Kapitel 16

Wir drehten die Erhängungsszene am nächsten Morgen, Montag früh, in der auseinandergenommenen Stallbox oben im Haus.

Moncrieff warf ein Seil über die Deckenbalken und schwang daran hin und her, um die Stabilität des Sets zu testen, aber dank der massiven Hüttensteine und der schweren Anker, die die neuen Wände mit dem alten Fußboden verbanden, ging nicht das leiseste Zittern durch die Kulisse, und man konnte die Produktionsabteilung förmlich aufatmen hören. Der strohbedeckte Beton in den Boxenabschnitten schluckte all die verräterisch hohlen Geräusche, das illusionszerstörende Geklapper, das in so vielen scheinbar festgefügten Hollywood-»Villen« die Akteure auf Schritt und Tritt begleitet.

»Wo sind Sie denn nach unserer Kurzbesprechung gestern abend abgeblieben?« fragte Moncrieff. »Howard hat Sie überall gesucht.«

»So?«

»Ihr Wagen hat Sie zum Hotel gebracht, Sie haben oben ein Sandwich gegessen, während wir die Arbeit von heute besprochen haben, und dann waren Sie auf einmal verschwunden.«

»Na, jetzt bin ich ja wieder da.«

»Ich habe Howard auch gesagt, daß Sie heute morgen bestimmt hier sind.«

»Tausend Dank.«

Moncrieff grinste. »Howard lag sehr daran, Sie zu sehen.«

»Mhm. Ist unsere Yvonne hier?«

»In der Maske«, sagte Moncrieff und nickte lüstern. »Wirklich zum Anbeißen.«

»Langes blondes Haar?«

Er nickte. »Die Perücke, die Sie angefordert haben. Wo waren Sie denn nun?«

»Nicht weit«, sagte ich vage. Ich war meinen Aufpassern entwischt, zu Fuß über die Heide zum Stall gegangen, hatte mich beim Wachmann an der Haustür eingetragen und ihn gebeten, falls jemand nach mir fragte, zu sagen, daß ich nicht da sei, da ich ungestört arbeiten wolle.

»Geht in Ordnung, Mr. Lyon«, versprach er, meine Launen gewohnt, und so hatte ich in Ruhe von meinem Büro im Erdgeschoß aus Robbie Gill anrufen können.

»Tut mir leid, Sie am Sonntag abend zu stören«, entschuldigte ich mich.

»Ich habe nur ferngesehen. Was kann ich für Sie tun?«

»Ist Dorothea soweit auf dem Damm, daß sie statt am Dienstag schon morgen verlegt werden kann?« fragte ich.

»Haben Sie sie heute besucht? Wie war Ihr Eindruck?«

»Sie sehnt sich nach der Privatklinik, sagt sie, und ihr Kampfgeist kommt auch langsam wieder. Aber medizinisch gesehen. würde sie’s packen?«

»Hm.«

»Sie erinnert sich wieder viel klarer an den Überfall«, sagte ich. »Sie hat das Gesicht des Angreifers gesehen, kennt ihn aber nicht. Sie hat auch das Messer gesehen, mit dem sie verletzt wurde.«

»Gott«, rief Robbie aus, »der verlängerte Schlagring?«

»Nein. Es war dasselbe, das ich dann abgekriegt habe.«

»Himmel.«

»Bringen Sie sie also möglichst morgen weg. Und weisen Sie sie unter einem falschen Namen in die Privatklinik ein. Sie ist in Gefahr.«

»Du meine Güte.«

»Sie erinnert sich, daß Paul den Angriff auf sie gestoppt und ihr effektiv das Leben gerettet hat. Das tröstet sie. Sie ist erstaunlich. Drei schwere Schläge hat sie erlebt, aber ich glaube, sie wird damit fertig.«

»Hart im Nehmen. Keine Bange, ich verlege sie.«

»Prima.«

Ich schwieg. »Die Polizei hat uns doch die Fingerabdrücke abgenommen, um sie mit den Abdrücken bei Dorothea zu vergleichen, wissen Sie noch?«

»Na klar. Auch Dorothea und Betty und ihrem Mann haben sie sie abgenommen, und die von Valentine haben sie sich von seinem Rasierer geholt.«

»Und da waren noch andere«, sagte ich, »die sie nicht zuordnen konnten.«

»Klar. Mehr als einer, glaube ich. Ich habe meinen Kollegen von der Polizei gefragt, wie die Ermittlungen vorangehen. Festgefahren, wie es scheint.«

»Mhm«, sagte ich. »Ein Teil der nicht identifizierten Abdrückte dürfte von O’Hara stammen und einige von Bill Robinson.«

Ich erklärte, wer Bill Robinson war. »Und dann muß da noch jemand sein - Dorotheas Angreifer hat keine Handschuhe getragen.«

Robbie sagte atemlos: »Sind Sie sicher?«

»Ja. Sie sagt, sie hat die Hand am Griff gesehen, und er hatte schmutzige Fingernägel.«

»Gott.«

»Als er in ihr Haus kam, hat er nicht damit gerechnet, daß sie dasein würde. Er hatte den Angriff auf sie nicht geplant. Er wollte zusammen mit Paul etwas suchen, das sie bei Valentine vermuteten, und ich denke mal, sie haben aus Wut und Enttäuschung darüber, daß sie nichts finden konnten, die Bude auseinandergenommen. Jedenfalls müssen seine Fingerabdrücke da überall sein.«

Robbie sagte verblüfft: »Wessen?«

»Das sage ich Ihnen, wenn ich mir sicher bin.«

»Lassen Sie sich nicht umbringen.«

»Wie käme ich dazu?« sagte ich.

