41.
Donnerstagmittag, der siebzehnte Dezember
Als Simone Kennets Zimmer betritt, sitzt er aufrecht im Bett. Sein Gesicht hat etwas Farbe bekommen, und er sieht aus, als hätte er genau gewusst, dass sie in diesem Moment eintreten würde.
Simone geht zu ihm, beugt sich hinab und legt vorsichtig ihre Wange an seine.
»Weißt du, was ich geträumt habe, Sixan?«, fragt er.
»Nein«, sagt sie lächelnd.
»Ich habe von meinem Vater geträumt.«
»Von Großvater?«
Er lacht leise.
»Kaum zu glauben, was? Er stand verschwitzt und fröhlich in seiner Werkstatt. Mein Junge, hat er nur gesagt. Ich habe noch immer den Dieselgeruch in der Nase …«
Simone schluckt. Ein schmerzender Kloß sitzt ihr im Hals. Kennet schüttelt vorsichtig den Kopf.
»Papa«, flüstert Simone. »Papa, weißt du noch, worüber wir gesprochen haben, bevor du angefahren worden bist?«
Er sieht sie ernst an, und plötzlich wird in seinem scharfen, barschen Blick ein Funke entzündet. Er versucht aufzustehen, bewegt sich jedoch zu heftig und fällt ins Bett zurück.
»Hilf mir, Simone«, sagt er ungeduldig. »Wir haben keine Zeit, ich kann hier nicht bleiben.«
»Erinnerst du dich, was passiert ist, Papa?«
»Ich erinnere mich an alles.«
Er streicht sich mit einer Hand über die Augen, räuspert sich und streckt die Hände aus.
»Halt mich fest«, befiehlt er, und diesmal gelingt es ihm mit Simones Hilfe, sich aufzusetzen und die Beine über die Bettkante zu schwingen.
»Ich brauche meine Kleider.«
Simone eilt zum Schrank und holt sie, kniet vor ihm und zieht ihm Strümpfe an, als die Tür aufgeht und ein junger Arzt hereinkommt.
»Ich muss los«, sagt Kennet unwirsch zu dem Mann, der kaum eingetreten ist.
Simone richtet sich auf.
»Hallo«, sagt sie und gibt dem jungen Arzt die Hand. »Ich heiße Simone Bark.«
»Ola Tuvefjäll«, sagt der Mann und wirkt unsicher, als er sich Kennet zuwendet, der seine Hose zuknöpft.
»Hallo, mein Junge«, sagt Kennet und steckt sich das Hemd in die Hose. »Es tut mir leid, dass wir nicht bleiben können, aber es handelt sich um einen Notfall.«
»Ich kann Sie nicht zwingen, hierzubleiben«, erwidert der Arzt gefasst, »aber wenn man bedenkt, wie hart der Schlag gegen Ihren Kopf war, sollten Sie selbst vernünftig genug sein, sich zu schonen. Es mag sein, dass Sie sich im Moment gut fühlen, aber Sie müssen wissen, dass in einer Minute oder einer Stunde, vielleicht aber auch erst morgen Komplikationen auftreten können.«
Kennet geht zum Waschbecken und spritzt sich kaltes Wasser ins Gesicht.
»Tut mir leid«, sagt er und richtet sich auf. »Aber ich muss zum Meer fahren.«
Der Arzt schaut den beiden fragend hinterher, als sie den Flur hinabeilen. Simone versucht, von ihrem Besuch bei Aida zu erzählen. Als sie auf den Aufzug warten, sieht sie, dass Kennet sich an der Wand abstützen muss.
»Wo wollen wir hin?«, fragt Simone. Kennet protestiert ausnahmsweise nicht, als sie sich auf den Fahrersitz setzt, sondern nimmt bloß neben ihr Platz, schnallt sich an und kratzt sich unter seinem Verband an der Stirn.
»Du musst mir schon sagen, wo wir hinfahren«, drängt sie, als er nicht antwortet. »Wie kommt man dorthin?«
Er wirft ihr einen merkwürdigen Blick zu.
