XVIII

HUGH DE MONTHERMER, der kurz vor des Prinzen Ausritt das Kastell von Hereford verlassen hatte, nahm dieselbe Straße wie Edward und ritt ungefähr drei Meilen weit sehr schnell. Dann lenkte er sein Pferd auf einen Pfad, der beinahe in derselben Richtung lief, die später der Prinz einschlug. Auch hier ritt er so rasch, daß es seinen fünf Dienern schwerfiel, ihm zu folgen.

Plötzlich jedoch hinkte sein Pferd, und er mußte absteigen, um zu sehen, was ihm fehle. Ein Nagel war dem Tier in das Fleisch über dem Huf eingedrungen, und obgleich er mit leichter Mühe herausgezogen wurde, war es doch unmöglich, das Pferd weiter zu reiten.

»Gebt mir Euer Pferd, Peterkin«, sagte er, sich an den ihm nächstfolgenden Diener wendend, »und führt das meinige langsam nach Hereford zurück.«

Während der Diener die Sättel tauschte, zeigte sich auf der Straße ein Landmann, der einige Schweine vor sich hertrieb. Sofort ging Hugh auf ihn zu und fragte: »Ist dies der Weg zur Monington-Kapelle?«

»Nein«, antwortete der Mann. »Ihr müßt zurück. Ihr hättet die erste Wendung des Weges links einschlagen sollen.«

»Welche Stunde ist es?« fragte Hugh.

»Gerade Mittag«, antwortete der Mann. »Seht Ihr die Sonne nicht?«

»Dann ist es noch Zeit«, sagte Hugh de Monthermer, und seines Dieners Pferd besteigend, ritt er zurück.

Als er sich jedoch dem Weg näherte, den er hätte einschlagen müssen, hörte er ein lautes Kreischen, das ihn veranlaßte, zum Himmel hinaufzuschauen, da er glaubte, ein Adler schwebe über seinem Kopf. Doch nichts dergleichen war zu sehen. Einen Augenblick darauf wiederholte sich das Geschrei, während gleichzeitig einer der Diener ausrief: »Es ist der Knabe, mein Lord, es ist Tangel! Seht, wie er daherkommt in vollem Jagen, wie ein Affe auf einem Renner!«

Hugh de Monthermer blickte die Straße nach Hereford hinunter, auf der der Junge heranritt, nicht auf seinem Waldklepper sitzend, sondern auf dem Rücken eines großen Streitrosses, wo man seinen Kopf zwischen den Ohren des Tieres erkennen konnte. Seine langen ausgestreckten Arme hielten den Zügel etwas kurz, und seine Beine baumelten herunter.



Der Knabe hielt erst hart vor Hugh de Monthermer, schüttelte vorwurfsvoll den Kopf und sagte: »Ja, Ihr wolltet Tangel nicht hören, Waffenmann. Niemand leiht Tangel ein Ohr, und warum? Weil er nicht eine Haut hat wie ein saugendes Ferkel und nicht ein Gesicht, wie es Knaben aus einer Rübe schneiden. Wenn Euch irgendeiner von den flaschennasigen Biertrinkern gebeten hätte, zu bleiben und ihn anzuhören, würdet ihr wohl die Stunde gewartet haben.«

»Gewiß nicht«, versetzte Hugh de Monthermer belustigt. »Auch jetzt kann ich nicht warten, guter Tangel. So kommt denn mit und beeilt Euch, Eure Geschichte unterwegs vorzutragen. Was habt Ihr mir zu erzählen?«

»Ja, beeilt Euch!« schrie Tangel, sein Pferd wendend und neben dem jungen Lord reitend. »Immer eilig zur Zerstörung und langsam zum Guten! Jetzt reitet Ihr da hinaus, ohne zu wissen, wohin Ihr kommt oder wer es ist, der nach Euch geschickt hat.«

»Nun, Tangel, wenn Ihr klüger seid«, sagte Hugh mit einem Lächeln, »tut mir doch kund, wohin ich komme und wer es ist, der nach mir geschickt hat.«

»Ihr geht einem Gefängnis entgegen!« schrie Tangel. »Und der nach Euch geschickt hat, ist ein Verräter.«

»Ist das Euer Ernst?« fragte Hugh, sich überrascht dem Knaben zuwendend.

