Zorn

Was hast du dir dabei eigentlich gedacht?«, rief Tempi empört. Enttäuschung, heftiger Tadel. »Welcher Narr wirft sein Schwert weg?«

»Sie hat ihres zuerst weggeworfen!«, protestierte ich.

»Nur um dich hereinzulegen«, erwiderte Tempi. »Das war eine Finte.«

Ich schnallte mir Caesura auf den Rücken, so dass das Heft hinter meiner Schulter aufragte. Nach meiner Niederlage war die Zeremonie zu Ende gewesen. Magwyn hatte mir mein Schwert zurückgegeben, mich angelächelt und mir tröstend über die Hand gestrichen.

Ich sah, wie die Menge am Fuß des Hügels sich langsam zerstreute, und machte eine Geste zum Zeichen meines höflichen Unglaubens. »Hätte ich mein Schwert behalten sollen, wenn sie unbewaffnet war?«

»Natürlich!« Uneingeschränkte Bejahung. »Sie ist dir im Kampf fünffach überlegen. Wenn du dein Schwert behalten hättest, hättest du vielleicht eine Chance gehabt!«

»Tempi hat recht«, hörte ich Shehyn hinter mir sagen. »Den Gegner zu kennen entspricht dem Lethani. Wenn ein Kampf erst unvermeidlich ist, nutzt der kluge Krieger jede Chance.« Ich drehte mich um. Shehyn war den Weg vom Hügel heruntergekommen. Penthe stand neben ihr.

Ich drückte mit einer höflichen Handbewegung meine abweichende Überzeugung aus. »Wenn ich mein Schwert behalten und gesiegt hätte, hätten die Leute Carceret für dumm gehalten und mich verachtet, weil ich mir einen Rang verschafft hätte, den ich nicht verdiene. Und wenn ich das Schwert behalten und trotzdem verloren hätte, wäre es eine Demütigung für mich gewesen. Beide Male wäre ich schlecht weggekommen.« Ich blickte zwischen Shehyn und Tempi hin und her. »Oder irre ich mich?«

»Nein«, sagte Shehyn. »Aber Tempi hat auch recht.«

»Der Sieg ist immer das Ziel«, sagte Tempi. Entschieden.

Shehyn wandte sich an ihn. »Entscheidend ist der Erfolg. Dazu braucht man nicht immer den Sieg.«

Tempi machte die Geste für Widerspruch bei allem Respekt und wollte gerade etwas antworten, da fiel Penthe ihm ins Wort. »Hast du dich bei deinem Sturz verletzt, Kvothe?«

»Nicht schlimm«, sagte ich und bewegte vorsichtig den Rücken. »Vielleicht ein paar Prellungen.«

»Hast du eine Salbe?«

Ich schüttelte den Kopf.

Penthe nahm mich am Arm. »Ich habe eine bei mir zu Hause. Dann überlassen wir die beiden anderen jetzt ihrem Gespräch über Lethani. Es muss sich jemand um deine Prellungen kümmern.« Sie hielt meinen Arm mit der linken Hand, was ihrer Aussage einen seltsam unbeteiligten Ausdruck verlieh.

»Natürlich«, sagte Shehyn nach kurzem Zögern, und auch Tempi bekundete hastig Zustimmung. Penthe führte mich bereits entschlossen den Hang hinunter.

Wir gingen etwa eine Viertelmeile. Penthes Hand ruhte leicht auf meinem Arm.

»Sind die Prellungen so schlimm, dass du eine Salbe brauchst?«, fragte sie schließlich in ihrem von einem leichten Akzent gefärbten Aturisch.

»Eher nicht.«

»Dachte ich mir. Aber ich habe nach einem verlorenen Kampf selten Lust, mir von anderen anzuhören, was ich falsch gemacht habe.« Sie lächelte mich verschwörerisch an.

Ich lächelte zurück.

Wir setzten unseren Weg fort. Penthe hielt weiter meinen Arm und führte mich durch ein Wäldchen und einen steilen, in einen Felshang eingeschnittenen Weg hinauf. Schließlich gelangten wir in ein abgeschiedenes kleines Tal mit einer Wiese, die über und über mit Papavler-Blumen bedeckt war. Die lose angeordneten Blütenblätter leuchteten fast im selben Blutrot wie Penthes Söldnerkleid.

