Dreizehntes Kapitel

Die nächsten Tage verliefen ruhig. Wir frühstückten in unserer Kammer, erkundeten die Insel und suchten den Schatten der wenigen schütteren Bäume. Wir mussten vorsichtig sein. Achill durfte nicht allzu schnell laufen, nicht zu geschickt klettern oder einen Speer halten. Aber zum Glück folgte uns niemand, und wir fanden geschützte Stellen, an denen er seine Verkleidung ablegen konnte.

Am äußeren Rand der Insel gab es einen verlassenen Strand, der zwar voller Geröll, aber doppelt so lang wie unsere gewohnte Laufstrecke in Phthia war. Achill stieß einen Freudenschrei aus, als wir ihn entdeckten, und riss sich sein Gewand vom Leib. Ich sah ihn laufen, so schnell wie auf ebenem Boden. »Zähl mit«, rief er mir über die Schulter hinweg zu, und ich tippte im Takt mit dem Fuß in den Sand.

»Wie viel?«, rief er, am Ende der Strecke angelangt.

»Dreizehn«, antwortete ich.

»Ich habe mich bloß aufgewärmt«, erwiderte er.

Beim nächsten Mal waren es elf und bei seinem letzten Versuch schließlich neun. Er nahm neben mir Platz und schien kaum außer Atem zu sein. Seine Wangen waren vor Freude gerötet. Er hatte mir von seinen Tagen als Frau erzählt, den langen Stunden erzwungener Langeweile, unterbrochen nur von Tänzen. Endlich frei, reckte er sich nun wie die Bergkatzen des Pelion, voller Spannkraft und Lebenslust.

Abends mussten wir zurück in die große Halle. Widerwillig zog er sich dann das Kleid an und glättete die Haare. Meist wickelte er ein Tuch um den Kopf, denn mit seinen goldenen Haaren wäre er unweigerlich den Seeleuten und Händlern aufgefallen, die den Hafen erreichten. Wenn deren Berichte Leute erreichten, die zwei und zwei zusammenzuzählen wussten – ich mochte mir die Folgen nicht ausmalen.

In der Nähe der Throne stand unser Tisch. Dort nahmen wir bei den Mahlzeiten zu viert Platz: Lykomedes, Deidameia, Achill und ich. Manchmal gesellten sich auch ein oder zwei Berater zu uns. Wir aßen meist schweigend und wahrten die Form, wonach Achill als meine Frau und Mündel des Königs auftrat. Deidameia suchte immer wieder seine Blicke, doch er sah sie nicht an. »Guten Abend«, sagte er immer mit mädchenhafter Stimme, wenn wir uns an den Tisch setzten, mehr nicht. Seine Gleichgültigkeit ihr gegenüber war greifbar, und ich sah, wie sich in ihrem hübschen Gesicht Scham, Verletztheit und Wut spiegelten. Häufig warf sie einen Blick auf ihren Vater in der Hoffnung, er möge ein Wort für sie einlegen. Doch Lykomedes aß schweigend weiter und tat nichts dergleichen.

Manchmal bemerkte sie, dass ich sie beobachtete. Dann wurde ihre Miene hart, und ihre Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, als wollte sie Böses abwehren, das ich ihr, so schien sie zu glauben, wünschte. Vielleicht vermutete sie auch, ich würde mich über sie lustig machen und meinen Triumph auskosten. Oder sie dachte, ich würde sie hassen. Sie ahnte nicht, wie oft ich geneigt war, Achill zu bitten, ihr gegenüber ein bisschen freundlicher zu sein. Du solltest sie nicht so demütigen, dachte ich. Doch es mangelte ihm nicht an Freundlichkeit, sondern an Interesse. Seine Augen gingen über sie hinweg, als wäre sie gar nicht anwesend.

Einmal versuchte sie ihn anzusprechen, wobei ihre Stimme voller Hoffnung zitterte.

»Geht es dir gut, Pyrrha?«

Er aß weiter, manierlich wie immer. Wir hatten uns vorgenommen, nach dem Essen hinauszugehen und beim Mondlicht mit Speeren zu fischen. Es drängte ihn, aufzubrechen. Ich stieß ihn unter der Tischplatte an.

»Was ist?«, fragte er mich.

