Masters war unzufrieden. Drei Nächte hatte er schlecht geschlafen; seine Laune war miserabel, seine Nerven überreizt. ]a, wenn er allein war, hörte er sogar, gewissermaßen bei klarer Vernunft, Stimmen, oder vielmehr eine Stimme. Er hörte sie immer wieder. Die Stimme von Jade Richmond. Er hörte sie auch jetzt, während er finster vor sich hinbrütend am Schreibtisch saß.
»Die zwei Stunden im Krankenhaus habe ich in jenem leeren Zimmer verbracht. Ich habe geschlafen, und versuchen Sie, mir das Gegenteil zu beweisen.«
Und jedesmal, wenn er diese imaginären Worte hörte, klangen sie mehr nach der Anmaßung eines, der sich schuldig fühlte. Nach seinem Gefühl klangen sie keinesfalls wie die verzweifelten Worte eines Unschuldigen. Sie kamen ihm vor wie die überflüssigen Beteuerungen eines Mannes, der etwas getan hat und damit durchgekommen ist. Masters fühlte sich wirklich herausgefordert.
Das Teuflische daran – das grausam Teuflische, das einen zur Verzweiflung trieb – war nur, daß der Doktor in einer Hinsicht absolut recht hatte: er hatte einige Zeit vor Larry Connors Tod ein leeres Zimmer im Krankenhaus betreten und war dort über eine Stunde später angetroffen worden. Und es gab keine Möglichkeit zu beweisen, daß er nicht die ganze Zeit dort gewesen war. Seit drei Tagen versuchte Masters vergeblich, einen Zeugen aufzutreiben, der Dr. Richmond während der fraglichen Zeit gesehen hatte. Er war anscheinend weder, als er das Connorsche Büro betrat, noch als er es verließ, gesehen worden, und ebensowenig, als er am Sonntagmorgen wiederkam, um den Trick mit der Klimaanlage zu inszenieren. Das war Pech. Am frühen Sonntagmorgen hätten die Straßen der Stadt praktisch leer sein müssen. Vermutlich waren sie es auch gewesen.
Masters saß reglos hinter seinem Schreibtisch und brütete vor sich hin, als sein Chef eintrat und sich einen Stuhl nahm.
»Wie geht’s, Gus?«
»Überhaupt nicht«, sagte Masters. »Es steht. Das heißt, es geht eben nicht weiter.«
»Sie wollen aufgeben? Sind Sie jetzt auch zu der Ansicht gekommen, daß es Mord durch Connor und Selbstmord war?«
Der Ton, in dem der Chef dies sagte, verriet den Wunsch hinter seinen Gedanken, und das ärgerte Masters noch mehr.
»Verdammt noch mal, nein! Weder war es Mord durch Connor und Selbstmord, noch werde ich aufgeben! Verdammt, man kann einen Mordfall doch nicht einfach aufgeben.«
»Regen Sie sich nicht auf, Gus«, sagte der Chef mit dem Mitgefühl eines Menschen, der fest im Sattel sitzt und es sich leisten kann, ruhig und überlegen zu sein. »Haben Sie irgendwelche Pläne?«
»Höchstens den, mir die Gurgel durchzuschneiden. Ich weiß genau, was geschehen ist, und wer der Täter war, und kann nichts unternehmen.«
»Sie wissen, wer der Täter war?« wiederholte der Chef verblüfft. »Ja, wer denn? Wer?«
»Dr. Jack Richmond. Und darauf wette ich meinen letzten Cent«, sagte Masters. »Obwohl ich vermutlich keinen finde, der dagegen setzt.«
»Aber wenn Sie wissen, daß er der Täter war…«
»Es ist ein großer Unterschied zwischen Wissen und Beweisen können. Ich kann nichts beweisen.«
»Aber wir müssen sichergehen«, sagte der Chef aufgeregt. »Wir können uns einen so schwerwiegenden Irrtum nicht leisten.«
Masters knurrte nur.
