24

Bea Hannaford gefiel es überhaupt nicht, dass Daidre Trahair mehrmals versucht hatte, die Kontrolle über ihr Gespräch an sich zu reißen. Diese Tierärztin war schlau, befand Bea, und das bestärkte sie nur in ihrer Entschlossenheit, diesem gerissenen Luder etwas anzuhängen. Womit sie am Ende dastanden, war jedoch nicht das, was Bea erwartet oder erhofft hatte.

Nachdem Daidre Trahair ihnen die vermutlich nutzlosen Informationen bezüglich Aldara Pappas und Cornish Gold gegeben hatte, hatte sie sie höflich davon in Kenntnis gesetzt, dass sie sich nun verabschieden werde, es sei denn, die Polizei wolle sie festnehmen. Die Frau kannte ihre Rechte offensichtlich, und die Tatsache, dass sie ausgerechnet in diesem Moment Gebrauch davon gemacht hatte, brachte Bea auf die Palme. Aber es war ihr nichts anderes übrig geblieben, als sie zähneknirschend ziehen zu lassen.

Doch als sie sich erhob, hatte Dr. Trahair noch etwas gesagt, was Bea sehr erhellend fand. Daidre hatte sich an Sergeant Havers gewandt und gefragt: »Wie war seine Frau? Er hat von ihr gesprochen, aber im Grunde hat er nur sehr wenig gesagt.«

Bis zu diesem Moment hatte die Scotland-Yard-Beamtin kein Wort von sich gegeben. Ihr stetig kratzender Bleistift war das einzige Geräusch, das von ihr zu vernehmen gewesen war. Auf die Frage hin hatte sie mit besagtem Bleistift auf ihr eselsohriges Notizbuch getrommelt, als wäge sie ab, wohin eine Antwort führen konnte. Und schließlich hatte sie geantwortet: »Sie war einfach großartig.«

»Es muss ein furchtbarer Verlust für ihn sein.«

»Eine Zeit lang haben wir gedacht, es würde ihn umbringen«, hatte Havers eingeräumt, und Daidre hatte genickt. »Ja, das kann ich sehen, wenn ich ihn mir so anschaue.«

Bea hatte fragen wollen: »Und das tun Sie öfter, Dr. Trahair?«, aber sie hatte sich zurückgehalten. Sie hatte die Nase voll von ihr, und außerdem hatte sie im Moment Wichtigeres zu ergründen als die Frage, was es bedeuten mochte, dass Daidre Trahair sich nach Thomas Lynleys ermordeter Frau erkundigte. Einer dieser wichtigeren Punkte war Lynley selbst.

Nachdem die Tierärztin gegangen war und Bea herausgefunden hatte, wo diese Ciderfarm lag, brachen sie auf. Bea ließ keine Zeit verstreichen und rief auf dem Weg zu ihrem Wagen auf Lynleys Handy an. Was zum Henker er in Exeter zu suchen habe, wollte sie wissen, und wohin sonst seine fragwürdigen Ermittlungen ihn geführt hätten.

Er befinde sich in Boscastle, klärte er sie auf. Und dann erzählte er ihr eine lange Geschichte von Tod, Elternschaft, Scheidung und der Entfremdung, die zwischen Eltern und Kindern eintreten konnte.

»Ich habe da übrigens ein Foto, das ich Ihnen gern zeigen würde.«

»Weil es so hübsch ist oder weil es uns der Lösung unseres Falls näherbringt?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher«, gestand er.

Er solle sich umgehend bei ihr melden, wenn er zurück sei, trug sie ihm auf. Unterdessen sei übrigens Dr. Trahair wieder aufgetaucht, und als sie sie in die Ecke gedrängt hätten, habe sie ihnen einen neuen Namen und einen neuen Ort genannt.

»Aldara Pappas«, wiederholte er versonnen. »Eine Griechin, die Cider produziert?«

»Wir bekommen hier richtig was geboten, oder?«, gab Bea zurück. »Vermutlich kommt als Nächstes ein gestreifter Tanzbär.«

Am Auto angekommen, beendete sie das Gespräch. Nachdem sie einen Fußball, drei Zeitungen, eine Regenjacke, Hundespielzeug und einige Müsliriegelverpackungen vom Beifahrersitz auf die Rückbank verfrachtet hatte, konnte es losgehen. Cornish Gold lag in der Nähe von Brandis Corner, ein gutes Stück von Casvelyn entfernt. Sie erreichten die Farm über immer schmalere und schlechter passierbare Nebenstraßen, wie sie typisch für Cornwall waren. Schließlich gelangten sie zu einem großen Hinweisschild. "Cornish Gold", stand in roter Schrift auf einem braunen Hintergrund aus Apfelbäumen und über einem Pfeil für diejenigen, die zu unaufmerksam waren zu begreifen, was es mit der Einfahrt zu ihrer Rechten und dem gras- und unkrautbewachsenen Weg auf sich hatte. Diesen Weg ruckelten sie ungefähr zweihundert Meter weit entlang, ehe sie auf einen Parkplatz kamen, der unerwartet akkurat gepflastert war. Irgendein unerschütterlicher Optimist hatte die Hälfte des Parkplatzes für Reisebusse reserviert, die andere Hälfte in eingezeichnete Parkbuchten unterteilt. Ungefähr ein Dutzend Fahrzeuge stand entlang eines Holzzauns, und sieben weitere waren an der gegenüberliegenden Seite abgestellt.

