Einige Brocken

Die Zeit verging. Felurian führte mich tagwärts zu einem Wald, der noch älter und majestätischer war als der, in dem ihre dämmrige Lichtung lag. Wir kletterten auf Bäume, die so hoch und breit wie Berge waren. Saß man in deren Krone, wiegte der Baumriese sich unter einem im Wind wie ein Schiff in der Dünung. Dort oben, mit nichts als dem blauen Himmel über uns und dem Baum unter uns, lehrte Felurian mich »Efeu auf der Eiche«.

Ich wollte ihr Tak beibringen, musste aber feststellen, dass sie es schon kannte. Sie schlug mich souverän und spielte so schön, dass Bredon Freudentränen gekommen wären.

Ich lernte einige Brocken ihrer Sprache, aber nicht viele. Genau genommen nur sehr wenige.

Der Ehrlichkeit halber muss ich gestehen, dass mein Versuch, ihre Sprache zu lernen, ganz kläglich scheiterte. Felurian war eine ungeduldige Lehrerin und die Sprache verwirrend kompliziert. Mein Scheitern war so vollkommen, dass Felurian mir schließlich sogar verbot, die erlernten Worte in ihrer Gegenwart auszusprechen.

Der Lohn meiner Mühe waren einige wenige Wendungen und eine große Portion Demut, beides nützliche Dinge.

Felurian lehrte mich auch einige Lieder der Fae. Ich tat mich beim Auswendiglernen schwerer als mit Liedern der Menschen. Die Melodien waren seltsam verschlungen und flüchtig, und als ich sie auf meiner Laute spielen wollte, fühlten sich die Saiten unter meinen Fingern fremd an, und ich kam mir vor wie ein Bauernbursche, der noch nie eine Laute in Händen gehalten hat. Die Verse lernte ich auswendig, ohne die leiseste Ahnung, was sie bedeuten mochten.

Und die ganze Zeit arbeiteten wir an meinem shaed weiter. Genauer gesagt, Felurian arbeitete daran. Ich sah ihr zu, stellte Fragen und kam mir vor wie ein neugieriges Kind, das seine Mutter in der Küche stört, obwohl ich dieses Gefühl stets zu verdrängen suchte. Mit der Zeit, als wir uns ein wenig aneinander gewöhnt hatten, wurden meine Fragen beharrlicher.

»Wie machst du das?«, fragte ich zum zehnten Mal. »Licht hat kein Gewicht und keine Masse. Es verhält sich wie eine Welle. Du kannst es doch gar nicht berühren.«

Felurian hatte das Sternenlicht vernäht und verwob jetzt Mondlicht in den Schatten. »immer musst du so viel denken, mein kvothe«, sagte sie, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken. »du weißt zu viel, um glücklich zu sein.«

Das hätte auch Elodin sagen können, dachte ich unangenehm berührt und machte eine ungeduldige Handbewegung. »Du kannst es doch …«

Sie stieß mich mit dem Ellbogen an, und ich sah, dass sie beide Hände voll hatte. »sei ein schatz«, sagte sie, »und hol mir den.« Sie wies mit einem Nicken auf einen Mondstrahl, der durch die Baumkronen drang und neben mir auf den Boden fiel.

In ihrer Stimme schwang unterschwellig der mir bereits vertraute Befehlston mit, und ohne zu überlegen griff ich nach dem Strahl wie nach einer herabhängenden Ranke. Ganz kurz spürte ich ihn kühl und flüchtig an den Fingern. Ich erschrak und sah unversehens wieder einen ganz gewöhnlichen Mondstrahl. Obwohl ich ein paar Mal mit den Fingern hindurchfuhr, spürte ich nichts mehr.

Felurian streckte lächelnd die Hand danach aus und ergriff ihn, als sei es die natürlichste Sache der Welt. Mit der freien Hand strich sie mir über die Wange. Dann wandte sie sich wieder ihrer Näherei zu und arbeitete den Mondstrahl in die schattigen Falten auf ihrem Schoß ein.

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