»Nein, nie war mir lustiger zumute in meinem Leben«, antwortete Tangel und grinste, daß man seine schönen weißen Zähne fast bis an die Ohren sah. »Ist es nicht genug, meine Lustigkeit rege zu machen, wenn ich einen Mann, der sich selbst weise nennt, seinen Kopf wie eine Schnepfe in eine Schlinge stecken sehe? Nun will ich Euch katechisieren, wie der Priester eines Tages mit mir tat, als er betrunken war. Habt Ihr nicht heute einen Brief erhalten?«

»Ja, so ist es«, antwortete Hugh.

»Wer hat Euch diesen Brief gegeben?« fragte Tangel.

»Einer der Diener des Grafen von Leicester«, antwortete Hugh.

»Ha!« sagte der Knabe. »Sie sind schlauer als ich gedacht hatte.«

»Überdies«, fügte der junge Edelmann bei, »fragte ich den Diener, von wem er ihn empfangen, und er sagte mir, von einem der Diener des Grafen von Ashby.«

»Und von wem erhielt ihn der Diener des Grafen von Ashby?« fragte der Zwerg. »Ich will es Euch sagen; denn Ihr selbst wißt nichts davon. Er erhielt ihn von dem galanten, holdseligen, ehrlichen, zierlichen Richard de Ashby, ehe der von Hereford davonrannte gestern abend. Ich habe ihn belauscht, als er glaubte, es sei kein Ohr in der Nähe; denn ich habe ihn überall in der Stadt beobachtet, sobald ich erfuhr, daß er in Hereford sei, und bin ihm nachgeschlichen wie ein Schatten. Er gab mir einmal einen Streich in Nottingham und nannte mich Affe und Teufel; aber der Affe war ihm auf den Fersen gestern abend, als er und sein sauberer Vetter Alured den Anschlag schmiedeten, zu Gloucester überzugehen. So hörte ich ihn sagen, er wolle Euch in einem Netz haben, ehe vierundzwanzig Stunden vorüber seien.«

»Er hätte sich getäuscht finden können, Tangel«, versetzte Hugh. »Obgleich ich der Lady Lucy Handschrift nicht oft gesehen, argwohnte ich doch, es sei nicht die ihrige, und obgleich der Brief mich aufforderte, allein zu kommen, nahm ich doch fünf tüchtige Begleiter mit mir, mit dem Vorsatz, sie auf Gehörweite zurückzulassen. Ich denke, wir sechs dürften Manns genug sein für jede Streitmacht, mit der sie in einem Umkreis von sieben Meilen um Hereford sich herbeiwagen dürfen.«

Der Zwerg lachte laut, schwieg und lachte dann wieder; aber in seiner eigensinnigen Weise wollte er den Grund seiner Lustigkeit nicht angeben, was auch Hugh sagen mochte.

»Mächtig schlau!« rief er schließlich. »Wenn Ihr Glück habt, könnt Ihr den Vogelsteller in seiner eignen Falle fangen. Aber wenn Ihr klug seid, reitet Ihr nach Hereford zurück und nehmt einen Imbiß im ,Maienbaum' ein.«

Hugh besann sich einen Augenblick und winkte dann seinen Begleitern, heranzukommen. »Das will ich nicht. Ich gäbe eine Mütze voll Goldstücke darum, wenn ich diesen Verräter mit nach Haus bringen und seine Ohren an die Tore des Kastells nageln könnte. Wir müssen aber unseren Plan mit großer Umsicht anlegen. Der mir bezeichnete Ort ist die Monington-Kapelle, und gewiß muß ein Platz in der Nähe sein, wo ich meine Männer verstecken kann.«

»Ja, mein Lord«, sagte einer seiner Begleiter, »gerade auf dieser Seite davon ist der kleine Bilberry-Wald, und auf der andern Seite ist der große Monington-Wald. Wir können in beiden ein Versteck für tausend Lanzen finden, wenn es nötig wäre.«

»Ich erinnere mich des Platzes nicht mehr, obgleich ich ihn früher oft gesehen habe«, versetzte Hugh. Dann ritt er weiter, bis die Hochstraße in ein kleines Gehölz führte, das von zahlreichen Pfaden durchschnitten wurde.

