Eine halbe Stunde nach seinem Telefonanruf verließ Ali as-Sayyid seinen Platz, um die Besucherin an der Tür zu empfangen. Wieder ging durch das Hausboot das gewohnte Beben unter den Tritten auf dem Steg. Ahmad Nasr wünschte, daß sie die Wasserpfeife und die dazugehörigen Gerätschaften versteckt hätten, bis sie sich der Besucherin sicher gewesen waren, aber Ragab al-Qadi winkte Anis unbekümmert zu: »Schab ab, stopf und leg auf!«
Hinter dem Wandschirm erschien sie mit lächelndem Gesicht, sie kam herein, gefolgt von Ali as-Sayyid. Sie nahm die auf sie gerichteten Blicke freundlich und ohne Verlegenheit auf. Die Männer erhoben sich, sogar Anis in seiner weißen Gallabiya, deren Saum sich über beide Beine hochgeschoben hatte. Ali as-Sayyid vollzog die übliche Vorstellung. Ahmad Nasr wollte ihr einen Stuhl bringen, aber sie zog ein Kissen vor, worauf Ragab spontan näher an Sana heranrückte und ihr einen Platz neben sich freimachte. Anis setzte seine Arbeit fort, sah aber verstohlen zu ihr hinüber. Nach allem, was er gehört hatte, erwartete er, etwas Ungewöhnliches zu sehen. Ja, sie war in der Tat eine Persönlichkeit, und auch als Frau war sie anziehend. Trotz seiner schweren Augenlider sah er ihre glatte Bräune ohne jedes Make-up. Ihre Züge waren klar wie ihre einfache Eleganz, aber in ihrem Blick lag eine Klugheit, die ein Ergründen ihrer Tiefe verwehrte. Es kam ihm vor, als habe er sie schon gesehen, aber in welcher vergangenen Epoche? War sie eine Königin, oder stammte sie aus dem Volk? Als er nochmals einen heimlichen Blick auf sie warf, erschien ihm ein anderes Bild. Er versuchte es zu erfassen, aber die Konzentration strengte ihn an, und so wandte er die Augen der Nacht zu.
Dem Tumult des Vorstellens und der üblichen Komplimente folgte ein Schweigen. Das Gluckern sang mit der Nachtgrille. Geschickt vermied es Sammara, den Blick, der etwas hätte verraten können, auf die Pfeife zu richten. Als sie ihr von Anis' Hand angeboten wurde, nahm sie als Grußgeste das Bambusrohr zwischen die Lippen, ohne zu rauchen, und gab es an Ragab weiter. Der nahm es und sagte: »Wie es Ihnen gefällt.«
»Ich habe Sie in Ihrem letzten Film >Baum ohne Frucht< gesehen, und ich kann versichern, daß Sie Ihre Rolle vortrefflich gespielt haben.«
Obwohl seine Bescheidenheit sich keines Lobes schämte, fragte er vorsichtig:
»Meinung oder Kompliment?«
»Meinung, und es ist die Meinung von vielen.« Durch den Tabakdunst blickte Anis auf Sana und sah sie ihre widerspenstige Haarsträhne bändigen. Er lächelte. Selbst der Amtsleiter mit der Machtfülle, die ihm die Rahmenverordnung für Finanzen und Verwaltung überträgt, überschreitet in seiner Zuständigkeit nicht den Bereich der Eingänge und Ausgänge. Und es gibt Tausende von Meteoren, die von den Planeten auf die Erde zu fallen, um zu verglühen und zu verlöschen, ohne durch die Registratur zu gehen oder in den Eingangsbüchern vermerkt zu werden. Die Pein ist allein dem Herzen bestimmt. Plötzlich redete Sammara Khalid Azzuz an: »Vor kurzem habe ich Ihre Geschichte >Der Flötenspieler< gelesen.«
Khalid rückte an seiner Brille.