Bea parkte vor einer großen Scheune, deren Tor sich zum Parkplatz hin öffnete. Drinnen standen zwei Traktoren, die nicht so aussahen, als wären sie je in Gebrauch gewesen. Sie sahen fabrikneu aus und dienten drei stolzen Pfauen, deren üppige Schwanzfedern sich in farbenprächtigen Kaskaden über Führerhäuser und Motorabdeckungen ergossen, als Klettergerüste. Hinter der Scheune erhob sich ein zweites Gebäude, das aus Holz und Granitblöcken erbaut war. Hier fanden sich gewaltige Eichenfässer, in denen vermutlich das Haupterzeugnis der Farm reifte. Hinter dem Gebäude wuchsen auf einem sacht ansteigenden Hügel die Apfelbäume, Reihe um Reihe, zu umgekehrten Pyramiden beschnitten und jetzt im Schmuck zarter Blüten. Ein Weg zerschnitt die Obstwiese in zwei Hälften. In der Ferne sah man darauf einen offenen Leiterwagen mit einem Kaltblut davor — offenbar fand dort eine Art Führung statt.

Jenseits des Pfades führte ein Törchen zu den Attraktionen der Ciderfarm: dem Laden, einem Café und einem weiteren Tor, durch das man zur Ciderfertigung kam, die man nur gegen einen Eintrittspreis besichtigen konnte.

Ein Polizeiausweis tat es allerdings auch, stellte sich heraus. Bea erklärte der jungen Frau hinter der Ladenkasse, sie müsse Aldara Pappas in einer dringenden Angelegenheit sprechen. Der silberne Lippenring des Mädchens bebte, als es Bea den Weg ins Allerheiligste der Farm wies. »Sie kontrolliert dort gerade die Mühle.«

Bea nahm an, die Frau, die sie suchten, war bei einer… Pressmühle? Was genau tat man eigentlich mit all diesen Äpfeln? Und war jetzt die richtige Jahreszeit dafür? Sortieren, waschen, zerkleinern, pressen, wie sich herausstellte und nein, es war nicht die richtige Jahreszeit dafür.

Die Mühle war eine Maschine aus leuchtend blau lackiertem Stahl, die über eine Rinne mit einem riesigen Holzgefäß verbunden war. Die Maschinerie der Mühle selbst bestand aus ebendieser Rinne, einem fassartigen Bassin, der Wasserzufuhr, einer bedrohlich wirkenden Presse, die Ähnlichkeit mit einer riesigen Schraubzwinge hatte, einem dicken Rohr und einer geheimnisvollen Kammer am oberen Ende dieses Rohres, die momentan offen stand und von zwei Personen gewartet wurde. Eine von beiden machte sich mit verschiedenen Werkzeugen an den Innereien der Mühle zu schaffen, die aus einer Reihe sehr scharfer Klingen zu bestehen schienen. Die andere Person schien jede Bewegungen der ersten zu überwachen. Er trug eine Strickmütze, die er bis über die Augenbrauen heruntergezogen hatte, ölverschmierte Jeans und ein blaues Flanellhemd. Sie trug Jeans, Stiefel und einen dicken, gemütlich wirkenden Chenillepulli.

»Vorsichtig, Rod!«, sagte sie. »Ich will nicht, dass du auf das Schneidewerk blutest.« Worauf er erwiderte: »Keine Bange, Herzchen. Ich hab mich schon um kompliziertere Maschinen als die hier gekümmert, als du noch in den Windeln lagst.«

»Aldara Pappas?«, fragte Bea.

Die Frau fuhr herum. Sie wirkte exotisch in diesem Teil der Welt, nicht unbedingt hübsch, aber außergewöhnlich: große, dunkle Augen, dichtes, schwarz glänzendes Haar, und ein dramatisch roter Lippenstift betonte ihren sinnlichen Mund. Auch der Rest von ihr wirkte sinnlich. Kurven an den richtigen Stellen, hätte Beas Exmann vermutlich gesagt. Aldara Pappas war schätzungsweise in den Vierzigern, nach den winzigen Fältchen um die Augen zu urteilen.

»Ja«, sagte sie und streifte sowohl Bea als auch Detective Sergeant Havers mit dem abschätzigen Blick einer Frau, die ihre Konkurrenz in Augenschein nahm. Bei Havers' Frisur schien sie kurz zu verharren: sandfarben und im Stil — wenn man überhaupt von Stil sprechen konnte — nicht mehr als ein Ausdruck von Ungeduld. Am Ende sogar eigenhändig über dem Waschbecken abgeschnippelt.

»Was kann ich für Sie tun?« Aldara Pappas' Ton kündete bereits von der Hoffnungslosigkeit ihres Unterfangens.

»Ein paar Minuten Ihrer Zeit würden uns schon reichen.« Bea wedelte erneut mit ihrem Dienstausweis und forderte Havers mit einem Nicken auf, es ihr gleichzutun, woraufhin diese widerwillig zu einer archäologischen Ausgrabung in ihrer Schultertasche ansetzte, um den Lederklumpen ausfindig zu machen, der ihr als Brieftasche diente.

»New Scotland Yard«, erklärte Havers Aldara Pappas.