»Ich hab’ einen Vorschlag, Gus. Hören Sie zu?«
»Schicken Sie alles, was Sie haben, dem Kreisanwalt. Überlassen Sie ihm die Entscheidung, ob er die Sache vor Gericht bringen will.«
»Der Kreisanwalt«, entgegnete Masters müde, »hat gerade die Universität hinter sich und noch keinerlei Erfahrung in Mordsachen. Erwarten Sie von einem solchen Greenhorn, daß er das Risiko eingeht und eine Niederlage herausfordert? Der wird schön die Finger davon lassen.«
»Verdammt noch mal, Gus, tun Sie was, oder machen Sie Schluß. Sie können nicht Ihr ganzes Leben an dieser Sache herumknobeln.«
»Hören Sie, Chef. Geben Sie mir Zeit, den Burschen unter Druck zu setzen. Vielleicht wird er weich. Wenn ich nur wüßte, wie ich ihm eine Falle stellen kann!«
»Auf Ihr Haupt komme es herab«, sagte der Chef mit Orakelstimme. Er stemmte sich auf die Füße, wobei seine Knochen verdächtig knackten. »Denn das verlieren Sie, wenn Sie nur einen Fehler machen, Masters.«
Er ging, und Masters, alleingelassen mit sich selbst, dachte über den ominösen Wechsel in der Anrede nach, die der Chef gebraucht hatte: Erst >Gus,< dann >Masters<. Die Drohung, die darin lag, war nicht zu überhören. Nun ja, der Chef hatte sein Amt nicht während sechzehn langer Jahre behauptet, weil er es an Deutlichkeit mangeln ließ. Holzhammer, das war seine Methode.
Jetzt, dachte Masters, steht also auch noch mein Job auf dem Spiel.
Doch Augustus Masters war ein Dickschädel. Wie er es sah, blieb ihm keine Wahl. Also, auf in den Kampf!
Er beschloß, seine Gedanken von allen Vorurteilen freizumachen und den ganzen Fall noch einmal von vorn bis hinten zu durchdenken. Dr. Jack Richmond und alle neunmalklugen, logischen Schlüsse bezüglich Klimaanlagen zu vergessen. Alles zu vergessen außer den nackten Tatsachen, und selbst diese genauestens auf unklare Stellen und Fehlerquellen hin zu untersuchen.
Das Sinnvollste wäre, fand er, mit Larry Connors Büro zu beginnen. Er hatte es verschlossen; es war noch im selben Zustand wie nach der Untersuchung. Verbissen griff sich Masters seinen Hut, marschierte hinüber zu dem großen Bürohaus und lenkte seine Schritte in das schmale Gäßchen dahinter.
Durch die Hintertür trat er ein und blieb einen Augenblick in dem dumpfigen Lagerraum hinter Connors Büro stehen. Die Luft war heiß und erstickend, und automatisch öffnete er den Hemdkragen und lockerte die Krawatte. Die Klimaanlage im Fenster neben der Tür war stumm, und er ertappte sich dabei, daß er in die Stille hineinlauschte. Er verspürte eine deutliche, unerklärbare Unruhe. Das war natürlich albern, und er begann zu lachen; doch dann lauschte er noch einmal und duckte sich unwillkürlich ein wenig. Da war ein Geräusch; ein seltsames Geräusch, und eigentlich kaum mehr als ein heftiges Atmen. Und dann wurde ihm klar, daß irgendwo hier im Haus jemand weinte.
Masters bewegte sich trotz seines schweren Körpers bemerkenswert flink. Im Bruchteil einer Sekunde war er im Büro. Doch da war niemand. Im Vorzimmer, also… Er hatte es fast erreicht, als das erstickte Weinen abbrach. Er riß die Tür auf, und da saß, in dem verdunkelten, staubigen Vorzimmer, an ihrem ehemaligen Schreibtisch Ruth Benton, die Arme auf der Platte, den Kopf auf den Armen. Als sie ihn hörte, hob sie den Kopf. Ihr Gesicht war rot und verschwollen, das Makeup völlig verschmiert. Sie schien ganz und gar nicht erschrocken – fast als habe sie ihn erwartet. Aber Masters war erschrocken; er hatte vergessen, daß sie einen Schlüssel zu Connors Büro besaß.