»Der Flötenspieler«, fuhr sie fort, »dessen Flöte sich in eine Schlange verwandelt…«
»Seit er diese Geschichte veröffentlicht hat, verdient er mit Recht, Khalid die Natter genannt zu werden«, schaltete sich Mustafa Raschid ein.
»Eine ungewöhnliche, aber spannende Geschichte.«
»Unser Freund ist ein hervorragender Vertreter der L'art pour l'art«, sagte Ali as-Sayyid. »Sie dürfen auch nicht erwarten, daß je andere Kunst aus unserem Boot hervorgeht.«
»Bald wird aus ihm die Dichtung des Irrationalen hervorgehen, bekannt als die Dichtung des Absurden«, ergänzte Mustafa Raschid.
Ragab ergriff das Wort:
»Das Absurde weilte zur Genüge unter uns, noch bevor es zur Kunst wurde. Ihr Kollege, Ali as-Sayyid, ist für seine absurden Träume bekannt, und Mustafa Raschid läuft dem Irrationalen im Namen des Absoluten nach, und es macht den Lebensinhalt unseres Bootsherrn aus, seit er vor zwanzig Jahren der Welt den Rücken gekehrt hat.«
Sammara lachte und gab ihre bisher bewahrte Zurückhaltung auf:
»Ich bin tatsächlich eine Scheichin, eine Eingeweihte, denn meine Ahnung hat mir gesagt, daß ich bei euch sonderbare, aufregende Dinge finden würde!«
»Ihre Ahnung oder Ali as-Sayyids lose Zunge?« fragte Ragab.
»Er hat nur Gutes gesagt.«
»Also, unser Hausboot ist nicht einzig in seiner Art.«
»Vielleicht, aber wie viele Leute gibt es, und wie wenige eignen sich zu Freunden.«
»Ich dachte, ein Journalist wäre der letzte, der so etwas sagte.«
»Die Leute begegnen uns gewöhnlich mit ihrem Fotografiergesicht.«
»Wir aber begegnen Ihnen mit Aufrichtigkeit und schlichter Natürlichkeit«, entgegnete Khalid Azzuz. »Wann werden Sie sie erwidern?«
»Betrachten Sie es als schon geschehen«, lachte sie, »oder geben Sie mir noch eine ganz kurze Frist!«
Anis trug das Kohlebecken auf die Schwelle zur Veranda, nachdem er kleine Kohlestücke nachgelegt hatte. Dort stand es im Zug. Die glimmenden Kohlestückchen wurden angefacht, bis die Schwärze sich in eine tiefglühende Röte verwandelt hatte, brüchig und samtweich. Viele Zünglein flackerten in den Farben des Abendrots, noch vereinzelt und zerstoben, dann aber umschlangen sich ihre Flügel und formten eine kristallene Woge, gekrönt von phantastischen bläulichen Spitzen. Es knisterte, und aus dem Inneren erhob sich ein Funkenregen. Weibliche Stimmen kreischten auf, Anis brachte das Kohlebecken an seinen Platz zurück. Er gestand sich seine unendliche Bewunderung für das Feuer ein. Es ist schöner als Rosen, überhaupt als alle Pflanzen und schöner als die violette Morgendämmerung. Wie war es möglich, daß es in seiner Brust die höchste zerstörende Kraft einschloß? Wenn du einmal Lust dazu verspürst, solltest du ihnen die Geschichte von dem Mann erzählen, der das Feuer entdeckt hat, von jenem alten Freund, der die Nase von Ali as-Sayyid hat, die Anziehungskraft von Ragab al-Qadi und die mächtige Gestalt von Amm Abduh. Wo ist die merkwürdige Idee hingekommen, die du zur Diskussion stellen wolltest, als du das Kohlebecken auf die Veranda trugst? »Ich bin Rechtsanwalt«, sagte Mustafa Raschid, »und als solcher naturgemäß mißtrauisch. Ich kann mir vorstellen, woran Sie jetzt denken.«
»Nichts von all dem, wovor Sie sich fürchten.«
»Ihre Artikel strotzen vor bitterer Kritik der Passivität. Wir könnten in manchen Augen als die leibhaftige Passivität erscheinen.«
»Nein. nein, man soll die Leute nicht nach ihrem Treiben in ihrer Freizeit beurteilen.«
»Sie meinen wohl, daß ihr ganzes Leben ein leeres Treiben ist«, lachte Ragab.
