Kapitel 6

Montagmorgen. Nieselregen. Das Tageslicht breitete sich allmählich über der Rennbahn von 0vrevoll aus und verwandelte die anthrazitfarbenen Wolken in flanellgraue. Dunkelgrüne Fichten und gelbe Birken standen zu Abertausenden tropfnaß herum, und der Papiermüll vom Vortag lag aufgeweicht in Fetzen überall auf dem nassen Asphalt verstreut.

Im unteren Teil des Geläufs waren Gunnar Holth und ein paar andere mit ihren Rennpferden bei der Morgenarbeit, der obere Teil jenseits des Zielpfostens war jedoch vorübergehend abgesperrt worden.

Mehr vor Depression als vor Kälte zitternd, saß ich zusammen mit Lars Baltzersen im Turm und sah zu, wie unten der Teich abgesucht wurde. Mit den Händen in den Taschen und hochgezogenen Schultern sahen Arne und zwei Polizisten mit tropfenden Mützen vom Ufer aus verdrossen zu dem kleinen Boot hinüber, das langsam und systematisch zwischen den Ufern hin und her glitt.

Der Teich war mehr oder weniger rund, hatte einen Durchmesser von ungefähr dreißig Metern und war anscheinend etwa einsachtzig tief. In dem Boot befanden sich zwei Polizisten mit Greifhaken und dazu noch ein dritter, der einen Taucheranzug anhatte und das Rudern besorgte. Er trug Flossen, Taucherkappe und — brille und hatte sich schon zweimal, mit einer Unterwasserlampe bewehrt, über die Seitenwand des Bootes fallen lassen, um nachzusehen, worauf die Greifhaken gestoßen waren. Beide Male hatte er nach dem Wiederauftauchen nur den Kopf geschüttelt.

Die Schwäne und die schwarzweißen Enten schwammen erregt im Kreis. Das Wasser wurde immer trüber. Das Boot

absolvierte langsam seine zehnte Teichüberquerung, als Lars Baltzersen düster murmelte:»Die Polizei hält das für Zeitverschwendung.«

«Und trotzdem«, erwiderte ich,»ist sie gekommen.«

«Natürlich, ist doch ihre Pflicht.«

«Natürlich.«

Wir sahen weiter schweigend zu.

Ein Haken blieb hängen. Der Taucher glitt seitlich über Bord und blieb eine ganze Minute unten, bevor er wieder auftauchte, den Kopf schüttelte und von den anderen zurück ins Boot gehievt wurde. Erneut nahm er die Ruder zur Hand und legte sich in die Riemen. Auf beiden Seiten des Bootes stießen die Polizisten ihre Stangen mit den Haken wieder ins Wasser und zogen sie langsam über den Boden des Teiches.

«Sie hatten eigentlich vor, den Teich abzulassen«, sagte Lars Baltzersen.»Aber das hätte große technische Probleme mit sich gebracht, denn dort sickert Wasser vom gesamten oberen Teil der Rennbahn hinein. Sie haben sich deshalb für das Absuchen entschieden.«

«Und das machen sie hinreichend gründlich«, sagte ich.

Er sah mich ernst an.»Sie werden also, sollte die Polizei Sherman nicht finden, akzeptieren, daß er nicht dort ist?«

«Ja«, antwortete ich.

Er nickte.»Das ist vernünftig.«

Wir sahen eine weitere Stunde lang zu. Der Taucher unternahm noch zwei Unterwasserausflüge, kam aber jedesmal mit leeren Händen wieder hoch. Das Boot beendete seine Fahrt, ohne auch nur einen Zentimeter des Teichs ausgelassen zu haben. Es war keine Leiche da. Bob Sherman lag nicht im Teich.

Neben mir stand Baltzersen steifbeinig auf und streckte sich, wobei sein Stuhl laut über die Dielenbretter schurrte.

«Das war’s dann also«, sagte er.

«Ja.«

Ich erhob mich ebenfalls und folgte ihm über die Außentreppe nach unten. Dort trafen wir auf Arne und den leitenden Beamten dieser Operation.

«Da ist niemand drin«, sagte dieser auf englisch zu mir, und sein Tonfall ließ anklingen, daß ihn das nicht überraschte.