»Die Prinzessin fragt, ob es dir gut geht.«

»Oh.« Er sah sie flüchtig an, richtete dann den Blick zurück auf mich und sagte: »Ja, es geht mir gut.«

Die Tage vergingen. Achill stand früh auf, um noch vor Sonnenaufgang in einem entlegenen Hain, wo wir Waffen versteckt hatten, mit seinen Übungen zu beginnen. Anschließend kehrte er als Frau zur Burg zurück. Manchmal besuchte er auch seine Mutter. Dann saß er wartend auf einem Felsvorsprung am Meer und ließ die Füße ins Wasser baumeln.

Eines Morgens – Achill war schon fort – klopfte es laut an der Kammertür.

»Ja?«, rief ich, worauf zwei Wachen eintraten. Sie trugen Speere und nahmen Haltung an. Ich fand es fast seltsam, sie ohne ihre Würfel zu sehen.

»Du kommst mit uns«, sagte einer der beiden.

»Warum?« Ich lag noch im Bett und war benommen vom Schlaf.

»Die Prinzessin will es so.« Sie nahmen mich zwischen sich und zogen mich an den Armen zur Tür. Als ich zu protestieren versuchte, rückte mir einer der beiden ganz nah ans Gesicht heran und sagte: »Es wäre besser, du verhältst dich ruhig.« Und als wollte er mir Angst machen, strich er mit dem Daumen über die Spitze seines Speers.

Dass sie mir Gewalt antun würden, war nicht zu befürchten, aber ich wollte nicht, dass sie mich durch die Flure schleiften. »Na schön«, sagte ich und ging freiwillig mit.

Sie führten mich durch schmale Gänge, die ich nie zuvor betreten hatte. Wir befanden uns im Quartier der Frauen, einem Bienenstock aus engen Zellen, in denen Deidameias Pflegeschwestern untergebracht waren. Hinter verschlossenen Türen hörte ich Gelächter und das endlose Hin und Her von Weberschiffchen. Von Achill wusste ich, dass die Sonne hier nicht in die Fenster schien und auch kein Lüftchen in den Kammern wehte. Er hatte über einen Monat in ihnen zugebracht, was ich mir kaum vorstellen konnte.

Wir gelangten zu einer großen Tür, die aus edlerem Holz war als die anderen. Eine der Wachen klopfte an, öffnete sie und schob mich über die Schwelle. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss.

Deidameia saß in züchtiger Haltung auf einem lederbezogenen Stuhl und musterte mich. Neben ihr stand ein Tisch, ein kleiner Schemel zu ihren Füßen. Ansonsten war der Raum leer.

Anscheinend wusste sie, dass Achill nicht im Haus war. Sie hat es geplant, dachte ich.

Weil es keine Sitzmöglichkeit für mich gab, blieb ich stehen. Der Steinboden war kalt unter meinen bloßen Füßen. Ich sah eine zweite, kleinere Tür, die, wie ich vermutete, zu ihrer Schlafkammer führte.

Sie beobachtete mich mit wachem Blick. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

»Du wolltest mich sprechen.«

Sie ließ ein kleines, verächtliches Schnauben verlauten. »Ja, Patroklos, so ist es.«

Ich wartete, doch sie schwieg, musterte mich bloß und tippte mit einem Finger auf die Armlehne. Ihr Kleid saß lockerer als sonst und war, im Unterschied zu den Kleidern, in denen ich sie üblicherweise sah, in der Mitte nicht gerafft. Ihre Haare fielen frei herab und wurden nur von zwei elfenbeinernen Kämmen an den Schläfen zurückgehalten. Sie neigte ihren Kopf zur Seite und lächelte mich an.

»Sonderbar, du bist nicht einmal hübsch, siehst vielmehr recht gewöhnlich aus.«

Wie ihr Vater hatte auch sie die Art, längere Pausen einzulegen, als erwartete sie eine Entgegnung. Ich spürte, dass mir das Gesicht rot anlief, und räusperte mich, um etwas zu sagen.

