Kasperl machte das Licht aus. Er legte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme im Nacken und dachte nach. Wenn sie versuchen wollten, Herrn Dimpfelmoser von Hotzenplotz' Unschuld zu überzeugen, mussten sie schleunigst herausbekommen, was mit der magischen Kugel geschehen war.
„Gleich nach dem Frühstück gehen wir zu Frau Schlotterbeck", nahm er sich vor. „Wenn wir Glück haben, finden wir etwas in ihrem Haus, das uns weiterhilft ..."
Über solchen Gedanken schlief Kasperl ein und begann zu träumen. Er sah sich im Traum durch Frau Schlotterbecks Garten gehen. Von Wasti begleitet, kam ihm die Witwe entgegengeschlurft: im Morgenrock und in Filzpantoffeln, mit Lockenwicklern im Haar und, wie konnte es anders sein, eine dicke Zigarre im Mund.
Sie paffte so wild drauflos, dass der Qualm immer dichter wurde, bis sie mit Wasti darin verschwand. Dann fegte ein Windstoß den Rauch davon – und o Wunder: Frau Schlotterbeck hatte sich in die Fee Amaryllis verwandelt! In all ihrer goldenen Pracht und Herrlichkeit stand sie vor Kasperl und winkte ihm mit der Hand.
Von Wasti war weit und breit nichts zu sehen.
Ein kleiner Feuer speiender Drache ringelte sich zu Füßen der Fee im Gras. Er blähte die Nüstern und rollte die Augen. Dann und wann brach er in ohrenbetäubendes Fauchen und Pfeifen aus.
Kasperl verschwendete keine Zeit darauf sich zu wundern.
„Das trifft sich ja ausgezeichnet!", rief er. „Sie wissen nicht zufällig, wer Frau Schlotterbecks Kugel gestohlen hat?"
Leider konnte die Fee ihm das auch nicht sagen.
„Ich weiß aber etwas anderes", meinte sie.
„Was denn?"
„Ich weiß, was ihr tun müsst, um Wasti von seiner Missgestalt zu erlösen."
„Im Ernst?", staunte Kasperl.
Die Fee Amaryllis nickte ihm freundlich zu.
„Gebt ihm von einem bestimmten Kraut – und alles wird gut sein."
„Von welchem Kraut?", wollte Kasperl wissen.
„Du kennst es, mein Lieber. Ich brauche dir bloß ein einziges Wort zu sagen – gib Acht ..."
Bevor sie den Satz vollenden konnte, schnaubte der Feuer speiende Drache so grässlich auf, dass Kasperl davon erwachte: Hotzenplotz schnarchte auf seinem Sofa, als wollte er einen ganzen Eichenwald kurz und klein sägen.
Großmutter, die einen leichten Schlaf hatte, kam an die Tür gelaufen und klopfte.
„Aufwachen, Kasperl! Willst du mich um den Verstand schnarchen?"
„Ich?", fragte Kasperl.
„Dann muss es der Seppel sein! Hast du ihn etwa mit deinem Schnupfen angesteckt?"
„Schon möglich, Großmutter. Wundert dich das vielleicht?"
„In diesem Hause wundert mich bald überhaupt nichts mehr", sagte Großmutter. „Kannst du mir bitte verraten, wie man bei dem Geschnarche schlafen soll?"
„Du könntest dir ja die Ohren mit Watte voll stopfen", meinte Kasperl. „Oder du nimmst ein Schlafmittel. Hast du nicht Baldriantropfen im Küchenschrank?"
„Baldriantropfen? – Gut, ich versuche es mal damit. Wenn es Seppel bis morgen nicht besser geht, muss der Doktor her."
Kasperl war froh, als er hörte, wie Großmutter sich entfernte. Auch er hätte Baldriantropfen nötig gehabt, denn Hotzenplotz schnarchte lustig weiter.
Worauf hatten Seppel und er sich da eingelassen!
Kasperl hielt sich die Ohren zu. Es glückte ihm mit der Zeit, wieder einzuschlafen – doch leider erschien ihm die Fee Amaryllis kein zweites Mal: Und er hätte doch gar zu gern noch von ihr gehört, welches Kraut sie gemeint hatte.