«Nein, aber ich möchte Ihnen dafür danken, daß Sie es festgestellt haben.«

Er unterhielt sich noch eine Weile auf norwegisch mit Arne und Baltzersen, bis Baltzersen zum Teich ging, um den Leuten im Boot persönlich zu danken. Sie nickten, lächelten, zuckten die Achseln und machten sich dann daran, das Boot auf einen Anhänger zu verladen.

«Sei nicht traurig, David«, sagte Arne mitfühlend.»Die Idee war gut.«

«Wieder eine Theorie geplatzt«, pflichtete ich ihm philosophisch bei.»Und es wird wohl nicht die letzte sein.«

«Willst du weitersuchen?«

Ich schüttelte den Kopf. Die Fjorde waren zu tief. Im Büro des Vorsitzenden hatte jemand sehr deutlich auf meine Erwähnung des Wassers reagiert, und wenn sich Bob Sherman nicht im Teich befand, dann irgendwo, wo es genauso naß war.

Baltzersen, Arne, der Einsatzleiter der Polizei und ich stapften über die Rennbahn zurück zum Sattelplatz und von dort aus weiter zum Parkplatz neben dem Haupteingang. Baltzersen sah mit gerunzelter Stirn auf die Unmengen weggeworfener, überall verstreuter Eintrittskarten und Wettscheine und sagte etwas zu Arne, der auf norwegisch antwortete und dies dann ins Englische übersetzte.

«Der Manager dachte, es sei besser, wenn die Leute von der Müllabfuhr nicht sehen, daß die Polizei den Teich absucht. Nur für den Fall. Wie auch immer, sie kommen morgen.«

Baltzersen nickte. Er hatte sich den Vormittag freigenommen, sein Holzgeschäft sich selbst überlassen — und sah jetzt ganz so aus, als bereute er es.

«Es tut mir leid«, sagte ich,»daß ich Ihnen Ihre Zeit gestohlen habe.«

Mit einer leichten Bewegung seines Kopfes deutete er an, daß mir mehr oder weniger verziehen sei. Der anhaltende Nieselregen ließ eine herzlichere Äußerung nicht zu.

Wir gingen schweigend an den Tribünen, dem kleinen Zierteich (zu flach!) und dem Sekretariat vorbei und hörten das Kind wahrscheinlich nur, weil das Knirschen unserer Schritte das einzige Geräusch war.

Der kleine Junge stand in einer Ecke des Totohäuschens und weinte. Er war ungefähr sechs Jahre alt, bis auf die Haut naß, und das Haar klebte ihm in ganz unglücklich aussehenden, spitzigen Fransen an der Stirn. Der Polizeibeamte sah zu ihm hinüber, winkte und sagte mit recht freundlicher Stimme so etwas wie

«Komm doch mal her.«

Der Junge rührte sich nicht, sagte aber etwas, was meine drei Begleiter abrupt stehenbleiben ließ. Sie sahen im wahrsten Sinne des Wortes vor Schreck erstarrt aus, so, als ob alle ihre Reflexe nicht mehr funktionierten. Ihre Gesichter wirkten absolut leer.

«Was hat er gesagt?«fragte ich.

Der Junge wiederholte seine Mitteilung, was den Schock meiner Begleiter womöglich noch vergrößerte.

Baltzersen öffnete schließlich mit sichtbarer Anstrengung den Mund und übersetzte:

«Er hat gesagt: >Ich hab da eine Hand gefunden.««

Als wir uns dem Kind näherten, war es völlig verängstigt und blickte auf der Suche nach einem Fluchtweg mit großen Augen wild um sich. Wieder sprach der Polizist zu dem Jungen, und was immer er sagte, es wirkte beruhigend auf ihn, und als wir bei ihm ankamen, stand er einfach nur so da, naß, verschreckt und zitternd.

Der Polizeibeamte kauerte sich neben ihn, und die beiden fingen eine lange, ruhig geführte Unterhaltung an. Schließlich streckte der Beamte die Hand aus, das Kind ergriff sie, und dann stand der Polizist auf und berichtete uns auf englisch, was er von dem Jungen erfahren hatte.

