8. Kapitel

Einer der Monitore, der sich als Major Stillman vorstellte, begleitete Conway zu seiner Kabine. Der Äskulapstab über dem Rangabzeichen wies ihn zudem als Korpsarzt aus. Trotz der sehr zurückhaltenden und höflichen Ausdrucksweise des Majors gewann Conway den Eindruck, daß er nicht so leicht einzuschüchtern war. Wie ihm der Major abschließend sagte, würde der Captain ihn gern im Kontrollraum sehen, um ihn an Bord persönlich willkommen zu heißen, nachdem er sich in seiner Kabine eingerichtet habe.

Kurz darauf stellte sich Conway bei Captain Colonel Williamson vor, der ihm gleich die Erlaubnis erteilte, sich auf dem Schiff nach Belieben zu bewegen. Diese Auszeichnung wurde einem auf einem Schiff der galaktischen Föderation nur äußerst selten zuteil, und Conway fühlte sich entsprechend geehrt. Allerdings mußte er bald feststellen, daß er im Kontrollraum zunächst allen nur im Weg stand, obwohl sich niemand bei ihm beschwerte.

Beim darauffolgenden Versuch, das Schiffsinnere ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen, verirrte er sich gleich zweimal. Der schwere Monitorkreuzer Vespasian war weit größer, als Conway zunächst angenommen hatte. Nachdem er von einem freundlichen Monitor mit verständnisvoller Miene zurückgebracht worden war, beschloß er, die meiste Zeit der Reise in seiner Kabine zu verbringen, und sich dort mit seiner vor ihm liegenden Aufgabe vertrauter zu machen.

Colonel Williamson hatte ihm zwar Unterlagen ausgehändigt, die bis ins letzte Detail gingen und auch dank der hervorragenden Informationsquellen des Monitorkorps auf dem aktuellsten Stand waren, aber zunächst wollte er die Akte studieren, die ihm O’Mara mitgegeben hatte.

Als Lonvellin vor einiger Zeit ins Orbit Hospital eingeliefert worden war, war dieser EPLH eigentlich auf dem Weg zu einem Planeten gewesen, der in einer praktisch unerforschten Region der Kleinen Magellanschen Wolke lag und über den böse Gerüchte kursierten. Kurz nach seiner Entlassung hatte er die Reise fortgeführt und einige Wochen später Kontakt mit dem Monitorkorps aufgenommen. Die Verhältnisse, die er auf dem betreffenden Planeten laut eigener Aussage vorgefunden hatte, grenzten sowohl in soziologischer als auch in medizinischer Hinsicht an Barbarei. Was die medizinische Seite anging, brauchte er dringend Unterstützung, bevor er die vielen gesellschaftlichen Krankheiten wirkungsvoll bekämpfen konnte, von denen dieser wirklich kranke Planet befallen war. Außerdem bat er, ihm einige Angehörige der physiologischen Klassifikation DBDG zu schicken, da die Einheimischen derselben Gruppe angehörten und allen fremdartigen Lebensformen gegenüber entsetzlich feindlich gesinnt waren — ein Umstand, durch den Lonvellins Aktivitäten offenbar am meisten gehemmt wurden.

In Anbetracht der enormen Intelligenz dieses Wesens und der Erfahrung seiner Spezies bei der Lösung komplizierter gesellschaftlicher Probleme, stellte die Tatsache, daß er überhaupt um irgendwelche Hilfe bat, schon an sich eine große Überraschung dar. Bei dieser Unternehmung hatten sich die Dinge für Lonvellin allerdings in eine völlig falsche, fast fatale Richtung entwickelt, und allein durch die notwendig gewordene massive Anwendung verschiedenster Verteidigungstechniken war er bereits so sehr in Anspruch genommen worden, als daß er irgend etwas anderes hätte unternehmen können.

Lonvellins Bericht zufolge hatte er zunächst den Planeten während mehrerer Umkreisungen beobachtet, wobei er per Translator verschiedene Sender abgehört hatte. Besonders war ihm dabei der erstaunlich niedrige Stand der Industrialisierung aufgefallen, der in einem so merkwürdigen Kontrast zu dem einzigen Raumfughafen auf dem Planeten stand. Als er glaubte, die nach seinem Dafürhalten notwendigen Informationen beisammen und ausgewertet zu haben, suchte er sich den seiner Ansicht nach geeignetsten Landeplatz aus.

Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß dieser Planet, den die Bewohner Etla nannten, früher einmal eine wohlhabende Kolonie gewesen war, die sich aus wirtschaftlichen Gründen zurückentwickelt und heute nur noch wenige Verbindungen zur Außenwelt hatte; aber irgendwelche Kontakte schienen noch immer zu bestehen. Das wiederum hieß, daß ihm die erste und gewöhnlich schwierigste Aufgabe eigentlich hätte stark erleichtert werden müssen — denn normalerweise mußte man die Bewohner eines Planeten erst einmal dazu bringen, einem Alien zu vertrauen, der für sie buchstäblich vom Himmel gefallen war und dessen Anblick sie möglicherweise in Angst und Schrecken versetzt hatte. Die Etlaner aber hätten an die Existenz außerplanetarischer Wesen gewöhnt sein müssen. Deshalb wollte er die Rolle eines bemitleidenswerten, leicht verängstigten und etwas dummen Wesens aus einer anderen Welt spielen, das angeblich wegen dringend anstehender Reparaturarbeiten zu einer Notlandung gezwungen worden war. Für die Wiederinstandsetzung seines Raumschiffs wollte er die Etlaner um verschiedene völlig absonderliche und wertlose Reparaturhilfsmittel aus Metall- oder Gesteinsresten bitten und so tun, als würde es ihm ungeheuer schwerfallen, den Etlanern verständlich zu machen, was er genau benötigte. Für diesen Ramsch beabsichtigte er, ihnen dann im Austausch äußerst nützliche und wertvolle Gegenstände zu geben, mit denen die etwas findigeren Etlaner schon bald etwas würden anfangen können.

Zwar erwartete Lonvellin, während dieser Phase schamlos ausgebeutet zu werden, das war ihm aber egal, denn seiner Überzeugung nach würde sich die Lage allmählich ändern — anstatt ihnen immer wertvollere Gegenstände zu geben, wollte er ihnen seine noch wertvolleren Dienste anbieten. Danach hatte er vor, sie wissen zu lassen, daß der Schaden an seinem Schiff irreparabel sei, und mit der Zeit würden sich die Einheimischen als Dauergast an ihn gewöhnt haben. Schließlich würde alles nur noch eine Frage der Zeit sein, und davon hatte Lonvellin ja bekanntlich genug.

Um diesen Plan in die Tat umzusetzen, war er damals direkt neben einer Straße gelandet, die zwei kleine Städte miteinander verband, und schon kurz darauf hatte sich ihm die erste Gelegenheit geboten, sich einem Einheimischen zu erkennen zu geben. Aber obwohl er während dieser Kontaktaufnahme sehr behutsam vorging und den Etlaner immer wieder per Translator zu beruhigen versuchte, ergriff dieser sofort die Flucht. Einige Stunden später wurden vorsintflutliche kleine Granaten mit chemischen Sprengköpfen auf sein Schiff abgefeuert, und das gesamte Gebiet, das dicht bewaldet war, wurde mit flüchtigen Chemikalien überzogen und war binnen kurzem völlig entlaubt.

Ohne zu wissen, warum diese raumfahrterfahrene Spezies außerplanetarischen Wesen gegenüber derart feindlich gesinnt war, war Lonvellin in dieser Situation ein weiteres Vorgehen unmöglich. Und da er zu diesem Zeitpunkt allein nicht mehr weiterwußte, bat er um terrestrische Hilfe.

Kurz darauf traf ein Monitorkreuzer mit Spezialisten für den Erstkontakt mit Aliens ein. Nachdem sie ihrerseits die Lage eingeschätzt hatten, ohne aus ihrer Landung ein Geheimnis gemacht zu haben, entdeckten sie bald, daß die Etlaner Angst vor fremden Wesen hatten, weil sie glaubten, diese würden Krankheiten übertragen. Besonders bemerkenswert daran war, daß sie der Meinung waren, ihnen drohe von Weltraumreisenden der eigenen oder einer artverwandten Spezies keine Ansteckungsgefahr, obwohl diese sehr viel eher als Krankheitsüberträger in Frage kamen — es galt nämlich als eine medizinisch unumstößliche Tatsache, daß sich verschiedenartige Spezies mit ihren Krankheiten gegenseitig nicht anstecken konnten. Und wie Conway meinte, hätte jede raumfahrterfahrene Spezies dies wissen müssen, da es sich um eine der ersten Erfahrungen handelte, die eine weltraumreisende Zivilisation machte.

Trotz seiner geistigen Müdigkeit versuchte er gerade, diesen merkwürdigen Widerspruch mit Hilfe eines dicken Nachschlagewerks über das Kolonisationsprogramm der Föderation zu klären, als ihm der Besuch Major Stillmans eine willkommene Unterbrechung bot.

