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Das Fest der Hidschra[12] verbrachte Anis zwischen Veranda und Wohnraum in vollkommener Entrückung. Amm Abduh kam, um die Sitzung vorzubereiten, und wünschte zum dritten oder vierten Mal ein frohes Fest, glaubte aber immer wieder, es zum ersten Mal zu tun. Auf Anis' Frage, was er über den Anlaß des Festes wisse, erwiderte der Alte, es sei der Tag, an dem der Prophet sich von den Ungläubigen abgewandt und nach Medina ausgewandert sei. Dann verfluchte er die Ungläubigen. »Sie werden in Kürze zu der Sitzung, die du vorbereitest, zusammenkommen«, erwiderte Anis. Der Alte lachte und wollte es nicht glauben.

Anis scherzte weiter:

»Amm Abduh, du fliehst in den Glauben.«

»Fliehen! Ich kam eines Tages auf dem Dach eines Zuges hierher.«

»Aus welcher Gegend?«

»Uoh!«

»Nach welchem Verbrechen?«

»Uoh!«

Er beharrte darauf, zu vergessen. Vielleicht war er auf der Flucht nach einem Verbrechen hierhergekommen; vielleicht hatte ihn die Woge der Revolution von 1919 hierhergespült. Er wußte es nicht, und keiner würde es je wissen. Scherzend fragte er ihn weiter: »Bist du ein ernsthafter Mensch, Amm Abduh?«

»Uoh!«

»Weißt du nicht, daß Sammara eine neue Prophetin ist?«

»Gott, der Allmächtige verzeihe es mir!«

»Sie hat aus uns ein Heer rekrutiert, das gegen das Nichts kämpfen und dann vorwärtsmarschieren soll.«

»Wohin?« fragte der Mann naiv. »Ins Gefängnis oder in die Heilanstalt.«

Der Alte sagte aber, schon im Begriff, zum Abendgebet zu gehen:

»Ich suche eine Katze gegen die vielen Mäuse in der Gebetskapelle auf der Landzunge.«

Da kamen auch schon die Gefährten, früher als gewöhnlich, um den Feiertag zu begehen. Anis nahm seine Arbeit auf, und sie sprachen eine Weile von familiären Angelegenheiten. Ragab gab seine Absicht bekannt, seine Honorarforderung für jede Rolle auf fünftausend Pfund zu erhöhen. Khalid Azzuz gratulierte ihm zu diesem Schritt, er beweise damit seine Loyalität gegenüber dem arabischen Sozialismus. Ragab lachte, kommentierte aber die Worte seines Kameraden nicht, sondern sprach über Sana und darüber, wie sie in der Gesellschaft und im Studio als Ra'ufs Verlobte auftrete, er aber sei sicher, daß die Verlobung nicht zu einer Heirat führen werde.

»Wie lange bleibt das Sitzkissen der Ernsthaftigkeit noch leer?« fragte Laila Zaidan darauf.

Ali as-Sayyid erwiderte, daß die Delegation der Journalisten am Vortag vom Besuch der Industrieanlagen zurückgekehrt sei und daß Sammara höchstwahrscheinlich heute abend kommen werde.

Khalid Azzuz forderte Ragab auf, sich offen über sein Verhältnis zu ihr zu äußern, aber er lächelte nur.

»Gibt es etwa ein Appartement, das hinter unserem Rücken gemietet wurde?« fragte der andere.

»Nein, ihr müßt mir glauben, vor den Stammgästen des Hausboots gibt es kein Geheimnis.«

»Du mußt also die erste Niederlage deines Lebens zugeben.«

»Nein, ich habe den Angriff nicht verstärkt, um die Erinnerung an die platonische Liebe wieder wachzurufen«, sagte Ragab. »Liebe ist also vorhanden?«

»Selbstverständlich.«

»Auch von deiner Seite.«

Er tat einen langen Zug, stieß den Rauch langsam aus und sagte: »Ich bin nicht frei von Liebe.«

