Neuntes Kapitel

Am Morgen weckten mich leise Geräusche, und als ich die Augen öffnete, sah ich, dass Cheiron unser Frühstück vorbereitete. Ich lag auf einem weichen Lager und hatte tief und fest geschlafen. Ich reckte mich und erschrak ein wenig, als ich Achill an meiner Seite spürte. Er schlief noch. Ich betrachtete ihn, wie er dalag und gleichmäßig atmete, und sein Anblick wühlte mich auf. Dann aber bemerkte ich, dass mir Cheiron grüßend zuwinkte. Ich winkte zurück, und das seltsame Gefühl war vergessen.

Nach dem Frühstück halfen wir Cheiron bei seiner täglichen Arbeit. Es war leichte, angenehme Arbeit: Beeren sammeln, Fische fangen und Fallen für Wachteln aufstellen. Damit begann unsere Ausbildung, die uns aber nicht als solche vorkam. Denn Cheiron erteilte keinen Unterricht, wie wir ihn kannten, sondern nutzte Gelegenheiten, um uns auf bestimmte Dinge hinzuweisen. Wenn eine der Ziegen, die auf den Hängen weideten, krank wurde, brachte er uns bei, mit welchen Mitteln ihr geholfen werden konnte. Wir lernten, Tinkturen anzurühren, die vor dem Befall von Zecken schützten. Als ich in eine Felsspalte stürzte, mir den Arm brach und das Knie aufschlug, zeigte er uns, wie man eine Holzschiene anlegte und Kräuter anwandte, die einer Entzündung vorbeugten.

Auf einem unserer Jagdausflüge scheuchten wir aus Versehen eine Wiesenralle aus ihrem Nest, worauf er uns das Anpirschen lehrte und uns beibrachte, wie das gestellte Wild mit Pfeil und Bogen oder Schlinge möglichst rasch zur Strecke gebracht werden konnte.

Wenn wir Durst und keinen Wasserschlauch dabeihatten, zeigte er uns Pflanzen, deren Wurzeln besonders viel Saft enthielten. Einmal trafen wir auf eine umgestürzte Esche und lernten, die Rinde abzuschälen, das Holz zu spalten und zu verarbeiten. Ich schnitzte einen Axtstiel, Achill einen Speer, und Cheiron versprach, dass er uns bald beibringen würde, Klingen zu schmieden.

Jeden Abend und jeden Morgen halfen wir ihm bei der Zubereitung unserer Mahlzeiten. Wir machten aus der fetten Ziegenmilch Joghurt und Käse oder nahmen Fische aus. Solche Dinge zu verrichten war uns als Prinzen früher nicht gestattet gewesen, weshalb wir uns nun umso eifriger damit beschäftigten. Unter Cheirons Anleitung verarbeiteten wir Milch zu Butter und brieten Fasaneneier auf flachen, vom Feuer erhitzten Steinen.

Nach etwa einem Monat fragte uns Cheiron beim Frühstück, was wir sonst noch zu lernen wünschten. »Damit umzugehen«, sagte ich und zeigte auf die chirurgischen Instrumente. Er nahm sie von der Wand, eins nach dem anderen.

»Vorsicht. Das Blatt ist sehr scharf. Es ist dafür da, Fleisch zu entfernen, wenn es von Fäulnis befallen ist. Man erkennt es am Knistern, wenn man die Wundränder zusammendrückt.«

Dann ließ er uns unsere Knochen am eigenen Körper ertasten und fuhr mit der Hand über den Wirbelgrat auf unserem Rücken. Er zeigte mit dem Finger, wo welches Organ unter der Bauchdecke lag.

»Eine Erkrankung jedes einzelnen Organs kann zum Tod führen. Aber am schlimmsten ist es, wenn sie sich hier einnistet.« Er tippte auf Achills Schläfenmulde. Ein Kälteschauer durchfuhr mich, als ich ihn die Stelle berühren sah, die Achills Leben schützte und so dünn und verwundbar war. Zum Glück sprach er bald von anderen Dingen.

