Aber das .? Das verstößt gegen das Gesetz und die Moral. Das ist ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber den Cinel na Äeda.«

»Das ist noch nicht alles«, erklärte Fidelma. »Ich fragte Gobnuid nach dem Goldklumpen, den Sioda gefunden hatte. Er wurde ganz aufgeregt, weil er wohl glaubte, daß ich hinter das Geheimnis der Höhle gekommen sei. Am nächsten Morgen versuchte er, einen Unfall vorzutäuschen, allerdings ohne Accobrans Einwilligung. Als Eadulf und ich auf den Wachturm an den Toren der Festung gestiegen waren, tauchte Gobnuid mit einer Botschaft von Accobran dort oben auf. Tückischerweise hatte er vorher eine Sprosse der Leiter mit einem Messer beschädigt. Beim Abstieg hatte Eadulf einfach Glück, daß er nicht zu Tode stürzte, als die Sprosse unter ihm brach.

Zu seiner Beruhigung muß Accobran ihm wohl gesagt haben, daß wir viel zu sehr mit dem Mord an den drei Mädchen beschäftigt seien, um uns um die Goldmine zu kümmern. Die eingekerbte Leitersprosse war ein törichter Fehler, denn nun hatte mich Gob-nuid auf die Idee gebracht, eine Verbindung zwischen den Vorfällen zu suchen.«

Der Tanist stand schweigend da. Eadulfs Schwertspitze hielt ihn immer noch in Schach. Fidelma hatte einen Krieger herbeigewunken, der Gobnuid bewachte.

»Cousin Becc, dein Tanist hat dich schmählich betrogen und das Amt, das er bekleidet hat, entwürdigt. Habsucht! Wenn alle Sünden alt sein werden, wird die Habsucht immer noch jung sein. Sie ist das älteste und stärkste Motiv für Verbrechen.«

»Müssen wir nun auch davon ausgehen, daß Accobran und seine Kumpane für die Ermordung der drei Mädchen verantwortlich sind?« fragte Becc. »Hatten sie sein Geheimnis entdeckt, und mußten sie sterben, damit sie für immer schwiegen?«

Fidelma verneinte. »In diesem Fall hatte Lesren mit seinen Anschuldigungen recht.«

Da sprang Gabran von seinem Platz auf und wollte sich durch die Menge zur Tür durchkämpfen. Zwei Männer hielten ihn schließlich fest. Finmed, Gabrans Mutter, weinte verzweifelt.

»Wie ist das möglich?« sagte Becc fassungslos. »Er ist doch von meinem Brehon Aolü freigesprochen worden, und auch du ...«

»Wir haben uns alle geirrt, was Gabran betrifft«, erwiderte Fidelma.

Finmed schluchzte leise. Goll war wutentbrannt aufgestanden und eilte nach vorn.

»Du bist im Unrecht, Schwester Fidelma. Du bist im Unrecht. Wir erheben Einspruch gegen diesen Vorwurf ... Du ...«

»Wenn du dich beruhigen würdest, Goll, dann könnte ich das erläutern.«

Ihre Stimme klang fest und fordernd. Sobald das Gemurmel in der Menge abebbte, sagte Fidelma: »Gabran und Beccnat wollten heiraten. Das ist wahr. Es stimmt aber auch, daß es sich Beccnat anders überlegt hatte, so wie Lesren es uns mitteilte.« Fidelma sah nun Lesrens Witwe Bebhail an, die mit gesenktem Kopf neben Tomma saß. »Da Lesren dich nicht mehr bedrohen kann, wirst du uns vielleicht die Wahrheit erzählen.«

Langsam hob Bebhail den Kopf. »Du weißt ja inzwischen, wie Lesren war und warum er nicht wollte, daß sich unsere Tochter mit Gabran verband. Das ist alles wahr.« Sie machte eine Pause und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Es stimmt auch, daß Ga-bran um die Hand unserer Tochter anhielt und beide tatsächlich heiraten wollten. Sie haben sich regelmäßig getroffen. Sie waren auch bei Liag, wohl eher, um sich zu sehen, als daß sie sich ernsthaft für Sternenkunde interessiert hätten.«

Liag prustete verächtlich, doch Bebhail redete unbeirrt weiter.

»Lesren hat die Wahrheit gesagt, Beccnat hatte sich von Gabran abgewendet ...«

»Alles Lüge!« schrie Gabran und versuchte die beiden Männer, die ihn festhielten, abzuschütteln. »Becc, du hast darüber bereits dein Urteil gesprochen und die Anschuldigungen gegen mich abgewiesen. Das sind alles Lügen.«

»Beccnat wollte ihn verlassen«, sagte Bebhail unerschütterlich.

»Welchen Grund gab es für diesen Entschluß?« fragte Fidelma.