Yvonne kam zur gewünschten Zeit nach oben und erwies sich als die handelsübliche, bei Filmbossen so beliebte halbverhungerte kalifornische Elfe, ein Kunstgeschöpf, das nicht im entferntesten der echten, lachenden, leichtsinnigen Sonia glich.

Sonia hatte den eher konservativen Zeitungen zufolge bei ihrem Tod einen rosenroten Satinunterrock getragen, während die Revolverblätter im Fettdruck von einem »leuchendroten Mini mit Spaghettiträgem und schwarzen, hochgeschnürten Sandalen mit hohen Glitzerabsätzen« zu berichten wußten.

Kein Wunder, dachte ich, daß man an einem Selbstmord gezweifelt hatte.

Yvonne die Traumverliebte trug ein loses weißes Tageskleid, in amerikanischen Modekreisen »Float« genannt wegen des weich fließenden Materials, unter dem sich nur die Konturen, die es berührt, abzeichnen. Dazu trug sie auf meinen Wunsch schwere goldene Ohrgehänge mit Perlen und eine Perlenkette, die beinah bis zum Nabel reichte.

Sie sah wunderschön ätherisch aus, doch ihre Stimme klang breit.

»Heute morgen«, sagte ich, »drehen wir die Szenen schön der Reihe nach. Das heißt, als erstes kommen Sie durch die Stalltür da.«

Ich zeigte hin. »Sie haben Hintergrundlicht. Wenn Moncrieff soweit ist, bleiben Sie bitte in der Tür stehen und drehen langsam den Kopf, bis wir >Halt!< sagen, und wenn Sie sich den Winkel merken und in der Einstellung den Kopf wieder genauso halten, gibt das einen guten Effekt. Sie treten ein, blicken aber zurück. Okay? Ihren Text können Sie ja wohl.«

Sie sah mich mit großen, feucht schimmernden Augen verständnislos an: toll für den Film, nicht so gut für den zügigen Ablauf der Dreharbeiten.

»Ich habe gehört«, sagte sie, »daß Sie böse werden, wenn Sie eine Szene mehr als dreimal drehen müssen. Stimmt das?«

»Vollkommen.«

»Dann konzentrier ich mich am besten mal.«

»Engelchen«, sagte ich mit ihrem Akzent, »tun Sie das, und ich bringe Sie in die Talkshows.«

»Die Today Show?«

»Nichts ist unmöglich.«

Berechnung trübte den Blick der unvergleichlichen veilchenblauen Augen, und wortlos ging sie zur Seite und studierte ihr Skript.

Klar zum Gefecht, legten wir los. Als Moncrieff mit seiner Lichtsetzung zufrieden war, stellten wir Yvonne in den Eingang und bewegten sie Zentimeter für Zentimeter, bis das Licht von draußen durch ihr dünnes Kleid schien und der Kamera im Inneren ihren Körper enthüllte: zu flach-brüstig für meinen Geschmack, aber so traumverloren unwirklich, wie ich es erhofft hatte.

»Nicht schlecht«, murmelte Moncrieff, durch den Sucher schauend.

Ich sagte: »Können Sie die Ohrringe zum Leuchten bringen?«

»Sie stellen vielleicht Ansprüche!«

Er setzte ein Inkie - einen Mini scheinwerf er - so, daß die Perlen und das Gold unter ihren Ohren aufblitzten.

»Prima«, sagte ich. »Sind alle soweit? Wir proben mal. Yvonne, denken Sie dran, daß Ihnen ein grobschlächtiger Mann nachsteigt, der Lichtjahre von einem Traumliebhaber entfernt ist. Insgeheim lachen Sie ihn schon aus, aber Sie lachen ihm nicht ins Gesicht, da es in seiner Macht steht, Nash - das heißt, Ihrem Filmehemann - das Leben schwerzumachen. Stellen Sie sich vor, daß Sie ein Mann verfolgt, den Sie sexuell verachten, zu dem Sie aber nicht unhöflich sein dürfen.«

Yvonne kicherte. »Was gibt’s da zu schauspielern? Die treffe ich jeden Tag.«

»Mit Sicherheit«, murmelte Moncrieff in seinen Bart.

»Okay dann«, sagte ich, mir ein Lachen verkneifend, »gehen wir’s mal durch. Alles klar? Und.«, eine Pause, »bitte.«

Yvonne machte es im zweiten Probelauf goldrichtig, und dann bannten wir die Szene zweimal auf Zelluloid, beide Male kopierbar.

