Kapitel 5

Es schien, als wäre dies nicht ganz das, was sie erwartet hatten.

Per Bj0rn Sandvik brauste auf und sagte in seinem hohen, destillierten Englisch:»Wir wissen, daß er ein Dieb ist. Warum sollte er tot sein?«, und jemand murmelte:»Ich glaube nach wie vor, daß er in Südfrankreich ist und sich einen schönen Lenz macht.«

Rolf Torp, Besitzer des Grand-National-Siegers, zündete sich eine Zigarre an und sagte:»Ich kann Ihrer Argumentation nicht folgen. «Arne saß da, schüttelte den Kopf und blinzelte so, als wollte er nie wieder damit aufhören.

Lars Baltzersen starrte mich lange an und bat mich dann, meine Aufforderung zu erläutern.

«Nun gut«, sagte ich,»nehmen Sie zunächst einmal die technische Seite des Diebstahls. Sie alle stimmen darin überein, daß das Büro der Stewards ein paar Minuten unbesetzt war und niemand hätte vorhersagen können, wann oder ob überhaupt das der Fall sein würde. Sie alle glauben, daß Bob Sherman einfach das Geld dort liegen sah, der plötzlichen Versuchung erlag und es klemmte. Verzeihung«, sagte ich, als ich die allgemeine Verwirrung bemerkte,»es entwendete.«

Allenthalben nickende Köpfe. Das war bekanntes Terrain.

«Nun stoßen wir jedoch«, fuhr ich fort,»auf ein paar Schwierigkeiten. Das Geld befand sich in fünf sauschweren. äh, unhandlichen. Segeltuchtaschen, die mit Lederriemen und Schlössern versehen waren. Ein sechzig Kilo wiegender Jockey ist wohl kaum in der Lage, fünf solche Taschen schlicht unter seinem Mantel verschwinden zu lassen. Jedem, und sei er noch so kräftig, würde es schwerfallen, die Taschen alle auf einmal hochzuheben. Wenn Sherman tatsächlich die plötzliche Idee

gehabt haben sollte, sie zu stehlen, dann hätte er meiner Meinung nach sofort auch noch eine zweite gehabt, nämlich, die Hände davon zu lassen. Er hatte ja keinerlei Möglichkeiten, in Erfahrung zu bringen, wieviel Geld in den Taschen war. Keinerlei Möglichkeit zu beurteilen, ob sich der Diebstahl lohnen würde oder nicht. In Wirklichkeit aber gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß er eine solche Eingebung hatte, auch wenn er, als er dort hineinging, um sich nach irgend etwas zu erkundigen, die Taschen auf dem Boden stehen sah. Es gibt keinerlei Beweis dafür, daß Bob Sherman das Geld gestohlen hat.«

«Aber natürlich gibt es einen«, ließ sich Rolf Torp vernehmen.»Er ist verschwunden.«

«Wie?«fragte ich.

Jetzt legte sich die eine oder andere Stirn verwirrt in Falten, blickten ein paar Gesichter verständnislos drein — aber einen Lösungsvorschlag hatte niemand anzubieten.

«Es muß ja ein ganz spontaner Diebstahl gewesen sein«, sagte ich,»was bedeutet, daß der Dieb keine Vorbereitungen getroffen haben kann. Nehmen wir mal an, er hätte die Taschen an sich genommen. Nun wankt er also, für jeden sichtbar, mit den geklau. mit den gestohlenen Taschen umher. Was soll er tun? Selbst mit einem scharfen Messer würde er einige Zeit brauchen, um diese Taschen aufzuschlitzen und das Geld herauszunehmen. Wir können jedoch ausschließen, daß er dies auf der Rennbahn getan hat, denn die Taschen wurden ja nirgendwo gefunden.«

Einige Köpfe nickten, andere wurden geschüttelt.

«Bob Sherman hatte nur eine kleine Reisetasche mit, die, wenn ich seine Frau richtig verstanden habe, nicht groß genug war, um darin neben seinen eigenen Sachen auch noch fünf Segeltuchtaschen unterzubringen. Niemand hat herumliegende Kleidungsstücke von ihm gefunden, er kann also das Geld nicht

in die Reisetasche gepackt haben.«

Lars Baltzersen machte ein nachdenkliches Gesicht.

