Am achten Tag hatte man alle extraterrestrischen Patienten evakuiert, und mit ihnen waren fast vier Fünftel des Hospitalpersonals abgeflogen. Auf den Ebenen, wo sonst extreme Temperatur-, Druck- und Schwerkraftverhältnisse herrschten, war die Energiezufuhr abgestellt worden. Deshalb gingen die extrem kalten festen Stoffe in flüssigen oder gasförmigen Zustand über, und die dichten oder extrem heißen Atmosphären schlugen sich als schlammige, dickflüssige Masse auf den Fußböden nieder. Während die Tage verstrichen, trafen schließlich immer mehr Monitore der technischen Abteilung ein, rüsteten die ehemaligen Stationen in eine Art Kaserne um und rissen große Teile der Außenwände heraus, um ins All herausragende Fundamente für Pressor- und Traktorstrahlenprojektoren und Abschußrampen errichten zu können. Dermod vertrat nämlich die Ansicht, das Orbit Hospital müsse sich auch selbst verteidigen können und dürfe sich nicht vollkommen auf die Flotte verlassen, da diese erwiesenermaßen keinen gänzlichen Schutz bieten konnte. So war bereits am fünfundzwanzigsten Tag aus dem einst ungeschützten Orbit Hospital ein schwerbewaffneter Militärstützpunkt geworden.
Wegen der enormen Größe und der gewaltigen Energiereserven des Hospitals — die um ein Vielfaches größer als die der mobilen Streitkräfte waren, die jetzt zur Verteidigung des Krankenhauses zur Verfügung standen —, konnte eine ungeheure Menge wirklich furchterregender Waffensysteme installiert werden. Das war auch notwendig, denn am neunundzwanzigsten Tag erfolgte der erste Großangriff des Feinds, und die Wehrhaftigkeit des Krankenhauses wurde bis aufs äußerste auf die Probe gestellt.
Der Angriff dauerte drei Tage.
Conway wußte zwar, daß es seitens des Monitorkorps vernünftige und logische Gründe für die vorgenommene Befestigung des Hospitals gegeben hatte, aber es gefiel ihm trotzdem nicht. Selbst nach diesem absurden, dreitägigen Angriff, in dessen Verlauf das Hospital viermal getroffen worden war — glücklicherweise wiederum nur mit chemischen Sprengköpfen — fand er das nicht richtig. Immer wenn er daran dachte, daß das gewaltige, den höchsten Idealen der Humanität und Medizin gewidmete Gebäude zu einer schrecklichen und vollkommen unnatürlichen Vernichtungsmaschinerie umgerüstet worden war, mit der es auch noch seine eigenen Opfer produzierte, wurde Conway zornig und traurig. Er war von dieser ganzen scheußlichen Geschichte zutiefst angewidert, und manchmal war er auch versucht, seine Meinung zu äußern.
Seit Beginn der Evakuierung waren mittlerweile fünf Wochen vergangen, und Conway saß mit Mannon und Prilicla beim Mittagessen zusammen. Die Hauptkantine war jetzt zu den Mahlzeiten längst nicht mehr überfüllt, und an den Tischen waren die grünuniformierten Monitore den ETs zahlenmäßig stark überlegen, obwohl sich immer noch über zweihundert Extraterrestrier im Hospital befanden, und das war es auch, woran sich Conway zur Zeit am meisten störte.
„.und ich behaupte trotzdem, daß es eine Verschwendung ist“, sagte er wütend. „Eine Verschwendung von Leben, von medizinischen Talenten, einfach von allem! Es handelt sich doch bei sämtlichen Patienten um Verletzte des Monitorkorps, und so wird es auch in Zukunft sein, und jeder einzelne davon ist Terrestrier. Deshalb gibt es für unsere Extraterrestrier überhaupt keine interessanten ET-Fälle zu behandeln. Ich finde, man sollte dieses Personal nach Hause schicken!
Übrigens einschließlich der gegenwärtig hier Anwesenden“, schloß er mit einem vielsagenden Blick auf Prilicla. Dann wandte er sich Mannon zu.
Dr. Mannon schnitt sich gerade ein großes Stück von einem saftigen Steak ab und führte es mit der Gabel zum Mund. Da sämtliche seiner unter geringer Schwerkraft lebenden Patienten evakuiert worden waren, hatte er die LSVO- und MSVK-Bänder aus dem Kopf löschen lassen und unterlag deshalb bei seiner Ernährung keinen geistigen Einschränkungen mehr. In den fünf Wochen seit der Evakuierung hatte er merklich an Gewicht zugelegt.