»Miss Benton«, sagte er sanft. »Was machen Sie hier?«
Larry Connors Sekretärin wußte entweder nicht, was ihr Gesicht verriet, oder es kümmerte sie nicht. »Ich wollte meine Sachen holen«, sagte sie bedrückt. »Ich dachte, es würde mir nichts ausmachen, aber als ich hier hereinkam und den vielen Staub sah, und die Leere, da wurde mir erst klar…« Ruth Benton zuckte die Achseln. »Es hat mich einfach gepackt. Ich bin zusammengeklappt und habe geheult wie ein Baby. Typisch Frau, nicht wahr, Leutnant?«
»Manchmal wünsche ich mir, ich könnte auch zusammenklappen und heulen wie ein Baby«, sagte Masters. »Deswegen braucht man sich doch nicht zu schämen.«
»Ach, jetzt bin ich darüber hinweg«, sagte das Mädchen.
»Verzeihen Sie bitte. Ich glaube, ich hätte nicht herkommen dürfen. Ich werde nicht wiederkommen.«
»Lassen Sie nur den Schlüssel hier, Miss Benton.«
»Ich habe ihn schon dort in die Schublade gelegt. Möchten Sie nachsehen, was ich mitnehme? Es sind nur persönliche Dinge.«
»Danke, das ist nicht nötig«, sagte Masters, warf aber doch einen Blick auf das Durcheinander von Puderdosen, Haarnadeln, Papiertaschentüchern, Kugelschreibern und ähnlichem Krimskrams, das sie auf dem Schreibtisch ausgebreitet hatte. Sie packte alles in ihre Handtasche. »Larry Connor muß Ihnen viel bedeutet haben.«
»Mehr als ich ihm, fürchte ich«, sagte sie.
»Wie kommen Sie darauf, Miss Benton?«
»Er hat sich doch umgebracht, nicht wahr?«
»Fällt es Ihnen schwer, die Tatsache zu akzeptieren, daß er seine Frau umgebracht hat?«
»Darüber möchte ich nicht sprechen.«
»Wie Sie wollen«, sagte Masters, und sie sah mit leicht gerunzelter Stirn zu ihm auf. »Und wenn ich Ihnen nun sage, daß er es nicht getan hat?«
»Daß er was nicht getan hat?«
»Seine Frau umgebracht.«
»Ach so.« Ihre Schultern sanken wieder nach vorn. »Sie meinen, wegen des Brieföffners? Er kann ihn am Tag zuvor mit nach Hause genommen haben. Ich kann jedenfalls nicht beschwören, daß er das nicht getan hat.«
»Wie lange hatte er ihn schon auf seinem Schreibtisch?«
»Seit Jahren. Er hatte ihn schon, als ich anfing, bei ihm zu arbeiten.«
»Und dann nahm er ihn auf einmal mit nach Hause? Nun ja, auf jeden Fall haben wir Grund anzunehmen, daß in der Nacht, als Larry Connor starb, jemand zusammen mit ihm hier im Büro war.«
»Warum erzählen Sie mir das? Glauben Sie, daß ich es war?«
»Waren Sie es denn?«
»Nein«, sagte Ruth Benton. »Ich wollte, ich wär’s gewesen. Dann wäre er jetzt noch am Leben.«
»Und Sie haben keine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«
»Nicht die geringste.«
Masters sah sich um. »Waren Sie heute schon im Büro?«
»Nein. Ich glaube, ich könnte es nicht ertragen.«
Masters geleitete sie hinaus und schloß die Haustür ab. Er machte im Vorzimmer das Licht aus und ging in Larry Connors Büro.
Einen Augenblick starrte er auf das Sofa. Dann ging er mit langsamen Schritten in den Waschraum, wo er noch einmal das Apothekenschränkchen durchsuchte. Er fand nichts und kehrte ins Büro zurück.
Er setzte sich an Larry Connors Schreibtisch und dachte nach. Nicht ein Gedanke kam ihm, kein einziger. Er grübelte und grübelte, und seine Gedanken fanden nichts, das ihm nicht schon vertraut und durchaus unergiebig gewesen wäre. Er verfluchte die drückende Hitze.
Und plötzlich merkte er, daß er die ganze Zeit auf das Telefon auf Larry Connors Schreibtisch gestarrt hatte. Das Telefon. Das Telefon!
Das Telefon hatte er ganz vergessen.
Und jetzt begannen seine Gedanken den Ablauf des Geschehens noch einmal im Hinblick auf das Telefon zu durchwandern. Sie führten ihn einen verschlungenen, gewundenen Pfad zurück. Nachdem er alles durchdacht hatte, begann er seine Gedanken zu ordnen.