»Ich weiß von Vashet, dass Barbaren beim Liebesspiel seltsame Rituale befolgen«, sagte Penthe. »Sie meinte, wenn ich dich ins Bett bekommen wollte, müsste ich dich an einen Ort mit Blumen bringen.« Sie zeigte auf die Wiese. »Das sind die schönsten, die ich um diese Jahreszeit finden konnte.« Sie sah mich erwartungsvoll an.

»Aha«, sagte ich. »Wahrscheinlich hat Vashet sich einen Scherz mit dir erlaubt. Oder mit mir.« Penthe runzelte die Stirn, und ich fuhr hastig fort: »Aber es stimmt, dass die Barbaren in ihrem Liebesleben viele Rituale haben. Bei uns ist das alles etwas kompliziert.«

Penthe machte die Handbewegung für Überdruss. »Das überrascht mich nicht. Ich bekomme ständig Geschichten über die Barbaren zu hören. Schließlich muss ich ja lernen, bei euch zurechtzukommen.« Verschmitztes Jedoch. »Aber da ich noch nie bei den Barbaren war, sind bestimmt auch Geschichten dabei, mit denen die anderen mich necken wollen.«

»Was denn zum Beispiel?« Ich musste daran denken, was ich über die Adem und das Lethani gehört hatte, bevor ich Tempi kennenlernte.

Penthe zuckte die Schultern. Leichte Verlegenheit. »Dummes Zeug. Es heißt zum Beispiel, die Männer der Barbaren seien riesengroß.« Sie hob die Hand hoch über meinen Kopf und zeigte eine Größe von deutlich über zwei Metern an. »Naden erzählte mir, er sei in einer Stadt gewesen, in der die Barbaren eine aus Dreck gekochte Suppe gegessen hätten. Außerdem heißt es, die Barbaren würden nie baden. Und sie würden ihren Urin trinken, weil sie glauben, dass man dann länger lebt.« Penthe schüttelte lachend den Kopf und bezeichnete mit der Hand eine Mischung aus Abscheu und Belustigung.

»Heißt das, dass ihr euren nicht trinkt?«, fragte ich erstaunt.

Penthe erstarrte mitten im Lachen und sah mich an. Gesicht und Hände zeigten eine verwirrte Mischung aus Verlegenheit, Ekel und Unglauben, ein so bizarres Wirrwarr von Gefühlen, dass ich unwillkürlich lachen musste. Ich sah ihre Erleichterung, als sie merkte, dass ich nur einen Witz gemacht hatte.

»Ich verstehe schon«, sagte ich. »Wir erzählen uns ähnliche Geschichten über die Adem.«

In Penthes Augen trat ein Funkeln. »Du musst sie mir erzählen, wie ich dir unsere erzählt habe. Das ist nur gerecht.«

Da ich noch wusste, wie Tempi auf die Geschichten über das Wortfeuer und Lethani reagiert hatte, beschloss ich, Penthe etwas anderes zu erzählen. »Bei uns sagt man, Adem, die sich als Söldner verdingen, würden nie lieben. Es heißt, ihr würdet eure ganze Energie und Kraft in den Ketan stecken und wärt deshalb so gute Krieger.«

Penthe bekam einen Lachanfall. »Wenn es so wäre, hätte ich es nie bis zum dritten Stein geschafft.« Augenzwinkernde Belustigung. »Wenn Enthaltsamkeit die Voraussetzung für Kämpfen wäre, gäbe es Tage, an denen ich nicht einmal die Faust ballen könnte.«

Mein Puls beschleunigte sich, als ich das hörte.

»Aber ich kann mir denken, woher das Gerücht kommt«, fuhr sie fort. »Bestimmt glaubt ihr das, weil kein Adem je mit einem Barbaren ins Bett gehen würde.«

»Ach so«, meinte ich ein wenig enttäuscht. »Warum hast du mich dann auf diese Blumenwiese gebracht?«

»Du bist jetzt einer von uns«, sagte Penthe unbekümmert. »Wahrscheinlich wirst du jetzt viel Besuch bekommen. Du hast ein nettes Gesicht und man muss auf deinen Zorn einfach neugierig sein.«

Sie machte eine Pause und schlug vielsagend die Augen nieder. »Oder hast du eine Krankheit?«

