Sofort erhoben sich ein Dutzend Männer, nahmen ihre Waffen und folgten ihm hinüber in den Uferwald. Adlerauge und Grauer Reiher wechselten einen Blick, nahmen ihre Bogen und Pfeile und folgten den anderen. Wie Raubtiere auf der Jagd schlichen die Indianer von Busch zu Busch bis ans Wasser. Am letzten Baum verharrten sie und hielten Ausschau.
Ein merkwürdiges Tier tauchte unweit der Insel aus dem dunklen Wasser auf. Es hatte einen großen, plumpen Kopf, der fast an einen breiten Kuhkopf ohne Ohren und Hörner erinnerte, zwei große Schwimm-Vorderbeine und einen fetten, spindelförmigen Körper, der in einer runden Schwimmflosse endete.
Ab und zu tauchte das Tier unter und kam mit dem Maul voller Wasserpflanzen wieder herauf.
Die Jäger an Land rührten sich nicht. Sie hatten festgestellt, daß es sich um einen Manati handelte — eine Seekuh, wie das Tier auch genannt wurde.
Adlerauge sah, wie die Männer von der Lagune vorsichtig ihre Harpunen in die Wurfstöcke einpaßten, so daß der Haken des Stockes in den Einschnitt des Harpunenschaftes kam. Dann nahmen sie Stock und Schaft in eine Hand und führten beide über die Schulter, zum Wurf bereit.
Fünfzehn Schritt von den Indianern entfernt wälzte sich der Manati im Wasser und zeigte eine Seite an der Wasseroberfläche.
Augenblicklich flogen ein Dutzend Harpunen durch die Luft, und fast alle trafen.
Das große Tier stieß einen eigenartig prustenden Laut aus und tauchte unter. Die Eisvogelmänner hielten die Harpunenleinen mit aller Kraft. Eine oder zwei von ihnen rissen ab, aber die meisten hielten, und nach einigen Minuten kam die Seekuh wieder an die Oberfläche.
Da waren Adlerauge und Grauer Reiher schußbereit. Ihre Bogensehnen summten. Zwei lange Pfeile mit Spitzen von Stachelrochenzacken trafen Hals und Kopf des Manati.
Er tauchte wieder, aber nun waren seine Bewegungen schwächer, und er kam schon nach einem Augenblick wieder herauf. Da trafen ihn zwei weitere Pfeile. Die Seekuh rollte auf den Rücken und blieb dann ruhig liegen.
Jetzt kamen zwei lange Kanus in schneller Fahrt aus dem Schilf und hielten Kurs auf das große Tier. Die Insassen banden ihm dicke Baststricke um den Hals und den Schwanz, und dann schleppten sie es an den Strand.
Dort warteten bereits viele arbeitswillige Hände, und mit vereinten Kräften bekamen sie die Beute aufs Trockne.
Mit Feuersteinmessern, Steinäxten und scharfen Knochendolchen begannen die Männer ihr Werk, und bald war die Jagdbeute zerstückelt. Der größte Teil des Fleisches wurde in ein kleineres Kanu gepackt, das zwei Männer durch das Schilf davonpaddelten. Die Arowaken ahnten, daß sie zum Wohnplatz des Eisvogelvolkes fuhren, wo Frauen und Kinder warteten. Die kleine Insel war nur ein Jagdlager. Aber da die Gastgeber nicht von sich aus von ihrer Wohnstätte sprachen, wollten sie natürlich nicht fragen.
Das übrige Fleisch von dem erlegten Tier wurde zum größten Teil in lange Streifen geschnitten und auf Holzgestelle gelegt. Man deckte mächtige Blätter der Bijaupflanze darauf, die mit der Banane verwandt ist und die in großen Mengen rings um die Lagune wuchs. Dann zündeten die Eisvogelmänner unter den Gestellen Feuer an, sie legten stark duftendes Holz darauf, und so wurde das Fleisch geräuchert.
Einige ausgesuchte Stücke wurden in der Glut gebraten, und eine große Anzahl anderer Fleischstücke legte man mit Maniok, Bataten und anderen Wurzeln in große Tontöpfe. Daraus kochten sie eine Suppe, die sich essen ließ.
Sägefischs Begleiter halfen ihren Gastgebern bei der Arbeit. Sie zer stückelten Fleisch, holten Holz und Bijaublätter und machten sich so nützlich, wie sie nur konnten.
Als das Essen fertig war, aßen alle gemeinsam.
Es war die beste Mahlzeit, die die Arowaken seit langem zu sich genommen hatten, und Sägefisch sagte es Otter bei passender Gelegenheit.
Der Häuptling des Eisvogelstammes lächelte breit und zufrieden.
„Die Männer vom Reiherfluß haben uns Glück gebracht", sagte er freundlich. „Wir haben seit vielen Tagen keinen Manati erlegt, und nun tauchte einer gleich neben unserem Jagdlager auf. Sage mir, Sägefisch, wie gedenkst du mit deinen Männern Stachelrochen zu fangen?" „Wir werden sie in der Dunkelheit bei Fackelschein harpunieren. Das ist natürlich gefährlich, denn die Kariben könnten unsere Fischfeuer sehen, aber wir kennen keine andere Art."
Otter schüttelte den Kopf.
„Auf diese Art werdet ihr sicher nicht genug bekommen", sagte er. „Wir kennen eine Fangart, bei der man eine ganze Menge Rochen fängt, obwohl wir es nicht auf diese Fische abgesehen haben, sondern auf andere, vor allem Adlerfische. Wenn die Sonne dort steht", Otter zeigte über den Rand der Mangrovendickung, „wird das Eisvogelvolk Sägefisch helfen, viele Stachelrochen zu fangen. Aber jetzt wollen wir erst einmal ruhen und dann wieder essen. Man wird stark von dem fetten Fleisch des Manati."
Einige Stunden später kamen die Männer, die mit dem Fleisch davongefahren waren, in einem großen Kanu zurück. Sie brachten mehrere Gefährten mit, und in einem zweiten Kanu transportierten sie ein großes Netz aus Pflanzenfasern und einige lange Stricke.
Alle nahmen nun wieder eine Mahlzeit zu sich und aßen Fleisch und geröstete Bataten, und dann paddelten sie in fünf Kanus zu dem Wald-der-im-tiefen-Wasser-wächst.