Am Abend lagen wir im weichen Gras vor der Höhle. Cheiron deutete auf Sternbilder und erzählte ihre Geschichten. Andromeda kauerte in Fesseln vor dem Maul eines Seeungeheuers; davor stand Perseus, im Begriff, sie zu retten. Nachdem dieser der Medusa das Haupt abgeschlagen hatte, entsprang ihrem Hals das geflügelte, unsterbliche Pferd Pegasus. Er erzählte auch von Herakles, seinen schweren Prüfungen und davon, dass er dem Wahnsinn verfiel, weder die eigene Frau noch seine Kinder erkannte und sie tötete, weil er sie für Feinde hielt.

Achill fragte: »Warum hat er seine Frau nicht wiedererkannt?«

»Wahnsinn macht blind«, antwortete Cheiron, und seine Stimme klang tiefer als gewöhnlich. Er hatte, wie ich mich erinnerte, den Helden gekannt und wohl auch dessen Frau.

»Warum wurde er wahnsinnig?«

»Die Götter wollten ihn bestrafen.«

Ungeduldig schüttelte Achill den Kopf. »Aber für seine Frau war es doch eine noch größere Strafe. Das ist ungerecht.«

»Es gibt kein Gesetz, das den Göttern Gerechtigkeit abverlangt«, sagte Cheiron. »Und vielleicht ist es am Ende viel schlimmer, am Leben bleiben zu müssen, wenn der andere gegangen ist.«

»Vielleicht«, erwiderte Achill.

Ich hörte nur zu und sagte nichts. Achills Augen leuchteten im Feuerschein; von den flackernden Schatten war sein Gesicht scharf gezeichnet. Ich würde es auch im Finsteren oder maskiert wiedererkennen, dachte ich bei mir. Selbst im Wahn.

»Habe ich euch schon die Geschichte des Asklepios erzählt«, fragte Cheiron, »und wie er die Geheimnisse der Heilkunst aufdeckte?«

Das hatte er, aber wir wollten sie noch einmal hören, die Geschichte, wie dieser Held und Sohn des Apoll einer Schlange das Leben gerettet hatte, worauf diese aus Dankbarkeit ihm die Ohren ausleckte, damit er hörte, was sie ihm über die Wirkung von Kräutern zuzuzischeln wusste.

»Aber in Wirklichkeit warst du es, der ihm zu heilen beigebracht hat«, sagte Achill.

»Ja, so ist es.«

»Macht es dir nichts aus, dass der Schlange dieses Verdienst zugesprochen wird?«

Cheiron lächelte und entblößte die Zähne unter seinem dunklen Bart. »Nein, Achill, das macht mir nichts aus.«

Später spielte Achill auf der Leier. Der Leier meiner Mutter. Er hatte sie mitgenommen.

Am Tag unserer Ankunft hatte er sie mir gezeigt, und ich hatte ihm gestanden: »Fast wäre ich nicht gekommen, weil ich ohne sie nicht gehen mochte.«

»Dann weiß ich ja jetzt, was ich tun muss, damit du mir überallhin folgst«, hatte er lächelnd erwidert.

Hinterm Gipfelgrat des Pelion ging die Sonne unter, und wir waren glücklich.

Schnell verging die Zeit im Idyll am Fuß des Berges. Es wurde nachts nun kühl, und nur zögernd erwärmte sich die Luft bei Tag, wenn das fahle Sonnenlicht durch die trockenen Blätter fiel. Cheiron gab uns Felle, in die wir uns kleideten. Vor den Eingang zur Höhle wurden Tierhäute zum Schutz gegen die Kälte gehängt. Wir legten Holzvorräte an und pökelten Fleisch für den Winter. Noch hatten sich die Tiere nicht in ihre Bauten zurückgezogen, doch sie würden es bald tun, sagte Cheiron. Morgens bestaunten wir den Raureif, der die Blätter umkränzte. Aus Liedern und Geschichten wussten wir vom Schnee, hatten ihn aber noch nie gesehen.

Eines Morgens wachte ich auf und suchte nach Cheiron, konnte ihn aber nirgends finden. Er stand meist vor uns auf, um die Ziegen zu melken oder Früchte fürs Frühstück zu sammeln. Ich verließ die Höhle, damit Achill weiterschlafen konnte, setzte mich auf die Lichtung und wartete. Vom Feuer der vergangenen Nacht war nur weiße Asche übrig geblieben. Ich stocherte darin herum und lauschte den Geräuschen des Waldes. Eine Wachtel schlug, eine Taube gurrte. Ich hörte es im Unterholz rascheln, vom Wind vielleicht oder irgendeinem Tier.