„Wir werden in drei Tagen unser Ziel erreichen, Doktor“, begann der Major, „und ich denke, es ist an der Zeit, Sie ein wenig in Tarnungs- und Spionagetechniken zu unterweisen. Damit meine ich in erster Linie, Sie mit der Kleidung der Etlaner vertraut zu machen. Es handelt sich dabei um ein wirklich reizendes Kostüm, obwohl ich selbst nicht die passenden Knie für einen Schottenrock hab.“

Wie Stillman weiter erläuterte, hatte das Monitorkorps bei der Kontaktaufnahme mit den Etlanern zwei verschiedene Methoden angewandt. Bei der einen Vorgehensweise waren die Monitore unbemerkt gelandet, wobei sie etlanisch gesprochen und sich die Kleidung der Planetenbewohner angezogen hatten, so daß aufgrund der täuschend echt wirkenden äußerlichen Ähnlichkeit keine andere Tarnung notwendig gewesen war. Auf diese Weise hatten sie in erster Linie die aus letzter Zeit herrührenden Informationen erhalten, und bislang war noch kein Agent enttarnt worden. Bei der anderen Methode hatten sie ihre außerplanetarische Herkunft nicht verleugnet und den Etlanern per Translator zu verstehen gegeben, sie hätten von deren mißlichen Lage gehört und seien gekommen, um ihnen medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Die Etlaner hatten sich mit dieser Erklärung abgefunden und ihrerseits den Monitoren offenbart, ihnen seien in der Vergangenheit bereits immer wieder ähnliche Angebote gemacht worden, und obwohl alle zehn Jahre ein, wie sie es nannten, „Schiff des Imperiums“ mit den neuesten Medikamenten kommen würde, habe sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung ständig verschlechtert. Also wurde das Vorhaben der Monitore, die gesundheitliche Situation auf dem Planeten zu verbessern, zwar begrüßt, aber die Etlaner weckten bei ihnen den Eindruck, als würden sie das Korps trotz aller unterstellten positiven Absichten lediglich für eine weitere Gruppe von Kurpfuschern halten.

Sobald sich das Gespräch aus irgendeinem Anlaß um Lonvellins Landung drehte, gaben sich die Monitore selbstverständlich völlig ahnungslos und äußerten sich dazu stets nur in sehr zurückhaltendem und höchst gemäßigtem Ton.

Wie Stillman weiter ausführte, handelte es sich um eine äußerst komplizierte Situation, die mit jedem neu eintreffenden Lagebericht der Agenten noch verworrener wurde. Lonvellin habe aber eine herrlich einfache Idee, um das ganze Problem mit einem Schlag zu lösen. Als Conway von Lonvellins Plan hörte, wünschte er plötzlich, er hätte den EPLH mit seinen Heilkünsten nicht so stark beeindruckt und wäre wieder in der wohlvertrauten Umgebung des Orbit Hospitals. Die Verantwortung für die Gesundheit der Gesamtbevölkerung eines Planeten übertragen bekommen zu haben, verursachte bei ihm ein höchst unbehagliches Gefühl in der Magengegend.

Die Etlaner wurden nicht nur von vielen Krankheiten heimgesucht, sondern litten auch an Engstirnigkeit und Aberglauben — ihre Reaktion auf das Erscheinen Lonvellins war ein schockierendes Beispiel ihrer Intoleranz gegenüber außerplanetarischen Wesen, die ein für sie fremdartiges Aussehen hatten. Durch Krankheiten wurde dieser Fremdenhaß zusätzlich geschürt, der seinerseits die Leiden nur verschlimmerte. Lonvellin hoffte nun, diesen Teufelskreis durchbrechen zu können, indem er die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung so merklich verbesserte, daß dieser Fortschritt selbst dem dümmsten und engstirnigsten Etlaner nicht verborgen bleiben konnte. Danach sollten sich die Monitore öffentlich dazu bekennen, die ganze Zeit unter seiner Anleitung gehandelt zu haben. Er hoffte, dadurch die fremdenfeindlich gesinnten Etlaner so sehr in die Enge zu treiben, daß sie sich ihrer alten Ansichten nur noch schämen konnten. In dem darauf folgenden Klima wachsender Toleranz wollte Lonvellin das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen, um schließlich zu seinem eigentlichen Vorhaben zurückzukehren, nämlich die Etlaner zu gesunden und glücklichen Wesen mit einer blühenden Kultur zu machen.

Conway sagte Stillman, er selbst sei zwar kein Fachmann auf diesem Gebiet, aber Lonvellins Plan klänge recht plausibel.