„Für einen ET sind wir aber interessante ETs“, merkte er nicht ohne Grund an.
„Seien Sie doch nicht so spitzfindig“, entgegnete Conway. „Wogegen ich etwas hab, ist sinnloses Heldentum.“
Mannon hob die Augenbrauen. „Aber Heldentum ist fast immer sinnlos“, erwiderte er trocken. „Außerdem ist es äußerst ansteckend. Ich würde sagen, in diesem Fall hat das Korps durch seine Bereitschaft zur Verteidigung des Hospitals damit angefangen. Letztendlich haben wir uns deswegen verpflichtet gefühlt, ebenfalls zu bleiben, um uns um die Verwundeten zu kümmern. Zumindest fühlen sich ein paar von uns dazu verpflichtet, möglicherweise bilden wir uns aber auch nur ein, daß sich ein paar von uns dazu verpflichtet fühlen.
Vernünftiger und logischer wäre es jedenfalls gewesen, wenn wir uns rechtzeitig abgesetzt hätten“, fuhr Mannon fort, wobei er Conway nicht direkt ansah. „Und denjenigen, die abgeflogen wären, hätte bestimmt niemand auch nur den geringsten Vorwurf gemacht. Aber diese vernünftigen und logischen Leute glauben eben, daß ihre Kollegen oder. ehm. Freunde, vielleicht wahre Helden sind. Und weil sich diese Leute vorstellen, was ihre Freunde wohl von ihnen halten könnten, wenn sie einfach abhauen würden, tun sie das eben nicht. Die sterben lieber, als von ihren Freunden für Feiglinge gehalten zu werden. Also bleiben sie lieber hier.“
Conway merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß, aber er entgegnete nichts.
Plötzlich grinste Mannon und fuhr fort: „Aber das ist eigentlich auch eine Art von Heldentum. Man könnte sogar sagen, das ist ein Fall von „lieber den Tod ertragen als die Schande“. Und ehe man sich versieht, sind plötzlich alle Helden, entweder auf die eine oder auf die andere Art. Und die ETs.“ — er warf Prilicla einen verschmitzten Blick zu — „.bleiben sicherlich aus den gleichen Gründen hier. Außerdem vermute ich, wollen sie uns beweisen, daß terrestrische DBDGs kein Monopol auf Heldentum haben.“
„Ich verstehe“, erwiderte Conway. Ihm war bewußt, daß sein Gesicht puterrot angelaufen war. Ganz offensichtlich wußte Mannon, daß Conway einzig und allein deshalb im Hospital geblieben war, weil Murchison, O’Mara und Mannon selbst sonst vielleicht von ihm enttäuscht gewesen wären. Und Prilicla, das für Emotionen empfängliche Lebewesen auf der anderen Seite des Tischs, konnte in ihm bestimmt wie in einem offenen Buch lesen. Conway glaubte, sich in seinem ganzen Leben noch nie schlechter gefühlt zu haben.
„Da haben Sie ganz recht“, sagte Prilicla plötzlich, wobei er die Gabel geschickt in die Spaghetti auf dem vor ihm stehenden Teller steckte und zwei Mundwerkzeuge benutzte, um sie aufzuwickeln. „Wenn da nicht das heldenmütige Beispiel von euch DBDGs gewesen wäre, dann hätte ich das zweite Schiff genommen.“
„Das zweite?“ fragte Mannon.
„Mir mangelt es eben nicht vollkommen an Heldenmut“, erwiderte Prilicla und fuchtelte dabei mit den Spaghetti herum, um seiner Behauptung Nachdruck zu verleihen.
Während er dieser Nebenhandlung zuhörte, dachte Conway, daß es am ehrlichsten gewesen wäre, seinen Freunden gegenüber seine Feigheit einzugestehen. Doch wie er wußte, würde er damit alle anderen nur in Verlegenheit bringen. Es war vollkommen klar, daß sowohl Prilicla als auch Mannon ihn als den Feigling erkannt hatten, der er war, und jeder hatte ihm auf seine eigene Art die Bedeutungslosigkeit dieser Tatsache erklärt. Objektiv betrachtet, war es jetzt wirklich nicht mehr von Bedeutung, denn es waren sowieso keine Schiffe mehr da, die das Orbit Hospital verließen — die ausharrenden Personalangehörigen würden also automatisch zu Helden werden, ob ihnen das nun paßte oder nicht. Aber Conway fand es trotzdem nicht richtig, womöglich irgendwann als ein unerschrockener, selbstloser und hingebungsvoller Arzt geehrt zu werden, wo doch nichts davon auf ihn zutraf.