Plötzlich begann meine Haut zu kribbeln und mir wurde bange, als zuerst die Wachtel, dann die Taube verstummte. Kein Blättchen rührte sich, denn auch der Wind hatte sich gelegt, und nichts raschelte mehr. Es war so still, dass ich unwillkürlich die Luft anhielt. Wie ein Kaninchen im Schatten eines Falkens. Ich spürte das Herz in der Brust schlagen.

Von Cheiron wusste ich, dass er manchmal zauberte, mit seinen magischen Kräften Wasser warm werden ließ oder Tiere beruhigte.

»Cheiron?«, rief ich verstört und mit dünner Stimme. »Cheiron?«

»Der bin ich nicht.«

Ich fuhr herum. Am Rand der Lichtung stand Thetis, kreideweiß im Gesicht und mit wallenden schwarzen Haaren. Das Kleid, das sie trug, schillerte wie Fischschuppen. Mir stockte der Atem.

»Du solltest nicht hier sein.« Aus ihrem Mund klangen die Worte wie das Kratzen von schroffen Felsen am Rumpf eines Bootes.

Als sie auf mich zukam, schien das Gras unter ihren Füßen zu verdorren. Sie war eine Nymphe und hielt alles, was auf der Erde lebte, für widerwärtig.

»Tut mir leid«, presste ich aus trockener Kehle hervor.

»Ich habe dich gewarnt.« Sie schien mich mit ihren schwarzen Augen zu durchbohren. Ich wollte schreien, wagte es aber nicht.

Plötzlich meldete sich hinter mir Cheirons Stimme, laut und doch ruhig. »Ich grüße dich, Thetis.«

Ein warmer Schwall fuhr mir durch die Glieder, und ich konnte wieder atmen. Fast wäre ich zu ihm gerannt, doch ihr ungerührter Blick hielt mich gebannt. Ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie schneller war als ich.

»Du jagst dem Jungen Angst ein«, sagte Cheiron.

»Er gehört nicht hierher«, entgegnete sie. Ihre Lippen waren rot wie frisches Blut.

Cheiron legte mir eine Hand auf die Schulter. »Patroklos«, sagte er, »geh jetzt in die Höhle zurück. Wir werden später miteinander reden.«

Ich gehorchte, stand auf und ging.

»Du lebst schon zu lange mit Sterblichen zusammen, Zentaur«, hörte ich sie sagen, ehe sich die Tierhäute im Eingang hinter mir schlossen. Verstört lehnte ich mich mit dem Rücken an die Höhlenwand. Mir lag ein brackiger Geschmack auf der Zunge.

»Achill«, sagte ich.

Er öffnete die Augen und eilte auf mich zu, bevor ich dazu kam, ein weiteres Wort zu sprechen.

»Alles in Ordnung mit dir?«

»Deine Mutter ist hier«, sagte ich.

Er fuhr vor Schreck zusammen.

»Hat sie dir wehgetan?«

Ich schüttelte den Kopf. Dass sie mir, wie ich glaubte, wohl Gewalt angetan hätte, wenn Cheiron nicht dazwischengegangen wäre, verschwieg ich.

»Ich geh zu ihr«, sagte er. Die Tierhäute schlugen dumpf aneinander, als sie sich vor ihm teilten und dann wieder zurückfielen.

Ich konnte nicht hören, was draußen auf der Lichtung gesagt wurde. Sie sprachen leise oder waren vielleicht auch woanders hingegangen, um miteinander zu reden. Ich wartete und ging im Kreis. Um mich selbst machte ich mir keine Sorgen. Cheiron wollte, dass ich blieb, und er war älter als sie, älter als die meisten Götter. Er war schon erwachsen gewesen, als Thetis noch als Ei im Schoß des Meeres geruht hatte. Aber es gab da etwas anderes, das nicht so leicht zu benennen war. Mir schwante, dass ihr Besuch nichts Gutes verhieß.

Es war schon fast Mittag, als sie zurückkehrten. Sofort richtete ich meinen Blick auf Achills Gesicht und versuchte, seine Miene zu deuten. Doch er ließ sich nichts anmerken, allenfalls ein wenig Müdigkeit. Er warf sich auf unser Lager und sagte: »Ich habe Hunger.«

»Kein Wunder«, erwiderte Cheiron. »Es ist schon Mittagszeit, und du hast nicht einmal gefrühstückt.« Er bereitete eine Mahlzeit für uns zu und verblüffte mich wieder damit, dass er sich trotz seiner Größe auf engstem Raum behände zu bewegen vermochte.