Die Tiefe des Waldes mochte etwa hundertfünfzig Schritt betragen, und als der junge Edelmann mit seinem Gefolge wieder auf der anderen Seite herauskam, erblickte er in einer geringen Entfernung vor sich eine kleine Kapelle, die gewiß nicht mehr als dreißig Personen fassen konnte.


Hugh de Monthermers Anordnungen waren bald getroffen. Seine Leute stellte er im Walde versteckt auf und ritt dann allein zur Kapelle hin, deren Tür offenstand. Ehe er jedoch eintrat, blieb er stehen und warf einen Blick auf die Landschaft jenseits des kleinen Gebäudes, wo sich dem Auge zuerst ein offener grüner Platz darbot und weiterhin, etwa eine Drittelmeile entfernt, ein dichter, düsterer Wald, der sich zu beiden Seiten in ansehnlicher Ausdehnung hinzog. Das Terrain ringsumher war völlig frei, und das Gehölz, in dem er seine Leute zurückgelassen hatte, so in der Nähe, daß es unmöglich war, das Nahen einer größeren Streitmacht nicht rechtzeitig zu bemerken.

Hugh band sein Pferd an einen Haken in dem Steinwerk, der eigens zu diesem Gebrauche bestimmt schien, und trat in die Kapelle, die er leer fand.

Vor dem Altar beugte er flüchtig das Knie und trat dann zu einem Fenster, das auf den größern Wald im Rücken der Kapelle hinausging. Der Himmel bewölkte sich jetzt sehr schnell, und obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, war sie doch durch die gedrängte Masse von Dunstschleiern, die sich von Südwest heranwälzten, stark getrübt. Bald bedeckten die weißen Ränder von Gewitterwolken die Sonnenscheibe und führten eine erstickende Hitze herbei.

Immer noch hielt Hugh de Monthermer seinen Blick auf den Wald geheftet, und nachdem er mehrere Minuten Wache gehalten, glaubte er durch die Baumstämme hindurch eine menschliche Gestalt unterscheiden zu können. Sie verschwand wieder, und einige Augenblicke war nichts mehr zu sehen, so daß Hugh schon anfing zu glauben, er habe sich getäuscht. Doch nach einer kleinen Weile trat schließlich ein Mann zu Fuß aus dem Wald hervor, sich sorgsam umschauend. Zufrieden mit dem Ergebnis seiner Beobachtung, zog er sich nach drei bis vier Minuten wieder in den Schatten der Bäume zurück.

Es war unverkennbar, daß er auf jemand wartete, und Hugh vermutete nicht ohne Grund, daß er selbst der Erwartete sei. Der junge Ritter sann eine Weile nach, wie er handeln solle - einen Augenblick dachte er daran, sich zu zeigen, um die Sache zu einem baldigen Ausgang zu bringen, dann aber meinte er, es werde besser sein, wenn er in der Kapelle bleibe, bis die verabredete Stunde gekommen.

Während er noch überlegte, zuckte ein greller Blitz aus den Wolken hervor, große Regentropfen fielen, und dann kam wieder und wieder ein Blitzstrahl, die Schleusen des Himmels öffneten sich, und nieder stürzte der Strom, Hagel mit Regen gemischt, in jeder Vertiefung der Straße einen schäumenden gelben Pfuhl bildend.

Die armen Burschen dort werden fast ersäuft werden, dachte Hugh de Monthermer. Ich habe gute Lust, sie in die Kapelle hereinzurufen, obgleich mir das meine Absicht zunichte machen könnte. Aber doch, wenn ich gewiß wäre, diesen Schurken zu fangen und ihn nach Hereford zu bringen, und hätte er auch das Doppelte von meiner Streitmacht, ich wollte selbst ein dutzendmal durch den Wyn schwimmen. - Horch! Das war doch gewiß das Stampfen von Pferdehufen!

Ein neuer Donnerschlag übertäubte alle anderen Laute, aber als er vorüber war, unterschied das Ohr Hugh de Monthermers ganz deutlich den Ton von schnell dahereilenden Rossehufen. »Es ist nur einer«, sagte er zu sich. Dann lockerte er sein Schwert in der Scheide und hielt sich in einer Ecke des Gebäudes versteckt, um nicht durch die halbgeöffnete Tür erblickt zu werden.