»Zum Meer, ich muss nachdenken.«
Er lehnt sich auf seinem Sitz zurück, schließt die Augen und schweigt eine Weile. Sie denkt bereits, dass sie einen Fehler gemacht hat und ihr Vater offenbar zu krank ist und ins Krankenhaus zurückmuss. Aber dann öffnet er die Augen und erklärt in knappen Worten:
»Du fährst auf die Sankt Eriksgatan, über die Brücke und dann rechts auf die Odengatan und geradeaus bis zum Ostbahnhof. Von dort aus folgst du dem Valhallavägen in östliche Richtung bis zum Filmhaus, wo du in den Lindarängsvägen biegst. Der führt direkt zum Hafen.«
»Wer braucht schon ein Navi?«, lächelt Simone, als sie sich in den dichten Verkehr einreiht.
»Ich frage mich …«, sagt Kennet nachdenklich, verstummt dann jedoch.
»Was?«
»Ich frage mich, ob die Eltern etwas davon mitbekommen haben.«
Simone wirft ihm einen flüchtigen Seitenblick zu, während der Wagen an der Gustav-Wasa-Kirche vorbeifährt. Für einen kurzen Moment sieht sie eine lange Reihe von Kindern in Umhängen. Sie tragen Kerzen in den Händen und gehen langsam in die Kirche.
Kennet räuspert sich:
»Ich frage mich, ob die Eltern mitbekommen haben, was ihre Kinder da treiben.«
»Erpressung, Misshandlungen, Gewalt und Drohungen«, sagt Simone müde. »Die lieben Kleinen.«
Sie denkt an die Situation vor ein paar Tagen, als sie zu dem Tattoo-Studio gefahren ist. An diese Kinder, die ein Mädchen über das Geländer hielten. Sie hatten überhaupt keine Angst, hatten ihr stattdessen gedroht. Sie denkt daran, dass Benjamin versucht hat, sie davon abzuhalten, zu dem Jungen in der U-Bahn-Station zu gehen. Inzwischen ist ihr klar, dass er einer aus der Gang mit den Pokemonnamen gewesen sein muss.
»Was stimmt mit den Menschen nur nicht?«, fragt sie rhetorisch.
»Das war kein Unfall, Sixan. Ich bin vor das Auto gestoßen worden«, erwidert Kennet mit schneidender Stimme. »Und ich habe gesehen, wer es getan hat.«
»Du bist auf die Straße gestoßen worden? Wer …«
»Es war einer von ihnen, es war ein Kind, ein Mädchen.«
Die flachen Dreiecke der elektrischen Kerzenständer in den schwarzen Fenstern des Filmhauses leuchten. Als Simone in den Lindarängsvägen biegt, bedeckt Schneematsch die Fahrbahn. Über dem Stadtteil Gärdet hängen große, schwere Wolken, und es sieht ganz so aus, als würde sich schon bald ein ordentlicher Tauwetterregen auf die Hundebesitzer und ihre unglücklichen Tölen ergießen.
Loudden heißt eine Landzunge östlich von Stockholms Freihafen. Ende der zwanziger Jahre wurde dort mit fast hundert Tanks der Ölhafen errichtet. Das Gelände umfasst flache Industriebauten, Wassertürme und einen Containerhafen, Lagerhallen im Fels und Kais.
Kennet holt die zerknitterte Visitenkarte heraus, die er im Portemonnaie des Kindes gefunden hat.
»Louddsvägen 18«, sagt er und zeigt Simone mit einer Geste an, dass sie anhalten soll. Sie fährt auf ein asphaltiertes Gelände, das von hohen Maschendrahtzäunen begrenzt wird.
»Das letzte Stück gehen wir zu Fuß«, sagt Kennet und öffnet seinen Gurt.
Sie bewegen sich zwischen riesigen Tanks und sehen schmale Treppen, die sich wie Serpentinen um die zylinderförmigen Gebäude winden. Zwischen den gebogenen und zusammengeschweißten Platten, an den Verankerungen der Treppen und den Geländern zeigt sich Rost.