«Der Kleine ist hergekommen, um nach Geld zu suchen. Die Zuschauer verlieren oft Münzen oder Scheine, vor allem in der Dunkelheit. Er sagt, er zwängt sich immer durch ein Loch im Zaun, um nach Geld zu suchen, bevor die Müllabfuhr kommt. Er meint, er findet immer was. Heute morgen, sagt er, hat er zwanzig Kronen gefunden, bevor die Männer gekommen sind. Er meint, bevor die Polizei gekommen ist. Er hat sich versteckt, weil er ja eigentlich gar nicht hier sein darf. Er hat sich dort drüben hinter der Tribüne versteckt. «Der Polizist deutete mit dem Kopf in die Richtung.»Er sagt, daß er hinter der Tribüne eine Hand auf dem Boden gefunden hat.«

Der Einsatzleiter sah auf das Kind hinab, das sich an seine Hand klammerte wie an eine Rettungsleine, und bat dann Arne, zu seinen Männern zu gehen, die ihr Gerät bereits verstaut hatten und im Begriff waren, den Platz zu verlassen. Er möge ihnen bitte sagen, daß sie schnellstens kommen sollten. Arne warf dem Kind einen gequälten Blick zu und kam der Bitte nach, während Baltzersen langsam zu seiner geschäftsmäßigen Effizienz zurückfand.

Der Einsatzleiter hatte einige Schwierigkeiten, das Zutrauen des Jungen auf einen seiner Leute zu übertragen, vermochte sich schließlich aber doch loszumachen. Daraufhin ging er mit zweien seiner Männer sowie Baltzersen, Arne und mir zur Rückseite der bezeichneten Tribüne, um sich die Hand anzusehen, die dort auf der Erde liegen sollte.

Das Kind hatte sich nicht geirrt. Wächsern weiß und grausig anzusehen, lag sie auf dem Asphalt, die Finger gegen den Regen schlaff gekrümmt.

Das Kind hatte uns allerdings verschwiegen, daß die Hand nicht allein war.

Eng an die Tribünenrückwand gedrückt, lag ein länglicher, mit einer schwarzen Plane abgedeckter Haufen. Etwa in seiner Mitte und bis zum Gelenk sichtbar, lugte die Hand unter der Plane hervor.

Der Einsatzleiter packte wortlos eine Ecke der Plane und zog sie weg.

Arne sah hin, schoß ins nächste Gebüsch und gab von sich, was Kari ihm zum Frühstück vorgesetzt hatte. Baltzersen wurde grau im Gesicht und preßte eine zitternde Hand vor den Mund. Selbst den Polizisten schien schlecht zu werden, und ich fügte meinen unerwünschten Erinnerungsbildern ein weiteres hinzu.

Er war wirklich nicht mehr zu erkennen — die Feststellung der Identität und der Todesursache würde ein harter Job werden. Aber Größe und Bekleidung paßten, und neben ihm lag auch die Reisetasche, auf der die schwarz aufgedruckten Initialen R. T. s. noch zu erkennen waren.

Fest um seine Brust war ein Nylonseil geschnürt, ein zweites um seine Beine, und von beiden Knoten — der eine saß über dem Brustbein, der andere über den Knien — hingen kurze Stücke Seil herab, deren Enden ausgefranst waren.

Einer der Beamten sagte etwas zu seinem Chef, was Baltzersen netterweise übersetzte.

«Das ist der Mann, der getaucht ist«, sagte er.»Seine Kollegen seien bei der Suche mit der Stange an einen Zementblock gestoßen. Er habe sich da noch nichts dabei gedacht, aber er sagt, auch an diesem Zementblock seien ausgefranste Seilenden zu sehen gewesen. Er meint, die hätten so ausgesehen wie diese hier.«

Der Einsatzleiter zog die Plane über dem tragischen Bündel zurück und gab seinen Leuten weitere Anweisungen. Arne stand ein paar Schritte abseits, wischte sich Gesicht und Mund mit einem großen weißen Taschentuch ab und sah überall hin, nur nicht zu der schwarzen Plane. Ich ging zu ihm und erkundigte mich, ob es ihm wieder besser gehe. Er zitterte und schüttelte elend den Kopf.