»Sie sind ein Schatz«, sagte ich. Und sie hörte es gern. Silva hätte vielleicht von »Sexismus« und »Belästigung« gesprochen. Ich mochte alle Frauen, nur hatte ich, wie bei den männlichen Schauspielern auch, herausgefunden, daß man Zeit sparte, wenn man ihr Selbstverständnis akzeptierte, statt es anzufechten.

In der Szene jetzt hatte Yvonne zu einem Mann, der nicht im Bild war, gesagt, sie habe versprochen, eine Box für ein in Kürze eintreffendes Pferd herzurichten, dann aber nicht mehr daran gedacht, und wolle es jetzt nachholen, bevor sie sich mit ihrem Mann, der auf dem Rückweg vom Pferderennen sei, auf einer Party treffe.

Blöd, daß sie die weißen Sandalen anhabe, sagte sie, hier auf dem unebenen Boden. Würde er ihr bitte helfen, die Heuballen wegzuräumen - und ihre Wimpern klimperten -, wo er doch so viel größer und stärker sei als die kleine Yvonne?

»Für die würde ich mich hinlegen und sterben«, meinte Moncrieff.

»Das hat er ja auch mehr oder weniger getan.«

»Sie Zyniker«, schimpfte Moncrieff und richtete das Licht auf einen Punkt hoch oben zwischen den Dachbalken aus.

Ich ging mit Yvonne die Szene durch, in der sie begriff, daß der Mann mehr von ihr wollte, als ihr lieb war. Wir spielten Überraschung, Unbehagen, Abscheu und den gefährlichen Spott durch. Ich vergewisserte mich, daß sie jeden einzelnen Schritt verstand und für sich nachvollziehen konnte.

»Die meisten Regisseure brüllen mich bloß an«, sagte sie bei der Probe, als sie gerade zum fünften oder sechsten Mal ihren Text verpatzt hatte.

»Sie sehen unfaßbar gut aus. Jetzt spielen Sie einfach die Fassungslose. Dann lachen Sie ihn aus. Manche Männer können es nicht ertragen, wenn Frauen sie auslachen. Er lechzt nach Ihnen, und Sie finden ihn komisch. Sie bringen ihn mit Ihrem Spott um den Verstand. Er bringt Sie um.«

Völliges Verständnis erhellte ihre reizenden Züge. »Halten Sie die Zwangsjacke bereit«, sagte sie.

»Yvonne, ich liebe Sie.«

Wir machten eine lange Reihe Aufnahmen von ihrem Gesicht, eine Gefühlsregung nach der anderen, und viele Aufnahmen von negativen körpersprachlichen Botschaften, von wachsender Angst, von Panik, von verzweifeltem Unglauben - alles in allem genug, um den absoluten Horror der unerwarteten Konfrontation mit dem eigenen Tod herauszuarbeiten.

Yvonne durfte in die Mittagspause gehen, während Moncrieff und ich die Crews filmten, wie sie schwere Stricke rasch über die Dachbalken warfen und furchterregende Knoten banden, um die Gewalt, das Tempo, die Gnadenlosigkeit zu zeigen, um die es mir ging. Natürlich brauchten wir jeweils viele Minuten, um ein Bild anzulegen und einzufangen, aber später im Kino, wenn die gelungensten Einstellungen ruck, zuck aufeinanderfolgten, würde das Grauen des Erhängens den Popcorn-Essern die Sprache verschlagen.

Ich setzte mich neben Yvonne auf einen Heuballen. Ich sagte: »Heute nachmittag fesseln wir Ihnen die Hände mit dem dicken Seil, das jetzt da vom Dachbalken herunterhängt.«

Sie nahm es gelassen.

»Der Mann hat Sie inzwischen so verängstigt, daß Sie fast erleichtert sind, daß er nur Ihre Hände fesselt.«

Sie nickte.

»Aber plötzlich nimmt er das vom Balken herunterhängende Seil und schlingt es Ihnen um den Hals, erst einmal, dann noch mal, und er zieht es so straff, daß Ihre Perlenkette entzweigeht und Ihnen ins Kleid rutscht, dann zieht er mit aller Gewalt am anderen Ende des über den Balken geworfenen Seils und, ehm. er reißt Sie hoch. und hängt Sie auf.«

Mit großen Augen fragte sie: »Was sage ich dann? Flehe ich ihn an? Da schweigt das Drehbuch.«

»Sie sagen nichts«, sagte ich. »Sie schreien.«

»Ich schreie?«

»Ja. Können Sie das?«

Sie öffnete den Mund und stieß einen markerschütternd schrillen Schrei aus, der sämtliche am Drehort Anwesenden alarmierte und ihr zu Hilfe eilen ließ.

Sie kicherte.

»Yvonne hat keiner geholfen«, sagte ich bedauernd, »aber den Schrei wird niemand vergessen.«

Wir filmten die brutale Erhängung, aber ohne uns dem Risiko der Zensur auszusetzen. Wir zeigten kein blau angelaufenes Gesicht, keine schrecklich verquollenen Züge. Ich wies Yvonne an, wie rasend zu zappeln, während wir sie an den Handgelenken festhielten, aber ich filmte sie nur vom in der Schlinge steckenden Hals bis zu den Füßen, die sich verzweifelt nach dem unerreichbaren Boden streckten. Wir filmten, wie sie einen ihrer weißen Schuhe verlor. Wir richteten die Kamera auf den Schuh, während der Schatten ihrer letzten Zuckungen auf die weiß getünchten Wände fiel, und wir filmten ihre losen Perlen und einen verbogenen Ohrring im Stroh, Zentimeter unter ihren nackten, zuckenden Zehen.