»Sie erinnern mich daran, daß ich fremd unter euch bin.«
»Es ist nicht gut, uns selbst zum Thema der Unterhaltung zu machen«, wandte Ahmad Nasr ein. »Viel wichtiger wäre, zu erfahren, was wir über Sie nicht wissen.«
»Ich bin kein Rätsel.« Und Ali as-Sayyid fügte hinzu:
»Alle Texte eines Schriftstellers geben Auskunft über ihn.« Da fragte Mustafa Raschid: »Gilt das auch für deine kritischen Artikel?« Ein allgemeines Gelächter brach aus, sogar Ali as-Sayyid lachte lange, und lachend fügte er hinzu:
»Ich bin einer von euch, ihr dekadenten Modernen, und wer seinen Freunden ähnlich ist, der ist nicht aus der Art geschlagen.«
»Jeder schreibt über den Sozialismus, aber die meisten träumen vom Reichwerden, vom An-sich-Raffen und von den roten Nächten in al-Ma'mura«[4], gab Khalid Azzuz zu. »Diskutieren Sie öfter in dieser Weise?« fragte Sammara. »Nein, aber wir werden dazu gezwungen, wenn einer unsere Art zu leben angreift.«
Anis rief Amm Abduh. Der mächtige Greis kam, nahm die Pfeife, ging durch die Nebentür und kehrte mit ihr zurück, nachdem er das Wasser erneuert hatte. Sammaras Augen hefteten sich auf ihn. Als er verschwunden war, murmelte sie: »Was für ein schöner Riese!«
Da erinnerte sich Ali as-Sayyid, daß Amm Abduh der einzige Angehörige des Hausboots war, den er ihr nicht vorgestellt hatte:
»Er ist ein echter Riese, aber er tut den Mund kaum auf, er verrichtet alle Arbeiten und spricht selten. Oft kommt es uns vor, als wäre er für immer im gegenwärtigen Augenblick versunken. Aber auch das ist nicht sicher. Und das Sonderbare ist, daß auf ihn jede Beschreibung zutrifft: Er ist rüstig und schwach, anwesend und abwesend, er ist der Imam der benachbarten Gebetskapelle und ein Zuhälter.«
»Ich muß gestehen, ich mochte ihn sofort«, lachte Sammara. Spontan erwiderte Ragab:
»Hoffentlich kommen wir in den gleichen Genuß!« Sana schaute in die Nacht hinaus wie eine Zufluchtsuchende. Wie zur Entschuldigung legte Ragab seinen Arm um ihre Taille.
Ganz andere Fragen bestürmten Anis' Kopf. Waren die Freunde schon früher, schon zur Zeit Roms, so wie heute nacht zusammengekommen? Hatten sie nur andere Kleider getragen? Hatten Sie dem Brand Roms beigewohnt? Warum hatte sich der Mond von der Erde losgerissen und die Berge hinter sich hochgezogen? Wer von den Männern der Französischen Revolution wurde in der Badewanne von der Hand einer schönen Frau ermordet? Wie viele seiner Zeitgenossen starben an chronischer Verstopfung? Wann stritt sich Adam — nach der Vertreibung aus dem Paradies — mit Eva zum ersten Mal? Hat Eva es etwa versäumt, ihn für das Unglück verantwortlich zu machen, das sie selbst heraufbeschworen hatte?