Mittlerweile fällt kalter Sprühregen. Wenn die Tropfen auf das Metall schlagen, entsteht ein harter und schmutziger Ton. Bald setzt die Dämmerung ein, und dann werden sie nichts mehr sehen können. Schmale Wege verlaufen zwischen großen gelben, roten und blauen Containerstapeln. Nirgendwo stehen Straßenlaternen, es gibt nur Tanks, Frachtkais, flache Bürobaracken und näher zum Wasser hin die schlichte Kaibebauung mit Kränen, Rampen, Lastkähnen und Trockendocks. Ein schmutziger Ford-Pick-up parkt vor einem flachen Verschlag, der im rechten Winkel zu einer großen Lagerhalle aus Wellblech steht. Auf der dunklen Fensterscheibe des Verschlags kleben halb abgeblätterte Buchstaben: Das Meer. Die kleineren Buchstaben darunter sind abgeschabt, aber das Wort lässt sich im Staub noch lesen: Tauchverein. Der schwere Riegel hängt neben der Tür.
Kennet wartet einen Moment, horcht und zieht die Tür behutsam auf. In dem kleinen Büro ist es dunkel. Es enthält nur einen Schreibtisch, ein paar Klappstühle mit Plastiksitzen und zwei rostige Sauerstoffflaschen. An der Wand hängt ein welliges Plakat, auf dem exotische Fische in smaragdgrünem Wasser abgebildet sind. Der Tauchverein nutzt die Räumlichkeit offenbar nicht mehr, vielleicht ist er pleitegegangen oder umgezogen.
Hinter einem Belüftungsgitter surrt es, und die innere Tür klickt. Kennet legt einen Finger vor den Mund. Sie hören Schritte, laufen los, öffnen die Tür und blicken in eine große Lagerhalle. In der Dunkelheit vor ihnen läuft jemand. Simone versucht, etwas zu sehen. Kennet eilt eine Stahltreppe hinunter und nimmt die Verfolgung auf, schreit dann aber plötzlich auf.
»Papa?«, ruft Simone.
Sie kann ihn nicht sehen, hört aber seine Stimme. Er flucht und ruft ihr zu, dass sie vorsichtig sein soll.
»Die haben hier Stacheldraht gespannt.«
Es raschelt metallisch auf dem Betonboden. Kennet rennt wieder los. Simone folgt ihm, steigt über den Stacheldraht und läuft in die Halle hinein. Die Luft ist kalt und feucht. Es ist dunkel und fast unmöglich, sich zu orientieren. In einiger Entfernung hört man schnelle Schritte. Das Licht eines Scheinwerfers an einer Containerbrücke fällt durch ein schmutziges Fenster, und Simone sieht jemanden neben einem Gabelstapler stehen. Es ist ein Junge mit einer Maske vor dem Gesicht, einer grauen Maske aus Stoff oder Karton. Er hält ein Eisenrohr in der Hand, tritt rastlos auf der Stelle und kauert sich zusammen.
Kennet nähert sich ihm, geht an den Regalen vorbei.
»Hinter dem Gabelstapler«, ruft Simone.
Der Junge mit der Maske rennt los und wirft das Metallrohr auf Kennet, das durch die Luft schießt und haarscharf über seinen Kopf hinwegfliegt.
»Warte, wir wollen nur mit dir reden«, ruft Kennet.
Der Junge öffnet eine Stahltür und läuft hinaus. Es dröhnt, und Licht fällt herein. Kennet ist schon an der Tür.
»Er entkommt uns«, faucht er.
Simone folgt ihm, gelangt ins Freie, rutscht auf der nassen Laderampe jedoch aus und fällt hin. Müllgestank steigt ihr in die Nase. Sie rappelt sich wieder auf und sieht ihren Vater an der Kaikante entlangrennen. Der Schneematsch hat den Boden glatt gemacht, und als Simone Kennet hinterhereilt, rutscht sie fast über die Kante. Sie läuft und sieht die zwei Gestalten vor sich und die Leere neben sich. Die zerstoßene Eisbrühe des schwarzen, halb gefrorenen Wassers schlägt gegen den Kai.
Sie weiß genau: Sollte sie stolpern und hineinfallen, wird es nicht lange dauern, bis das eiskalte Wasser sie lähmen und sie mit dem dicken Mantel und den Stiefeln voll schwarzem Winterwasser sinken wird wie ein Stein.