Bea ließ die Frau nicht aus den Augen und lauerte auf eine Reaktion. Doch nichts rührte sich in deren Zügen. Nur Rod pfiff beeindruckt durch die Zähne. »Was hast du denn angestellt, Herzchen?«, fragte er Aldara. »Etwa schon wieder einen deiner Kunden vergiftet?«

Aldara lächelte schwach und trug ihm auf, die Arbeit fortzusetzen. »Ich bin drüben, falls du mich brauchst«, fügte sie hinzu.

Sie bat Bea und Havers, ihr zu folgen, und führte sie über den gepflasterten Hof. In den beiden angrenzenden Gebäuden waren die Marmeladenküche und das Cidermuseum untergebracht, und ein leerer Stall diente vermutlich dem Kaltblut als Obdach. In der Hofmitte beherbergte ein Pferch ein Schwein von der Größe eines VW-Käfers. Es grunzte übellaunig und rammte angriffslustig den Zaun.

»Schluss mit dem Theater, Stamos«, befahl Aldara dem Tier. Ob es sie nun verstand oder nicht — es zog sich zu einem Haufen verfaulenden Gemüses zurück, steckte die Schnauze hinein und schleuderte einen Teil davon in die Luft. »Kluger Junge«, sagte Aldara. »Jetzt iss schön auf.«

Es sei ein Schwein der Rasse Gloucester Old Spot, erklärte sie ihren Besucherinnen, während sie sie durch einen weinumrankten Torbogen zur Rückseite der Marmeladenküche führte. "PRIVAT", stand auf einem Schild, das von der Türklinke baumelte. »Früher hat er nach der Ernte die unbrauchbaren Äpfel gefressen. Man brachte ihn einfach auf die Obstwiese, und er erledigte den Rest. Jetzt ist er nur noch für die Besucher da um der Farm mehr Authentizität zu verleihen. Das Problem ist allerdings, dass er sie am liebsten allesamt niederwalzen würde. Also, was kann ich für Sie tun?«

Wenn sie geglaubt hatten, Aldara Pappas werde sie in ihr Haus bitten und ihnen eine Tasse Tee anbieten, dann hatten sie sich getäuscht. Das Haus war ein Farmcottage mit einem Gemüsegarten davor, und scharf riechende Düngerhaufen säumten die erhöhten Beete, die säuberlich mit Holzpalisaden eingefasst waren. Aldara steuerte auf eine kleine steinerne Hütte auf der gegenüberliegenden Seite des Gartens zu und holte daraus eine Schaufel, eine Harke und ein Paar Handschuhe hervor. Aus der Hosentasche zog sie ein Tuch und band es sich um den Kopf, um ihr Haar zurückzuhalten, so wie Bauersfrauen es taten und gelegentlich auch gewisse Angehörige der königlichen Familie. Dieserart zur Arbeit gerüstet, begann sie, Kompost und Dünger auf die Gemüsebeete zu schaufeln. Noch war dort nichts gepflanzt. »Ich arbeite weiter, während wir reden, wenn Sie nichts dagegen haben. Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Wir sind hier, um mit Ihnen über Santo Kerne zu sprechen«, eröffnete Bea ihr. Sie nickte Havers zu, um ihr anzudeuten, dass sie protokollieren solle. Havers brachte Notizbuch und Stift wie immer eindrucksvoll zum Einsatz. Sie ließ Aldara Pappas nicht aus den Augen, und Bea gefiel es, dass Havers sich von einer anderen unbestreitbar attraktiveren Frau nicht einschüchtern ließ.

»Santo Kerne«, wiederholte Aldara. »Was soll mit ihm sein?«

»Wir würden gerne über Ihre Beziehung zu ihm reden.«

»Meine Beziehung zu ihm?«

»Ich hoffe, das ist nicht Ihr typischer Antwortstil«, merkte Bea an.

»Mein Antwortstil? Wie meinen Sie das?«

»Ihr Echo, Miss Pappas. Oder ist es Missus?«

»Aldara reicht völlig.«

»Also bitte, Aldara. Wenn es tatsächlich Ihr Stil ist, das Echo Ihres Gegenübers zu spielen, werden wir vermutlich den ganzen Tag hier verbringen müssen, und ich ahne, dass Ihnen das nicht sonderlich gefallen würde. Wir möchten Sie auch gar nicht lange von der Arbeit abhalten.«

»Ich bin nicht sicher, ob ich Sie verstehe.«

»Ihr kleines Geheimnis ist aufgeflogen«, erklärte Sergeant Havers ihr ungeduldig. »Die Katze ist aus dem Sack. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Dämmert's jetzt?«

»Was Sergeant Havers sagen will, ist, dass Ihr Verhältnis mit Santo Kerne ans Licht gekommen ist«, fügte Bea hinzu. »Deswegen sind wir hier, um darüber zu sprechen.«

»Sie haben es ihm besorgt, bis er die Engelchen singen hörte«, warf Sergeant Havers ein.

»Um es mal in aller Deutlichkeit auszudrücken«, ergänzte Bea.

Aldara stieß ihre Schaufel in den Misthaufen und verteilte die Ladung auf einem der Beete. Sie sah aus, als hätte sie sie lieber auf Havers geschleudert. »Das sind Ihre Mutmaßungen«, entgegnete sie.