Im nächsten Augenblick hielt das Pferd vor der Kapelle, und man hörte den Reiter auf den Boden springen. Wenige Sekunden später kamen die Schritte des Fremden die Treppe herauf.

Hugh de Monthermer trat vor, um sich ihm entgegenzustellen, sprang aber augenblicklich wieder zurück und rief voller Erstaunen: »Prinz Edward!«

»Hugh de Monthermer!« rief Edward. »Das ist ein seltsames Zusammentreffen, alter Freund!«

»Das ist es, mein Lord«, versetzte Hugh. »Es kommt mir nicht zu, Euch zu fragen, wie Ihr hierhergekommen seid, aber ich will gestehen, daß es mich freut, Euch in Freiheit zu sehen, obgleich ich nicht zweifle, viele Männer würden sagen, wenn sie von unsrem Zusammentreffen wüßten, ich sollte Euch verhaften und nach Hereford zurückführen.«

»Das müßte ein kühner Mann sein«, antwortete der Prinz, seine stattliche Gestalt zu ihrer vollen Größe aufrichtend, »der es versuchte, Edward von England aufhalten zu wollen!«

»Nun, mein Lord«, versetzte Hugh de Monthermer, »ich habe nicht einmal diese Entschuldigung denen gegenüber, die mich etwa tadeln möchten. Ein Ruf von dieser Tür aus würde das Spiel für Euch sehr ungünstig gestalten; denn ich stehe hier auf der Lauer, um den Erzverräter Richard de Ashby in seinem eigenen Netz zu fangen, und habe Bewaffnete in dem kleinen Wald zurückgelassen, durch den Ihr soeben gekommen seid. Aber noch einmal sage ich: Mich freut es, Euch in Freiheit zu sehen!«

»Dann danke ich Euch, Hugh«, erwiderte der Prinz. »Obwohl ich nicht so schutzlos bin, wie ich erscheine.«

Der junge Edelmann ergriff die Hand, die ihm Edward hinstreckte, und sagte: »Ich würde Euch auch nicht verraten, mein Lord, wenn Ihr allein hier wäret und ich an der Spitze von Hunderten stände. Aber ehe wir uns trennen, muß ich Euch um eine Gunst bitten.«

»Trennen wir uns noch nicht«, versetzte Edward. »Wir haben viel miteinander zu besprechen, Hugh. Ich habe hier ein Obdach gegen das Gewitter gesucht - Ihr seid auch hier. Solange die Elemente draußen toben, laßt uns also davon sprechen, wie man dem Lande Frieden schenkt.«

»Das ist die Gunst, die ich mir von Euch erbitten möchte, mein Lord«, antwortete Hugh. »Aber ich kann nicht länger bei Euch bleiben, als nur, um Euch meine Bitte vorzutragen, und ich darf nicht einmal hören, ob Ihr sie bewilligt oder abschlagt - sonst würde man mich für einen Verräter an der Sache de Montforts halten, die ich als eine gerechte ansehe. Meine Bitte ist die: Wenn Ihr bei dem Grafen von Gloucester seid, wenn Ihr an die Spitze von Heeren steht und Ihr Euch bewußt seid, mit Kraft und Erfolg frei handeln zu können, dann laßt eine öffentliche Erklärung ergehen, worin Ihr Euch verpflichtet, all die Gesetze und Verordnungen aufrechtzuerhalten, die erlassen worden sind zur Sicherstellung des Landes, zugunsten der Rechte und Freiheiten des Volkes und zu unsrem Schutz gegen die ausländischen Günstlinge - Gesetze und Verordnungen, zu denen Ihr schon Eure Zustimmung gegeben habt. Wenn Ihr dies tut, will ich nie das Schwert gegen Euch ziehen und - so glaube ich - auch Simon de Montfort nicht.«

Edward schüttelte mit ungläubiger Miene den Kopf. »De Montfort ist sehr ehrgeizig, Hugh«, sagte er. »Vielleicht ist er es nicht immer gewesen; denn mancher fängt als Patriot an und endet als Tyrann.«