«Du brauchst einen Drink«, sagte ich.»Fahr doch nach Hause.«

«Nein. «Er schauderte.»Es wird schon gehen. Wie dumm von mir. Tut mir leid, David.«

Wir gingen zusammen zur Vorderseite der Tribüne, wo wir uns wieder zu Baltzersen und dem Einsatzleiter gesellten, die ihrerseits zu dem kleinen Jungen zurückgekehrt waren. Baltzersen zog mich geschickt ein paar Schritte beiseite und sagte leise:»Ich möchte Arne nicht erneut aus der Fassung bringen. Der Junge sagt, die Hand sei am Anfang gar nicht zu sehen gewesen. Er habe die Plane ein bißchen angehoben, um mal zu schauen, was darunter sei. Sie wissen ja, wie Kinder so sind. Und da habe er etwas Blasses gesehen und versucht, es herauszuziehen. Das war die Hand. Als er gesehen habe, was es war. da sei er davongerannt.«

«Der arme kleine Kerl«, sagte ich.

«Er hätte nicht hier sein dürfen«, meinte Baltzersen, und sein Tonfall besagte: Geschieht ihm ganz recht.

«Wenn er nicht gewesen wäre, hätten wir Bob Sherman nie gefunden.«

Lars Baltzersen sah mich nachdenklich an.»Ich nehme an, daß derjenige, der ihn aus dem Teich herausgeholt hat, mit dem Auto wiederkommen und ihn abholen wollte, um sich seiner anderswo zu entledigen.«

«Nein, das glaube ich nicht«, entgegnete ich.

«Es muß aber so sein. Wäre es ihm gleich gewesen, ob Sherman gefunden wird oder nicht, dann hätte er ihn doch im Teich lassen können.«

«O ja, gewiß. Ich meinte nur. warum ihn woanders hinbringen? Warum nicht einfach wieder in den Teich. sobald es dunkel ist? Das wäre doch schließlich der einzige Ort, an dem nie wieder jemand nach Bob Sherman suchen würde.«

Er bedachte mich mit einem langen, abwägenden Blick, und zum ersten Mal an diesem Vormittag und völlig unerwartet lächelte er.

«Tja. Sie haben getan, worum wir Sie gebeten haben.«

Ich lächelte matt zurück und fragte mich, ob ihm wohl schon klargeworden war, was die Arbeit dieses Vormittags bedeutete. Aber Mörder zu fangen, das war Sache der Polizei, nicht die meine. Ich wollte jetzt nur noch den Flug um zwei Uhr fünf nach Heathrow kriegen, was mir kaum Zeit genug für das ließ, was ich vorher noch erledigen mußte.

Ich sagte:»Wenn ich mal wieder irgendwie behilflich sein kann.«- wie man das eben so dahinsagt, verabschiedete mich von ihm und von Arne und ließ sie mit ihrem Problem im Nieselregen stehen.

Ich holte Emma Sherman wie verabredet aus ihrem Hotel ab und nahm sie in mein Zimmer im Grand Hotel mit. Ich hatte sie eigentlich zum Mittagessen einladen wollen, bevor wir zum Flughafen hinausfuhren, bestellte nun aber beim Zimmerservice eine heiße Suppe. Noch immer gab’s keinen Brandy. Nicht vor drei Uhr, sagten sie. Beim nächsten Mal, dachte ich, bringe ich mir ein paar Liter mit.

Champagner paßte allerdings nicht ganz zu der Nachricht, die ich ihr zu übermitteln hatte, weshalb ich ihn mit Orangensaft versetzte und sie erst einmal davon trinken ließ. Dann brachte ich ihr so schonend wie nur möglich bei, daß Bob zum Zeitpunkt seines Verschwindens gestorben war. Ich sagte ihr, daß Bob kein Dieb gewesen sei und sie nicht verlassen habe. Ich sagte ihr, daß er ermordet worden sei.

Ihr Gesicht nahm wieder diesen verzweifelten, zerbrechlichen Ausdruck an, aber sie wurde nicht ohnmächtig.