»Sie hatte erfahren, daß Gabran sich insgeheim mit Escrach traf. Und der hatte er anvertraut, daß er Beccnat nur deshalb nachstellte, weil er sich an deren Vater Lesren für das rächen wollte, was dieser seiner Mutter Finmed einmal angetan hatte.«

»Von wem hat Beccnat das erfahren?«

»Von Escrach selbst, die darüber ganz entsetzt war. Und als Freundin wollte sie Beccnat warnen. Doch auch Escrach war in Gabran verliebt und scheute sich deshalb, ihn öffentlich bloßzustellen oder ihn zu ver-lassen. Sie wollte einfach nur Beccnat vor ihm warnen. Beccnat trennte sich also von Gabran und fand dann Trost bei dem Tanist.«

Nun richteten sich alle Augen wieder auf Accobran.

»Ein Zeuge hat uns bereits berichtet, daß sich Accobran und Beccnat trafen und sie sich wie Liebende verhielten. Gabran selbst verhehlte seinen Haß auf den Tanist nicht, er verdächtigte ihn, eine Affäre mit Beccnat zu haben.«

Goll blickte sie gequält an. »Aber das bedeutet doch nicht, daß mein Sohn das Mädchen umgebracht hat. Brehon Aolü hat bestätigt, daß er es gar nicht getan haben konnte.«

»Dazu komme ich noch, Goll. Also«, sagte sie und richtete ihre Worte wieder an die in der Halle Versammelten, die ganz gebannt ihren Ausführungen folgten, »da haben wir das erste Motiv. Die schrecklichen Auseinandersetzungen zwischen Lesren und Finmed, aus denen auch der Haß von Finmeds Sohn auf Lesren und sein Wunsch nach Rache erwuchsen. Wenn er sich nicht direkt an Lesren rächen konnte, so doch an seiner Tochter Beccnat. Dort liegt die Ursache für alles, was dann geschah.«

Fidelmas Augen suchten in den Reihen der Zuhörer nach dem Gerbergehilfen. »Creoda, tritt bitte vor.«

Zögernd erhob sich der junge Mann.

»Du hast auch an dem Unterricht bei Liag teilgenommen.«

»Wie ich dir schon gesagt habe«, erwiderte Creoda nervös.

»Dann möchte ich noch einmal von dir hören, wer die anderen waren.«

»Beccnat und Gabran, Escrach und Ballgel und manchmal auch Accobran.«

»Und fand dieser Unterricht meist nachts statt?«

»Natürlich. Wie sollte man sonst die Sterne betrachten können?«

»Gut. Dann erinnere dich an die Vollmondnacht vor zwei Monaten.«

»Du meinst, als man Beccnats Leiche entdeckte?«

»Richtig. Wart ihr in jener Nacht bei Liag?«

»Ja.«

»Und wer war dabei?«

»Nur Escrach, Ballgel und ich.«

»Gab es danach noch weitere nächtliche Treffen bei Liag?«

»Wenige.«

»Und entspricht es den Tatsachen, daß in diesen Unterrichtsstunden nach Beccnats Tod Escrach und Gabran ziemlich vertraut miteinander umgingen und sich damit auch Bebhails Aussage bestätigt?«

Creoda bejahte das, und Fidelma sprach weiter: »Ich denke, wir können davon ausgehen, daß Escrach und Gabran eng befreundet waren. Bis Gabran herausfand, daß er - wie er es nannte - von Escrach an Beccnat verraten worden war. Ob er eine Weile gebraucht hat, das festzustellen, oder ob Beccnat es ihm einfach gesagt hat, ehe sie starb, wird er uns erklären müssen. Ich glaube, er wählte bewußt die nächste Vollmondnacht aus, um Escrach am Steinkreis zu tref-fen, ganz in der Nähe der Stelle, wo er Beccnat ermordet hatte. Und dort metzelte er sie genauso grausam nieder.«

Fidelma blickte in das wütende bleiche Gesicht Ga-brans, dessen haßerfüllte Augen sie zu durchbohren schienen.

»Gabran trug seinen Haß schon eine Weile mit sich herum, und ich glaube, zu jener Zeit überwältigte ihn der Haß derart, daß er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Liags Geschichten über die Macht des Mondes und die Macht des Wissens beherrschten ihn vollkommen. Sein Verstand war durch den Mord an Beccnat getrübt, und er wartete nun auf den nächsten Vollmond, um seinen zweiten Mord zu begehen.«

»Und der dritte Mord?« fragte Becc, den die Enthüllungen ziemlich aus der Fassung gebracht hatten. »Was geschah mit Ballgel? Du willst doch nicht etwa sagen, daß er auch mit Ballgel eine Affäre hatte?«