Bevor er irgend etwas dazu sagen konnte, wechselte Mannon abrupt das Thema. Er wollte unbedingt wissen, wo Conway und Murchison während des vierten, fünften und sechsten Tags der Evakuierung eigentlich gesteckt hatten, und fand es äußerst vielsagend, daß sie beide genau zur gleichen Zeit von der Bildfläche verschwunden waren. Dann zählte er einige der Vermutungen auf, die ihm zu diesem Thema einfielen, und das in den schillerndsten und überraschendsten Farben. Bald beteiligte sich auch Prilicla an den Spekulationen, und obwohl der sexuelle Sittenkodex zweier terrestrischer DBDGs für einen geschlechtslosen GLNO höchstens von akademischem Interesse sein konnte, meinte Conway, sich nach beiden Seiten energisch verteidigen zu müssen.
Sowohl Prilicla als auch Mannon war bekannt, daß sich Murchison und Conway zusammen mit ungefähr vierzig weiteren Angehörigen des Personals durch Aufputschspritzen beinahe sechzig Stunden lang in Topform gehalten hatten, um effektiv operieren zu können. Aber auch für die Wirkung von Aufputschmitteln muß man bezahlen, und deshalb waren Conway und seine Mitarbeiter gezwungen gewesen, es drei Tage lang ihren Patientin gleichzutun, eine horizontale Lage einzunehmen und sich in dieser Zeit von ihrem fortgeschrittenen Zustand der Erschöpfung zu erholen. Ein paar der Mitarbeiter waren buchstäblich stehenden Fußes zusammengeklappt und schleunigst weggebracht worden. Sie waren derart erschöpft gewesen, daß nicht nur der Kreislauf, sondern auch die unwillkürliche Herz- und Lungenmuskeltätigkeit zusammenzubrechen drohten. Man hatte sie auf besondere Stationen geschafft, wo sie an computergesteuerte Herz-Lungen-Maschinen angeschlossen und intravenös ernährt worden waren.
Dennoch sah es wirklich etwas verdächtig aus, daß man Conway und Murchison weder zusammen noch getrennt gesehen hatte, und dann auch noch drei ganze Tage lang.
Die Alarmsirene rettete Conway gerade in dem Augenblick, als für die „Vertreter der Anklage“ alles nach Wunsch lief. Er sprang aus seinem Sitz und sprintete zur Tür. Mannon stapfte hinter ihm her, während Prilicla den beiden voranschwirrte, wobei seine nicht ganz verkümmerten Flügel von einem G-Gürtel unterstützt wurden.
Da können die Hölle, die Sintflut oder ein interstellarer Krieg ausbrechen, dachte Conway auf dem Weg zu seiner Station mit einem innerlichen Lächeln, sobald sich die Gelegenheit ergab, jemanden schlechtzumachen oder auf den Arm zu nehmen, war Mannon mit dem neuesten Klatsch zur Stelle und darauf vorbereitet, sein Opfer vor aller Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Unter den gegenwärtigen Umständen hatte sich Conway zwar zuerst über diese ganze Klatschsucht geärgert, aber dann war ihm langsam klargeworden, Mannon wollte ihm nur begreiflich machen, daß bis jetzt noch nicht die ganze Welt untergegangen war. Und bei diesem Krankenhaus handelte es sich immer noch um das Orbit Hospital, das eben eher eine Geisteshaltung als ein Bauwerk war. Egal, was kommen mochte, dieses Krankenhaus würde bis zum letzten Atemzug seiner hingebungsvollen und häufig auch etwas verrückten Mitarbeiter das Orbit Hospital bleiben.
Als Conway auf seiner Station ankam, hatte die Sirene, die sie ständig an den Ernst der Lage erinnerte, zu heulen aufgehört.
Über sämtlichen achtundzwanzig belegten Betten hingen bereits versiegelte, jetzt aber noch schlaffe Druckzelte. Ihre unabhängigen Luftaggregate waren zum Schutz der Patienten vorm Ersticken in Betrieb, falls plötzlich in die Außenwand der Station ein Loch zum All gerissen werden sollte. Die diensthabenden Schwestern, eine Tralthanerin, eine Nidianerin und vier Terrestrierinnen, quälten sich in ihre Anzüge hinein. Auch Conway legte sich einen Anzug an und versiegelte ihn bis auf das Visier ganz, wie es auch die Schwestern getan hatten. Er machte bei den Patienten schnell Visite, sprach der tralthanischen Oberschwester seine Anerkennung aus und betätigte dann den Schalter, der die künstlichen Schwerkraftgitter im Boden ausschaltete.
