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Auf dem bleiernen Nilwasser lag das Hausboot, vertraut wie ein Gesicht, rechts ein leerer Platz, an dem ein Menschenleben lang ein anderes Hausboot gelegen hatte, bevor es eines Tages vom Strom fortgerissen worden war, links eine Gebetskapelle auf einer breiten Landzunge, umgeben von einer rissigen Lehmmauer. Auf dem Boden der Gebetskapelle lag eine zerschlissene Matte. Anis Zaki trat durch eine weißgestrichene Holzpforte, zu deren Seiten sich ein Gebüsch aus Flieder und Jasmin drängte. Der Türhüter empfing ihn stehend, seine mächtige Gestalt überragte seine Lehmhütte, die mit Holz und Palmenblättern gedeckt war. Anis ging auf dem Fliesenweg durch den Garten zum Bootssteg. Zu seiner Rechten lag auf halbem Weg ein Raukenbeet, ganz links wucherte hinter dem ausladenden Guavenbaum Efeu. Glühende Sonnenstrahlen stachen durch das Laubdach aus dem Geäst der Kampferbäume.

Anis zog sich um und setzte sich in seiner Gallabiya auf die Schwelle zur Veranda, die auf den Nil ging. Eine sanfte Brise umfing ihn, er genoß ihre liebevolle Umfächelung. Seine Augen glitten über das stille Wasser, das bewegungslos und glanzlos dalag, nur die Stimmen der Bewohner der Hausboote unter den Bäumen am anderen Ufer wurden hell herübergetragen. Er seufzte laut, und Amm Abduh, der den kleinen Tisch auf der rechten Seite deckte, etwa zwei Meter vom Kühlschrank entfernt, erkundigte sich nach dem Grund: »Hoffentlich etwas Gutes!« Anis brummte über seine Schulter hinweg: »Der Rausch stieß auf eine widerliche und vergiftete Atmosphäre.«

»Aber letzten Endes kehren Sie ja zu Ihrem Heim zurück.« Stets mußte er ihn bewundern. Wie ein mächtiges uraltes Etwas. Mit dem gewaltigen Blick, der aus dem stählernen Faltenkreis hervorbricht. Vielleicht flößten ihm die tiefen Furchen seines Gesichts Achtung ein. Oder die buschige Dichte seiner weißen Haare, die wie Moos aus dem Ausschnitt seines Gewandes wuchern. Seine Gallabiya aus grober Baumwolle fällt glatt wie das Gewand einer Statue an seinem Körper herab. Er besteht nur aus Haut und Knochen, aber aus was für Knochen! Ein gigantisches Gerüst, das mit dem Kopf an die Decke des Hausbootes stößt. Von ihm geht eine unwiderstehliche Anziehung aus. Ein wahrhaftiges Symbol des Widerstandes gegen den Tod. Deshalb redet er gern mit ihm, obwohl sie kaum einen Monat zusammen sind.

Er stand auf, setzte sich an seinen Platz am Tisch und begann ein paniertes Fleischstück zu essen. Dabei blickte er auf die hölzerne, himmelblau gestrichene Wand und folgte mit den Augen einer kleinen Mauereidechse. Sie huschte geschwind an der Wand hoch und verschwand hinter dem elektrischen Schalter. Die Mauereidechse erinnerte ihn an den Abteilungsleiter. Aber warum nur? Eine überraschende Frage drängte sich ihm auf: ob Mu'izz ad-Din al-Fatimi[1] nicht Erben hätte, die eines Tages Anspruch auf Kairo erheben könnten. »Wie alt bist du, Amm Abduh?«

Der Alte stand hinter dem Wandschirm vor der Tür, schaute von oben auf ihn herab, als wäre er eine bis in die Wolken hinaufragende Zypresse, und lächelte, als nähme er die Frage nicht ernst: »Mein Alter?«

Anis bestätigte die Frage durch Kopfnicken und räkelte sich. »Wie soll ich das wissen?« sagte der Alte.