»O nein. Das waren die Worte einer Person, die Bescheid weiß«, widersprach Bea. »Offenbar hat sie die Laken gewaschen, wenn Sie dazu nicht mehr in der Lage waren. Also, da Sie sich im Polcare Cottage treffen mussten, dürfen wir wohl davon ausgehen, dass es hier draußen irgendwo einen Mr. Pappas in den besten Jahren gibt, der nicht sonderlich begeistert wäre zu erfahren, dass seine Frau es mit einem achtzehnjährigen Bengel getrieben hat?«

Aldara angelte sich eine weitere Schaufel Mist. Obwohl sie schnell arbeitete, geriet sie weder außer Atem, noch bildete sich Schweiß auf ihrer Stirn. »Davon dürfen Sie nicht ausgehen. Ich bin seit Jahren geschieden, Inspector. Es gibt einen Mr. Pappas, aber er lebt in St. Ives, und wir sehen einander so gut wie nie. Es ist uns beiden lieber so.«

»Haben Sie Kinder? Eine Tochter in Santos Alter vielleicht? Oder einen heranwachsenden Sohn, sodass Sie es vorzogen, dass er nicht zugegen war, wenn Mutti für einen anderen Teenager die Hüllen fallen ließ?«

Aldaras Kiefermuskeln spannten sich an. Bea fragte sich, welche ihrer Bemerkungen ins Schwarze getroffen hatte.

»Ich habe mich mit Santo im Polcare Cottage zum Sex verabredet, und zwar nur aus einem einzigen Grund: weil wir beide es so vorzogen«, antwortete Aldara. »Es war eine Privatangelegenheit, und wir wollten beide, dass das auch so blieb.«

»Sie wollten Privatsphäre? Oder Geheimhaltung?«

»Beides.«

»Warum? Wäre es Ihnen peinlich gewesen, mit dem Jungen gesehen zu werden?«

»Wohl kaum.« Aldara stieß ihre Schaufel fest in die Erde, und gerade als Bea glaubte, sie wollte eine Pause machen, griff sie sich die Harke, kletterte auf das Gemüsebeet und begann mit Elan, den Mist einzuarbeiten. »Sex ist mir niemals peinlich«, erklärte sie. »Sex ist Sex, Inspector. Und wir beide wollten Sex, Santo und ich. Miteinander, zufälligerweise. Aber da manche Leute so etwas schwer zu verstehen finden — wegen des Altersunterschieds, brauchten wir einen abgeschiedenen Ort, um…« Sie schien nach einem beschönigenden Wort zu suchen, was ihr ganz und gar nicht ähnlich sah.

»Um es einander zu besorgen?«, schlug Havers vor. Sie brachte es fertig, gelangweilt zu wirken. Ihr Gesichtsausdruck sagte: Das habe ich alles schon tausendmal gehört.

»Um zusammen zu sein«, sagte Aldara mit Bestimmtheit. »Für eine Stunde. Zwei oder drei zu Anfang, als es noch neu für uns war und wir noch… in der Entdeckungsphase waren, könnte man wohl sagen.«

»Was haben Sie denn entdeckt?«, wollte Bea wissen.

»Was dem anderen gefiel. Es ist doch ein Entdeckungsprozess, Inckspector, oder nicht? Und Entdeckung führt zu Befriedigung. Oder wussten Sie noch nicht, dass es beim Sex darum geht, seinen Partner zu befriedigen?«

Bea ging nicht darauf ein. »Es hatte für Sie also nichts mit Herzschmerz zu tun.«

Aldara warf ihr einen Blick zu, der Ungläubigkeit und einen reichen Erfahrungsschatz zu gleichen Teilen ausdrückte. »Nur ein Dummkopf setzt Sex mit Liebe gleich, und ich bin kein Dummkopf.«

»Und er? War er ein Dummkopf?«

»Ob er mich geliebt hat, meinen Sie? Ob es für ihn Herzschmerz war, wie Sie es ausdrückten? Ich habe keine Ahnung. Darüber haben wir nie gesprochen. Genau genommen haben wir überhaupt sehr wenig gesprochen, nachdem die anfänglichen Arrangements getroffen waren. Wie gesagt: Es ging um Sex. Eine rein körperliche Angelegenheit. Santo wusste das.«

»Anfängliche Arrangements?«, wiederholte Bea.

»Sind Sie jetzt mein Echo, Inspector?« Aldara lächelte, aber ihr Blick war auf die Erde gerichtet, die sie hingebungsvoll bearbeitete.