Unregelmäßigkeiten in der Energieversorgung traten nämlich keineswegs selten auf, wenn die Verteidigungsschilde des Hospitals unter Beschuß lagen oder die im Hospital installierten Waffen zum Einsatz kamen. Diese Unregelmäßigkeiten konnten zu Schwankungen in den künstlichen Schwerkraftgittern zwischen einem halben und zwei Ge führen. Bei Patienten, die hauptsächlich Knochenbrüche hatten, konnte das verheerende Folgen haben, und für sie war es in diesem Fall besser, überhaupt keiner Schwerkraft ausgesetzt zu sein.
Als Patienten und Mitarbeiter soweit wie möglich geschützt waren, konnte man nichts mehr tun, außer abzuwarten. Um seine Gedanken von den Vorgängen draußen vor dem Hospital abzulenken, mischte sich Conway in eine Diskussion zwischen der tralthanischen Schwester und einer der rotbepelzten Nidianerinnen über die gegenwärtig am riesigen Übersetzungscomputer vorgenommenen Änderungen ein. Die kleinen Translatoren, die sämtliche Mitarbeiter des Hospitals am Körper trugen, waren nämlich lediglich Geräte, die senden und empfangen konnten, also nur mobile Nebenstellen dieses gewaltigen Elektronengehirns, das die Übersetzungen sämtlicher Sprachen im Hospital durchführte. Und dieser Computer arbeitete seit der Evakuierung nur noch mit einem kleinen Bruchteil seiner vollen Leistungsfähigkeit. Dermod, der Flottenkommandant, hatte angeordnet, die dadurch freien Kapazitäten für die Berechnungen taktischer und logistischer Probleme zu nutzen. Trotz der Versicherung des Monitorkorps, die Übersetzungsfähigkeit des Computers würde dadurch kaum beeinträchtigt, waren die beiden Schwestern mit dieser Regelung nicht ganz einverstanden. So gaben sie zu bedenken, was geschehen könnte, falls alle gleichzeitig reden würden.
Conway wollte den beiden am liebsten antworten, daß das Personal seiner Meinung nach sowieso permanent redete, besonders die Schwestern und Pfleger, so daß dieses Problem schon längst hätte auftreten müssen, doch ihm fiel keine taktvolle Formulierung ein und er sagte deshalb vorsichtshalber nichts.
Eine Stunde verging, ohne daß etwas passierte, jedenfalls soweit es das Hospital betraf. Es hatte keine Treffer erhalten, und es gab keinerlei Anzeichen für einen Einsatz der schweren Waffen, mit denen das Hospital ausgerüstet worden war. Die diensthabenden Schwestern wurden von der nächsten Schicht abgelöst, die diesmal aus drei Tralthanerinnen und drei Terrestrierinnen bestand, und die Oberschwester war Murchison. Conway machte es sich gerade zu einem sehr netten Schwatz gemütlich, als von der Sirene ein tiefer, leicht höhnischer Dauerton kam. Der Angriff war vorbei.
Als er Murchison aus dem Anzug helfen wollte, meldete sich die Übertragungsanlage mit einem Summen zu Wort.
„Achtung, Achtung!“ sagte eine Stimme in dringlichem Ton. „Doktor Conway möchte bitte unverzüglich zu Schleuse fünf kommen.“
Wahrscheinlich ein Verwundeter, dachte Conway. Einer, bei dem sie sich nicht sicher sind, wie sie ihn transportieren sollen… Aber dann richtete die Übertragungsanlage ohne Zwischenpause gleich die nächste Nachricht aus.
„. Doktor Mannon und Major O’Mara möchten bitte sofort zu Schleuse fünf kommen.“
Was konnte denn bloß an Schleuse fünf los sein, daß es die Dienste von zwei Chefärzten und dem Chefpsychologen benötigte? fragte sich Conway und beeilte sich.