»Du sprichst erst, wenn ich es dir erlaube«, kam sie mir zuvor und ließ genügend Zeit verstreichen, um sicherzugehen, dass ich gehorchte. »Ja, wirklich sonderbar. Schau dich an.« Sie stand auf und kam mit schnellen Schritten auf mich zu. »Du hast einen viel zu kurzen Hals, und deine Brust ist so mager wie die eines Knaben.« Sie zeigte mit dem Finger auf mich. »Und dieses Gesicht.« Sie schien sich zu ekeln. »Scheußlich. Meine Tänzerinnen sind ganz meiner Meinung. Selbst mein Vater stimmt mir zu.« Ihre hübschen roten Lippen teilten sich und zeigten strahlend weiße Zähne. So nahe hatte ich sie noch nie vor mir gesehen. Ich konnte ihren Duft wahrnehmen, der so süß war wie der einer Akanthusblüte. Aus der Nähe betrachtet, hatte das Schwarz ihrer Haare einen dunkelbraun schimmernden Stich.

»Und? Was sagst du dazu?« Sie stemmte die Hände in die Hüften.

»Du hast mir noch nicht erlaubt zu sprechen«, entgegnete ich.

Sie reagierte sichtlich verärgert. »Sei kein Narr«, blaffte sie mich an.

»Ich wollte nicht –«

Sie schlug mich. Ihre Hand war klein, aber überraschend kräftig. Mein Kopf flog zur Seite. Die Haut brannte, und die Oberlippe tat empfindlich weh, denn dort hatte sie mich mit ihrem Ring gestreift. Ich war seit meiner Kindheit nicht mehr so behandelt worden. Knaben wurden gewöhnlich nicht geschlagen, es sei denn, ein Vater wollte damit seine Verachtung zum Ausdruck bringen. So wie meiner früher. Ich war erschüttert und sprachlos.

Sie fletschte ihre Zähne, wie um mich davor zu warnen, ja nicht zurückzuschlagen. Als sie sah, dass ich sie nicht antasten würde, verzog sie das Gesicht zu einer Miene des Triumphes. »Feigling. Du bist so feige wie hässlich. Und ein Schwachkopf, wie man hört. Ich kann es nicht begreifen. Es ergibt keinen Sinn, dass er –« Sie brach abrupt ab, und ihr Mundwinkel hing herab, als hätte sich ein Fischerhaken darin verfangen. Sie kehrte mir den Rücken zu und war still. Das Schweigen zog sich hin. Ich hörte sie langsam ein- und ausatmen, um zu verbergen, dass sie weinte. Ich kannte den Trick, hatte ihn selbst häufig genug benutzt.

»Ich hasse dich«, sagte sie, doch ihre Stimme war belegt und ohne Kraft. Mich überkam Mitleid; es kühlte meine heißen Wangen. Ich erinnerte mich, wie schwer Gleichgültigkeit zu ertragen war.

Sie schluckte, fuhr mit der Hand ans Gesicht und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich werde morgen abreisen«, sagte sie. »Du wirst dich darüber wohl freuen. Mein Vater will, dass ich vor meiner Niederkunft nicht mehr gesehen werde, und bevor bekannt gegeben wird, dass ich vermählt bin.«

Ich hörte ihrer Stimme die Bitterkeit an, die sie zu empfinden schien. Sie würde irgendwo an der Landesgrenze ein kleines Haus beziehen, auf die Gesellschaft ihrer Freundinnen verzichten müssen und mit ihrem schwellenden Bauch und einer Sklavin allein sein.

»Es tut mir leid«, sagte ich.

Sie antwortete nicht. Ich sah ihre Schultern unter dem weißen Gewand sich seufzend heben und senken und war geneigt, auf sie zuzutreten und ihr tröstend mit der Hand über die Haare zu streichen. Doch meine Berührung wäre für sie kein Trost. Ich hielt mich zurück.

Wir standen eine Weile unschlüssig da. Ihre Atemgeräusche füllten die Kammer. Als sie sich zu mir umdrehte, war ihr Gesicht vom Weinen gerötet.

»Achill beachtet mich nicht.« Ihre Stimme zitterte ein wenig. »Obwohl ich sein Kind in mir trage und seine Frau bin. Kannst du dir das … erklären?«

So fragte eigentlich nur ein Kind, das wissen wollte, warum es regnete oder warum das Meer nie still stünde. Ich kam mir älter und reifer vor als sie, obwohl ich es nicht war.

»Nein«, antwortete ich.

Sie verzog das Gesicht. »Lügner! Du bist der Grund. Er wird mit dir gehen und mich verlassen.«

Ich wusste, wie es sich anfühlte, allein zu sein, kannte den bohrenden Schmerz, den einem das Glück anderer versetzte, wenn man selbst Kummer litt. Doch es gab nichts, was ich für sie hätte tun können.