Danach ließ ich sie herunter und drückte sie dankbar; sie sei wunderbar, hinreißend, mitreißend, anrührend, sagte ich ihr; sie könne die Ophelia im Schlaf spielen und werde garantiert in der Today Show auftreten (und so kam es zum Glück dann auch wirklich).

Ich hatte von Anfang an vorgehabt, den Akt des Erhängens getrennt vom Mörder zu filmen, falls wir in einer späteren Phase die Story noch einmal radikal überdenken müßten. Wurden Tat und Täter jeweils für sich gefilmt, konnte man hinter dem Strick jedes gewünschte Gesicht einblenden. An diesem Nachmittag aber hatte ich Cibber gebeten, den Text des Mörders zu lernen, und er hatte ihn nur ungefähr im Kopf, als er auf dem Set erschien, paffte dafür aber um so genüßlicher eine lange Zigarre und gab mit sonorem Organ unpassende Witze zum besten.

Er tätschelte Yvonnes Hintern. Dummer alter Clown, dachte ich - und machte mich daran, ihn in einen brünstigen Stier zu verwandeln.

Ich stellte ihn in den Krippenabschnitt und gab ihm einen Aschenbecher, damit er das Stroh nicht in Brand setzte. Wir stellten Yvonne so, daß ihr weißes Kleid unscharf vorn am Bildrand auftauchte und ihre Anwesenheit klar ersichtlich war.

Moncrieff, auf das Licht konzentriert, klammerte Blaufolie vor einen der Scheinwerfer. Er blickte durch den Sucher und lächelte. Ich schaute auch durch, und verstand: Der Schauspieler, wartend, blinzelte gelangweilt, während wir herumlaborierten, und erschien durch das Blau in einem wirklich zweifelhaften Licht.

Cibber war in Howards Buchvorlage eine Säule des Jok-key Clubs gewesen, ein rechtschaffenes, unglückliches Opfer der Umstände. Widerstrebend hatte Howard sich den Wünschen der Filmgesellschaft gefügt und eine (unbedeutende) Affäre zwischen Cibbers Frau (Silva) und Nash Rourke hinzugedichtet. Ebenso zögernd hatte er sich dazu überreden lassen, daß Cibber Nash als den mutmaß-lichen Mörder seiner eigenen Frau Yvonne verfolgen sollte. Noch wußte Howard nicht, daß Cibber selbst die tödliche Schlinge geknüpft hatte. Ich würde Ärger mit Howard bekommen. Nichts Neues.

Für mich war die Figur des Cibber zentral für die Dynamik des Films. Der Cibber, den ich vor mir sah, war ein von seiner gesellschaftlichen Stellung eingeengter Mensch, ein Mann, den Erziehung, Wohlstand und die Erwartungen von seinesgleichen in die Schablone des aufrechten Puritaners gezwängt hatten, den zu lieben schwerfiel und der selbst liebesunfähig war. So konnte Cibber keinen Spott vertragen; er ertrug es nicht, daß seine Frau ihm einen Liebhaber vorzog, daß Kellner mitanhörten, wie sie ihn verhöhnte. Cibber erwartete, daß man nach seiner Pfeife tanzte. Er war vor allem anderen Respekt gewohnt.

Und doch war Cibber im Innern ein roher und leidenschaftlicher Mensch. Cibber erhängte Yvonne in einem Anfall unbezähmbarer Wut, als sie über seine versuchte Vergewaltigung lachte. Entsetzt und unfähig, der eigenen Schuld ins Auge zu sehen, verfolgte Cibber Nash bis zur Paranoia und darüber hinaus: Cibber würde schließlich untergehen und seelisch zerstört werden, wenn Nash nach vielen Fehlschlägen herausfand, daß sein Verfolger nur zu besiegen war, indem man ihn zur Zielscheibe mitleidigen Spotts machte. Cibber würde zum Schluß in die stumme Bewegungsstarre der Katatonie verfallen.

Ich sah Cibber, den Schauspieler, an und fragte mich, wie ich jemals Cibber, den Mann, aus ihm herausholen sollte.

Ich begann an diesem Nachmittag, indem ich seine Selbstgefälligkeit wegfegte und ihm sagte, er verstehe nichts von Lust.

Er war empört. »Natürlich weiß ich, was Lust ist!« »Die Lust, die ich brauche, ist unbändig. Sie rast, brennt, wütet, tobt, läuft Amok. Sie ist mörderisch.«

»Und das soll ich alles spielen?«

»Schön wär’s. Ich glaube nicht, daß Sie das können. Daß Sie die Mittel dazu haben. Ich glaube, dazu sind Sie als Schauspieler nicht gut genug.«

Cibber erstarrte. Er drückte seine Zigarre aus. Und er lieferte an diesem Tag vor der Kamera eine Vorstellung von Lust, die Mitleid und Verständnis für seinen unwiderstehlichen Drang weckte, selbst als er mordete, um nicht dafür verspottet zu werden.