»Eine Liebe à la Ragab?« fragte Saniya Kamil. »Aber ein neues Modell.«

»Das heißt, daß sie im Grunde nichts bedeutet.«

»Warten wir's ab, wir werden sehen.«

»Sie ist wirklich hübsch«, sagte Ahmad Nasr. »Und hat einen starken Charakter«, fügte Ali as-Sayyid hinzu. »Das trifft bei Frauen sonst nicht zusammen«, meinte Saniya Kamil, um dann jedoch, als Laila sie mißbilligend musterte, munter einzuschränken, »abgesehen von seltenen Fällen…«

»An der Stärke der Festungen mißt man die Größe der Eroberer.«

Laila Zaidan versetzte jedoch:

»Aber die Atombombe hat die Festungen wertlos gemacht, und von den Verdiensten der Eroberer kann keine Rede mehr sein.«

»Sie hat eine prächtige Partie abgelehnt«, sagte Ahmad Nasr, »und das ist ein Verhalten, das an sich schon Bewunderung verdient.«

»Urteile nicht, bevor du Bescheid weißt«, entgegnete Saniya Kamil, dann wandte sie sich an Ragab: »Hat sie nicht irgendwelche Anspielungen auf eine Heirat gemacht?«

»Die Heirat kommt manchmal wie der Tod ohne vorherige Ankündigung.«

»Sage mir offen, könntest du ernsthaft an Heirat denken?« Er zögerte etwas, ehe er die Frage verneinte. Sein Zögern wirkte tief auf die Anwesenden.

Warum soll ich nicht das Kohlebecken auf die Veranda tragen, um das Fest der Flammen zu genießen. Sein Glühen ist unvergänglich, nicht wie das Glühen falscher Sterne. Die Frau aber gleicht dem erlesenen Stoff; an seinem schweren Wohlgeruch ist er nicht zu erkennen, sondern erst, wenn er verbrennt und die Atemzüge in die Tiefe gelangen. Das Geheimnis von Kleopatras Herzen blieb trotz ihrer vielen Liebschaften letztlich unbekannt. Die Liebe der Frauen ist wie die Tendenzkunst, deren höheres Ziel keinem Zweifel unterliegt, deren Aufrichtigkeit aber von Zweifeln umgeben ist. Kein Geschöpf zieht mehr Gewinn aus diesem Hausboot als die Maus, die Schabe und der Mauergecko. Nichts ist der Trauer vergleichbar, die dich ungeladen an deinem Zufluchtsort überrascht. Gestern, als es graute, sagte ihm die Morgendämmerung, daß er in Wahrheit keinen Namen habe.

Er wurde auf die anderen aufmerksam, als sie über das einheimische Fleisch, den russischen Fisch, die harte Währung und den hohen Umrechnungskurs diskutierten und lärmend lachten. Das Hausboot bebte und kündigte einen neuen Besucher an. Es wurde still. »Die Braut!« murmelte Saniya Kamil.

Sammara kam fröhlich und munter herein, schüttelte ihnen herzlich die Hand und wünschte Glück zum Fest. Man erkundigte sich nach der Fahrt, und sie erwiderte, es sei wunderbar gewesen, man müsse solche Fahrten unternehmen, um neu geschaffen zu werden. Khalid blickte von einem zum anderen und fragte:

»Wie, könnten wir tatsächlich neu geschaffen werden?« Sie blickten sich an, dann lachten sie aus vollem Halse. Mustafa Raschid sagte zu ihr:

»Sie allein sind daran schuld, weil Sie uns das Geheimnis Ihrer Ernsthaftigkeit und Ihres Eifers nicht eröffnet haben.«

»Ich werde nicht in die Falle gehen.«

»Es ist klar, daß Sie wie wir dem alten Glauben anhängen und daß Sie auch derselben Schicht angehören, die sich dem Abgrund entgegenbewegt. Wie haben Sie trotzdem einen Sinn gefunden? Sagen Sie wenigstens, was das für ein Sinn ist.« Sie zögerte lange, dann sagte sie: »Es ist das Leben, nicht der Sinn.«

»Wir fühlen seine pulsende Kraft in unseren Trieben; in diesen Grenzen erfreuen wir uns des Lebens.«

»Nein…«

»Wir haben früher gesagt…« Sie unterbrach ihn:

»Aber unsere Triebe beten, wie Sie wissen, heimlich den Tod an.«

»Und die Lösung?«

»Das Schneckenhaus verlassen.«

»Schöne Worte, aber sie führen weder vorwärts noch rückwärts.«

»Das Leben ist über jede Logik erhaben.«

»Seien Sie auf der Hut«, mahnte sie Ragab, »Sie sind in die Falle gegangen.«

Amm Abduh kam, um das Wasser zu erneuern, und Ali as-Sayyid pries die Qualität des Stoffs. Darauf sagte der Mann: »Gestern hat mir der Händler geraten, einen Monatsvorrat zu kaufen, denn die Polizei beobachtet ihn.«

»Eine Verschwörung, um Geld aus uns herauszuschlagen. Glaub ihm nicht!« Sammara fragte den Alten:

»Amm Abduh, fürchtest du dich nicht vor den Fahndern der Polizei?«

Er sei so alt geworden, daß er über dem Gesetz stehe, antwortete Mustafa Raschid für ihn.

Am Horizont funkelte ein Stern wie ein reines Lächeln. Er fragte ihn nach den Fahndern und ob sie den Händler tatsächlich beobachteten. Darauf antwortete er, daß sie die Nüchternen, nicht die Berauschten beobachteten. Daß die Sterne aufleuchteten, wenn sie sich der Erde näherten, und zusehends verblaßten, wenn sie ins All eindrängen. Daß so manches Licht, das das Himmelsgewölbe schmücke, Sternen entstamme, die sich bereits in Nichts aufgelöst hätten. Daß die Macht, die dich zum Frondienst am Nichts zwinge, stärker sei als jene, die dich an den Dienst der Dinge fesselte. Eine Sternschnuppe stürzte plötzlich nieder, und Anis glaubte, daß sie hinter dem Hausboot über den Veilchen niedergegangen sei. Er wandte sich an die Versammlung: »Außer mir haben alle Verwaltungsbeamten im Büro Prämien bekommen.«

Ahmad Nasr verfluchte den Amtsdirektor, Anis aber fuhr fort: »Ich stand erzürnt im Büro, um laut zu protestieren, aber ein heftiges Lachen überwältigte mich.«

Sie lachten, aber er zuckte mit den Schultern. Ali as-Sayyid erinnerte sie daran, daß sie die Hidschra gewöhnlich durch einen Ausflug zu den Nilschleusen in al-Qanatir gefeiert hätten. Ragab sagte dazu:

»Die beste Art, um die Auswanderung des Propheten zu begehen, ist, selbst auszuwandern.«

Sein Gesicht leuchtete auf, er schien einen neuen Einfall zu haben:

»Was sagt ihr zu einer Autofahrt ins Freie?«

»Wir sind aber noch nicht berauscht.«

»Fahren wir nach Mitternacht!«

Sammara begrüßte den Vorschlag, und Ahmad Nasr meinte, daß jede Bewegung zu begrüßen sei. Außer Anis erhob keiner Einspruch.

»Nein«, murmelte er.

Sollte die Gesellschaft in zwei Wagen fahren? Nein, nur in einem, sonst wäre die Fahrt sinnlos, wie? Sie seien neun, und der Wagen habe nur Plätze für sieben. Laila sollte auf Khalids und Saniya auf Alis Schoß sitzen. Die Begeisterung für die unvorhergesehene Fahrt verdoppelte sich. Anis aber blieb lustlos: »Nein.« Sie beharrten jedoch darauf, daß er sie begleite; ohne ihren Vormund könne ein solches Abenteuer nicht stattfinden. Aber er wollte sich nicht rühren und weigerte sich, sich umzuziehen. Sie aber bestanden darauf, ihn mitzunehmen, und sei es auch in seiner Gallabiya. Um Mitternacht brachen sie auf, und Anis gab widerwillig nach. Als sie früher als sonst das Hausboot verließen, erhob sich Amm Abduh vor seiner Hütte wie eine Palme und fragte: »Soll ich aufräumen?«

»Laß alles, wie es ist, bis wir zurück sind!« antwortete Anis.

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