Achill wandte sich mir zu. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Sie wollte nur mit mir reden. Mich sehen.«

»Sie wird wiederkommen«, ließ Cheiron von sich hören, und als wüsste er, was ich dachte, fügte er hinzu: »Das darf man von ihr erwarten. Schließlich ist sie seine Mutter.«

Mehr als alles andere ist sie eine Göttin, dachte ich.

Als wir aßen, zerstreuten sich meine Sorgen. Ich hatte befürchtet, Cheiron könnte von dem Tag am Strand erfahren haben, aber er verhielt sich uns beiden gegenüber nicht anders als sonst, und auch Achill war so wie immer. Ich ging zu Bett, zwar nicht im Frieden mit der Welt, aber immerhin beruhigt.

Nach diesem Tag kam sie häufiger, wie von Cheiron vorhergesagt. Ich lernte, die Zeichen ihrer Ankunft zu deuten – erkannte die Totenstille, bevor sie erschien. Dann hielt ich mich jedes Mal in Cheirons Nähe auf und blieb in der Höhle. Ihre Besuche waren für mich nicht weiter von Belang, und ich redete mir ein, dass ich ihr gönnte, ihren Sohn zu sehen. Trotzdem war ich immer froh, wenn sie wieder ging.

Es wurde Winter, und der Fluss gefror. Achill und ich wagten uns aufs Eis hinaus, in das wir später Löcher schlugen, um zu fischen. Es war unser einziges Fleisch, denn im Wald gab es nur noch Mäuse und manchmal den einen oder anderen Marder.

Es begann zu schneien, wie Cheiron vorausgesagt hatte. Wir lagen auf dem Boden, ließen die Flocken auf uns herabrieseln und behauchten sie mit unserem Atem, bis sie geschmolzen waren. Wir hatten weder Stiefel noch Mäntel, nur die Felle, die uns Cheiron gegeben hatte, und waren froh, uns in die warme Höhle zurückziehen zu können. Sogar Cheiron trug jetzt ein Hemd, genäht aus dem Fell eines Bären, wie er sagte.

Nach dem ersten Schneefall zählten wir die Tage und markierten sie mit Strichen auf einem Stein. »Wenn ihr die Fünfzig erreicht«, sagte Cheiron, »wird das Eis auf dem Fluss brechen.« Am Morgen des fünfzigsten Tages hörten wir ein seltsames Geräusch. Es war, als stürzten Bäume. Die Eisdecke auf dem Fluss zeigte nahe dem Ufer erste Risse. »Bald ist Frühling«, sagte Cheiron.

Nicht lange danach fing das Gras wieder zu wachsen an, und die Eichhörnchen kamen aus ihren Kobeln hervor, abgemagert und hungrig. Wir taten es ihnen gleich und aßen unser Frühstück in der frischen Frühlingsluft. Eines Morgens fragte Achill den Zentaur, ob er uns zu kämpfen beibringen würde.

Ich wunderte mich, warum er ausgerechnet jetzt darauf zu sprechen kam. Weil er sich nach dem langen Winter endlich wieder austoben wollte? Oder hatte es mit seiner Mutter zu tun, die kürzlich wieder zu Besuch gewesen war?

Wirst du uns zu kämpfen beibringen?


Cheiron ließ sich mit der Antwort Zeit. Ich glaubte fast, mir die Frage nur eingebildet zu haben. »Wenn ihr wollt«, sagte er schließlich.

Er holte für uns beide je einen Speer und ein Übungsschwert aus einer Ecke der Höhle hervor, führte uns zu einer Lichtung weiter oben auf dem Berg und forderte uns auf, ihm zu zeigen, was wir bislang gelernt hatten. Ich führte ein paar halbherzige Paraden und Hiebe vor, während Achill neben mir sein ganzes Können unter Beweis stellte. Mit einem bronzeverstärkten Stab fuhr Cheiron gelegentlich dazwischen, um zu sehen, wie wir reagierten.

So ging es eine geraume Zeit lang, und mir wurden die Arme schwer. Schließlich gönnte uns Cheiron eine Pause. Wir tranken aus dem Wasserschlauch und legten uns aufs Gras. Ich war außer Atem, Achill offenbar nicht.