Ich wurde rot. »Was? Nein! Natürlich nicht!«

»Bist du sicher?«

»Ich habe an der Mediho studiert«, erklärte ich ein wenig steif, »der bedeutendsten Schule für Medizin auf der ganzen Welt. Ich weiß alles über die Krankheiten, die man sich einfangen kann, und auch wie man sie erkennt und behandelt.«

Penthe musterte mich skeptisch. »Dir glaube ich ja auch gern. Aber es ist bekannt, dass die Barbaren sich bei der Liebe oft mit Krankheiten anstecken.«

Ich schüttelte den Kopf. »Das ist nur wieder so ein Märchen. Ich versichere dir, die Barbaren haben nicht mehr Krankheiten als die Adem. Wahrscheinlich sogar weniger.«

Penthe schüttelte den Kopf und sah mich ernst an. »Nein, da irrst du dich. Wie viele von hundert Barbaren haben deiner Einschätzung nach eine solche Krankheit?«

Die Frage war leicht zu beantworten, denn ich hatte an der Mediho auch Statistik gehabt. »Von hundert? Vielleicht fünf. Bei denen, die in Bordellen arbeiten oder welche besuchen, ist die Rate natürlich höher.«

Penthes Gesicht zeigte deutlich ihre Missbilligung und sie erschauerte. »Von hundert Adem hat keiner eine solche Krankheit«, sagte sie entschieden. Ganz bestimmt nicht.

»Wirklich?« Ich hob die Hand und formte mit den Fingern einen Kreis. »Kein einziger?«

»Kein einziger«, wiederholte sie felsenfest überzeugt. »Wir könnten uns so etwas nur von einem Barbaren einfangen, und die von uns, die reisen, werden entsprechend gewarnt.«

»Und wenn du dich bei einem anderen Adem ansteckst, der auf seinen Reisen nicht aufgepasst hat?«, fragte ich.

Penthes kleines, herzförmiges Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an und sie blähte die Nasenflügel. »Bei einem anderen Adem?« Heftiger Ärger. »Ich wäre außer mir. Ich würde auf einen Felsen steigen und hinausschreien, was er getan hat. Ich würde ihm das Leben zur Hölle machen.«

Sie strich zum Zeichen ihrer Abscheu mit der Hand an ihrer Hemdfront hinunter, das erste Zeichen der ademischen Gebärdensprache, das ich von Tempi gelernt hatte. »Und dann würde ich die weite Reise über die Berge nach Thal machen, um dort geheilt zu werden. Auch wenn die Reise zwei Jahre dauern sollte und ich in dieser Zeit kein Geld für die Schule verdiene. Niemand würde mich deshalb gering schätzen.«

Ich nickte nachdenklich. Was sie sagte, leuchtete mir ein. Angesichts der Einstellung der Adem zur körperlichen Liebe hätte sich, wenn es anders gewesen wäre, jede Krankheit in Windeseile in der ganzen Bevölkerung ausgebreitet.

Ich fühlte Penthes Blick erwartungsvoll auf mich gerichtet. »Danke für die Blumen«, sagte ich.

Sie nickte, trat näher und blickte zu mir auf. Ihre Augen glänzten erregt und auf ihren Lippen erschien ihr scheues Lächeln. Dann wurde sie wieder ernst. »Haben wir deinen barbarischen Ritualen damit Genüge getan oder sind wir noch nicht fertig?«

Ich strich mit der Hand über die zarte Haut ihres Halses und schob die Fingerspitzen unter ihren langen Zopf. Penthe schloss die Augen und hob das Gesicht zu mir auf.

»Die Blumen sind schön und reichen vollkommen aus«, sagte ich und beugte mich zu ihr hinunter, um sie zu küssen.

»Ich hatte recht«, sagte Penthe mit einem zufriedenen Seufzer, als wir nackt zwischen den Blumen lagen. »Du hast einen prächtigen Zorn.« Ich lag auf dem Rücken, Penthe schmiegte sich an meinen Arm und ihr herzförmiges Gesicht ruhte auf meiner Brust.

»Was meinst du damit?«, fragte ich. »Zorn ist vermutlich das falsche Wort.«

»Ich meine vaevin«, sagte sie. Ein Wort des Ademischen. »Bedeutet das nicht dasselbe?«

»Ich kenne das Wort nicht«, gestand ich.