Auf die Rolle des Grandseigneurs war er fortan nicht mehr festgelegt.

»Ich hasse Sie«, sagte er.

Lucy war mit den Bücherkisten beschäftigt, als ich ins Hotel zurückkam und, ohne die Tür ganz zu schließen, meinen Salon betrat.

Sie kniete zwischen den Kartons und blickte leicht errötend auf, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.

»Entschuldigen Sie die Unordnung«, sagte sie nervös. »Ich dachte, Sie kämen erst nach sechs zurück wie sonst auch. Dann räume ich gleich mal auf. Und soll ich dir Tür zumachen?«

»Nein, lassen Sie sie angelehnt.«

Bücher und Papiere waren weithin über den Boden verstreut, und interessanterweise stammten viele davon aus Kisten, die sie schon durchgesehen und katalogisiert hatte. Die Mappe mit den Zeitungsausschnitten über Sonias Tod lag aufgeschlagen auf dem Tisch: Nur die harmlosen Ausschnitte, denn Valentines alles enthüllende Andenken waren in O’Haras Safe unter Verschluß.

»Sie haben ein paar Nachrichten bekommen«, stieß Lucy hervor und las von einem Notizblock ab. »Howard Tyler möchte Sie sprechen. Ein gewisser Ziggy, glaube ich, läßt Ihnen sagen, daß die Pferde ohne Zwischenfall in Im-mingham gelandet sind und jetzt in ihrem Stall stehen. Reimt sich das? Robbie - seinen Nachnamen wollte er nicht sagen - läßt Ihnen ausrichten, daß der Umzug über die Bühne gegangen ist. Und die Crew, die Sie zum Pferderennen nach Huntingdon geschickt haben, meint, sie hat ein paar gute Zuschauer- und Buchmacherbilder zusammengekriegt.«

»Danke.«

Ich betrachtete das allgemeine Durcheinander auf dem Fußboden und sagte freundlich: »Wonach suchen Sie?«

»Oh.«

Sie wurde noch röter. »Papa sagte. ich meine, Sie haben hoffentlich nichts dagegen, aber mein Onkel Ridley hat mich besucht.«

»Hier?«

»Ja. Ich wußte nicht, daß er kommen wollte. Er hat einfach angeklopft, ich hab aufgemacht, und drin war er. Ich habe ihm gesagt, Sie hätten das vielleicht nicht gern, und er meinte, das sei ihm sch -, also das sei ihm ganz egal.«

»Hat Ihr Vater ihn geschickt?«

»Ich weiß nicht, ob er ihn geschickt hat. Er hat ihm gesagt, wo ich bin und was ich mache.«

Ich verhehlte ihr meine innere Befriedigung. Ich hatte stark gehofft, Ridley zum Handeln veranlassen zu können, und ich hatte auf Jackson als Mittler gesetzt.

»Was wollte Ridley?« fragte ich.

»Er hat gesagt, das dürfe ich Ihnen nicht erzählen.«

Sie stand auf, blickte bekümmert aus den blauen Augen.

»Mir gefällt das nicht. und ich weiß nicht, was ich machen soll.«

»Pflanzen Sie sich irgendwohin und entspannen Sie sich.«

Ich ließ mich steif in einen Sessel sinken und lehnte meinen eingezwängten Hals an. »Rückenschmerzen«, sagte ich zur Erklärung. »Nicht der Rede wert. Was wollte Ridley?«

Sie setzte sich unschlüssig seitlich auf die Tischkante und ließ ein Bein baumeln. Die obligatorischen Jeans begleitete diesmal ein weiter blauer Pullover, über den weiße Lämmer hüpften: Nichts hätte weniger bedrohlich sein können.

Sie entschloß sich. »Er wollte das Foto von der >Gang<, das Sie Papa gestern gezeigt haben. Und er wollte alles, was Valentine über Sonia geschrieben hat. Deshalb hat er das ganze Zeug hier ausgekippt. Und«, ihre Stirn krauste sich, »er wollte die Messer.«

»Was für Messer?«

»Das hat er mir nicht gesagt. Ich fragte ihn, ob er das Messer meinte, das mir der Junge in Huntingdon für Sie gegeben hat, und er sagte, das und noch andere.«

»Und was haben Sie geantwortet?«

»Na, daß ich sonst keine gesehen habe, und wenn Sie so was hätten, daß Sie es dann sicher unter Verschluß halten würden. Tja. und dann hat er mir gesagt, ich soll die Kombination für den Safe hier aus Ihnen rauslocken. Den hat er nämlich aufzukriegen versucht.«

Sie schwieg unglücklich. »Ich weiß, ich hätte ihn nie reinlassen dürfen. Worum geht’s denn eigentlich?«

»Kopf hoch«, sagte ich, »und lassen Sie mich nachdenken.« »Soll ich die Bücher wieder einräumen?«

»Ja, bitte.«

Ordnung muß sein.