«Nehmen Sie die Beförderung«, sagte ich.»Er hatte ein Taxi bestellt, das ihn zum Flugplatz Fornebu bringen sollte, erschien dann aber nicht. Die Polizei vermochte keinen Taxifahrer ausfindig zu machen, der einen einzelnen Engländer gefahren hatte. Gunnar Holth sagte, er habe Bob zwar mittags zur Rennbahn hin-, aber nicht zurückgefahren. Weil der Diebstahl ja ein spontaner gewesen sein muß, konnte sich Sherman vorher kein Fluchtauto geliehen haben, und im übrigen hat die Polizei auch keine Anmietung eines Wagens feststellen können. Er hat auch kein Auto gestohlen, um das Geld abzutransportieren, denn hier wurde an jenem Tag kein Auto entwendet. Womit nur Freunde übrigbleiben. «Ich machte eine Pause und setzte dann hinzu:»Freunde, die er hätte bitten können, ihn zum Beispiel nach Schweden zu fahren und das für sich zu behalten.«

«Die hätten sich ebenfalls schuldig gemacht«, sagte Rolf Torp ungläubig.

«Ja. Also, er ist siebenmal in Norwegen gewesen, aber immer nur ein oder zwei Tage. Ich konnte nur zwei Freunde finden, die ihn gut genug gekannt und so gemocht haben könnten, daß sie sich seinetwegen Schwierigkeiten aufgehalst hätten, nämlich Gunnars Futtermeister Paddy O’Flaherty und. Sie verzeihen, Sir. Mikkel Sandvik.«

Er war diesmal sehr viel verärgerter, aber sein Protest ging doch über einen grimmigen Blick nicht hinaus.

«Aber Paddy O’Flahertys Auto steht schon seit sechs Wochen auf Ziegelsteinen aufgebockt«, fuhr ich fort.»Und Mikkel Sandvik kann noch nicht fahren. Keiner von beiden hatte einen fahrbaren Untersatz. äh, ein Fahrzeug. für Shermans unvorhergesehenen Bedarf parat.«

«Sie wollen also sagen«, warf Baltzersen ein,»daß er, wenn er

das Geld gestohlen hätte, nicht in der Lage gewesen wäre, es auch fortzuschaffen. Aber mal angenommen, er hat es versteckt und ist später wiedergekommen, um es zu holen?«

«Dann hätte er immer noch das Transportproblem lösen und außerdem mit dem Nachtwächter fertig werden müssen. Nein. ich glaube, wenn er das Geld gestohlen und versteckt hätte, dann wäre er nicht zurückgekommen, um es zu holen, sondern er hätte es dagelassen, wo es war. Die Vernunft hätte gesiegt. Denn im Zusammenhang mit diesem Geld gibt es ja auch noch andere Faktoren. zum Beispiel: Für Sie alle ist das eine vertraute Sache. Es ist Geld. Für Bob Sherman jedoch ist es eine ausländische Währung. Alle britischen Jockeys haben so schon Probleme genug, Fremdwährungen eingetauscht zu bekommen. sie würden sich nicht so leicht auf Taschen voller Geld stürzen, das sie nicht problemlos ausgeben können. Und vergessen Sie nicht: Vorwiegend waren es Münzen, die ein großes Gewicht haben und in großen Mengen noch schwerer zu wechseln sind als Scheine, vor allem außerhalb Norwegens.«

Per Bj0rn Sandvik betrachtete eingehend den Fußboden und sah wieder milde aus. Arne hatte seine Lider gestoppt und hielt jetzt die Augen geschlossen. Rolf Torp paffte erregt seine Zigarre, und Lars Baltzersen machte einen unglücklichen Eindruck.

«Aber damit ist noch nicht erklärt, warum Sie der Ansicht sind, daß Sherman tot ist«, sagte er.