Für einen Moment konnte Bea den Impuls verstehen, den Ermittler manchmal verspürten, die Hand gegen einen Verdächtigen zu erheben. »Warum erläutern Sie uns diese anfänglichen Arrangements nicht einfach, Aldara? Und wenn Sie schon dabei sind, könnten Sie uns vielleicht auch Ihren offenkundigen Mangel an Emotionen bezüglich der Ermordung Ihres Liebhabers erklären, der, wie Sie sicher schon vermutet haben, uns zu dem Schluss führen könnte, dass Sie direkter damit in Zusammenhang stehen, als Sie uns glauben machen wollen.«

»Ich habe nichts mit Santo Kernes Tod zu tun. Natürlich bedaure ich, was passiert ist. Und wenn ich nicht vor Kummer vergehe, liegt es nur daran, dass…«

»Dass es keine Herzensangelegenheit für Sie war«, beendete Bea den Satz für sie. »Das haben wir inzwischen wohl hinreichend geklärt. Also, was war es dann? Was genau, bitte?«

»Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt. Es war eine Vereinbarung zwischen ihm und mir, und es ging um Sex.«

»Wussten Sie, dass er es zur gleichen Zeit auch noch anderweitig trieb?«

»Natürlich wusste ich das.« Aldara klang gelassen. »Das gehörte dazu.«

»Wozu? Zu Ihrem Arrangement? Was genau war es? Ein Dreier?«

»Ach was! Die Geheimhaltung machte einen Teil des Reizes aus, das Wissen, eine Affäre zu haben, die Tatsache, dass es da noch jemand anderen gab. Ich wollte jemanden, der noch jemand anderen hatte. So habe ich es gern.«

Bea sah Havers blinzeln, als müsste sie ihr Blickfeld klären wie Alice, die ins Kaninchenloch gefallen und dort auf einen geilen Rammler gestoßen war, wo frühere Erfahrungen sie doch lediglich den Tollen Hutmacher, den Faselhasen und eine Tasse Tee erwarten ließen. Bea selbst fühlte sich ganz ähnlich.

»Sie wussten also Bescheid über Madlyn Angarrack und ihre Beziehung zu Santo Kerne«, hakte sie nach.

»Ja. Durch sie habe ich Santo doch überhaupt erst kennengelernt. Madlyn hat hier für mich in der Marmeladenküche gearbeitet. Santo hat sie ein paarmal von der Arbeit abgeholt, und bei der Gelegenheit habe ich ihn gesehen. Jeder hat ihn gesehen. Es wäre schwierig gewesen, Santo nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er war ein äußerst attraktiver Junge.«

»Und Madlyn ist ein ziemlich attraktives Mädchen.«

»Das stimmt. Natürlich muss sie das auch sein. Und ich bin es, nebenbei bemerkt, ebenfalls. Eine attraktive Frau. Ich stelle immer wieder fest, dass attraktive Menschen sich zueinander hingezogen fühlen.« Ein neuerlicher Blick auf die beiden Beamtinnen gab ihnen nur zu deutlich zu verstehen, dass Aldara Pappas nicht der Meinung war, eine von ihnen könnte die Frage aus persönlicher Erfahrung beantworten. »Wir sind einander aufgefallen, Santo und ich. Ich brauchte gerade jemanden wie ihn…«

»Jemanden in einer festen Beziehung?«

»… und ich dachte, er könnte der Richtige sein. Er hatte so eine Direktheit im Blick, die von einer gewissen Reife sprach, einer Gemütslage, die darauf hindeutete, dass er und ich dieselbe Sprache sprachen. Wir tauschten Blicke, dann und wann ein Lächeln. Es war eine Art Kommunikation, in der gleichgesinnte Individuen genau das sagten, was gesagt werden musste, und nichts weiter. Eines Tages kam er ein bisschen zu früh, um Madlyn abzuholen, und da habe ich ihn auf der Farm herumgeführt. Wir sind mit dem Traktor über die Obstwiesen gefahren, und dort haben wir…«

»So wie Eva unterm Apfelbaum?«, fragte Havers. »Oder waren Sie die Schlange?«

Doch Aldara ließ sich nicht provozieren. »Es hatte nichts mit Versuchung zu tun«, sagte sie. »Versuchung basiert auf Zweideutigkeit, und in unserem Fall war alles völlig eindeutig. Ich war ganz offen zu ihm. Ich habe ihm gesagt, dass er mir gefiele und dass ich darüber nachgedacht hätte, wie es wohl wäre, mit ihm ins Bett zu gehen. Wie schön es für uns beide sein könne, falls er Interesse habe. Ich sagte, wenn er mehr wolle als nur Sex mit seiner kleinen Freundin, dann solle er mich anrufen. Aber ich habe mit keinem Wort angedeutet, er solle seine Beziehung zu ihr beenden. Das wäre das Letzte gewesen, was ich wollte, denn es hätte ihn gar zu anhänglich machen können. Oder zu der Erwartung führen können, dass sich vielleicht mehr zwischen uns entwickeln würde. Er hätte diese Erwartung entwickeln können, meine ich. Ich nicht.«

»Ich kann mir vorstellen, dass Sie ziemlich lächerlich dagestanden hätten, wenn er mehr von Ihnen erwartet hätte und Sie es ihm hätten geben müssen, um ihn zu binden«, bemerkte Bea. »Eine Frau in Ihrem Alter, die sich mit einem Teenager in der Öffentlichkeit zeigt. Die Seite an Seite mit ihm sonntagmorgens die Kirche betritt, den Nachbarn zunickt, und sie alle denken, welch innere Defizite Sie doch haben müssen, um sich mit einem achtzehnjährigen Liebhaber abzugeben.«

Aldara ging zum nächsten Misthaufen über. Sie holte die Schaufel und begann, den Einarbeitungsprozess zu wiederholen. Die Erde des Gemüsebeets wurde dunkel und fett. Was immer sie dort anzubauen gedachte, es würde prächtig gedeihen.