»Auf keinen Fall!« rief jetzt Sirin, der Koch. »Das hätte ich gewußt.«

»Der Tod der armen Ballgel. Auch für diesen Mord in der nächsten Vollmondnacht hatte er ein Motiv. Ballgel war die Dritte im Bunde, die Liag besuchte. Vielleicht hat Gabran vermutet, Escrach habe nicht nur Beccnat alles erzählt, sondern auch Ballgel. Creo-da hat uns gesagt, daß die Mädchen miteinander durch dick und dünn gingen und sich alle Geheimnisse anvertrauten. Gabran mußte also sichergehen, daß nichts davon nach außen drang. Darum beschloß er, auch sie umzubringen.«

Die Anwesenden seufzten tief auf. »Es wäre für mich sehr schwierig zu beurteilen, inwieweit ein Mensch wie Gabran für seine Taten verantwortlich ist«, fuhr Fidelma fort. »Ist er wirklich ein dasachtach, ein Geisteskranker, der vor Gericht für seine Taten nicht zur Verantwortung gezogen werden kann? Wir sollten nicht vergessen, daß unser Recht nicht nur darum bemüht ist, die Gesellschaft vor Wahnsinnigen zu schützen, sondern umgekehrt auch die Kranken vor der Gesellschaft. Ich meine, er fing mit seinen Greueltaten als fer lethchuinn an, als eine Person, die vor unserem Gesetz nur teilweise zurechnungsfähig ist.«

»Du bist sehr schlau vorgegangen, Schwester Fidelma.« Goll brauste auf. »Die Leute scheinen deine unglaubliche Geschichte ja beinahe zu schlucken.«

»Alles, was ich vorgebracht habe, fußt auf Beweisen und Zeugenaussagen«, versicherte ihm Fidelma. »Du wolltest doch auch die Wahrheit herausfinden, nicht wahr? Du warst dir selbst nicht sicher, was deinen Sohn anging. Deshalb bist du ihm neulich heimlich gefolgt, als du Bruder Dangila und Gabran im Eberdickicht gesehen hast.«

Dieser Hieb saß. Goll setzte sich mit blassem Gesicht wieder auf seinen Platz. Da erhob sich Finmed, die sich inzwischen ein wenig beruhigt hatte. Sie sprach ganz ruhig.

»Doch trotz deiner Schlauheit hast du eines übersehen, Schwester Fidelma. Nämlich die Tatsache, durch die bewiesen wurde, daß mein Sohn nicht die Schuld an Beccnats Ermordung trägt. Demzufolge ist jede weitere Anschuldigung gegen ihn hinfällig. Es ist jener Punkt, mit dem Brehon Aolü die Unschuld meines Sohnes beweisen konnte. Er kann nicht noch einmal vor Gericht gestellt werden.«

»Ehe du weitersprichst«, erwiderte Fidelma, »muß ich dich berichtigen. Aolü hat Gabran nicht für unschuldig befunden. Er hat nur eingeschätzt, daß die Beweismittel nicht genügten, um gegen Gabran Anklage zu erheben. Dem Gesetz nach ist ihm damit noch nicht der Prozeß gemacht worden. Also haben meine Anschuldigungen vor Gericht Gültigkeit.«

»Du bist schlau, dalaigh!« rief Finmed triumphierend. »Irgendwie zu schlau. Du hast offenbar den Hauptpunkt der Beweisführung vergessen. Gabran war in jener Vollmondnacht gar nicht hier. Er befand sich im Kloster Molaga. Und Tanist Accobran hat das bezeugt, weil er auch dort war. Ich bin sicher, daß du mit Bruder Tüan gesprochen hast, dem Verwalter des Klosters, als er in unserer Abtei zu Besuch war.«

Finmed setzte sich wieder hin und blickte Fidelma siegesgewiß an. Es herrschte einen Augenblick Stille in der Halle. Dann schlug sich Accobran lachend auf die Schenkel.

»Da bist du schachmatt, dalaigh! Wahrlich überschlau! Ich kann Finmeds Worte bezeugen, auch wenn ich Gabran nicht gerade mag. Er war in der Vollmondnacht in Molaga.«

Erwartungsvolle Blicke richteten sich auf Fidelma. Aber sie wirkte nicht sonderlich berührt davon.

»So bin ich wohl wie alle anderen schuldig, einen entscheidenden Punkt übersehen zu haben«, gestand sie leise. »Es ist gut, daß es Gabrans Mutter war, die darauf zu sprechen kam.«

Accobran lachte vergnügt vor sich hin. Selbst Goll lächelte erleichtert und drehte sich zu seinem Sohn um, als wolle er ihn beglückwünschen.