«Bis heute hat niemand eine Spur von ihm gefunden. es gibt nicht einmal jemanden, der auch nur glaubt, er könnte ihn gesehen haben. Es liegen keine Meldungen von außerhalb vor. Seine schwangere Frau hat keine beruhigende Nachricht von ihm erhalten. Das alles ist für den Fall eines flüchtigen Diebes sehr ungewöhnlich, paßt aber haargenau auf einen Mann, der nicht mehr am Leben ist.«

Baltzersen biß sich auf die Unterlippe.

Ich sagte:»Im allgemeinen ist es leicht, das plötzliche

Verschwinden eines Menschen zu erklären. während der Ermittlungen tritt sein Motiv ziemlich deutlich zutage. In Bob Shermans Leben scheint es jedoch nichts zu geben, was ihn zu einer spontanen, endgültigen Flucht hätte treiben können. Es würde doch niemand eine erfolgreiche Karriere gegen eine in ihrer Höhe zwar nicht bekannte, aber kaum riesengroße Summe einer fremden Währung eintauschen, es sei denn, er wäre durch irgend etwas anderes dazu gezwungen worden. Doch weder Ihre noch die britische Polizei, weder seine Frau noch Arne Kristiansen noch ich haben irgendeinen Hinweis — und sei er noch so schwach oder unwahrscheinlich — darauf gefunden, daß solch ein zwingendes Motiv vorgelegen haben könnte.«

Arne öffnete die Augen und schüttelte den Kopf.

«Mal angenommen«, sagte ich,»ein anderer hat das Geld gestohlen, und Sherman hat ihn dabei beobachtet.«

Die Stewards und Funktionäre blickten erschrocken und äußerst finster drein. Man mußte ihnen nicht sagen, daß jemand, der auf frischer Tat ertappt wurde, möglicherweise zuviel zu verlieren hatte — und von da war es nur ein kleiner Schritt, sich einen Dieb vorzustellen, der verzweifelt genug gewesen war, Bob Sherman zu töten und ihn damit zum Schweigen zu bringen.

«Mord?«Baltzersen sprach das Wort so langsam aus, als ob es ihm fremd sei.»Ist es das, was Sie meinen?«

«Es ist eine Möglichkeit.«

«Aber nicht sicher.«

«Wenn es irgendwelche eindeutigen Hinweise auf einen Mord gäbe, hätte Ihre Polizei sie längst gefunden. Es herrscht jedoch keinerlei Gewißheit, und wenn es keine Antwort auf die Fragen gibt, wohin, warum und wie er geflohen ist, dann muß man wohl, wie ich meine, auch die Frage stellen, ob er überhaupt verschwunden ist.«

Baltzersens angespannte Stimme entsprach dem

Gesichtsausdruck der anderen — niemand wollte, daß ich recht hatte.»Sie glauben doch nicht wirklich, daß er noch hier auf der Rennbahn ist?«

Rolf Torp schüttelte ungeduldig den Kopf. Er war in seiner Art genau das Gegenteil des Vorsitzenden, er war so leicht erregbar wie jener ausgeglichen.

«Selbstverständlich ist er das nicht. Auf dem Platz sind jeden Tag Leute, die ihre Pferde bewegen, und seit Shermans Verschwinden haben bereits acht weitere Meetings stattgefunden. Wenn sich seine Leiche hier befände, wäre sie sofort gefunden worden.«

Köpfe nickten in einmütiger Zustimmung, und Baltzersen sagte widerstrebend:»Ich nehme an, er hätte auch bewußtlos oder tot von hier fortgebracht und woanders versteckt. begraben. werden können.«

«In Norwegen gibt es viele tiefe Wasser«, sagte ich.

Meine Gedanken wanderten zurück zu unserer kleinen >Dienstreise< hinaus auf den Fjord, und mir entging, wer von den Anwesenden eine blitzschnelle Reaktion zeigte. Ich wußte zwar, daß sich jemand gerührt hatte, aber weil ich kurz unaufmerksam gewesen war, vermochte ich nicht zu sagen, wer es gewesen war. Dummkopf, dachte ich, da ruckt die Leine, und du kriegst nicht mit, welcher Fisch dran war. Selbst die Gewißheit, daß es einen Fisch gab, konnte mich nicht trösten.