„Diesbezüglich kann ich mich wohl als Experten bezeichnen“, entgegnete Stillman, „und der Plan ist wirklich gut — wenn er funktioniert.“

Einen Tag vor ihrer Ankunft, wurde Conway von Captain Williamson gebeten, für einige Minuten in den Kontrollraum zu kommen. Dort wurde gerade die Position des Schiffes berechnet, um die letzte Etappe der Reise vorzubereiten. Die Vespasian war dazu aus dem Hyperraum aufgetaucht und hatte sich relativ dicht einem Doppelsternsystem genähert, von dem ein Planet ein Wandelstern mit ständig wechselnder Helligkeit war.

Voller Ehrfurcht empfand Conway diesen Anblick als eines jener seltener Naturschauspiele, bei dem sich Menschen nur noch klein und einsam vorkamen und das Verlangen verspürten, näher zusammenzurücken und miteinander zu reden, um inmitten all dieser Pracht und Größe nicht den Glauben an ihre eigene, verhältnismäßig lächerliche Existenz zu verlieren. In solchen Momenten gab es keine konventionellen Schranken mehr, und auf einmal redete Williamson in einem Ton, der dem zuhörenden Conway verriet, daß der Captain auch nur ein Mensch mit ganz normalen Empfindungen war, der ein wenig aus sich herauskommen wollte.

„Ehm, Doktor Conway, ich möchte nicht, daß es sich so anhört, als wollte ich Lonvellin kritisieren“, begann er vorsichtig, und es klang wie eine Entschuldigung, „zumal er Ihr Patient war und Sie mit ihm vielleicht sogar befreundet sind. Ich möchte auch nicht, daß Sie denken, es würde mich ärgern, daß er einen Monitorkreuzer angefordert hat und ganze Kompanien für sich als Laufburschen einsetzt. Nein, so ist es wirklich nicht.“

Williamson nahm seine Schirmmütze ab und strich mit dem Daumen eine Falte am Stirnband glatt. Conway warf einen Blick auf das schüttere, graue Haar und die tiefen Sorgenfalten auf seiner Stirn, die zuvor vom Schirm verdeckt worden waren. Williamson setzte die Mütze wieder auf und verwandelte sich so wieder in den besonnenen und erfahrenen Captain zurück.

„. um es frei heraus zu sagen, Doktor“, fuhr er fort, „ich würde Lonvellin als einen ausgesprochen begabten Amateur bezeichnen. Solche Leute scheinen nichts Besseres vorzuhaben, als uns Profis Scherereien zu bereiten, indem sie unsere sämtlichen Termine und Pläne und so weiter durcheinanderbringen. Aber selbst das stört mich nicht sonderlich, zumal die von Lonvellin aufgedeckte Situation auf Etla wirklich dringender Veränderung bedarf. Was ich eigentlich sagen will, ist, daß wir neben unseren Aufgaben als Raumvermesser, Kolonisten und Ordnungsmacht durchaus selbst Erfahrungen bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme haben, wie sie zum Beispiel auf Etla herrschen. Ich räume gerne ein, daß es im Monitorkorps weder Leute gibt, die mit Lonvellins Fähigkeiten auch nur ansatzweise mithalten können, noch sind wir derzeit selbst in der Lage, einen Plan vorzuschlagen, der besser als Lonvellins wäre.“

Conway fragte sich allmählich, ob der Captain langsam auf den Punkt kommen würde oder ob er bloß Dampf ablassen wollte. Allerdings schätzte er Williamson nicht als einen notorischen Nörgler ein.

„Da Sie neben Lonvellin die meiste Verantwortung an diesem Projekt tragen“, fuhr der Captain hastig fort, „ist es nur fair, Sie zum einen wissen zu lassen, was wir von der ganzen Geschichte halten, und Sie zum anderen darüber zu informieren, was wir selbst zu tun gedenken. Derzeit arbeiten auf Etla doppelt soviel unserer Leute, als Lonvellin annimmt, und es sind noch mehr unterwegs. Persönlich hab ich vor unserem langlebigen Freund den allergrößten Respekt, aber ich werde einfach nicht das Gefühl los, daß die Situation auf Etla weit verworrener ist, als selbst Lonvellin klar ist.“

Conway dachte kurz nach, dann sagte er: „Ich hab mich schon die ganze Zeit gefragt, warum bei einem Projekt, bei dem es in erster Linie um die Erforschung der Hygiene- und Lebensgewohnheiten einer Spezies geht, ein Schiff wie die Vespasian eingesetzt wird. Glauben Sie, daß die Situation, die wir dort vorfinden werden. ehm. gefährlicher ist, als zunächst angenommen wurde?“

„Ja“, antwortete der Captain knapp.