Laila Zaidan schaute fragend zu Sammara hinüber: »Bleiben Sie immer vollkommen nüchtern?«
»Kaffee und Zigaretten, sonst nichts…« Darauf sagte Mustafa Raschid:
»Wir aber werden eines Tages vom endgültigen Plan zur Vernichtung der Rauschgifte hören und werden nicht wissen, was uns noch bleibt.«
»So weit geht das schon!«
Ragab bemerkte, daß sie noch Whisky hätten. Einem Glas stimmte sie zu, er stand auf und schenkte ein. Sie fragte nach dem Geheimnis ihrer Anhänglichkeit an die Wasserpfeife. Aber keiner war gewillt, eine Antwort zu geben, bis Ali as-Sayyid sagte: »Sie ist das Zentrum unserer Zusammenkünfte, und nur hier wird uns echtes Glück zuteil.«
Mit einem Kopfnicken gab Sammara zu, daß die Gesellschaft wahrhaft glücklich sei, doch Saniya Kamil erhob Einspruch. »Keine Ausflüchte, zu diesem Thema haben Sie sicher mehr zu sagen!«
»Die gängigen Klischees will ich nicht wiederholen, und ich will nicht durchfallen wie ein sozialistisches Tendenzstück.«
»Uns interessieren aber Ihre Ansichten«, sagte Ahmad Nasr. »Ich veröffentliche sie wöchentlich in Fortsetzungen. Aber was denken Sie selbst dazu?« fragte sie nach einem Schluck Whisky. »In der ersten Hälfte des Tages«, antwortete Mustafa Raschid, »arbeiten wir, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, danach kommen wir auf dem Boot zusammen, das uns in himmlische Sphären entführt.«
»Geht Sie tatsächlich nicht an, was sich um Sie herum abspielt?«
»Gelegentlich, sofern es uns belustigt.« Sie lächelte ungläubig, als Mustafa Raschid sagte: »Sie denken vielleicht, das sind Ägypter, Araber, Menschen und überdies Gebildete, sie müßten doch Sorgen über Sorgen haben. In Wirklichkeit aber sind wir weder Ägypter noch Araber, noch Menschen. Wir gehören nur dem Boot.« Sie lachte wie über einen Witz, Mustafa aber fuhr fort: »Solange die Tonnen in gutem Zustand, die Taue und die Ketten fest sind, und solange Amm Abduh darüber wacht und die Wasserpfeife gestopft ist, so lange haben wir keine Sorgen…«
»Das überzeugt mich nicht!«
»Warum nicht?«
Sie dachte kurz nach, dann trat sie den Rückzug an: »Ich werde nicht in die Falle tappen, nein, ich werde mir nicht gestatten, so unausstehlich wie ein sozialistisches Tendenzstück zu sein…«
»Sie dürfen Mustafa nicht wortwörtlich verstehen«, lenkte Ali as-Sayyid ein. »Wir sind nicht so egoistisch, wie er uns darstellt. Aber wir sehen, daß das Schiff seinen Weg nimmt, ohne uns zu fragen und ohne unsere Hilfe. Das Nachdenken darüber führt zu nichts. Es hat doch nur Verdruß und hohen Blutdruck zur Folge…«
Hohen Blutdruck und schlechte Haschischsorten. Als Medizinstudent erkrankte er zu Beginn seines Studiums an Einbildungen. Der Amtsleiter selbst war nicht schlimmer als der Sezierraum. Der erste Tag im Sezierraum und die erste Erfahrung mit dem Tod des liebsten Menschen. Und diese Besucherin ist — noch bevor sie den Mund auftut — bemerkenswert schön und duftend. Und die Nacht ist eine Lüge, weil sie das Negativ des Tages ist. Wenn es dämmert, schweigen die Zungen. Aber was ist es, woran du dich die ganze Zeit vergeblich erinnern willst? Khalid Azzuz richtete das Wort an Sammara: »Sie haben literarische Fähigkeiten?«
»Ich habe sie noch nicht ausprobiert.«
»Sie haben zweifellos ein Ziel vor Augen?«
»Auf alle Fälle bin ich dem Theater zugetan.«
»Nur dem Theater? Nicht der Leinwand?« fragte Ragab protestierend.