Das Schweigen dauerte an, bis schließlich Per Bj0rn Sandvik mit nachdenklich gerunzelter Stirn wieder aufblickte.»Es hat also ganz den Anschein, als wäre niemand in der Lage, bis zur Wahrheit vorzudringen. Ich halte Davids Theorie für sehr einleuchtend. Sie paßt besser als alle zuvor erörterten Erklärungen zu den Fakten. oder besser: zu dem Mangel an Fakten.«

Die Köpfe nickten.

«Wir werden unserer Polizei mitteilen, was Sie uns nahegelegt haben«, sagte Baltzersen in einem Schließen-wir-die-Sitzung-Tonfall,»aber ich stimme Per zu. nach so langer Zeit und soviel vergeblicher Ermittlungsarbeit werden wir wohl nie genau erfahren, was aus Sherman oder dem Geld geworden ist. Wir alle sind Ihnen sehr dankbar, daß Sie sich die Mühe gemacht haben und herübergekommen sind, und ich weiß, daß für die meisten von uns bei genauerem Nachdenken Ihre Lösung des Rätsels die wahrscheinlichste ist.«

Man lächelte mich verhalten und besorgt an, und einige nickten wieder mit den Köpfen. Ralf Torp drückte energisch seine Zigarre aus, und alle rutschten auf ihren Stühlen herum und warteten darauf, daß sich Baltzersen endlich erhob.

Ich dachte an die beiden anmutigen Schwäne und an die zwei kleinen schwarzweißen Enten, die dort draußen auf der dunklen Seite des Turms still und friedlich herumschwammen.

«Sie könnten es mal mit dem Teich versuchen«, sagte ich. Die Versammlung löste sich eine halbe Stunde später auf, nachdem man sich mit einem gewissen Entsetzen geeinigt hatte, das kleine, friedliche Gewässer am folgenden Morgen absuchen zu lassen.

Arne mußte sich noch um ein paar Sicherheitsangelegenheiten kümmern und erledigte das mit gewissenhaftester Langsamkeit. Ich wanderte derweil ziellos umher und lauschte den auf norwegisch geführten Unterhaltungen der aufbrechenden Rennplatzbesucher. Eine gute Stunde nach dem letzten Rennen brannten noch immer ein paar Lichter, waren noch immer einige Leute da. Nicht gerade der abgeschiedenste Ort, um einen Mord zu begehen.

Ich ging in Richtung Wiegeraum zurück und blieb auf dem Rasen neben dem Gebüsch aus Ziersträuchern stehen. Nun ja. es war dicht genug, um dort eine Leiche solange zu verstecken, bis alle gegangen waren. Einen Jockey, seine Reisetasche und fünf Segeltuchtaschen mit gestohlenem Geld. Für das alles war zwischen den Sträuchern ausreichend Platz. Am Eingang des Wiegeraums brannten zwar ein paar Lampen, aber die Büsche warfen dunkle Schatten, und man konnte nicht sehen, was unter ihnen war.

Arne stieß dort zu mir und rief mit leidenschaftlicher Gewißheit aus:»Da kann er nicht sein! Da hätte ihn schon längst jemand gefunden.«

«Und gerochen«, sagte ich.

Arne gab einen würgenden Laut von sich und dann:»Mein Gott!«

Ich wandte mich von den Büschen ab.»Bist du fertig?«

Er nickte. Die eine Hälfte seines Gesichts war hell beleuchtet, die andere lag im Schatten.»Der Nachtwächter ist da, und alles hat seine Ordnung. Er wird dafür sorgen, daß alle Tore über Nacht zugesperrt sind. Wir können nach Hause fahren.«

Er kutschierte mich in seinem robusten schwedischen Volvo in die Stadt zurück und steuerte dann die baumbestandene Straße an, in der er wohnte. Als wir eintraten, knisterten Scheite im Kamin, und Kari begrüßte uns mit gekühltem Weißwein in hohen Gläsern. Arne lief wie ein Tiger im Käfig ruhelos in der Wohnung umher und legte wieder Beethoven auf, fortissimo.

«Was ist los?«fragte Kari mit erhobener Stimme.»Um Himmels willen, stell den Apparat leiser.«

Arne folgte der Aufforderung, aber der Verzicht auf den Gebrauch seines emotionalen Sicherheitsventils bedrückte ihn.