Im selben Augenblick verschwand das riesige Doppelsternsystem auf dem großen Monitor und wurde durch das Bild eines normalen Sterns des G-Typs ersetzt, auf dem auch der winzige, sichelförmige Umriß eines Planeten zu erkennen war, der sich in etwa fünfzehn Millionen Kilometern Entfernung zu seiner Sonne befand. Bevor Conway auch nur eine der vielen Fragen stellen konnte, die ihn plötzlich quälten, informierte ihn der Captain, daß die Vorbereitungen für die letzte Etappe der Reise nun abgeschlossen seien und er von nun an bis zur Landung alle Hände voll zu tun habe. Mit dem Ratschlag, er solle sich bis zur Ankunft auf Etla soviel Schlaf wie möglich gönnen, komplimentierte der Captain Conway aus dem Kontrollraum heraus.

In seiner Kabine zog sich Conway gedankenverloren und, wie er zu seiner Zufriedenheit feststellte, fast automatisch aus. Sowohl Stillman als auch er selbst hatten nämlich während der vergangenen Tage ausschließlich etlanische Kleidung getragen — eine Bluse, einen Kilt, eine mit Taschen besetzte Bauchschärpe, eine Baskenmütze und einen theatralisch wirkenden Umhang, der bis zu den Waden reichte und eigentlich nur im Freien angelegt wurde. Mittlerweile fühlte er sich in dieser Verkleidung regelrecht wohl, und das selbst während der gemeinsamen Essenspausen mit den Offizieren der Vespasian. Dennoch hatten die abschließenden Bemerkungen des Captains bei ihm ein unbehagliches Gefühl hinterlassen.

Williamson hielt die Situation auf Etla immerhin für so gefährlich, daß sie nach seinem Dafürhalten den Einsatz des größten Polizeischiffs rechtfertigte, das dem Monitorkorps derzeit zur Verfügung stand. Aber warum? Wo lag die Gefahr?

Um eine militärische Bedrohung konnte es sich auf Etla nicht handeln. Das Schlimmste, was die Etlaner anrichten konnten, war das, was sie Lonvellins Schiff angetan hatten, und dabei hatten sie allenfalls die Gefühle des EPLH verletzt, sonst aber nichts erreicht. Folglich mußte die Gefahr irgendwoher von draußen kommen.

Plötzlich glaubte Conway zu wissen, was dem Captain Kopfschmerzen bereitete. Das Imperium…

In einigen der Berichte war das Imperium erwähnt worden. Bislang war es die große Unbekannte. Die Beobachtungsschiffe des Monitorkorps hatten mit dem Imperium noch keinen Kontakt aufgenommen, was allerdings nicht weiter verwunderlich war, da dieser Sektor erst in etwa fünfzig Jahren vermessen werden sollte — und wenn Lonvellin an seinem Vorhaben nicht vorzeitig gescheitert wäre, hätte man diese Gegend niemals aufgesucht. Man wußte nur, daß Etla ein Bestandteil dieses Imperiums war und der Planet von ihm in regelmäßigen, wenn auch nur relativ großen Abständen mit Medikamenten versorgt wurde.

Nach Conways Auffassung sagten die Qualität dieser Arzneimittel und der lange Zeitraum zwischen den einzelnen Lieferungen eine Menge über die Wesen aus, die für diese Hilfssendungen verantwortlich waren. Auf medizinischem Gebiet konnten sie nicht sehr weit fortgeschritten sein, sonst hätten die Medikamente wenigstens einige der derzeit auf Etla grassierenden Epidemien eingedämmt, und sei es nur vorübergehend. Außerdem waren diese Wesen höchstwahrscheinlich arm, sonst wären die Schiffe sicherlich in kürzeren Zeitabständen gekommen. Conway würde sich nicht wundern, wenn sich dieses mysteriöse Imperium lediglich als ein Mutterplanet mit einigen daniederliegenden Kolonien entpuppen würde. Am wichtigsten für ihn aber war, daß ein Imperium — sei es nun groß oder klein —, das seine heruntergewirtschafteten Kolonien regelmäßig mit Medikamenten versorgte, alles andere als eine Gefahr oder Bedrohung darstellen konnte. Ganz im Gegenteil, denn nach den ihm zur Verfügung stehenden Informationen mußte er die Vorgehensweise dieses Imperiums sogar gutheißen.

Während er sich ins Bett legte, sagte er sich, daß Captain Williamson offenbar dazu neigte, sich um alles zuviel Sorgen zu machen.

Загрузка...