Cheiron stand vor uns und schwieg.

»Und, was denkst du?«, fragte Achill ungeduldig. Cheiron war, wie ich mich erinnerte, erst die vierte Person, die ihn hatte kämpfen sehen.

Die Antwort des Zentauren kam völlig unerwartet.

»Dir kann ich nichts mehr beibringen. Du beherrschst bereits alles, was Herakles beherrschte, und mehr noch. Du bist der größte Krieger deiner Generation und aller Generationen vor dir.«

Achill errötete, ob aus Verlegenheit oder weil er sich geschmeichelt fühlte, konnte ich nicht sagen.

»Man wird von deinen Fähigkeiten hören und als Kämpfer für fremde Kriege um dich werben.« Nach einer kurzen Pause fragte er: »Wie wirst du auf solche Anträge antworten?«

»Ich weiß nicht«, entgegnete Achill.

»Fürs Erste reicht diese Antwort, aber sie wird in Zukunft nicht genügen«, sagte Cheiron.

Es wurde für eine Weile still, und ich glaubte, die Luft knistern zu hören. Achill wirkte zum ersten Mal, seit wir bei Cheiron waren, angespannt und ernst.

»Und wie steht’s um mich?«, wollte ich wissen.

Cheiron sah mich aus seinen dunklen Augen an. »Du wirst als Kämpfer keinen Ruhm erlangen. Überrascht dich das?«

Seine Stimme klang nüchtern, was der Aussage irgendwie den Stachel nahm.

»Nein«, antwortete ich ehrlich.

»Trotzdem kann ein guter Soldat aus dir werden. Möchtest du einer sein?«

Ich dachte an die trüben Augen des Jungen und daran, wie schnell sein Blut im Staub versickert war. Ich dachte an Achill, den größten Kämpfer seiner Generation. Ich dachte an Thetis, die ihn mir nehmen würde, wenn sie es könnte.

»Nein«, sagte ich.

So endete unsere Lektion in Sachen Kriegskunst.

Der Frühling ging in den Sommer über. Es wurde wärmer, alles grünte, und in den Wäldern gab es wieder Wild und Früchte in Hülle und Fülle. Als Achill vierzehn wurde, kamen Boten mit Geschenken von Peleus. Es war seltsam, sie hier in ihren Uniformen und den Farben des Palasts zu sehen. Sie begafften uns mit unverhohlener Neugier, mich, Achill und vor allem Cheiron. Im Palast wurde gern getratscht, und diese Männer würden bei ihrer Rückkehr wie Fürsten empfangen werden. Ich war froh, als sie ihre geleerten Taschen wieder schulterten und abzogen.

Die Geschenke waren willkommen – neue Saiten für die Leier, frische Gewänder, gewebt aus feinster Wolle, und ein Bogen samt Pfeilen mit Eisenspitzen. Damit würden wir demnächst fette Beute machen für unseren Tisch.

Andere Dinge waren weniger nützlich – Mäntel, mit Gold durchwirkt, ein mit Edelsteinen besetzter Gürtel, der viel zu schwer war, als dass er zu irgendetwas hätte taugen mögen. Und dann war da noch eine Pferdedecke, mit Stickereien reich verziert, ein Prunkstück für das Reittier eines Prinzen.

»Ich hoffe, die ist nicht für mich«, sagte Cheiron und zog die Stirn in Falten. Wir rissen sie in Stücke, die uns als Kompressen, Verbandsmaterial oder Putzlappen dienen konnten. Das feste Material eignete sich vorzüglich, um Schmutz und Essensreste wegzuwischen.

Am Nachmittag lagen wir im Gras vor der Höhle. »Es ist fast ein Jahr her, seit wir hier angekommen sind«, sagte Achill. Es wehte ein angenehm kühler Wind.

»So lange kommt es mir gar nicht vor«, entgegnete ich mit schläfrigem Blick ins Himmelblau.

»Fehlt dir der Palast?«

Ich dachte an die Gaben seines Vaters, an die Dienstboten und ihre Blicke, an die Nachrichten, die sie nach Hause zurückbringen würden.

»Nein«, antwortete ich.

»Mir auch nicht«, sagte er. »Ich hatte geglaubt, ich würde etwas vermissen, aber dem ist nicht so.«

Die Tage gingen ins Land, Monate und schließlich ein weiteres Jahr.

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