»Lucy«, sagte ich, »warum haben Sie mir gesagt, was Ridley wollte?«

Sie sah verlegen aus. »Soll das heißen, warum ich nicht zu meinem Onkel halte?«

»Ja.«

»Mir hat nicht gefallen, wie er >rauslocken< gesagt hat. Und, na ja. er ist auch nicht mehr so nett, wie er mal war.«

Ich lächelte.«Gut. Wenn ich Ihnen jetzt die Safekombination sage, würden Sie sie dann bitte an Ridley weitergeben? Und ihm erzählen, wie schlau Sie sie aus mir rausgelockt haben? Und daß ich Ihrer Meinung nach wirklich Messer im Safe habe?«

Sie zögerte.

Ich sagte: »Ergreifen Sie entweder für ihn oder für mich Partei, aber bleiben Sie bei einem.«

Sie sagte feierlich: »Ich bin auf Ihrer Seite.«

»Dann ist die Kombination sieben-drei-fünf-zwei.«

»Jetzt gleich?« fragte sie, nach dem Telefon greifend.

»Jetzt gleich.«

Sie sprach mit ihrem Onkel. Sie log mit knallrotem Kopf, aber sie hätte auch mich überzeugt, von Ridley ganz zu schweigen.

Als sie auflegte, sagte ich: »Wenn ich mit der Arbeit an diesem Film fertig bin, so in viereinhalb Monaten wahrscheinlich, würden Sie dann gern mal Ferien in Kalifornien machen? Ohne irgendwelche Bedingungen, ohne Erwartungen«, setzte ich schnell hinzu. »Einfach Ferien. Sie können Ihre Mutter mitbringen, wenn Sie wollen. Ich denke mir nur, es würde Sie vielleicht interessieren, weiter nichts.«

Die Verlegenheit, mit der sie diesen Vorschlag aufnahm, war liebenswert. Ich war genau das, wovor man sie gewarnt hatte: ein gesunder junger Mann in einflußreicher Stellung, interessiert an Eroberungen aller Art.

»Ich werde nicht versuchen, Sie zu verführen«, versprach ich leichthin. Aber ich würde sie vielleicht heiraten, wenn sie erst mal älter war, dachte ich unerwartet. Immer und überall umgaben mich Schauspielerinnen. Eine blauäugige Farmerstochter aus Oxfordshire mit Sommersprossen auf der Nase, die hin und wieder in die Rolle des linkischen Teenagers zurückfiel, schien als Zukünftige weit hergeholt und wenig realistisch.

Es hatte nicht wie ein Blitz eingeschlagen: Da war nur eine stille, anregende Freude, die nicht wegging.

Ihre erste Reaktion war unvermittelt und typisch. »Das kann ich mir nicht leisten.«

»Ach so.«

»Aber, ehm. trotzdem.«

»Lucy!«

Ihr Kopf blieb rot. »Sie verwandeln sich bestimmt in einen Frosch.«

»Kermit ist nicht so übel«, meinte ich abschätzend.

Sie kicherte. »Was soll mit den Kartons werden?«

Ihre Arbeit mit den Kartons war ursprünglich mein Draht zu ihrem Vater gewesen. Es war vielleicht nicht nötig, daß sie noch daran arbeitete, aber ich hatte mich daran gewöhnt, sie hier in meinen Räumen vorzufinden.

»Ich hoffe, Sie katalogisieren morgen weiter«, sagte ich.

»In Ordnung.« »Aber heute abend muß ich an dem Film arbeiten. ehm, allein.«

Sie wirkte zwar ein wenig enttäuscht, aber mehr noch erleichtert. Ein gewagter Schritt vorwärts. ein vorsichtiger halber Schritt zurück. Doch eines Tages würden wir es schaffen, dachte ich und war zufrieden, ja sogar beruhigt, daß es Zeit damit hatte.

Wir gingen durch die noch immer einen Spalt weit geöffnete Tür, und ich begleitete Lucy durch den Gang bis zur Treppe, winkte ihr und unterhielt mich, als ich zurückkam, kurz mit meinem Bodyguard, den O’Hara auf Wunsch der Filmgesellschaft jetzt in dem Zimmer gegenüber meiner Suite einquartiert hatte.

Mein Bodyguard, ein Halbasiate, hatte glattes schwarzes Haar, glänzende schwarze Augen und keine erkennbaren Gefühlsregungen. Er mochte jung, wendig, durchtrainiert und schnell zu Fuß sein, aber er war auch einfallslos und hatte mich nicht vor dem Armadillo bewahrt.

Als ich seine unverschlossene Tür aufstieß und ihn hellwach auf einem Stuhl vor mir sitzen sah, sagte er prompt: »Ihre Tür war die ganze Zeit offen, Mr. Lyon.«

Ich nickte. Wir hatten vereinbart, daß er, sobald er sah, daß meine Tür geschlossen war, meinen Schlüssel benutzen und hereinkommen solle. Einen klareren und einfacheren Hilferuf konnte ich mir nicht denken.

»Haben Sie gegessen?« fragte ich.