»Ich glaube, Zorn ist die richtige Entsprechung. Ich habe mich mit Vashet in deiner Sprache unterhalten und sie hat mich nicht verbessert.«

»Aber was meinst du denn damit?«, fragte ich. »Ich bin doch überhaupt nicht zornig.«

Penthe hob den Kopf von meiner Brust und lächelte mich satt und zufrieden an. »Natürlich nicht«, erwiderte sie. »Ich habe deinen Zorn ja von dir genommen, du kannst ihn gar nicht mehr spüren.«

»Dann … bist du jetzt zornig?« Ich verstand überhaupt nichts mehr.

Penthe lachte und schüttelte den Kopf. Sie hatte ihren langen Zopf aufgemacht und ihre honigfarbenen Haare hingen an der Seite ihres Gesichts hinab. Sie sah ganz anders aus als sonst. Auch dass sie ihre roten Söldnerkleider nicht anhatte, trug vermutlich dazu bei. »Es ist eine andere Art von Zorn. Ich bin froh, ihn zu haben.«

»Das verstehe ich immer noch nicht. Vielleicht handelt es sich um etwas, das die Barbaren nicht kennen. Erkläre es mir, als wäre ich ein Kind.«

Sie musterte mich einen Augenblick ernst, dann rollte sie sich auf den Bauch, damit sie mich besser ansehen konnte. »Dieser Zorn ist kein Gefühl, sondern …« Sie zögerte und runzelte ihre niedliche Stirn. »Ein Verlangen, etwas Schaffendes, der Wunsch nach Leben.«

Sie sah sich um und ihr Blick fiel auf das Gras, auf dem wir lagen. »Zorn macht, dass das Gras durch den Boden nach oben drängt, der Sonne entgegen. Alles, was lebt, hat Zorn. Er ist das Feuer, das in allem, was lebt, den Drang weckt, sich zu bewegen, zu wachsen und etwas zu schaffen.« Sie legte den Kopf schräg. »Kannst du das verstehen?«

»Schon«, sagte ich. »Und die Frauen übernehmen bei der Liebe den Zorn von den Männern?«

Penthe nickte lächelnd. »Deshalb sind die Männer ja danach so müde. Der Mann gibt etwas von sich selbst, dann verlässt ihn die Kraft und er schläft.« Sie blickte an mir hinunter. »Oder ein Teil von ihm schläft.«

»Nicht lange«, erwiderte ich.

»Das liegt daran, dass du einen so prächtigen, starken Zorn hast«, meinte Penthe stolz. »Wie ich ja bereits gesagt habe. Ich weiß es, weil ich ja etwas davon abbekommen habe. Und ich weiß auch, dass da noch mehr wartet.«

»Stimmt«, gab ich zu. »Aber was tun die Frauen mit dem Zorn?«

»Wir verwenden ihn«, antwortete Penthe schlicht. »Deshalb schlafen die Frauen, anders als die Männer, danach auch nicht immer. Sie fühlen sich wacher, voller Bewegungsdrang. Oft wollen sie auch mehr von dem, was ihnen den Zorn überhaupt gebracht hat.« Sie senkte den Kopf auf meine Brust, biss mich spielerisch und schmiegte sich mit ihrem nackten Leib an mich.

Ich fühlte mich auf angenehmste Weise abgelenkt. »Heißt das, Frauen haben keinen eigenen Zorn?«

Penthe lachte. »Doch, den haben alle Dinge. Aber die Frauen können ihn vielseitig verwenden. Männer dagegen haben mehr davon, als sie gebrauchen können, und mehr, als ihnen gut tut.«

»Wie kann man zu viel von dem Wunsch nach Leben, Wachstum und Schaffen haben? Je mehr man davon hat, desto besser, sollte man meinen.«

Penthe schüttelte den Kopf und strich sich die Haare zurück. »Nein, es ist wie beim Essen. Zwei Mahlzeiten sind nicht besser als eine.« Sie runzelte die Stirn. »Oder nein, wie beim Wein. Ein Becher ist gut, zwei sind manchmal besser, aber zehn …« Sie nickte ernsthaft. »Genau so ist es mit dem Zorn. In einem Mann, der voll davon ist, wirkt er wie Gift. Der Mann will dann zu vieles. Er will alles und wird wunderlich im Kopf und gewalttätig.«