»Dieser entscheidende Punkt ist, daß Beccnat gar nicht in der Vollmondnacht getötet wurde.« Fidelmas gestrenge Stimme brachte alle zum Schweigen. »So kam ich auf den Gedanken, daß Gabran nicht von Anfang an an einem Mondwahn litt. Das entwickelte sich erst mit den nächsten Morden.« Sie schaute nun Liag an. »Du hast die Leichen untersucht, Liag. Erinnerst du dich an unser erstes Gespräch, als ich dich nach dem Zeitpunkt des Todes fragte?«

Der alte Heilkundige stand auf und nickte mißtrauisch. »Ja.«

»Du hast mir gesagt, daß man Beccnats Leiche am Morgen nach der Vollmondnacht fand.«

»Das stimmt.«

»Ach so?« warf nun Accobran ein. »Das würde bedeuten, daß sie in der Nacht getötet wurde - in der Vollmondnacht.«

»Ich habe dich dann gefragt, warum du die Leute davon abgebracht hast, ein wildes Tier hätte sie gerissen«, fuhr Fidelma fort. »Was hast du mir darauf geantwortet? Erinnerst du dich noch an deine Worte?«

Liag dachte einen Moment nach. »Ich sagte dir, ich hätte bei der Untersuchung festgestellt, daß der Mör-der ein gezacktes Messer benutzt hatte. Die Wunden konnte man anfangs kaum erkennen.«

»Genau, und warum?«

»Ich erwähnte das verkrustete Blut und daß die Leiche schon leicht verwest war, daß sie also bereits zwei, drei Tage im Wald gelegen haben mußte.« Als ihm bewußt wurde, was er da gesagt hatte, weiteten sich seine Augen.

Fidelma blickte in die Halle hinein. »Zwei oder drei Tage! Das haben alle übersehen. Man fand die Leiche zwar erst am Morgen nach der Vollmondnacht, aber Beccnat war zwei oder drei Tage zuvor getötet worden.« Nun wandte sie sich an Bebhail. »Lesren hat mir gesagt, und du hast es bestätigt, daß Beccnat eines Nachts losging, um Gabran mitzuteilen, daß sie das Verlöbnis lösen wollte. Da habt ihr sie zum letztenmal gesehen. Erst drei Tage später hätte man ihre Leiche gefunden.«

»Das stimmt. Ich hatte nicht geglaubt ...«, sagte Bebhail entsetzt.

»Wo hat sie denn deiner Meinung nach all die Tage gesteckt?«

»Nach Streitereien mit ihrem Vater ist sie häufig verschwunden. Wir dachten, sie wäre bei einer Freundin. Ich weiß es nicht. Alle haben gesagt, der Mord geschah in der Vollmondnacht. Daran haben wir nicht gezweifelt. Wir haben uns auch nicht gefragt, wo sie die Tage zuvor verbracht haben mochte, schließlich war sie ja tot.«

Fidelma schaute nun wieder zu Finmed hinüber, die vollkommen fassungslos dasaß. Dann blickte sie Goll an.

»Bei unserem ersten Gespräch fragte ich Gabran in deinem Beisein, wann er Beccnat das letztemal gesehen hatte, und er gab eine ehrliche Antwort, was selten vorkommt. Er sagte, daß er sie zwei Tage vor Vollmond getroffen hätte.«

Goll stand nun mit zusammengesunkenen Schultern da, er wirkte müde und erschöpft, ihm war die Wahrheit bewußt geworden. Finmed schluchzte wieder leise.

»Bestätige mir nur noch eine Sache, die du mir erzählt hast, Goll«, sagte Fidelma freundlich. »War es deine oder Gabrans Idee, am Tag vor dem Vollmond nach dem Lughnasa-Fest zum Kloster Molaga zu fahren?«

Goll wandte ihr sein gequältes Gesicht zu. »Du kennst die Antwort genau, Schwester. Er hat vorgeschlagen, an diesem Tag den Transport zu machen.«

Fidelma blickte zu Gabran hinüber, der nach wie vor festgehalten werden mußte.

»Ein Mörder vom Vollmond beeinflußt?« sagte sie nachdenklich. »Nicht im Falle Beccnats. Dieser Mord war kaltblütig geplant. Nachdem Gabran Beccnat ermordet hatte, machte er sich nach Molaga auf den Weg, um sich ein Alibi zu verschaffen. Er setzte die Geschichte von dem mondkranken Mörder in Umlauf, denn Adag berichtete uns, daß er das dem Bre-hon gegenüber besonders betont hatte, als man ihn wegen Lesrens Schuldvorwürfen befragte. Erst später, bei dem zweiten Verbrechen, erklärte Liag allen, daß der Mord in einer Vollmondnacht stattgefunden hatte.«

Gabran betrachtete sie ohne Regung. Er lächelte sogar.

»Ich räche mich, und ich habe Macht. Wissen ist Macht, und ich habe diese Macht.« Er sprach die Worte wie ein Priester, dann begann er hysterisch zu lachen. Auf ein Zeichen von Becc wurde er abgeführt.

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