»Nein, da habe ich keine Ambitionen.«
»Theater ist nichts als Wörter.«
»Damit gleicht es unserem Hausboot«, meinte Mustafa Raschid lächelnd.
Aber sie wehrte ab:
»Das Gegenteil ist richtig, das Theater ist Konzentration, jedes Wort muß eine Bedeutung haben.«
»Das ist der entscheidende Unterschied zwischen dem Theater und unserem Hausboot.«
Ihre Augen begegneten Anis' Augen, während er die Pfeife kreisen ließ, als entdecke sie ihn erst jetzt: »Warum reden Sie nicht?« Sie will dich verführen, um dir im entscheidenden Augenblick zu sagen, sie sei keine Dirne. Sie erinnert mich an etwas, woran ich mich doch nicht erinnern kann. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie Kleopatra ist oder die Hökerin, die den gesüßten Tabak in der al-Gamamiz-Gasse verkauft. Sie ist eine Skorpion-Geborene. Weiß sie nicht, daß ich ein Rendezvous mit einer Idee sexueller Natur habe? Mustafa Raschid entschuldigte sich für ihn: »Wer arbeitet, spricht nicht.«
»Warum arbeitet er allein?«
»Das ist seine liebste Beschäftigung, er erlaubt niemandem, ihm dabei zu helfen.«
»Er ist der Vorsteher unseres Hausboots«, ergänzte Ragab al-Qadi, »manchmal nennen wir ihn unseren Vormund. Im Vergleich zu ihm ist jeder von uns ein Neuling und Amateur, denn er erwacht nie…«
»Zumindest ist er nüchtern, wenn er morgens aus dem Schlaf erwacht!«
»Nur für kurze Augenblicke, dann schreit er schon nach dem schwarzen Kaffee…« Nachdrücklich richtete sie sich an ihn: »Und was tun Sie in diesem Augenblick?« Ohne seinen Blick zu heben, sagte er: »Ich frage mich, warum ich lebe.«
»Schön. Und wie beantworten Sie sich die Frage?«
»In der Regel versinke ich in Trance, bevor ich die Antwort finde.«
Sie lachten länger als nötig, und er lachte mit. Durch den aufsteigenden Dunst betrachtete er die Frauen. Kein Auge spiegelte auch nur die geringste Zuneigung zur Besucherin wider. Manch ein Löwe frißt das Fleisch allein und überläßt den anderen die Knochen. Die Knochen der neuen Besucherin sind übervoll von schreckenerregendem Mark. Aber solange die Mücke ein Säugetier ist, brauchen wir keine Angst zu haben. Und in der Tat, kreisten die Planeten nicht um die Sonne, so wäre uns die Ewigkeit beschieden.