Sie nickte wie zu sich selbst. »Ja, deshalb ist Zorn meiner Meinung nach das richtige Wort. Man merkt es, wenn jemand seinen Zorn die ganze Zeit in sich ansammelt. Der Zorn schlägt dann um, wendet sich gegen sich selbst und entfaltet eine zerstörerische statt schöpferische Kraft.«

»Ich kann mir solche Männer vorstellen«, sagte ich. »Aber auch Frauen.«

»Alle Dinge haben diesen Zorn«, wiederholte Penthe mit einem Schulterzucken. »Ein Stein hat im Vergleich zu einem knospenden Baum nicht viel. Dasselbe gilt für die Menschen. Einige haben mehr, andere weniger. Die einen gebrauchen ihn weise, andere nicht.« Sie lächelte mich breit an. »Ich habe viel davon und deshalb liebe ich das Liebesspiel so sehr und kämpfe so wild.« Sie biss mich wieder in die Brust, diesmal weniger spielerisch, und arbeitete sich dann zu meinem Hals hinauf.

»Aber wenn du den Männern beim Liebesspiel den Zorn nimmst«, sagte ich mühsam konzentriert, »heißt das nicht, dass du immer mehr davon willst, je mehr du hast?«

»Es ist wie mit dem Wasser, mit dem man eine Pumpe in Gang setzt«, sagte sie heiß an meinem Ohr. »Aber jetzt komm, ich will alles von dir haben, auch wenn wir dazu den ganzen Tag und die halbe Nacht brauchen.«

Nach unserer Rückkehr von der Wiese gingen wir ins Badehaus und dann zu Penthe nach Hause. Sie bewohnte zwei gemütliche, an eine Felswand gebaute Zimmer. Der Mond stand am Himmel und sah uns schon seit geraumer Zeit durch das Fenster zu, wobei ich nicht glaube, dass er etwas zu sehen bekam, das er noch nicht kannte.

»Reicht dir das jetzt?«, fragte ich endlich atemlos. Wir lagen nebeneinander auf Penthes wunderbar breitem Bett und ließen den Schweiß auf unseren Körpern trocknen. »Wenn du mir noch mehr Zorn abnimmst, reicht er mir am Ende nicht einmal mehr zum Sprechen oder Atmen.«

Meine Hand lag auf ihrem flachen Bauch. Ihre Haut war weich und glatt, aber wenn sie lachte, spürte ich darunter ihre Bauchmuskeln hart wie stählerne Bänder.

»Ja, für jetzt reicht es.« Die Erschöpfung war auch Penthe deutlich anzuhören. »Vashet wäre verärgert, wenn ich allen Saft aus dir herauspressen würde wie aus einer Frucht.«

Trotz des langen Tages war ich seltsam wach, und auch meine Gedanken waren klar und scharf. Mir fiel etwas ein, das Penthe gesagt hatte. »Du meintest, Frauen könnten ihren Zorn vielseitig verwenden. Was können Frauen im Unterschied zu Männern damit tun?«

»Wir unterrichten«, sagte Penthe. »Wir geben Namen, wir zählen die Tage, wir sorgen dafür, dass alles reibungslos abläuft, wir pflanzen und wir machen Babys.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wir tun vieles.«

»Männer können das auch«, sagte ich.

Penthe kicherte. »Du hast mich falsch verstanden«, sagte sie und strich über mein Kinn. »Männer können sich Bärte wachsen lassen, aber Babys sind etwas anderes, daran seid ihr nicht beteiligt.«

»Wir tragen sie nicht aus«, erwiderte ich ein wenig gekränkt, »aber wir sind schließlich an ihrer Entstehung beteiligt.«

Penthe lächelte mich an, als hätte ich einen Witz gemacht. Doch dann verging ihr Lächeln. Sie stützte sich auf den Ellbogen auf und musterte mich eingehend. »Meinst du das im Ernst?«

Als sie mein verwirrtes Gesicht sah, riss sie erstaunt die Augen auf und setzte sich hin. »Tatsächlich!«, rief sie. »Du glaubst an Mann-Mütter!« Sie kicherte und schlug beide Hände vor den Mund. »Ich habe daran nie geglaubt!« Sie ließ die linke Hand sinken und grinste mich amüsiert an. Dazu machte sie die Geste für entzücktes Staunen.