«Sie haben ihn. Sie haben ihn also gefunden?«

«Ja.«

«Wo. ist er?«

«Auf der Rennbahn.«

Sie stand auf, schwankte ein wenig.»Ich muß zu ihm.«

«Nein«, sagte ich bestimmt und hielt sie am Ellbogen fest.

«Nein, Emma, bitte nicht. Sie müssen ihn lebend in Erinnerung behalten. Er sieht jetzt nicht mehr so aus wie früher, und er würde bestimmt nicht wollen, daß Sie ihn so sehen. Er würde Sie bitten, das nicht zu tun.«

«Ich muß zu ihm. aber natürlich muß ich das.«

Ich schüttelte den Kopf.

«Wollen Sie sagen«- langsam dämmerte es ihr —»daß er. ganz schrecklich aussieht?«

«Leider ja. Er ist schon seit einem Monat tot.«

«O Gott.«

Ihre Knie wurden schwach, und sie setzte sich, fing an zu weinen. Ich berichtete ihr von dem Teich, den Seilen, dem Zement. Sie mußte es irgendwann erfahren, und es konnte nicht schlimmer sein als die Qualen der Ungewißheit, die sie vier Wochen lang durchlitten hatte.

«Mein armer Bob«, sagte sie.»O Liebling. mein Liebling.«

Die Schleusentore all dieses Elends öffneten sich, und sie weinte mit einer schrecklichen, eruptiven Intensität, aber schließlich und auch endlich war es ein normaler Schmerz, frei von allen Selbstzweifeln und demütigender Scham.

Noch immer vom Schluchzen geschüttelt, sagte sie nach einer

Weile:»Ich muß sehen, daß ich mein Zimmer im Hotel wiederbekomme.«

«Nein«, sagte ich.»Sie fliegen heute nach Hause, mit mir zusammen, so wie wir es geplant haben.«

«Aber ich kann doch nicht.«

«Doch, Sie können und Sie werden. Sie dürfen nicht hierbleiben. Sie müssen nach Hause zurück, sich ausruhen, wieder zu Kräften kommen und sich um das Baby kümmern. Die Polizei hier wird alles Notwendige veranlassen, und ich werde dafür sorgen, daß der Jockey Club und vielleicht auch der >Fonds für verletzte Jockeys< die Dinge bei uns drüben arrangieren. Wir können Bob schon bald nach England überführen lassen, wenn Sie das wünschen. Heute aber geht es einzig und allein um Sie. Wenn Sie hierbleiben, werden Sie krank werden.«

Sie hörte mir zu, bekam kaum die Hälfte mit, erhob aber auch keine Einwände mehr. Vielleicht wird die Polizei nicht gerade erfreut sein, wenn sie jetzt abreist, dachte ich, aber sie haben sie fast einen Monat lang hier gehabt, und es kann eigentlich nicht viel geben, was sie ihnen noch nicht erzählt hat.

Wir erreichten pünktlich unser Flugzeug. Sie starrte während des ganzen Fluges aus dem Fenster, und immer wieder liefen ihr Tränen der Erschöpfung über die Wangen.

Ihr Großvater, den wir von Oslo aus verständigt hatten, holte sie in Heathrow ab, ein großer, hagerer und freundlicher Mann. Er beugte sich zu ihr hinunter, begrüßte sie mit einem Kuß auf die Stirn und tätschelte sie liebevoll. Ihre Eltern waren, wie sie mir erzählt hatte, gestorben, als sie noch zur Schule ging, und sie und ein Bruder waren zwischen Verwandten hin und her gependelt. Den verwitweten Vater ihrer Mutter mochte sie von allen am liebsten, und so war ihr auch an seinem Beistand am meisten gelegen.

Er gab mir die Hand.

«Ich werde mich um sie kümmern«, sagte er.

Er war ein netter Mann und sah aus wie ein Gelehrter. Ich gab ihm meine Privatanschrift und Telefonnummer für den Fall, daß Emma jemanden brauchte, der als Insider etwas wirkungsvoller Dampf machen konnte, wenn es mit der offiziellen Hilfe nicht so recht klappen wollte.

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