Sie muss an eine bekannte Fernsehjournalistin denken, die zusammen mit ihrer Freundin umkam, nachdem sie mit dem Auto über eine Kaikante gefahren waren. Der Wagen sank wie eine Reuse in die Tiefe, wurde vom losen Schlick am Grund verschluckt und verschwand. Cats Falk, das war ihr Name, denkt Simone.
Sie ist außer Atem und zittert vor Stress und Anstrengung. Ihr Rücken ist vom Regen durchnässt. Kennet scheint den Jungen aus den Augen verloren zu haben. Er steht vorgebeugt und wartet auf sie, der Verband um seinen Kopf hat sich gelöst, und er schnappt keuchend nach Luft. Aus seiner Nase tropft Blut. Auf der Erde liegt eine Gesichtsmaske aus Pappe. Sie hat sich im Regen halb aufgelöst, und als der Wind sie erfasst, fliegt sie hoch und wird ins Wasser geweht.
»Verdammter Mist«, sagt Kennet, als sie bei ihm ist.
Sie bewegen sich wieder landeinwärts, aber ringsum wird es immer dunkler. Der Regen hat nachgelassen, stattdessen ist es stürmisch geworden. Der Wind pfeift um die großen Wellblechhallen. Sie kommen an einem langgestreckten Trockendock vorbei, und Simone hört den Wind dort unten dunkel und eintönig pfeifen. Traktorreifen hängen als Fender an rostigen Ketten entlang der Kaikante. Sie blickt in das riesige, aus dem Fels gesprengte Loch hinab. Ein gigantisches Becken ohne Wasser, mit rauen Felswänden, die mit Beton und armierten Stahlbändern verstärkt sind. Fünfzig Meter tiefer sieht man einen Betonboden mit großen Pallen.
Eine Plane schlägt im Wind, und das Scheinwerferlicht eines Krans schwenkt über die senkrechten Wände des Trockendocks. Plötzlich sieht Simone, dass dort unten jemand hinter einem Betonblock hockt.
Kennet merkt, dass sie stehen geblieben ist und dreht sich fragend um. Wortlos zeigt sie hinab.
Die zusammengekauerte Gestalt rückt aus dem Lichtkegel des Krans.
Kennet und Simone rennen zu einer schmalen Treppe an der Wand. Die Gestalt steht auf und läuft unter ihnen auf etwas zu, das wie eine Tür aussieht. Kennet hält sich am Geländer fest, läuft die steilen Stufen hinunter, rutscht aus, fängt sich aber wieder. Es riecht schwer und stechend nach Metall, Rost und Regen. Dicht neben der Wand eilen sie weiter hinab und hören in der Tiefe des Trockendocks Schritte hallen.
Der Boden des Docks ist nass, und Simone spürt kaltes Wasser in ihre Stiefel eindringen, sie friert.
»Wo ist er hin?«, ruft sie.
Kennet eilt zwischen den Pallen hin und her, die das Schiff an Ort und Stelle halten sollen, wenn das Wasser abgepumpt wird. Er zeigt dorthin, wo der Junge verschwunden ist. Es ist keine Tür, sondern eine Art Belüftungsschacht. Kennet lugt hinein, sieht aber nichts. Er ist außer Atem und wischt sich Stirn und Hals ab.
»Komm jetzt da raus«, keucht er. »Es reicht.«
Man hört ein schabendes und rhythmisches Geräusch. Kennet kriecht in den Schacht hinein.
»Sei vorsichtig, Papa.«
Es kracht, und die Schleusentore ächzen. Plötzlich zischt es ohrenbetäubend, und Simone begreift, was geschieht.
»Er lässt das Wasser ein«, ruft sie.
»Hier drinnen gibt es eine Leiter«, hört sie Kennet brüllen.