»Ja, Mr. Lyon.«

Ich versuchte ein Lächeln. Keine Reaktion.

»Schlafen Sie nicht ein«, sagte ich lahm.

»Nein, Mr. Lyon.«

O’Hara hatte ihn wahrscheinlich über die Rollenvermittlung an Land gezogen, dachte ich. Schlechte Wahl.

Ich kehrte in meinen Salon zurück, ließ die Tür zwanzig Zentimeter offen, trank einen Schluck Brandy und bekam einen Anruf von Howard.

Wie vorauszusehen tobte er.

»Cibber hat mir erzählt, Sie haben aus ihm den Mörder gemacht. Das ist doch unmöglich! Das geht nicht, das lasse ich nicht zu! Was sollen denn die Visboroughs dazu sagen?«

Ich wies darauf hin, daß wir bei Bedarf einen anderen Mörder einfügen konnten.

»Cibber sagt, Sie haben ihn in Stücke gerissen.«

»Cibber hat die Vorstellung seines Lebens geliefert«, widersprach ich - und tatsächlich bekam der Film schließlich vier Oscar-Nominierungen und Cibber den Oscar für die beste Nebenrolle, so daß er mir im Jahr darauf gnädig verzieh.

»Morgen früh«, versprach ich Howard, »halten wir eine ausführliche Drehbuchbesprechung ab. Sie, ich, Nash und Moncrieff.«

»Ich möchte, daß Sie den Film abbrechen.«

»Das steht nicht in meiner Macht.«

»Und wenn Sie sterben?« fragte er.

Nach einer Pause sagte ich: »Dann dreht die Filmgesellschaft mit einem anderen Regisseur weiter. Glauben Sie mir, Howard, wenn ich umgebracht würde, wäre das eine Riesenreklame für den Film - es würde ihn keineswegs verhindern.«

»Das ist nicht fair«, jammerte er, als ob er nichts dazugelernt hätte, und ich sagte: »Bis morgen«, und legte seufzend auf.

Der Safe in meinem Salon war wie O’Haras auch in einem Wandschrank versteckt, der oben ein großes Fernsehgerät beherbergte und unten eine Minibar sowie den Safe. Die Minibar enthielt eine kleine Auswahl von Getränken für den durstigen Reisenden - Schnaps, Wein, Champagner und Bier, dazu Schokolade und Nüsse. Der Safe -mein Safe - enthielt nichts. Ich stellte ihn auf die Kombination sieben-drei-fünf-zwei ein, vertraute ihm das »Gang«-Foto an und sperrte ihn zu.

Dann setzte ich mich in den Sessel in meinem Schlafzimmer und wartete lange und dachte über das Beichtgeheimnis nach und darüber, ob oder wieweit ich verpflichtet war, das Geheimnis der verzweifelten Beichte des sterbenden Valentine zu wahren.

Ich spürte die schwere Bürde der priesterlichen Schweigepflicht, die wirkliche Priester oft leichtnehmen, da sie wissen, daß ihre Rolle sie von der letzten Verantwortung entbindet, auch wenn sie lasterhafte Gewohnheiten verzeihen. Ich hatte nicht das Recht gehabt, Valentines Beichte zu hören und ihm seine Sünden zu vergeben, und beides hatte ich getan. Ich hatte ihn losgesprochen. »In nomine Patris... ego te absolvo.«

Ohne es zu wollen, fühlte ich mich unbedingt an den Geist dieser Worte gebunden. Ich konnte und durfte meine Haut nicht mit der Preisgabe des Geheimnisses retten, das er mir als Priester anvertraut hatte, als er im Sterben lag. Andererseits durfte ich guten Gewissens nutzen, was er mir in seinem Testament vermacht hatte.

Ich war unter seinen Büchern und Papieren nicht auf ein einzelnes, alles verratendes Indiz gestoßen, das man beim Durchstöbern seines Hauses hätte finden können. Die Teile waren da, aber unauffällig und verborgen. Ich hatte sie mit viel Glück zusammengefügt. Ich wünschte, ich hätte etwas Schlüssigeres gehabt als das »Gang«-Foto, um den Safe mit einem Köder zu bestücken, aber wie es aussah, gab es das nicht. Valentine hatte seine größte Sünde nicht aufgeschrieben; er hatte sie in seinen letzten lichten Augenblicken bekannt, aber sicher nicht gewollt, daß sie ihn überlebte. Er hatte sein sechsundzwanzig Jahre altes Geheimnis nirgendwo konkret und bündig festgehalten.

Zweieinhalb Stunden nachdem ich mit Howard gesprochen hatte, traf mein Besuch ein. Er kam an die Salontür und rief meinen Namen, und als ich nicht gleich antwortete, trat er kurzerhand ein und schloß die Tür hinter sich. Ich hörte sie einklinken. Ich hörte, wie er den Wandschrank öffnete und die Kombination des Safes drückte.

Ich schlenderte an meine Schlafzimmertür und begrüßte ihn.

»Tag, Roddy.«

Er trug Blazer, Hemd und Krawatte. Er sah wie ein Inbild springreiterlicher Korrektheit aus, und er hielt das »Gang«-Foto in der Hand.