»Erstens«, fuhr sie nach einer Weile fort, »befasse ich mich nicht damit, was andere Leute denken, Inspector. Was andere Leute über mich oder über sonst irgendwen oder irgendwas denken, bringt mich um keine Minute meines Schlafs. Das hier war eine Privatangelegenheit zwischen Santo und mir. Ich habe sie geheim gehalten. Und er auch.«

»Es ist aber nicht geheim geblieben«, warf Havers ein. »Madlyn hat es herausgefunden.«

»Das war Pech. Er war nicht vorsichtig genug, und sie ist ihm gefolgt. Es gab eine grässliche Szene zwischen den beiden — Vorwürfe, Anklagen, Leugnen, Eingeständnis, Erklärungen, Flehen, und dann hat sie ihre Beziehung noch an Ort und Stelle beendet. Das brachte mich in die Position, die ich um jeden Preis hatte vermeiden wollen: Ich war Santos einzig verbliebene Liebhaberin.«

»Wusste sie, dass Sie die Frau im Cottage waren, als sie dorthinkam?«

»Natürlich. Sie reagierte so heftig, dass ich schon befürchtete, sie könnte zu einem Messer greifen oder sonst wie gewalttätig werden. Ich musste aus der Deckung im Schlafzimmer kommen und irgendetwas tun.«

»Und zwar?«

»Sie trennen. Sie davon abhalten, das Cottage dem Erdboden gleichzumachen oder ihn anzugreifen.« Sie stützte sich auf ihre Schaufel und sah nach Norden, in Richtung der Obstwiesen, als durchlebte sie noch einmal ihren Ausflug mit Santo Kerne und alles, was diesem Ausflug nachgefolgt war. Und ganz so als sei sie gerade erst zu dieser Erkenntnis gekommen, sagte sie schließlich: »Es hätte nie zu einem solchen Drama kommen dürfen. Als es sich aber dazu entwickelte, musste ich meine eigene Beziehung zu Santo überdenken.«

»Und da haben auch Sie ihn abserviert?«, fragte Havers. »Weil Sie das große Drama in Ihrem Leben nicht wollten?«

»Das war meine Absicht, ja, aber…«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm das sonderlich gefallen hat«, warf Havers ein. »Welchem Mann würde das schon gefallen? Zwei Freundinnen auf einen Schlag zu verlieren. Plötzlich darauf angewiesen zu sein… na, sagen wir, sich unter der Dusche einen runterzuholen, wo er es vorher doch von allen Seiten bekommen hatte. Ich wette, er hätte Ihnen jede Menge Ärger gemacht. Ihnen vielleicht sogar gedroht, er könnte die Dinge für Sie schwierig, vielleicht sogar peinlich machen, wenn Sie die Sache beenden.«

»Vielleicht«, stimmte sie zu, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. »Wäre es so weit gekommen, hätte er das vielleicht gesagt und sogar getan. Aber tatsächlich sind wir nie an diesen Punkt gelangt. Ich habe mein Verhältnis zu ihm überdacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir weitermachen könnten, solange er die Regeln verstand.«

»Und die wären?«

»Mehr Vorsicht und völlig klare Verhältnisse in Bezug auf die Gegenwart und Zukunft.«

»Was bedeutet?«

»Das Offensichtliche. Für die Gegenwart: dass ich nicht die Absicht hatte, meine Gewohnheiten zu ändern, um es ihm recht zu machen. Für die Zukunft: dass es keine gab. Und damit hatte er absolut kein Problem. Santo lebte hauptsächlich für den Moment.«

»Und zweitens?«, fragte Bea.

Aldara sah sie verständnislos an. »Wie bitte?«

»Sie sagten vorhin, "erstens" sei Ihnen gleichgültig, was andere Leute denken. Ich frage mich, woraus "zweitens" besteht.«

»Ah. "Zweitens" bezog sich auf meinen anderen Freund«, erklärte Aldara. »Wie gesagt, das Geheimnis einer Affäre mit Santo reizte mich. Sie machte das Leben spannend, und ich liebe Spannung. Tatsächlich brauche ich sie. Wenn es sie nicht mehr gibt…« Sie hob die Schultern. »Dann geht das Feuer in mir aus. Wie Sie vielleicht selbst schon mal festgestellt haben, gewöhnt der Verstand sich früher oder später an die Dinge. Und wenn der Verstand sich an einen Liebhaber gewöhnt, was irgendwann eintritt, wird der Liebhaber weniger ein Liebhaber, sondern eher…« Sie schien nach einem geeigneten Wort zu suchen und entschied sich schließlich: »Eine Unannehmlichkeit. Wenn das passiert, sucht man nach Wegen, ihn loszuwerden, oder man tut etwas, um das Feuer zurück in die sexuelle Beziehung zu bringen.«

»Verstehe. Und Santo Kerne diente Ihnen als Zünder«, schloss Bea.

»Mein anderer Liebhaber war ein sehr guter Mann, und ich genoss es sehr, mit ihm zusammen zu sein. In jeder Hinsicht. Seine Gesellschaft im Bett und außerhalb davon war ein Gewinn, und ich wollte sie nicht aufs Spiel setzen. Aber um mit ihm zusammenzubleiben um ihn im Bett zu befriedigen und von ihm befriedigt zu werden, brauchte ich einen zweiten, einen heimlichen Liebhaber. Das war Santo.«

»Wissen all Ihre Liebhaber voneinander?«, fragte Havers.