«Laß ihn doch Krach machen«, sagte ich.»Wir werden’s schon fünf Minuten aushalten.«

Kari warf mir einen schrecklichen Blick zu und verschwand in der Küche, während Arne mich mit großer Ernsthaftigkeit beim Wort nahm. Die stereophonischen Klänge erschütterten das Haus in seinen Grundfesten, und ich saß derweil ergeben auf dem Sofa und bewunderte die Langmut der Nachbarn. Der

Mann, der in London in der Wohnung unter mir wohnte, hatte Ohren wie Stethoskope und war schon da, um an meine Tür zu trommeln, wenn ich bloß eine Nadel fallen ließ.

Aus den fünf Minuten wurden fast zwanzig — erst dann hörte Arne auf, hin und her zu gehen, und stellte den Ton leiser.

«Großartig, ganz großartig«, sagte er.

«Sicher«, pflichtete ich ihm bei, denn er hatte ja recht. Es war und blieb eine großartige Musik — am richtigen Ort, sofern er die Größe der Albert Hall hatte.

Kari kehrte mit einem leichten, weiblich-nachsichtigen Kopfschütteln aus ihrem Exil zurück. Sie sah in ihrem seidenen, kupferfarbenen Hosenanzug, der phantastisch zu ihrem Haar, ihrem Teint und ihren Augen paßte und auch dem Rest nicht schlecht bekam, in höchstem Maße beunruhigend aus. Sie schenkte uns nach und ließ sich dann nahe beim Feuer auf einem Sitzkissen nieder.

«Wie hat es dir bei den Rennen gefallen?«fragte sie.

«Sehr gut«, erwiderte ich.

Arne blinzelte ein wenig, sagte, er müsse noch ein paar Telefonate erledigen, und ging in den Flur hinaus. Kari berichtete mir, sie habe sich das Grand National im Fernsehen angeschaut, und meinte, sie gehe nur selten zu den Rennen.

«Ich bin ein Hausmensch«, sagte sie.»Arne glaubt, das Leben draußen in der freien Natur sei gesünder, aber mir macht es keinen Spaß zu frieren, naß oder vom Wind gebeutelt zu werden. Deshalb lasse ich ihn losziehen und all diese rauhen Dinge tun wie Skilaufen, Segeln und Schwimmen. und ich, ich halte ihm die Stube warm, in die er dann heimkehren kann.«

Sie lächelte, und mir war ein ganz klein wenig so, als ob sie bei all ihrer Fürsorge für Arne nicht nur aufrichtige Liebe für ihn empfände. Irgendwo tief in ihr verborgen, da gab es eine Einstellung zu den sogenannten Männersachen, die von

Bewunderung weit entfernt war — und eine so tiefverwurzelte Abneigung erstreckte sich, meiner Erfahrung nach, auf alle, die sich diesen Tätigkeiten widmeten.

Im Flur war Arne zu hören, der norwegisch sprach.

«Er redet vom Absuchen eines Teiches«, sagte Kari und sah mich verwirrt an.»Was für ein Teich?«

Ich erklärte es ihr.

«O je. seine arme junge Frau. ich hoffe nur, er ist da nicht drin. Wie würde sie das wohl ertragen?«

Besser das, dachte ich, als glauben zu müssen, ihr Mann sei ein Dieb und habe sie verlassen. Ich sagte:»Es ist nur eine Möglichkeit. Aber wir gehen besser auf Nummer Sicher.«

Sie lächelte.»Arne hat eine sehr hohe Meinung von dir. Ich nehme an, du hast recht. Als Arne aus England zurückkam, sagte er mal, er würde nur ungern in die Situation geraten, daß du gegen ihn ermittelst, denn du könntest anscheinend die Gedanken anderer lesen. Als der Vorsitzende der Rennbahn um jemanden bat, der bei der Suche nach Bob Sherman helfen würde, und Arne erfuhr, daß du selbst kommen wolltest, da war er hocherfreut. Ich habe gehört, wie er zu jemandem am Telefon sagte, du hättest Habichtsaugen und einen messerscharfen Verstand. «Sie lächelte ironisch, und das sanfte Licht schimmerte auf ihren Zähnen.»Fühlst du dich geschmeichelt?«

«Ja«, sagte ich.»Ich wünschte, es stimmte.«

«Es muß stimmen, wo du doch diese leitende Position hast, und das in deinem Alter.«

«Ich bin dreiunddreißig«, sagte ich.»In dem Alter hatte Alexander der Große schon die Welt von Griechenland bis Indien erobert.«

«Du siehst wie fünfundzwanzig aus«, sagte sie.