Ich hätte mich eigentlich ärgern müssen, konnte aber die Kraft dazu nicht aufbringen. Vielleicht stimmte ja tatsächlich einiges von dem, was sie über Männer gesagt hatte, die ihren Zorn weggaben. »Was ist eine Mann-Mutter?«, fragte ich.

»Du meinst das im Ernst?«, sagte sie. Die eine Hand hielt sie sich weiter vor den lächelnden Mund. »Du glaubst wirklich, dass der Mann das Baby in die Frau hineinlegt?«

»Na ja … doch«, sagte ich ein wenig verlegen. »Sozusagen. Um ein Baby zu machen, braucht man einen Mann und eine Frau, eine Mutter und einen Vater.«

»Ihr habt sogar ein Wort dafür!«, rief Penthe begeistert. »Ich habe davon schon gehört, damals als man mir von der Suppe aus Dreck erzählte. Aber ich hätte nie geglaubt, dass es stimmt!«

Ich wurde langsam unruhig und setzte mich ebenfalls auf. »Du weißt aber doch, wie Babys gemacht werden, ja?« Ich machte die Geste für sehr ernst gemeint. »Was wir heute fast den ganzen Tag getan haben – so macht man Babys.«

Sie starrte mich einen Moment lang in entgeistertem Schweigen an und begann hemmungslos zu lachen. Zwar versuchte sie einige Male, etwas zu sagen, doch sobald sie mein Gesicht sah, wurde sie wieder von Lachen überwältigt.

Dann legte sie die Hände auf ihren Bauch und drückte wie ratlos daran herum. »Ja, wo ist denn mein Baby?« Sie betrachtete ihren flachen Bauch. »Vielleicht habe ich all die Jahre beim Liebesspiel etwas falsch gemacht.« Sie lachte wieder und die Muskeln auf ihrem Bauch zuckten und formten ein Muster wie ein Schildkrötenpanzer. »Wenn stimmt, was du sagst, müsste ich inzwischen hundert Babys haben. Fünfhundert!«

»Es passiert nicht jedes Mal«, sagte ich. »Frauen sind nur zu bestimmten Zeiten für ein Baby bereit.«

»Und hast du schon eins gemacht?« Penthe sah mich in gespieltem Ernst an, während ein Lächeln um ihre Mundwinkel zuckte. »Ein Baby mit einer Frau?«

»Ich habe aufgepasst, dass es nicht passiert. Es gibt ein Kraut namens Silphium. Ich esse jeden Tag etwas davon, und das verhindert, dass ich einer Frau ein Baby mache.«

Penthe schüttelte den Kopf. »Das ist wieder so eins von euren barbarischen Ritualen bei der Liebe«, sagte sie. »Bekommen die Frauen bei euch auch Babys, wenn sie die Männer zu einer Blumenwiese bringen?«

Ich beschloss, es anders zu versuchen. »Wenn die Männer an der Entstehung von Babys nicht beteiligt wären, wie erklärst du dir dann, dass die Babys aussehen wie ihre Väter?«

»Babys sehen wie zornige alte Männer aus«, sagte Penthe. »Kahl und mit …« Sie zögerte und fasste sich an die Wange. »… mit Falten im Gesicht. Vielleicht machen also nur alte Männer Babys?« Sie grinste.

»Und wie ist das bei kleinen Kätzchen?«, fragte ich. »Du hast bestimmt schon welche gesehen. Wenn es eine weiße und eine schwarze Katze miteinander treiben, bekommst du weiße, schwarze und schwarzweiß gefleckte Kätzchen.«

»Immer?«

»Nicht immer«, musste ich zugeben. »Aber meistens.«

»Und wenn nun ein gelbes Kätzchen herauskommt?«

Bevor ich mir eine Antwort überlegen konnte, wischte sie die Frage mit einer Handbewegung beiseite. »Kätzchen haben damit nichts zu tun«, sagte sie. »Wir sind keine Tiere. Wir werden nicht läufig, legen keine Eier und erzeugen keine Kokons, Früchte oder Samen. Wir sind weder Hunde noch Frösche noch Bäume.«

Sie musterte mich mit einem ernsten Blick. »Du machst einen gedanklichen Fehler. Genauso gut könntest du sagen, zwei Steine machen ein Baby, indem sie aneinander schlagen, bis ein Stück abbricht, und deshalb machen die Menschen es auch so.«

Ich war wütend, aber sie hatte recht. Die Analogie stimmte nicht. Mein Vergleich war nicht zwingend.