»Dann wäre die Affäre schwerlich heimlich.« Aldara tauschte erneut die Schaufel gegen die Harke. An ihren Stiefeln klebte Mist, bemerkte Bea. Sie sahen teuer aus, würden nun jedoch monatelang den Geruch von Tierdung tragen. Es verwunderte sie, dass Aldara das offenbar gleichgültig war. »Santo wusste es natürlich. Er musste es wissen, um die… man kann wohl sagen, um die Regeln zu verstehen. Aber der andere Mann, nein. Es war wichtig, dass er es nicht erfuhr.«

»Weil es ihm nicht gefallen hätte?«

»Auch das, natürlich. Aber vor allem, weil Heimlichkeit der Schlüssel zur Erregung ist und Erregung die Voraussetzung für das Feuer.«

»Mir fällt auf, dass Sie von diesem anderen Kerl in der Vergangenheit sprechen. War, nicht ist. Wie kommt das?«

Aldara zögerte, als ginge ihr mit einem Mal auf, was ihre Antwort der Polizei suggerieren könnte.

»Dürfen wir annehmen, dass diese Beziehung vorbei ist?«, hakte Bea nach.

»Finito«, fügte Havers hinzu, für den Fall, dass Aldara sie nicht verstanden haben sollte.

»Unsere Beziehung ist ein wenig abgekühlt«, antwortete Aldara vorsichtig. »Ich schätze, so würde man es nennen.«

»Und wann hat das begonnen?«

»Vor einigen Wochen.«

»Was hat den Anstoß dazu gegeben?«

Aldara schwieg sich aus, was Antwort genug war.

»Wir brauchen seinen Namen«, sagte Bea.

Das schien die Griechin zu überraschen, was Bea ihr nicht abkaufte. »Warum? Er hat nicht… Er weiß nicht…« Sie zögerte. Sie ließ sich die Sache durch den Kopf gehen, nahm Bea an, mit allen Konsequenzen.

»Doch, meine Liebe«, sagte Bea. »Es spricht allerhand dafür, dass er es sehr wohl wusste.« Sie erzählte ihr von Santos Gespräch mit Tammy Penrule und Tammys Rat, aufrichtig zu sein. »Wie sich herausgestellt hat, bezog Santos Frage sich nicht auf Madlyn, denn die hatte es ja selbst herausgefunden. Es ist also naheliegend, dass er darüber nachdachte, es jemand anderem zu sagen. Ich schätze, es handelte sich hierbei um Ihren Freund. Was ihn, wie Sie sich sicher vorstellen können, für uns ausgesprochen interessant macht.«

»Nein. Er wäre niemals fähig…« Doch dann zauderte sie erneut. Es war offensichtlich, dass sie in ihrem hübschen Kopf verschiedene Szenarien durchspielte. Ihr Blick trübte sich. Er schien zu sagen, dass sie genau wusste: Er war sehr wohl fähig.

»Ich bin keine Expertin auf dem Gebiet, aber ich nehme an, die wenigsten Männer sind erbaut davon, ihre Frau mit einem anderen zu teilen«, bemerkte Bea.

»Das ist der Höhlenmensch, der noch in ihnen allen steckt«, erklärte Havers. »Meine Höhle, mein Feuer, mein Mammut, meine Frau. Ich Tarzan, du Jane.«

Bea fuhr fort: »Santo geht also zu ihm und sagt ihm die Wahrheit. "Wir treiben es beide mit Aldara Pappas, Kumpel, und zwar weil sie es so will. Ich dachte nur, du würdest vielleicht wissen wollen, wo sie steckt, wenn sie nicht mit dir zusammen ist."«

»Das ist doch absurd! Warum sollte Santo…«

»Logisch betrachtet, wollte er wahrscheinlich vermeiden, eine Szene wie die mit Madlyn noch einmal zu erleben, vor allem wenn ein Mann darin verwickelt wäre, der ihn möglicherweise windelweich prügeln würde.«

»Und jemand hat ihn geschlagen«, erinnerte Havers Bea. »Jedenfalls hat er ein ordentliches Ding abbekommen.«

»Das ist richtig«, antwortete Bea und fuhr, an Aldara gewandt, fort: »Was die Dinge für den anderen Kerl nicht gerade rosig aussehen lässt.«

Aldara tat das ab. »Nein. Santo hätte es mir gesagt. Das war das Wesen unserer Beziehung. Er hätte Max niemals…« Sie brach ab.

»Max?« Bea sah zu Havers. »Haben Sie das, Sergeant?«

»In Stein gemeißelt«, antwortete Havers.

»Und sein Nachname?«, fragte Bea liebenswürdig.

»Santo hatte keinen Grund, irgendwem irgendetwas zu erzählen. Er wusste, wenn er das täte, wäre unser Arrangement beendet.«

»Was ihn in tiefe Depression gestürzt hätte«, merkte Bea sarkastisch an. »So wie jeden Mann. Also schön. Aber vielleicht war Santo mehr als die Summe der Teile, die Sie gesehen haben.«

»Was sich ja wohl auf die Extremitäten beschränkte«, murmelte Havers.

Aldara warf ihr einen scharfen Blick zu.