Larry Connor hatte in jener Nacht das Haus nach einem Streit mit seiner Frau um Mitternacht oder kurz danach verlassen. Nancy Howell hatte sich nicht auf den genauen Zeitpunkt besinnen können. Das spielte jedoch keine Rolle; wichtig war einzig der Zeitpunkt, zu dem Larry hier im Büro angelangt war.
Wenn er von zu Hause direkt hergefahren war, dürfte er nicht mehr als etwa zehn Minuten für den Weg gebraucht haben. Doch angenommen, er war nicht direkt hergefahren? Ein Mann wie Connor mit seinen Sorgen und seinem Gemütszustand mochte sehr wohl erst noch in einer Bar haltgemacht haben. Gleichwohl ließ Masters die Bar-Theorie wieder fallen, denn keiner der Barkeeper aus den finsteren Kneipen, die die Polizeistunde nicht einhielten, hatte ihn angeblich gesehen. Verständlicherweise.
So verständlich sogar, daß ihre Aussagen wertlos waren. Jeder dieser Barkeeper hätte geleugnet, den Mann gesehen zu haben, der jetzt tot und die Sensation der kleinen Stadt war. Weshalb sich in so etwas verwickeln lassen und das überaus labile Gleichgewicht stören, mit dem sich solche außergesetzliehe Kneipen im Geschäft hielten?
Angenommen also, Larry Connor hatte tatsächlich eine Kneipe besucht und sich betrunken. Manche dieser Lokale waren regelrechte Lasterhöhlen, und ein Betrunkener konnte in üble Situationen geraten. Knockout-Tropfen waren dort nur zu gebräuchlich. Mit einer dicken Brieftasche konnte man sie leicht bekommen, entweder vom Barkeeper selbst, oder von einem dieser unangenehmen Typen, die dort herumsaßen. Und wenn man verzweifelt war…
Seltsam, diese Theorie schien wiederum darauf hinzudeuten, daß Larry Connor doch Selbstmord begangen hatte. Laß dich nicht durch den Mord an Lila beirren, sagte sich Masters energisch; denk jetzt nicht mehr daran. Und auch nicht an die Klimaanlage. Denk nur noch an Connor hier im Büro!
Nehmen wir einmal an, daß Larry Connor beschlossen hatte, sich umzubringen, und sich zu diesem Zweck Chloralhydrat besorgt hat, einfach, weil er an einem Punkt angelangt war, wo er den Tod dem Weiterleben vorzog. Er war hierher in dieses heiße Zimmer gekommen, das Chloralhydrat in der Faust, hatte sich den tödlichen Mickey Finn bereitet, ihn geschluckt, und sich dann aufs Sofa gelegt, um auf den Tod zu warten.
Und nun: Larry in bezug auf Lila und den Mord an ihr. Er hatte sie nicht umgebracht. Das stand fest; das bewiesen die falschen Fingerabdrücke auf der Mordwaffe. Jemand anders hatte die Waffe benutzt und nur Larrys Abdrücke daraufpraktiziert. Und dieser Jemand hätte das nicht tun können, wenn Larry nicht schon tot gewesen wäre. Und daher mußte Lilas Mörder hier in diesem Büro gewesen sein, während Larry starb oder bereits tot war, mußte gekommen sein, nachdem Larry aus freien Stücken eine Überdosis Chloralhydrat geschluckt hatte. Der Mörder mußte hier gewesen sein, einmal, um in den Besitz von Larry Connors Brieföffner zu gelangen, und zweitens, um Connors Fingerabdrücke darauf zu praktizieren und ihm den Mord anzuhängen, an den er selbst nie gedacht hatte.
Der tote Larry war zum Sündenbock gemacht worden.
Doch wenn Lilas Mörder nicht ebenfalls für Larrys Tod verantwortlich war, zumindest so, daß er ihn geplant hatte, wie in drei Teufels Namen hatte er wissen können, daß Larry hier im Büro lag und starb, oder schon tot war? Und wenn Larry tot war oder im Sterben lag, wie war der Unbekannte hereingekommen? Sicher, da war der Schlüssel zur Haustür – nicht Larry Connors Schlüssel, sondern der Schlüssel, der erst vorhin im Vorzimmer in die Schreibtischschublade gelegt worden war, und zwar von…
Ruth Benton.