In dieser Art unterhielten wir uns noch eine Zeitlang weiter. Ich fragte Penthe, ob sie eine Frau kenne, die schwanger geworden sei, ohne in den Monaten davor mit einem Mann geschlafen zu haben. Penthe entgegnete, sie kenne überhaupt keine Frau, die bereit sei, so lange darauf zu verzichten, mit Ausnahme schwerkranker und alter Frauen oder der Frauen, die gerade Länder der Barbaren bereisten.

Endlich gebot sie mir mit einem ungeduldigen Wink zu schweigen. »Hör dir doch an, wie fadenscheinig du klingst. Durch Liebe entstehen Babys, aber nicht immer. Die Babys sehen wie die Mann-Mütter aus, aber nicht immer. Das Liebesspiel muss zum richtigen Zeitpunkt erfolgen, aber auch nicht immer. Bestimmte Pflanzen machen Babys mehr oder weniger wahrscheinlich.« Sie schüttelte den Kopf. »Dir ist hoffentlich klar, dass deine Argumente äußerst dünn sind. Du stopfst immer neue Löcher in der Hoffnung, alles wasserdicht zu machen. Aber nur weil du das hoffst, wird es noch lange nicht wahr.«

Auf mein Stirnrunzeln hin nahm sie meine Hand, drückte sie wie schon zuvor im Speisesaal, indem sie die Geste für Trost machte, und sah mich ernst an. »Ich sehe schon, du glaubst wirklich an das, was du behauptest. Ich verstehe ja, warum die Männer der Barbaren das glauben wollen. Es macht sie wichtig und ist bestimmt ein gutes Gefühl. Aber es stimmt einfach nicht.«

Sie sah mich fast schon mitleidig an. »Frauen reifen einfach manchmal, das ist ganz natürlich, und die Männer haben damit nichts zu tun. Deshalb werden auch mehr Frauen im Herbst reif, wie Früchte. Und deshalb werden auch mehr Frauen hier in Haert reif, weil es hier besser ist, ein Kind zu haben.«

Ich suchte nach einem weiteren überzeugenden Argument, aber es wollte mir keines einfallen. Es war zum Aus-der-Haut-fahren.

Penthe sah mein Gesicht, drückte mir die Hand und machte die Geste für Zugeständnis. »Vielleicht ist es ja bei den Frauen der Barbaren anders.«

»Das sagst du nur, um mich zu trösten«, erwiderte ich verdrossen und musste plötzlich so heftig gähnen, dass meine Kiefer knackten.

»Stimmt«, gab sie zu. Sie küsste mich zärtlich und drückte mich an den Schultern nach unten. Ich sollte mich wieder hinlegen.

Ich gehorchte und sie schmiegte sich in meine Armbeuge und legte den Kopf auf meine Schulter. »Als Mann hat man es schwer«, sagte sie leise. »Eine Frau kennt ihren Platz in der Welt und steht mitten im Leben. Sie ist die Blüte und die Frucht. Und in unseren Kindern leben wir fort. Ein Mann dagegen …« Sie hob den Kopf und sah mich voll zärtlichen Bedauerns an. »Ihr seid wie ein kahler Ast und wisst, dass ihr bei eurem Tod nichts Wichtiges zurücklassen werdet.«

Sie strich mir liebevoll über die Brust. »Ich glaube, dass ihr deshalb so viel Zorn in euch tragt. Vielleicht habt ihr gar nicht mehr als die Frauen, sondern nur kein Ventil dafür. Vielleicht will sich euer Zorn nur verzweifelt bemerkbar machen. Er schlägt um sich, treibt euch zu überstürztem Handeln, zu Streit und Wut. Ihr malt und baut und kämpft und erzählt Geschichten, die größer sind als die Wahrheit.«

Sie seufzte zufrieden, legte den Kopf wieder auf meine Schulter und drückte sich fest in meine Armbeuge. »Es tut mir leid, dir das alles zu sagen. Du bist ein guter Mensch und siehst gut aus. Aber du bist eben nur ein Mann. Alles, was du der Welt zu bieten hast, ist dein Zorn.«

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