»Vielleicht hatte Santo tatsächlich ein schlechtes Gewissen wegen der Dinge, die Sie taten«, mutmaßte Bea. »Oder vielleicht wollte er nach der Szene mit Madlyn mehr von Ihnen, als Sie zu geben bereit waren, und er dachte sich, so könnte er es erzwingen. Ich würde nur zu gern herausfinden, ob es stimmt, und der Weg, das herauszufinden, führt über Ihren anderen Freund. Ex, in Warteschleife oder was auch immer. Also. Wir sind am Ende angekommen. Sie können uns seinen Nachnamen sagen, oder wir fragen Ihre Angestellten und erfahren ihn auf diese Weise, denn wenn dieser andere Mann nicht Ihr geheimer Liebhaber war wie Santo, darf man wohl davon ausgehen, dass er nicht im Schutz der Dunkelheit hierherkommen musste, und Sie mussten sich auch nicht davonschleichen, um sich in irgendeinem verschwiegenen Müllcontainer mit ihm zu treffen. Also wird irgendjemand hier wissen, wer er ist, und dieser Jemand gibt uns sicherlich auch seinen Namen.«

Aldara dachte einen Moment nach. Im Hof hob lautes Maschinengeräusch an. Offenbar hatte Rod Erfolg mit der Reparatur der Mühle gehabt. Und in das Maschinengeräusch hinein sagte Aldara unvermittelt: »Max Priestley.«

»Vielen Dank. Und wie finden wir diesen Mr. Priestley?«

»Ihm gehört der Watchman, aber…«

Bea wandte sich an Havers. »Die Lokalzeitung. Er ist also von hier.«

»… wenn Sie glauben, er hätte irgendetwas mit Santos Tod zu tun, irren Sie sich. Das hatte er nicht. Er würde so etwas niemals tun.«

»Das soll er uns selbst sagen.«

»Natürlich können Sie zu ihm gehen, aber das wäre albern. Sie verschwenden nur Ihre Zeit. Hätte Max etwas gewusst… Hätte Santo ihm trotz unserer Vereinbarung etwas gesagt… Ich wüsste davon. Ich hätte es gespürt. So etwas merke ich Männern immer an. Diese… diese innere Unruhe, die sie dann haben. Das spürt jede Frau, die auf Männer eingestimmt ist.«

Bea betrachtete sie seelenruhig. Interessant, dachte sie. Sie hatten einen wunden Punkt bei Aldara berührt. Eine alte Narbe, die wieder zu spüren die Frau nicht erwartet hatte. Ein Hauch von Verzweiflung schwang in ihren Worten. Sorge wegen Max?, überlegte Bea. Sorge um sich selbst?

»Haben Sie diesen Max geliebt?«, fragte sie. »Ich wette, das kam unerwartet für Sie.«

»Ich habe nicht gesagt…«

»Sie glauben sehr wohl, dass Santo mit ihm gesprochen hat, nicht wahr? Denn ich denke, Santo hat Sie davon in Kenntnis gesetzt — zumindest dass er es vorhatte. Was wiederum zu dem Schluss führt…?«

»Dass ich etwas unternommen hätte, um Santo aufzuhalten, ehe er es tun konnte? Seien Sie nicht albern! Das habe ich natürlich nicht getan! Und Max hat ihm kein Haar gekrümmt. Und das hat auch sonst niemand, den ich kenne.«

»Natürlich nicht. Schreiben Sie das auf, Sergeant. "Niemand, den sie kennt" und so weiter und so fort.«

Havers nickte. »Dieses Mal hab ich's in Bronze gegossen.«

Bea sagte zu Aldara: »Jetzt, da wir am entscheidenden Punkt angelangt sind, erlauben Sie mir eine Frage: Wer ist der Nächste auf Ihrer Liste?«

»Was?«

»Auf der Erregungs- und Geheimhaltungsliste. Wenn Sie eine Auszeit mit Max hatten, es aber immer noch mit Santo trieben, brauchten Sie doch jemand Neues. Sonst hätten Sie doch nur einen gehabt — nämlich Santo, und das kann Ihnen doch nicht gereicht haben. Also: Wen gibt es sonst noch, wann ist er an Bord gekommen, und dürfen wir davon ausgehen, dass auch er nichts von Santo wusste?«

Aldara stieß die Schaufel in die Erde. Sie tat es mit leichter Hand, ohne Zorn oder Schrecken. »Ich glaube, diese Unterhaltung ist beendet, Inspector Hannaford.«

»Ah. Also haben Sie sich schon vor Santos Tod jemand Neues angelacht. Jemand, der eher in Ihrer eigenen Altersklasse spielt, wette ich. Sie scheinen mir zu der Sorte zu gehören, die schnell lernt, und ich nehme an, Santo und Madlyn haben Ihnen vor Augen geführt, was dabei herauskommt, wenn Sie sich einen Teenager halten. Ganz gleich wie gut er im Bett ist.«

»Was Sie annehmen, interessiert mich nicht«, entgegnete Aldara.

»Na schön«, sagte Bea. »Es raubt Ihnen keine Sekunde Schlaf.« Und zu Havers: »Ich glaube, wir haben, was wir brauchen, Sergeant.« An Aldara gewandt, fügte sie noch hinzu: »Bis auf Ihre Fingerabdrücke, Madam. Jemand wird heute noch vorbeikommen, um sie zu nehmen.«

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