Masters überlegte.
Larrys Sekretärin hatte ihren Chef geliebt. Was hätte sie getan, wenn sie ihn in jener Nacht im Büro gefunden hätte, tot, ganz offenbar zum Selbstmord getrieben von seiner eigenen Frau? Wäre Ruth, außer sich vor Zorn und Trauer, losgegangen, um ihn an Lila zu rächen? Wäre sie, in dem Zustand, in dem sie sich befand, zu derart ausgeklügelten Täuschungsmanövern, wie sie Lilas Mörder angewandt hatte, imStande gewesen? Und überdies, ein Zusammentreffen im Büro, samstags nach Mitternacht, ein Besuch auf gut Glück, wäre das nicht ein zu großer Zufall? Obgleich ein Zufall niemals ganz auszuschließen war. Trotzdem schob Masters diese Möglichkeit beiseite. All die Verwicklungen dieses Falles zeigten zu deutlich die Absicht, die dahintersteckte. Nein, es war ausgeschlossen, daß der Selbstmord durch Zufall entdeckt worden war. Doch angenommen… angenommen, der Besuch wäre gar kein Zufall gewesen. Angenommen… angenommen, Larry Connor hätte sie angerufen?
Das Telefon.
Das Telefon war vielleicht der Schlüssel zu all diesen mysteriösen Vorgängen!
Ein Mann nimmt ein Medikament, das ihn töten muß. Er nimmt es freiwillig und legt sich zum Sterben. Wie viele Selbstmörder, fest entschlossen zu sterben, besinnen sich im Angesicht des Todes ganz plötzlich eines Besseren? Das kam doch jeden Tag vor; die Akten der Polizei und der Krankenhäuser waren voll von solchen Fällen.
Angenommen, Larry Connor hatte nach dem Einnehmen des Medikaments und dem Auftreten der ersten Anzeichen seiner Wirkung plötzlich festgestellt, daß er gar nicht sterben wollte?
Angenommen, er hatte telefonisch um Hilfe gebeten?
Geduckt saß Masters an Larry Connors Schreibtisch; er triumphierte. Jetzt hatte er es. Es war wie Weiterschwimmen nach dem Überwinden des toten Punktes; eben noch bleischwere Glieder, keine Atemluft, keinen Mut… und dann plötzlich, unversehens, leichter Atem, die Glieder kraftvoll ausholend, siegessicher dem Ziel zustrebend. Er hatte es!
Das Medikament ist eingenommen. Larry Connor liegt auf dem Sofa und wartet auf den Tod. Und während er wartet, erscheint ihm der Tod immer schrecklicher. Entsetzen überfällt ihn. Er will doch noch leben – trotz allem. Und deshalb braucht er Hilfe, dringend, verzweifelt, denn das Medikament beginnt schon zu wirken.
Er ist benommen, seine Gedanken wirbeln, sein Kopf ist dumpf. Da steht das Telefon… Wird er es schaffen? Er kämpft sich hoch, schleppt sich zum Schreibtisch, nimmt mühsam den Hörer ab. Er wird anrufen – aber wen? Vielleicht weiß er, wen; vielleicht versucht er es. Doch er kann sich nicht auf die Nummer besinnen, oder sein geschwollener Zeigefinger versagt ihm den Dienst beim Wählen. Was soll er tun?
Das Amt anrufen. Eine Zahl wird er wählen können.
Das Fräulein vom Amt antwortet. Er bittet sie, für ihn anzurufen – aber wen? Ruth Benton? Elend, hilfsbedürftig, hätte er da Ruth Benton angerufen?
Nein. Für einen Mann, der an einer Überdosis eines Medikamentes stirbt, das er selbst eingenommen hat, gibt es nur eine Rettung.
Einen Arzt.
Seinen Arzt?
Masters lehnte sich zurück. Diese Frage brauchte er nicht mehr zu beantworten. Die Antwort konnte ihm das Fräulein vom Amt geben. Sie würde sich an den Anruf erinnern und an die Nummer, die verlangt worden war.
Bestimmt würde sie sich erinnern. Masters war ganz sicher. Er zweifelte ebensowenig daran wie an der Richtigkeit der Gedankengänge, die ihn bis hierher geführt hatten.
Er hatte recht. Das war die Lösung.