In diesem Augenblick hörte man von dem kleinen Gehölz in der Nähe das Blasen eines Hornes, und Hugh de Monthermer trat unter die Tür der Kapelle, da er wußte, daß es ein Signal der Gefahr war. Die Szene, die sich seinem Auge bot, war merkwürdig: Der Regen strömte noch schwer und grau nieder, die Luft war trüb und dumpf, Blitze zuckten vom Himmel herab. Zugleich stürzte mit ungewöhnlicher Schnelligkeit der Knabe Tangel auf ihn zu, seine langen dürren Arme in grotesker Weise herumschlenkernd und zu wiederholten Malen nach dem gegenüberliegenden Walde deutend, aus dem man eine Schar von mindestens dreihundert Reitern, vorzüglich bewaffnet und wohlberitten, hervorbrechen sah.

Hugh warf nur noch schnell einen Blick in das Gebäude hinein, schwenkte seine Hand, rief: »Adieu, mein Lord, Adieu! Hier ist Gefahr für mich!«, eilte zu seinem Pferde, löste die Zügel von dem Haken und sprang in den Sattel.

»Auf, Tangel, hinter mich hinauf!« schrie er dem zwerghaften Knaben zu. »Schnell, oder sie holen uns ein!«

Tangel sprang mit einem einzigen Satz hinter ihm aufs Pferd, und Hugh sprengte mit verhängten Zügeln davon. Aber das Pferd des Dieners, das er ritt, war nicht sehr schnell. Der feindliche Trupp kam mit großer Schnelligkeit herbei und schien entschlossen, auf ihn Jagd zu machen. Hugh de Monthermer erkannte nun mit den bittersten Gefühlen, daß seine Streitmacht zu klein war, um Widerstand zu leisten. Wenn die Feinde ihre Verfolgung fortsetzten, mußte er bald ihr Gefangener sein. Jetzt kamen seine Leute aus dem Gehölz hervor, das Pferd mit sich führend, auf dem der Zwerg herangeritten war.

»Steigt schnell auf Euer Pferd über!« rief Hugh, sich zu Tangel umwendend.

»Nur rasch zu, guter Herr!« schrie der Knabe. »Ich will schon übersteigen, ohne daß Ihr haltmacht. Reitet nur nahe genug zu dem Tier hin!« Im Augenblick darauf, als Hugh scharf seinen Leuten entgegenritt, setzte der Knabe seine Hände auf die Schultern des jungen Edelmannes, sprang mit den Füßen auf den Rücken des Rosses, hüpfte mit einem gellenden Schrei auf sein eignes Pferd hinüber und saß sofort im Sattel.

Es war keine Zeit mehr zu verlieren; denn Hugh und seine Begleiter trafen mitten zwischen der Kapelle und dem Walde zusammen, als schon die Linie des Feindes die Kapelle erreicht hatte.

Aber nun trat Edward auf die Treppe der Kapelle heraus und rief laut: »Halt! Ich befehle Halt! - Lord Lovell, Sir Harry Grey, ich gebiete Euch, haltet! Verfolgt ihn nicht, sage ich! - Sir Richard de Ashby!« fuhr er fort, seine Stimme erhebend, bis sie mit dem Donner zu wetteifern schien, als er seine Befehle unbeachtet bleiben sah. »Bei Eurem Leben: Halt! Wollt Ihr meinem ersten Befehl den Gehorsam verweigern?«

Aber Richard de Ashby war taub und jagte mit einigen anderen weiter, während die übrigen Reiter die Zügel anzogen und in gebrochener Linie haltmachten.

Hugh de Monthermer und seine Leute jagten in vollem Galopp weiter, aber der schlüpfrige Grund, der jetzt völlig durchweicht war von dem heftigen Gewitterregen, machte ihnen sehr zu schaffen. Bevor sie noch das Gehölz erreichten, strauchelte und stürzte das Pferd eines von Hughs Begleitern. Obgleich Mann und Tier sich sofort wieder erhoben und forthinkten, waren doch die Verfolger zu nahe, als daß man ihnen entrinnen konnte.