Mit ungeheurem Druck spritzen dünne Strahlen eiskaltes Wasser durch den winzigen Spalt zwischen den Schleusentoren ins Trockendock. Es kracht weiter metallisch, und die Tore öffnen sich mehr und mehr. Wasser stürzt herein. Simone rennt zur Treppe, muss sich aber schon durch knietiefes, eisig kaltes Wasser vorankämpfen. Der Scheinwerfer der Containerbrücke flackert über die unebenen Felswände. Strömungen und große Wirbel entstehen und ziehen sie nach hinten. Sie stößt gegen einen großen Metallbeschlag, und ihr Fuß wird vor Schmerz ganz taub. Schwarzes Wasser donnert in schweren Kaskaden herab. Sie ist den Tränen nah, als sie die steile Treppe erreicht und hinaufsteigt. Nach einigen Schritten dreht sie sich um. Sie kann ihren Vater in der Dunkelheit nirgendwo sehen. Das Wasser ist bereits bis über die Belüftungsöffnung in der Wand gestiegen. Es brüllt. Sie zittert am ganzen Leib, steigt weiter hoch. Die Atemzüge brennen in ihrer Lunge. Dann hört sie, dass das Tosen des rasenden Wassers an Stärke abnimmt. Die Tore schließen sich wieder, und es fließt kein Wasser mehr ins Dock. Die Hand, mit der sie sich am Metallgeländer festhält, ist ganz gefühllos geworden. Die Hose klebt vollgesogen und schwer an den Schenkeln. Oben angekommen, sieht sie Kennet auf der anderen Seite des Trockendocks. Er winkt ihr zu und führt einen Jungen zu dem alten Tauchverein.
Simone ist triefend nass, Hände und Füße sind steif gefroren. Die beiden warten am Auto auf sie. Kennet sieht sie mit einem seltsamen, abwesenden Gesichtsausdruck an. Der Junge steht mit hängendem Kopf vor ihm.
»Wo ist Benjamin?«, schreit Susanne, noch ehe sie bei ihnen ist.
Der Junge bleibt stumm, und Simone packt ihn an den Schultern und dreht ihn zu sich um. Als sie sein Gesicht sieht, schreit sie vor Schreck auf.
Die Nase des Jungen ist abgeschnitten worden.
Es sieht aus, als hätte jemand versucht, die Wunde zu nähen, aber nur provisorisch und ohne medizinische Kenntnisse. Der Junge ist völlig apathisch. Der Wind pfeift, und sie steigen ins Auto, wo Simone den Motor anlässt, um den Wagen heizen zu können. Die Scheiben beschlagen schnell. Sie findet eine halbe Tafel Schokolade, die sie dem Jungen anbietet. Es herrscht Stille im Auto.
»Wo ist Benjamin?«, fragt Kennet.
Der Junge schaut auf seinen Schoß hinab. Er kaut Schokolade und schluckt hart.
»Du wirst uns jetzt alles erzählen – hörst du? Ihr habt andere Kinder geschlagen, ihnen Geld abgenommen.«
»Ich mache da nicht mehr mit, ich habe aufgehört«, flüstert der Junge.
»Warum habt ihr andere Kinder misshandelt?«, fragt Kennet.
»Das hat sich einfach so ergeben, als wir …«
»Einfach so ergeben? Wo sind die anderen?«
»Keine Ahnung, woher soll ich das wissen, vielleicht haben sie jetzt eine neue Gang«, antwortet der Junge. »Ich habe jedenfalls mitbekommen, dass Jerker eine hat.«
»Bist du Wailord?«
Der Mund des Jungen zittert.
»Ich habe damit aufgehört«, sagt er schwach. »Ich schwöre, dass ich aufgehört habe.
»Wo ist Benjamin?«, fragt Simone gellend.
»Ich weiß es nicht«, antwortet der Junge schnell. »Ich werde ihm nie mehr wehtun, ich schwöre es.«
»Hör mir zu«, fährt Simone fort. »Ich bin seine Mutter, ich muss wissen, wo er ist.«
Aber der Junge wiegt sich nur vor und zurück, weint herzzerreißend und sagt immer wieder:
»Ich schwöre, schwöre es … ich schwöre … schwöre, schwöre …«
Kennet legt eine Hand auf Simones Arm.
»Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen«, sagt er tonlos. »Der Junge braucht Hilfe.«