»Ich sollte besser gehen«, sagte ich leise und möglichst schonend.

»Nein!« Sie sprang zur Tür und verstellte mir den Weg. »Du gehst nicht«, platzte es aus ihr heraus. »Falls du es wagst, rufe ich die Wachen. Ich … ich werde behaupten, du wärst über mich hergefallen.«

Mein Mitgefühl mit ihr drückte mich nieder. Selbst wenn sie die Wachen riefe, selbst wenn sie ihr glauben würden, wäre ihr nicht geholfen. Ich war Achills Gefährte und somit unverwundbar.

Anscheinend zeigte sich in meiner Miene, was ich dachte. Sie schreckte zurück wie von einer Wespe gestochen und geriet wieder in Aufruhr.

»Es hat dich verletzt, dass er mich zur Frau genommen und mir beigewohnt hat. Du warst eifersüchtig, und das zu Recht.« Sie hob ihr Kinn, wie es ihre Art war. »Er hat mir mehr als einmal beigewohnt.«

Zweimal. Achill hatte es mir gesagt. Sie glaubte, einen Keil zwischen uns treiben zu können, doch das würde ihr nie gelingen.

»Es tut mir leid«, wiederholte ich, weil ich nichts anderes zu sagen wusste. Er liebte sie nicht, würde sie nie lieben.

Sie verzerrte das Gesicht, als hätte sie meine Gedanken gehört. Tränen tropften zu Boden und färbten die grauen Steinplatten schwarz.

»Lass mich deinen Vater holen«, sagte ich. »Oder eine deiner Freundinnen.«

Sie blickte zu mir auf. »Bitte –«, flüsterte sie. »Bitte, bleib, geh nicht.«

Sie zitterte wie ein gerade erst geborenes Lebewesen. Bislang hatte sie ihren Kummer verbergen können, zumal immer jemand in der Nähe gewesen war, der ihr Trost spendete. Aber jetzt und hier, zwischen den kahlen Wänden, kannte ihr Schmerz keine Grenzen.

Unwillkürlich trat ich auf sie zu. Sie seufzte wie ein schlafendes Kind und ließ sich dankbar in meine ausgestreckten Arme fallen. Ihre Tränen sickerten durch mein Kleid. Ich umfasste ihre Taille und fühlte die warme, weiche Haut ihrer Arme. Vielleicht hatte er sie genauso gehalten. Doch in diesem Moment schien Achill weit weg zu sein; sein Glanz hatte in dieser grauen, tristen Kammer keinen Platz. Ihr Gesicht drückte sich fiebrig heiß auf meine Brust. Ich sah nur den Wust ihrer vollen dunklen Haare und die bleiche Kopfhaut darunter.

Ihr Schluchzen wurde weniger, und sie schmiegte sich näher an mich. Ich spürte ihre Hand über meinen Rücken streicheln, ihren an mich gepressten Körper. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Dann aber verstand ich.

»Du möchtest das nicht«, sagte ich und versuchte, von ihr abzurücken. Doch sie hielt mich fest.

»Doch, ich möchte es.« Ihr Blick machte mir fast Angst.

»Deidameia.« Ich versuchte, jenen Tonfall anzuschlagen, mit dem ich Peleus zum Einlenken bewegt hatte. »Draußen stehen die Wachen. Du darfst jetzt nicht –«

Sie hatte sich beruhigt und sagte mit fester Stimme: »Sie werden uns nicht stören.«

Ich schluckte. Mein Hals war wie ausgetrocknet. »Achill wird nach mir suchen.«

Sie lächelte traurig. »Hier wird er nicht nachsehen.« Sie ergriff meine Hand. »Komm«, sagte sie und zog mich zur Tür ihrer Schlafkammer.