Ich kann nicht schätzen, wie alt jemand ist. Höchstwahrscheinlich ist er aber schon auf der Erde herumgelaufen, noch bevor der erste Baum der Nilallee gepflanzt wurde. Gemessen an seinem Alter ist er immer noch ungeheuer kräftig. Er überprüft die Trägertonnen, er spannt die Taue des Hausbootes je nach den Gezeiten, und das Hausboot gehorcht ihm; er gießt die Pflanzen, führt die Beter an und kocht gut. »Hast du immer allein in deiner Hütte gelebt?«

»Sie ist kaum groß genug für mich…«

»Aus welcher Stadt kommst du?«

»Uoh!«

»Hast du keine Verwandten in Kairo?«

»Keine.«

»Wenigstens darin sind wir uns gleich. Dein Essen ist vorzüglich…«

»Vielen Dank!«

»Du ißt mehr, als es gut ist für dein Alter.«

»Ich esse, was ich verdauen kann.«

Anis blickte auf den abgenagten Knochen und sagte sich, daß eines Tages von dem Amtsleiter nichts übrigbliebe als Knochen wie dieser. Wie gerne würde er seiner Abrechnung am Jüngsten Tag beiwohnen. Er schälte eine Banane und fuhr mit seiner Vernehmung fort:

»Seit wann dienst du im Hausboot?«

»Seit es hier vor Anker ging.«

»Wann war das?«

»Uoh!«

»Hat es immer noch seinen ersten Besitzer?«

»Es ist durch viele Hände gegangen.«

»Und gefällt dir deine Arbeit?« Stolz antwortete er:

»Ich bin das Hausboot, wie ich auch Taue und Tonnen bin. Vernachlässigte ich es nur einen Augenblick, so sänke es oder würde vom Strom fortgerissen…«

Anis lachte über das naive Selbstbewußtsein des Alten. Er betrachtete ihn eine Weile und fragte ihn erneut: »Was ist das Wichtigste auf der Welt?«

»Gesund und rüstig sein.«

Etwas Rührendes in dieser Antwort rief sein Lachen hervor. »Wann hast du das letzte Mal eine Frau geliebt?«

»Uoh!«

»Hast du außer der Liebe etwas anderes gefunden, das dir Freude macht?«

»Meine höchste Wonne ist das Gebet.«

»Du hast eine schöne Stimme, wenn du zum Gebet rufst.« Und heiter fügte er hinzu:

»Und du bist genauso schön, wenn du aufbrichst, um den Stoff zu holen, oder wenn du verschwindest, um mit einem Freudenmädchen zurückzukehren…«

Er lachte erneut und warf dabei seinen mit einem weißen Käppchen bedeckten Kopf nach hinten. Er antwortete nicht. »Hab ich recht?«

Jetzt erst antwortete der Alte und strich sich dabei mit seiner großen Hand langsam über das Gesicht: »Ich bin der Diener der Herren.«

Nein. Er war das Hausboot, wie er sagte, die Taue, die Tonnen, die Pflanzen, das Essen, die Frauen und der Ruf zum Gebet. Anis stand auf, das Handtuch in der Hand; er ging durch die Seitentür zum Waschbecken, sich die Hände waschen. Als er zurückkehrte, sagte er sich, daß allein der Exzeß der Grund sei, weshalb die meisten Kalifen nicht lange gelebt hätten. Er sah Amm Abduh beim Aufräumen über den Tisch gebeugt wie eine krumme Palme. Scherzend fragte er ihn: »Hast du niemals im Leben ein Gespenst gesehen?«

»Ich habe alles gesehen.« Er zwinkerte mit einem Auge:

»Hat jemals eine ehrbare Familie das Hausboot bewohnt?«

»Uoh!«

»Du Hüter der Genüsse! Hättest du dieses Leben nicht geliebt, wärest du noch am ersten Tage weggegangen…«

»Ich habe die Gebetskapelle mit meinen eigenen Händen gebaut!«

Anis schaute auf die Bücherreihen in den Regalen, die links vom Eingang an der Wand aufgestellt waren. Die Geschichte von der Vorzeit bis zum Atomzeitalter — das war das Reich seiner Phantasie, das gelobte Land seiner Träume. Gedankenverloren nahm er ein Buch von K. K. über das Mönchtum in der koptischen Zeit heraus und las darin ein oder zwei Stunden, wie gewöhnlich vor dem Nachmittagsschläfchen. Als Amm Abduh mit seiner Arbeit fertig war, kam er zu Anis, um seine letzten Anweisungen entgegenzunehmen, bevor er wegging. Anis fragte ihn:

»Was gibt's draußen, Amm Abduh?«

»Das Übliche, mein Herr.«

»Gibt es nichts Neues?«

»Warum gehen Sie nicht aus, mein Herr?«

»Ich gehe jeden Tag ins Amt.«

»Ich meine ausgehen, um sich zu entspannen und um sich umzuschauen…« Anis lachte.

»Meine Augen blicken nach innen, nicht nach außen wie die der anderen Geschöpfe Gottes.«

Er entließ ihn und trug ihm auf, ihn vor Sonnenuntergang zu wecken, falls er eingeschlafen wäre.

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