Ragab schaute auf seine Armbanduhr, dann sagte er ernsthaft: »Es ist Zeit, daß wir mit dem Gefasel aufhören. Diese Nacht ist ein Markstein in unserem Leben. Zum erstenmal ehrt uns ein ernsthafter Mensch mit seinem Besuch. Er besitzt, was keiner von uns besitzt. Wer weiß, vielleicht erhalten wir mit der Zeit Antwort auf Fragen, die bis heute ohne Antwort geblieben sind…«
Vorsichtig und fragend blickte sie ihn an: »Verhöhnen Sie mich, Herr Ragab?«
»Gott behüte, ich baue vielmehr meine Hoffnung darauf, daß Sie zu uns gehören werden.«
»Ich habe den gleichen Wunsch, ich werde, soweit es die Zeit erlaubt, keine Gelegenheit, bei Ihnen zu sein, versäumen.« Eine resignierende Bewegung breitete sich aus, die Anwesenden schickten sich an zu gehen. Der Fluch war da, der jedem Ding ein Ende macht. War dies der Gedanke, der dem Gedächtnis so lange widerstrebt hatte? Im Kohlebecken blieb nur Asche zurück. Sie gingen nacheinander, bis er mit seiner Einsamkeit allein war. Eine neue Nacht stirbt, und das Dunkel draußen schaut ihm zu. Und da kommt Amm Abduh, um dem Raum sein voriges Aussehen wiederzugeben. »Hast du den neuen Gast gesehen?«
»Soweit das Sehen reicht…«
»Es wird behauptet, daß sie von der Polizei ist.«
»Uoh!«
Als der Alte sich anschickte wegzugehen, sagte er: »Such mir ein Mädchen für die Nacht!«
»Es ist schon spät, und auf dem Weg ist nichts zu sehen.«
»Setz dich in Trab, du langes Gestell!«
»Ich habe schon die Gebetswaschung vollzogen.«
»Machst du dir Hoffnung auf eine Ewigkeit, die ewiger ist als dein Dasein? Rühr dich!«
Aus einem Aschenbecher klaubte er sich die Kippe einer Zigarette, die sie geraucht hatte. Es war nur noch der orangefarbene Filter und ein kleiner weißer zerdrückter Rest; er betrachtete ihn lange, dann ließ er ihn mitten in den Haufen toter Mücken zurückfallen. Vom Nil drang brackiger Duft mit einer weiblichen Aura herein. Es kam ihm in den Sinn, sich mit dem Zählen der Sterne die Zeit zu vertreiben, aber es fehlte ihm der Wille. Gäbe es auf den Sternen keinen, der sich mit der Beobachtung unseres Planeten und dem Studium seiner sonderbaren Zustände beschäftigte, so wären wir verloren. Aber wie wird dieser Beobachter von den Sternen unser ausgelassenes Gelage von Anbeginn bis Ende auslegen? Er wird sagen, es gibt leichte Zusammenballungen, die Dunst ausstoßen, wie er öfter in der Atmosphäre der Planeten zu finden ist, und aus den Zusammenballungen kommen vage Laute, die nicht zu verstehen sind, solange wir keine Vorstellung von ihrer Zusammensetzung haben. Der Umfang der Zusammenballungen vergrößert sich gelegentlich, was darauf hindeutet, daß sie sich auf irgendeine Weise durch eigene oder fremde Kraft vermehren. Daraus läßt sich folgern, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß eine bestimmte Art von primitivem Leben auf diesem Planeten vorhanden ist, und dies im Unterschied zu der Ansicht, die behauptet, daß kein Leben außerhalb der feurigen Atmosphäre möglich sei. Sonderbar ist, daß diese leichten Zusammenballungen verschwinden, um wieder von neuem zu erscheinen. Dieser Zustand wiederholt sich auf immer dieselbe Weise, ohne daß ein klarer Sinn erkennbar würde, was die Ansicht zu unterstützen scheint, daß dort zumindest kein Leben im eigentlichen Sinne vorhanden ist. Er zog den Saum seiner Gallabiya hoch, entblößte seine behaarten Beine und lachte laut, damit er von dem Beobachter auf dem Stern gesehen und gehört würde. Er sagte sich, wir leben zwar, aber wir sind im Begreifen so weit fortgeschritten, daß wir begriffen haben, daß es keine Bedeutung hat; wir werden immer weiter vordringen, und keiner kann prophezeien, was dann sein wird. Wir werden uns aber nicht wundern wie Julius Cäsar, als die ewig Schöne dem zusammengerollten Teppich entstieg. Der verblüffte Feldherr fragte: »Wer ist das Mädchen?«
Und sie antwortete im vollen Bewußtsein ihrer Schönheit: »Kleopatra, Königin Ägyptens.«