Mannon und O’Mara hatten sich bereits in der Nähe der Schleuse fünf aufgehalten und trafen dort deshalb etwas eher als Conway ein. Als er schließlich zu ihnen stieß, befand sich in der Schleusenvorkammer außer Mannon und O’Mara noch eine dritte Person, die einen schweren Anzug trug, deren Helm zurückgeklappt war. Der Neuankömmling hatte angegrautes Haar, ein dünnes, faltiges Gesicht, und sein Mund glich einem müden, farblosen Strich. Dieser harte Gesamteindruck wurde allerdings durch die sanftesten braunen Augen aufgewogen, die Conway je bei einem Menschen gesehen hatte. Auch die Rangabzeichen auf seinem Kragen waren reicher ausgeschmückt als alle anderen, die Conway bisher gekannt hatte. Der ranghöchste Offizier des Monitorkorps, mit dem Conway es bislang zu tun gehabt hatte, war ein Colonel gewesen, trotzdem wußte er instinktiv, daß dieser Mann nur Flottenkommandant Dermod sein konnte.
O’Mara salutierte, und sein Gruß wurde ebenso korrekt erwidert. Mannon und Conway dagegen erhielten jeder einen Händedruck, wobei sich der Flottenkommandant für seine Handschuhe entschuldigte. Dann kam Dermod direkt zur Sache.
„Ich bin kein Befürworter von Geheimnistuerei, wenn sie keinem wichtigen Zweck dient“, fing er steif an. „Sie haben sich dafür entschieden hierzubleiben, um sich um unsere Verwundeten zu kümmern, und deshalb haben Sie auch ein Recht, über die Vorgänge unterrichtet zu werden, egal, ob es sich dabei um gute oder um schlechte Nachrichten handelt. Da Sie zum ranghöchsten terrestrischen medizinischen Personal gehören, das sich noch im Hospital aufhält, und wissen, wie sich Ihre Mitarbeiter in den verschiedensten Fällen wahrscheinlich verhalten werden, muß ich es Ihnen überlassen, ob Sie diese Information öffentlich bekannt machen oder nicht.“
Während er das sagte, hatte er O’Mara angesehen. Jetzt bewegten sich seine Augen schnell zu Mannon, dann zu Conway, und schließlich wieder zurück zu O’Mara. „Es hat einen Angriff gegeben, einen völlig erstaunlichen Angriff, weil er auf der ganzen Linie gescheitert ist“, fuhr er fort. „Wir haben keinen einzigen Mann verloren, die feindliche Streitmacht dagegen ist vollkommen vernichtet worden. Anscheinend hatten die keinen blassen Schimmer von taktischer Kriegsführung oder. oder von wer weiß was. Wir hatten einen der üblichen Angriffe erwartet, die allesamt äußerst brutal und ohne Rücksicht auf Verluste geführt worden waren und die wir nur unter Aufbietung aller Kräfte zurückschlagen konnten. Dieser letzte Angriff aber war das reinste Massaker.“
Conway stellte fest, daß Dermods Stimme und der Blick in seinen Augen keinerlei Freude über den Sieg widerspiegelten.
„. und deshalb haben wir die feindlichen Schiffstrümmer schneller als sonst nach Überlebenden durchsuchen können. Denn normalerweise sind wir so mit dem Lecken unser eigenen Wunden beschäftigt, daß keine Zeit für die Suche nach Überlebenden bleibt. Wir haben zwar keinen einzigen Überlebenden gefunden, dafür aber.“
Der Flottenkommandant brach den Satz ab, als zwei Monitore mit einer zugedeckten Tragbahre durch die Innentür der Schleuse kamen. Als Dermod nun fortfuhr, blickte er Conway direkt in die Augen.
„Sie sind ja auf Etla gewesen, Doktor, und werden sofort die darin liegende Bedeutung erkennen“, sagte er. „Und gleichzeitig denken Sie vielleicht auch daran, daß wir von einem Feind angegriffen werden, der sämtlichen Verhandlungen oder Verständigungsversuche ablehnt, einem Feind, der wie von fanatischem Haß besessen kämpft und bis jetzt nur einen begrenzten Krieg gegen uns führt. Aber zuerst sollten Sie sich das hier ansehen.“
Als die Decke von der Tragbahre zurückgezogen wurde, sagte eine lange Zeit niemand etwas. Auf der Tragbahre lagen die zerfetzten, grausigen Überreste eines früher einmal lebendigen, denkenden und fühlenden Wesens, das man wegen seiner schweren Verstümmelungen nicht einmal mehr mit einiger Genauigkeit klassifizieren konnte. Aus den sterblichen Überresten war jedoch noch zu erkennen, daß dieses Wesen weder jetzt noch früher einmal ein Mensch gewesen war.
Der Krieg breitet sich immer weiter aus, dachte Conway betrübt.