Auf meine Bitte hin hatte mir Achill von den gemeinsamen Nächten mit Deidameia erzählt, ganz freimütig, denn es gab keine Geheimnisse zwischen uns. Ihr Körper, hatte er gesagt, sei so klein und zart wie der eines Kindes. In Begleitung seiner Mutter war sie eines Nachts zu ihm in die Kammer gekommen und hatte sich zu ihm ins Bett gelegt. Es sei, so Achill, alles sehr schnell gegangen und keiner von ihnen habe ein Wort gesagt. Er zögerte ein wenig, als er ihren Schoß beschrieb. »Er war ganz feucht und glitschig wie Öl.« Als ich ihn drängte, ausführlicher zu werden, schüttelte er den Kopf. »Ich kann mich wirklich nicht gut erinnern. Es war dunkel. Ich konnte nichts sehen und wollte nur, dass es bald vorüber sein würde.« Er streichelte mir über die Wange. »Du hast mir so gefehlt.«

Die Tür ging hinter uns zu. Wir waren allein in ihrem Schlafgemach. An den Wänden hingen Webteppiche, der Boden war mit Schaffellen ausgelegt. Ihr Bett stand unter einem kleinen Fenster. Sie zog ihr Kleid über den Kopf und ließ es fallen.

»Findest du mich schön?«, fragte sie.

Ich war froh, eine einfache Antwort geben zu können, und sagte: »Ja.« Sie war kleingewachsen und zierlich, der Bauch, in dem ihr Kind heranwuchs, kaum merklich gewölbt. Mein Blick wanderte unwillkürlich auf das, was ich bislang noch nie gesehen hatte, ein kleines Dreieck dunkler und nach oben gerichteter Härchen. Sie sah, wohin ich blickte, langte nach meiner Hand und führte sie an die Stelle, die eine Gluthitze ausstrahlte.

Die Haut, über die meine Finger fuhren, war warm und so zart, dass ich fürchtete, sie könnte zerreißen. Mit der anderen Hand streichelte ich ihre Wange und die weichen Lider unter den Augen, deren Ausdruck mich erschreckte. Er war ohne Hoffnung und freudlos, zeugte aber von fester Entschlossenheit.

Fast hätte ich Reißaus genommen. Doch ich konnte sie nicht noch mehr enttäuschen, ihr vorenthalten, was sie wünschte. Also ließ ich zu, dass sie mich aufs Bett und zwischen ihre Schenkel zog, wo sich zarte Haut auftat. Ihr kleines Gesicht wirkte hoch konzentriert, und es schien, als habe sie Schmerzen, so fest presste sie die Zähne aufeinander. Es war für uns beide eine Erleichterung, als sie sich mir schließlich öffnete.

Ich kann nicht sagen, dass ich erregt war, doch ich spürte ein langsames Aufwallen in mir, eine seltsame, fast träumerische Empfindung, die so ganz anders war als meine scharfe, heftige Lust auf Achill. Es schien, dass meine Trägheit sie erneut verletzte. Noch mehr Gleichgültigkeit. Und so rührte ich mich, gab lustvolle Laute von mir und presste meine Brust an ihre.

Es schien ihr zu gefallen. Sie trieb mich an und schien plötzlich zu brennen. Ihre Augen leuchteten triumphierend auf, als ich zu keuchen anfing. Und als ich immer schneller wurde, schlang sie ihre leichten Schenkel fest um meinen Leib und bäumte sich unter mir auf.

Danach lagen wir atemlos Seite an Seite, ohne uns zu berühren. Sie war wie entrückt, ihre Haltung seltsam steif. Noch benommen und erschöpft versuchte ich, sie in den Arm zu nehmen. Zumindest das konnte ich ihr anbieten.

Doch sie rückte von mir ab und stieg aus dem Bett. Ihre Augen waren dunkel umrandet. Sie schlüpfte in ihr Kleid und kehrte mir dabei den Rücken zu. Ich wusste nicht, worauf sie es angelegt hatte, spürte aber, dass ich ihr nicht geben konnte, was sie wollte. Auch ich stand auf und zog mich an. Ich wollte sie berühren, ihr Gesicht streicheln, doch ihr Blick wehrte mich ab. Hüte dich, sagten ihre Augen. Sie öffnete mir die Tür. Mit gesenktem Kopf trat ich über die Schwelle hinaus in den Gang.

»Warte!« Ihre Stimme klang rau. Ich drehte mich um. »Richte ihm mein Lebwohl aus«, sagte sie und schlug die Tür zu.

Als ich Achill schließlich fand, fiel ich ihm vor Glück und Erleichterung in die Arme, selig, von Deidameias Kummer und Schmerz erlöst zu sein.

Später war ich fast überzeugt davon, dass ich, von seinen Schilderungen und meiner überbordenden Fantasie inspiriert, nur geträumt hatte. Doch dem war nicht so.

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