»Suchen Sie etwas?« fragte ich.

»Ehm«, sagte Roddy Visborough höflich, »eigentlich ja. Es ist vielleicht eine kleine Zumutung, aber eins von den Kindern, die bei mir Reitstunden nehmen, hat mich gebeten, ihm ein Autogramm von Nash Rourke zu besorgen. Howard hat mir versichert, daß Sie ihn darum bitten werden.«

Er legte das Foto auf den Tisch und kam mit einem Autogrammheft und einem Kuli in den Händen auf mich zu.

Das geschah so völlig unerwartet, daß ich Professor Der-rys Warnung - alles, was er bei sich hat, kann in Wirklichkeit ein Messer sein - vergaß und ihn zu nah herankommen ließ.

Er ließ das Autogrammheft vor meinen Füßen fallen, und als ich unwillkürlich hinsah, riß er den goldfarbenen Kuli so schnell auf, daß ich es gar nicht mitbekam, und stach auf mich ein.

Die freigelegte Spitze des Stiletts ging glatt durch meinen Jersey und mein Hemd und traf über meinem Herzen auf stabiles Polymer.

Selbst ungläubig und verwirrt, warf Roddy den Stift hin, griff nach seinem Schlips und zog mit einem Ruck ein viel größeres Messer darunter hervor, ein furchterregendes Ding mit einer Dreiecksklinge, ähnlich einer Traufel, befestigt an einem Schaft, der zwischen seinen Fingern hindurchlief und zu einem Knauf in seiner Hand führte.

Im Augenblick sah ich nur die Dreiecksklinge, die aus seiner Faust herauswuchs, als wäre sie ein Teil von ihr, das breite Ende vor den Knöcheln, die Spitze zwölf bis fünfzehn Zentimeter vorstehend.

Er stach sofort nach meiner Kehle und wurde auch dort von Robbies Werk gebremst, aber mit einer einzigen raschen Bewegung riß er die Klinge hoch, so daß sie mir ins Kinn schnitt und einen Strich über die Wange bis zur Schläfe zog.

Ich hatte nicht vorgehabt, mit ihm zu kämpfen. Davon verstand ich nichts. Und wie sollte man mit bloßen Fäusten einen so gefährlich bewaffneten Gegner abwehren?

Er wollte mich umbringen. Ich sah es ihm an. Er würde Blut auf seine elegante Kleidung bekommen. Man denkt so ungereimtes Zeug in Augenblicken höchster Gefahr. Er begriff, daß ich vom Hals bis zur Taille gepanzert war, zielte auf ungeschützte Bereiche und stieß mir seine fürchterliche Dreiecksklinge mehrmals in den linken Arm, während ich meine Augen abschirmte und vergebens versuchte, hinter ihn zu gelangen und mit dem rechten Arm seinen Hals zu umklammern.

Ich wich ihm aus. Wir liefen im Kreis durch das Schlafzimmer. Er war darauf bedacht, bei seinem Angriff zwischen mir und der Tür zu bleiben.

Alles war voll roter Spritzer, ein roter Fluß lief mir über die linke Hand. Ich rief aus Leibeskräften meinen verdammten Bodyguard, und nichts geschah, so daß ich schon anfing zu glauben, was immer nachher mit Roddy passierte, würde nicht mehr meine Sorge sein.

Ich riß den Überwurf vom Bett und warf ihn nach Roddy, und zum Glück verfing er sich an Roddys rechter Hand. Ich sprang ihn an. Ich warf mich gegen ihn und wickelte seinen rechten Arm fest in die Decke. Ich warf ihn um - stellte ein Bein hinter das seine, zog ihn hintenüber und wälzte mich mit ihm am Boden und schlang den Überwurf immer noch enger um ihn, bis er darin eingesponnen war, bis ich blutend auf ihm liegenblieb, so sehr er mich abzuwerfen versuchte.

Ich weiß nicht, wie es ausgegangen wäre, aber jetzt kreuzte endlich doch mein Bodyguard auf.

Er erschien in der Badezimmertür und fragte: »Mr. Lyon?«

Ich konnte ihm nicht mehr vernünftig antworten. Ich sagte: »Holen Sie jemanden.«

Nicht gerade der Spruch eines Nash-Rourke-Helden.

Er nahm mich jedenfalls beim Wort. Ich hörte ihn undeutlich im Salon telefonieren, und bald darauf war meine Suite voller Leute. Moncrieff, Nash selbst, starke Männer aus der Küche des Bedford Lodge, die auf dem sich windenden Überwurf hockten, und schließlich auch Männer, die sagten, sie seien Polizeibeamte, Sanitäter und so fort.

Ich bat den Hoteldirektor wegen der Blutflecke um Entschuldigung. Nun ja.

»Wo zum Teufel haben Sie gesteckt?« fragte ich meinen Bodyguard. »Haben Sie nicht gesehen, daß meine Tür zu war?«

»Doch, Mr. Lyon.«

»Na, und?«

»Aber Mr. Lyon«, verteidigte er sich selbstgerecht, »manchmal muß ich doch zur Toilette gehen.«

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