Richard de Ashby kam auf einem schnellen Rappen dahergejagt, den übrigen etwa zehn Schritt voraus. Er war vollständig bewaffnet mit Harnisch, Schild und Speer, aber sein Visier war offen, und ein Schimmer wilder Genugtuung lag auf seinem Gesicht. Hugh de Monthermer kehrte sich im Sattel um, mit dem Auge die Entfernung zwischen ihnen messend, und erkannte im Nu, daß Flucht nun nicht mehr möglich war, wohl aber Rache. Dem Mann, der ihm zunächst ritt, eine Lanze und einen kleinen runden Schild aus den Händen reißend, warf er plötzlich sein Pferd herum, stieß ihm seinen scharfen Sporn wütend in die Weichen und ging seinem Verfolger in vollem Rennen entgegen.

Der junge Ritter war nur mit einem Wams von Purpurzindel bekleidet, das, obgleich es dick mit Baumwolle gefüttert war, doch gegen die Spitze einer Lanze nur wenig Schutz bot. Aber im Turnier und auf dem Schlachtfeld war das Auge des jungen Reiters stets fähig, die leisesten Bewegungen eines Feindes zu erspähen, und sein Arm war stets gerüstet, darauf einzugehen. Er bemerkte sofort, daß Richard de Ashby mit seiner Lanze nach seinem Hals zielte, gab dies aber durch keine Bewegung zu erkennen, bis er seinem Feind auf wenige Fuß nahe gekommen war. Dann hob er plötzlich seinen Schild empor und lenkte die Spitze ab. In demselben Augenblick hob er aber seine Lanze ein wenig, die er, da sie keinen Haken hatte, auf seinen Schenkel gestemmt hielt. Er wollte seinen Gegner voll ins Gesicht treffen, doch Richard de Ashby senkte den Kopf, und die Lanze, ihn oben an der Stirn berührend, glitt vom Schädel ab, fing sich in der Panzerhaube und schleuderte ihn von seinem Roß der Länge nach auf den Boden.





Hugh hielt sein Pferd hart neben dem Gefallenen an, holte, mit der Lanze auf dessen Hals zielend, aus und rief laut den Herankommenden entgegen: »Wenn sich einer nähert, so stirbt er!«

Zögernd verhielten die Begleiter de Ashbys, die fast den Kampfplatz erreicht hatten, ihre Pferde. Da ritten zwei Gentlemen in raschem Trab von der Kapelle heran und riefen ihren Genossen zu, sie sollten zurückkommen.

»Habt Ihr nicht des Prinzen Stimme gehört?« rief zornig der ältere der beiden sich nähernden Ritter. »Sein ausdrücklicher Befehl lautet, daß Ihr umkehrt! - Zieht weiter, Lord Hugh - zieht weiter in Frieden. Es ist des Prinzen Wille, und wir gehorchen!«

»Hätte ich nur halb soviel an Mannschaft wie Ihr, Lord Lovell«, versetzte Hugh, seine Lanze aufnehmend. »Ich würde nicht abziehen, ohne diesen Verräter mit mir zu nehmen.«

»Oder selbst mitgenommen zu werden«, erwiderte Lord Lovell mit verbindlicher Ironie. »Ich kann Euch versichern, mein guter Lord, wir hatten die besten Vorsätze, Euch mit uns nach Worcestershire zu nehmen. Aber da der Prinz den Vogel aus der Falle entfliehen lassen will, in die ihn der arme Richard so hübsch mit seinem Köder gelockt hat, so muß er eben seine Flügel gebrauchen - da hilft nun einmal nichts. Ihr scheint indessen den Vogelsteller tüchtig gepackt zu haben. Ich glaube gar, Ihr habt ihm den Schädel gespalten. Laßt seine Leute herbeikommen und ihm beistehen! Ihr habt mein Wort, daß Ihr keine Verräterei zu fürchten habt.«

»Ich fürchte, er ist nicht so bestraft, wie er es verdient«, sagte Hugh de Monthermer finster. »Überbringt meinen schuldigen Dank dem Prinzen für seine Artigkeit. Und jetzt lebt wohl, mein Lord Lovell. Ich hoffe, wir treffen uns bald wieder.«

Mit diesen Worten wandte er sein Pferd und ritt rasch, aber nachdenklich nach Hereford zurück.

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