«Das ist eine große Beeinträchtigung.«

«Eine. was?«»Ein Nachteil.«

«Das würde eine Frau nicht finden.«

Arne kam aus dem Flur wieder herein und sah geistesabwesend aus.

«Alles in Ordnung?«

«Oh. äh. ja. «Er blinzelte ein paarmal.»Es ist alles geregelt. Der Teich wird morgen um neun abgesucht. «Er hielt einen Augenblick inne und fragte dann:»Wirst du dort sein, David?«

Ich nickte.»Und du?«

«Ja. «Die Aussicht schien ihm nicht zu gefallen, aber ich selbst war auch nicht gerade begeistert. Wenn Bob Sherman tatsächlich dort gefunden wurde, dann würde es sich um eines jener unvergeßlichen Objekte handeln, bei deren Anblick man sich wünscht, sie nie gesehen zu haben, und meine Privatgalerie an entsprechenden Erinnerungsbildern war schon umfangreich genug.

Arne schichtete Holzscheite aufs Feuer, als gälte es, böse Geister zu vertreiben, und Kari meinte, es sei Zeit zum Essen. Es gab Rentiersteaks in einer sehr würzigen dunklen Soße und danach die versprochenen Moltebeeren, die, wie sich herausstellte, gelblich braun waren und nach Karamel schmeckten.

«Das ist etwas ganz Besonderes«, sagte Arne, dem es offensichtlich Freude bereitete, mir diese Köstlichkeit bieten zu können.»Sie wachsen in den Bergen, und die Erntesaison dauert nur drei Wochen. Das Pflücken der Beeren ist durch ein Gesetz geregelt. Man kann strafrechtlich verfolgt werden, wenn man sie vor der Zeit pflückt.«

«Man kann sie auch in Dosen bekommen«, sagte Kari.»Aber der Geschmack ist nicht derselbe.«

Wir aßen in andächtiger Stille.

«Keine mehr bis zum nächsten Jahr«, sagte Arne bedauernd und legte den Löffel hin.»Trinken wir einen Kaffee.«

Kari brachte den Kaffee und wies belustigt mein halbherziges Angebot zurück, ihr beim Abwasch zu helfen.

«Das möchtest du doch gar nicht wirklich. Sei ehrlich.«

«Nein, das möchte ich gar nicht wirklich«, erwiderte ich wahrheitsgemäß.

Sie lachte. Eine sehr feminine Frau, die offenkundig nicht zu jenen gehörte, die lautstark nach Gleichheit in der Küche riefen. Die zwischen ihr und Arne getroffene Vereinbarung, nach der alles im Haus ihre Domäne war und alles draußen seine, schien nur Harmonie hervorgebracht zu haben. Bei meiner Schwester hatte eine vergleichbare Regelung zu Verstimmungen, Streit und einer zerrütteten Ehe geführt. Ich hatte den Eindruck, als wären Karis Erwartungen nicht so hoch, als gäbe sie sich mit weniger zufrieden — und als erreichte sie dadurch weitaus mehr.

Ich blieb nicht allzu lange. Ich sah Kari ein bißchen zu gerne an, und Arne war schließlich trotz all seiner Eigenheiten ein Ermittler. Ich selbst hatte ihm beigebracht, darauf zu achten, wohin die Leute sahen, denn zumeist weilten ihre Gedanken da, wo ihre Augen waren. Es gab Männer, denen es eine ungeheure Befriedigung verschaffte, wenn andere ihre Frauen begehrten, aber es gab auch solche, die Wut und Rachsucht empfanden. Ich wußte nicht, wie Arne reagieren würde, hatte aber auch nicht vor, es herauszufinden.

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